Tag Abwägung

Was Kraftfahrzeughalter über die Haftungsverteilung bei einem durch mehrere Kraftfahrzeuge verursachten

…. Verkehrsunfallschaden wissen sollten.

Nach § 17 Abs. 2, Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) hängt die Haftungsverteilung davon ab, inwieweit die Schäden vorwiegend von 

  • dem einen oder 
  • dem anderen Teil 

verursacht worden sind, wobei die Abwägung 

  • aufgrund aller festgestellten Umstände des Einzelfalles 

vorzunehmen und dabei in erster Linie das Maß 

  • der Verursachung 

von Belang ist, in dem die 

  • Beteiligten zur Schadensentstehung 

beigetragen haben.

  • Das beiderseitige Verschulden ist dabei nur ein Faktor der Abwägung. 

Übrigens:
Auch wenn der Unfall für den Fahrer 

  • des einen beteiligten Fahrzeugs selbst 

nicht unabwendbar im Sinne des § 17 Abs. 3 StVG war, kann, sofern die schwere Schuld der Gegenseite 

  • die eigene geringe Schuld oder 
  • die allein zu berücksichtigende Betriebsgefahr 

ganz zurücktreten lässt, der Halter des anderen am Unfall beteiligten Fahrzeugs 

  • allein für die Unfallschäden haften.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 15.06.2021 – VI ZR 1029/20 – hingewiesen.

BVerfG erläutert, wonach sich beurteilt, ob eine ehrverletzende Äußerung als strafbare Beleidigung

…. angesehen werden kann. 

Mit Beschluss vom 19.08.2020 – 1 BvR 2249/19 – hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darauf hingewiesen, dass,

  • da Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) Jedem das Recht gibt, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten, 

strafrechtliche Verurteilungen 

  • wegen Beleidigung (§ 185 Strafgesetzbuch (StGB)) 

in das Grundrecht der Meinungsfreiheit eingreifen und die Anwendung dieser Strafnorm daher eine  

  • der Meinungsfreiheit gerecht werdende Ermittlung des Sinns der infrage stehenden Äußerung 

und darauf aufbauend im Normalfall, unter Berücksichtigung 

  • der konkreten Umständen des Falles und 
  • der Situation, in der die Äußerung gefallen ist,

einer abwägenden Gewichtung der Beeinträchtigungen bedarf, die 

  • der persönlichen Ehre auf der einen und 
  • der Meinungsfreiheit auf der anderen Seite 

drohen.

Danach ist eine ehrbeeinträchtigende Äußerung, 

  • abgesehen von den Fällen, in denen die Äußerung 
    • die Menschenwürde einer konkreten Person antastet oder 
    • sich als Formalbeleidigung oder 
    • als Schmähung darstellt und deswegen eine solche Abwägung ausnahmsweise entbehrlich sein kann,   

nur dann eine tatbestandsmäßige und rechtswidrige (§ 193 StGB) Beleidigung, wenn die Grundrechtsabwägung ergibt, dass 

  • das Gewicht der persönlichen Ehre in der konkreten Situation 
  • die Meinungsfreiheit des Äußernden 

überwiegt.

Dabei können zu den zu berücksichtigenden Umständen insbesondere 

  • Inhalt,
  • Form,
  • Anlass und 
  • Wirkung der Äußerung sowie 
  • Person und Anzahl der Äußernden, der Betroffenen und der Rezipienten 

gehören (so auch BVerfG, Beschlüsse vom 19.05.2020 – 1 BvR 2459/19, 1 BvR 2397/19, 1 BvR 1094/19, 1 BvR 362/18 –).

OLG Oldenburg entscheidet, wann ein Pflegeheim einen Heimvertrag wegen Verhaltens des Bewohners kündigen kann

…. und wann nicht.

Mit Urteil vom 28.05.2020 – 1 U 156/19 – hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg in einem Fall, in dem der Träger eines Pflegeheims den mit einer Seniorin, 

  • die 2015 in die Demenzabteilung des Heimes gezogen war,

geschlossenen Pflegeheimvertrag, 

  • nachdem die Seniorin sich seit einem Krankenhausaufenthalt und der medikamentösen Neueinstellung dort viel unruhiger als zuvor zeigte,

mit der Begründung gekündigt hatte, dass

  • die Seniorin ständig umherlaufe, in die Zimmer anderer Bewohner gehe, dort Türen und Fenster öffne und bei der Intimpflege zuschaue, dadurch den Heimfrieden erheblich störe und 
  • sie eine Gefahr für sich und andere darstelle, weil sie aggressiv sei, die Pflegekräfte boxe, ihnen und anderen Bewohnern das Bein stelle sowie sie mit dem Rollator anfahre und sie außerdem nicht mehr richtig esse und trinke,

die Räumungsklage des Heimträgers gegen die Seniorin,

  • wegen Unwirksamkeit der Kündigung,

abgewiesen.

Danach war, wie der Senat ausgeführt hat,

  • da ein Heimvertrag von Seiten des Heimes nur aus wichtigem Grund gekündigt werden kann (vgl. § 12 Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG)), wenn dem Heim ein Festhalten am Vertrag nicht zumutbar ist,

abzuwägen,

  • die Interessen des alten Menschen, einen Umzug und die damit verbundenen Schwierigkeiten zu vermeiden und 
  • die Interessen des Heimes, sich von dem Vertrag zu lösen 

und habe diese Abwägung, unter Berücksichtigung, dass 

  • dem Heim die Demenzerkrankung der alten Dame bereits bei deren Einzug bekannt gewesen sei,
  • gewisse Verhaltensauffälligkeiten daher hinzunehmen seien, 
  • es vorliegend zu Sach- oder gar Körperschäden nicht gekommen und
  • auch Maßnahmen, die Seniorin von dem geschilderten Verhalten abzuhalten, von dem Heim noch nicht ergriffen worden waren,

ergeben, dass sich das behauptete Verhalten der alten Dame 

  • in einem Rahmen bewege, 

der von dem Betreiber eines Pflegeheims 

  • von Bewohnern einer Demenzabteilung 

noch hingenommen werden müsse (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg). 

Übrigens:
Hingewiesen wird auch auf unsere Blogs, 

Wonach beurteilt sich, ob (gravierend) ehrverletzende und damit unsachliche Äußerungen als Beleidigung strafbar oder (noch) durch

…. die Meinungsfreiheit geschützt sind?

In vier Beschlüssen vom 19.05.2020 – 1 BvR 2459/19, 1 BvR 2397/19, 1 BvR 1094/19, 1 BvR 362/18 – hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darauf hingewiesen, dass zur Beurteilung, ob 

  • eine (gravierend) ehrbeeinträchtigende Äußerung 

rechtswidrig und unter den Voraussetzungen der §§ 185, 193 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar ist oder nicht, es, 

  • – sofern nicht (schon) der Sonderfall einer Schmähkritik, einer Formalbeleidigung oder einer Verletzung der Menschenwürde vorliegt, hinter die die Meinungsfreiheit ausnahmsweise stets zurücktritt –   

zunächst der Ermittlung 

  • des Sinns der infrage stehenden Äußerung

bedarf und anschließend daran, 

  • unter Berücksichtigung der kontextbezogenen Bedeutung der Äußerung in der konkreten Situation,

einer Abwägung,  

  • mit Blick auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG)) einerseits und 
  • das aus Art 2 Abs. 1 GG (der freien Entfaltung) sowie Art 1 Abs. 1 GG (der Menschenwürde) abgeleitete Persönlichkeitsrecht des von der Äußerung Betroffenen andererseits, 

ob in dem jeweiligen Einzelfall  

  • das Gewicht der Ehre
  • die Meinungsfreiheit des Äußernden. 

überwiegt.

Bei dieser gebotenen Abwägung kann (mit) wesentlich sein,

  • ob die Äußerung bzw. inwieweit sie grundlegende, allen Menschen gleichermaßen zukommende Achtungsansprüche betrifft oder eher das jeweils unterschiedliche soziale Ansehen des Betroffenen,
  • ob die Äußerung darauf abzielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten oder ob es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht, 
  • ob die Äußerung sich richtet gegen Personen, die, wie etwa Politiker bewusst in die Öffentlichkeit treten oder solche, denen als staatliche Amtswalter ohne ihr besonderes Zutun eine Aufgabe mit Bürgerkontakt übertragen wurde,
  • ob Gegenstand der Äußerung das öffentliche Wirken einer Person oder ihr Privatleben ist,
  • ob es sich um eine ins Persönliche gehende (öffentliche) Beschimpfung, Verächtlichmachung oder Hetze handelt,
  • ob die Äußerung unvermittelt in einer hitzigen Situation oder im Gegenteil mit längerem Vorbedacht gefallen ist, 
  • ob und inwieweit für die betreffende Äußerung ein konkreter und nachvollziehbarer Anlass bestanden hat und
  • die konkrete Breitenwirkung die die Äußerung entfaltet. 

Übrigens:
Eine Schmähung,

  • bei der ebenso, wie bei einer Formalbeleidigung oder einer Verletzung der Menschenwürde, die Meinungsfreiheit stets (ausnahmsweise) zurücktritt – somit auch eine Abwägung, wie oben dargestellt, entbehrlich ist -,  

zeichnet sich dadurch aus, dass die Äußerung

  • keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und 
  • es bei ihr allein um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht,

wie bei Fällen, 

  • in denen eine vorherige Auseinandersetzung erkennbar nur äußerlich zum Anlass genommen wird, um über andere Personen herzuziehen oder sie niederzumachen, etwa aus verselbständigter persönlicher Feindschaft („Privatfehde“) 

oder aber auch dann, 

  • wenn – insbesondere unter den Kommunikationsbedingungen des Internets – Personen ohne jeden nachvollziehbaren Bezug zu einer Sachkritik grundlos aus verwerflichen Motiven wie Hass- oder Wutgefühlen heraus verunglimpft und verächtlich gemacht werden. 

Um eine Formalbeleidigung kann es sich handeln bei der Verwendung 

  • mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung 

von, 

  • nach allgemeiner Auffassung 

besonders krassen, aus sich heraus herabwürdigenden Schimpfwörtern – etwa aus der Fäkalsprache -.

Eine Verletzung der Menschenwürde liegt vor, wenn die Äußerung 

  • sich nicht lediglich gegen einzelne Persönlichkeitsrechte richtet, 
  • sondern einer konkreten Person den ihre menschliche Würde ausmachenden Kern der Persönlichkeit abspricht (Quelle: Pressemitteilung des BVerfG).

Hinweis:
Vergleiche in diesem Zusammenhang auch die Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG

sowie dazu, wann die Unterlassung einer nicht erweislich wahren Tatsachenbehauptung verlangt werden kann und wann nicht,

Was man wissen sollte, wenn man gegen die Veröffentlichung seines Fotos in Presseerzeugnissen vorgehen,

…. also ein Medienunternehmen auf Unterlassung einer Bildberichterstattung in Anspruch nehmen will.

Ob eine Bildveröffentlichung zulässig ist, beurteilt sich nach dem abgestuften Schutzkonzept der §§ 22, 23 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie (KUG).

Danach sind die Verbreitung und die zur Schau Stellung des Bildes einer Person,

  • falls sie nicht von der Einwilligung des Abgebildeten gedeckt sind (§ 22 Satz 1 KUG),

nur zulässig, wenn es sich handelt, um

  • ein Bild, das dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist,
  • ein Bild, auf dem die Personen nur als Beiwerk neben einer Landschaft oder sonstigen Örtlichkeit erscheinen,
  • ein Bild von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben oder
  • ein Bildnis, das nicht auf Bestellung angefertigt ist, sofern die Verbreitung oder Schaustellung einem höheren Interesse der Kunst dient

und

  • berechtigte Interessen des Abgebildeten, oder falls dieser verstorben ist, seiner Angehörigen nicht verletzt werden (§ 23 KUG).

Für die Beurteilung, ob ein Bild

  • dem Bereich der Zeitgeschichte zuzuordnen ist (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG) und
  • die Verbreitung berechtigte Interessen der abgebildeten Person verletzt (§ 23 Abs. 2 KUG)

ist maßgebend einerseits, dass

  • der Begriff des Zeitgeschehens vom Interesse der Öffentlichkeit bestimmt wird und im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit nicht nur Vorgänge von historisch-politischer Bedeutung umfasst, sondern ganz allgemein das Geschehen der Zeit, also alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse,
  • Medien, weil dies zum Kern der Presse- und Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG), Art. 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) gehört,
    • im Grundsatz nach ihren eigenen publizistischen Kriterien entscheiden können, was sie des öffentlichen Interesses für wert halten und was nicht,
    • es Medien im Rahmen einer zulässigen Berichterstattung grundsätzlich auch frei steht, Textberichte durch Bilder zu illustrieren und
    • Bildaussagen am verfassungsrechtlichen Schutz des Berichts teilnehmen, dessen Bebilderung sie dienen,

andererseits aber auch, dass ein Informationsinteresse

  • nicht schrankenlos besteht,
  • sondern der Einbruch in die persönliche Sphäre des Abgebildeten (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 EMRK) begrenzt wird durch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, so dass
    • nicht alles, wofür sich Menschen aus Langeweile, Neugier und Sensationslust interessieren, dessen visuelle Darstellung in der breiten Medienöffentlichkeit rechtfertigt

und mithin abgewogen werden muss, welcher Rechtsposition,

  • im jeweiligen Einzelfall

der Vorrang einzuräumen ist.

Von Bedeutung bei dieser Abwägung ist neben der Rolle, die dem Betroffenen in der Öffentlichkeit zukommt, also ob es sich dabei handelt, um

  • einen Politiker,
  • eine sonstige im öffentlichen Leben oder im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehenden Person oder
  • eine, einen besonderen Schutz ihres Privatlebens genießende Privatperson,

ob im konkreten Fall eine Angelegenheit von öffentlichem Interesse

  • ernsthaft und sachbezogen erörtert, damit den Informationsanspruch des Publikums erfüllt und einen Beitrag mit Informationswert zur öffentlichen Meinungsbildung geleistet haben oder
  • ob lediglich die Neugier der Leser nach privaten Angelegenheiten prominenter Personen befriedigt worden ist,

sowie für die Gewichtung der Belange des Persönlichkeitsschutzes daneben auch,

  • der Anlass der Berichterstattung,
  • die Umstände unter denen die Aufnahme entstanden ist,
  • in welcher Situation der Betroffene erfasst und wie er dargestellt worden ist sowie
  • die Intensität des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 09.04.2019 – VI ZR 533/16 – hingewiesen.

BGH entscheidet: Ob Dashcam-Aufnahmen im Unfallhaftpflichtprozess als Beweismittel verwertbar sind, hängt

…. sofern nicht nur eine kurze, anlassbezogene Aufzeichnung unmittelbar des Unfallgeschehens erfolgt ist,

  • wie beispielsweise durch ein dauerndes Überschreiben der Aufzeichnungen in kurzen Abständen und Auslösen der dauerhaften Speicherung erst bei Kollision oder starker Verzögerung des Fahrzeuges,

sondern permanent und anlasslos das gesamte Geschehen auf und entlang der Fahrstrecke aufgezeichnet wird, davon ab, ob die vorzunehmende Abwägung im jeweiligen Einzelfall zwischen

  • dem Interesse des Beweisführers an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, seinem im Grundgesetz verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege einerseits und
  • dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Beweisgegners in seiner Ausprägung als Recht auf informationelle Selbstbestimmung und ggf. als Recht am eigenen Bild andererseits,

ergibt, dass die Interessen des Beweisführers überwiegen.

Das hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 15.05.2018 – VI ZR 233/17 – entschieden.

Begründet hat der Senat dies damit,

  • dass eine permanente und anlasslose Aufzeichnung des gesamten Geschehens auf und entlang einer Fahrstrecke mittels einer Dashcam nach den geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen unzulässig ist, weil sie,
    • wegen fehlender Einwilligung der Betroffenen gegen § 4 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) verstößt und
    • nicht auf § 6b Abs. 1 BDSG oder § 28 Abs. 1 BDSG gestützt werden kann,
  • dass aber eine unzulässige und rechtswidrige Beweiserhebung im Zivilprozess nicht automatisch zu einem Beweisverwertungsverbot führt, sondern über die Frage der Verwertbarkeit aufgrund einer Interessen- und Güterabwägung nach den jeweils im Einzelfall gegebenen Umständen zu entscheiden ist.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem

  • die Beteiligten darüber stritten, wer von beiden seine Spur verlassen und die Kollision herbeigeführt hat,
  • der vom Gericht zugezogene Sachverständige aus technischer Sicht die Schilderungen beider Parteien zum Unfallhergang prinzipiell für möglich erachtet hatte und
  • die Fahrt vor der Kollision und die Kollision von einer im Fahrzeug des Klägers angebrachten Dashcam aufgezeichnet worden waren,

erachtete der Senat, nach Abwägung der beidseitigen Interessen,

  • bei der u.a. auch die Beweisnot berücksichtigt wurde, in der sich der Kläger befand, dass lediglich Vorgänge auf öffentlichen Straßen aufgezeichnet wurden, die grundsätzlich für jedermann wahrnehmbar waren sowie, dass das Gesetz den Beweisinteressen eines Unfallgeschädigten durch die Regelung des § 142 Strafgesetzbuch (StGB – Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort) ein besonderes Gewicht zugewiesen hat,

die Videoaufzeichnung als Beweismittel für verwertbar (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 15.05.2018).

Betreiber von Online-Portalen können schnell in Konflikt mit dem Bundesdatenschutzgesetz kommen

… und sollten sich deshalb bei der Ausgestaltung des Portals von einem Rechtsanwalt beraten lassen, am Besten einem Anwalt der gleichzeitig die Qualifikation „Fachanwalt für IT-Recht“ hat.

Beispielsweise verstößt, wer im Internet ein Online-Portal betreibt,

  • mit dem das Fahrverhalten von Verkehrsteilnehmern und -teilnehmerinnen unter Angabe des Kfz-Kennzeichens im Wesentlichen anhand eines Ampelschemas (grün = positiv, gelb = neutral, rot = negativ) bewertet werden kann,

dann gegen das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), wenn

  • die abgegebenen Bewertungen von jedermann ohne Registrierung eingesehen werden können.

Darauf hat der 16. Senat des Oberverwaltungsgerichts (OVG) für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 19.10.2017 – 16 A 770/17 – hingewiesen und

  • wegen der nach § 29 BDSG datenschutzrechtlich unzulässigen Ausgestaltung des Fahrerbewertungsportals,

dem Betreiber aufgegeben, die Plattform so umzugestalten,

  • dass nur noch der jeweilige Halter oder die jeweilige Halterin eines Fahrzeugs die dafür abgegebenen Bewertungen einsehen kann und
  • sich zu diesem Zweck zuvor registrieren muss.

Denn, so der Senat,

  • da die zu einzelnen Kfz-Kennzeichen abgegebenen und gespeicherten Bewertungen personenbezogene Daten im Sinne von § 3 Abs. 1 BDSG seien und
  • an einer unbegrenzten öffentlichen Einsehbarkeit der vollständig anonymen Bewertungen von in der Regel privat motiviertem Verhalten hier keine gewichtigen Interessen bestehen,

überwiege im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung

Was Patienten wissen und Ärzte beachten müssen, wenn es darum geht

…. ob eine Behandlung nach den Regeln der Schulmedizin oder nach einer „ganzheitlichen“, d.h. naturheilkundlich ausgerichteten Außenseitermethode erfolgen soll.

Patienten, die um die Tragweite ihrer Entscheidung wissen, können,

  • innerhalb der durch die §§ 138 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), 228 Strafgesetzbuch (StGB) gezogenen Grenzen,

eigenverantwortlich entscheiden, welchen Behandlungen sie sich unterziehen wollen, also

  • jede nicht gegen die guten Sitten verstoßende Behandlungsmethode wählen und
  • sich auch für die Anwendung einer von der Schulmedizin nicht oder noch nicht anerkannten Methode entscheiden.

Wendet ein Arzt mit Einwilligung eines Patienten nicht allgemein anerkannte Therapieformen an, kann,

  • da einem Arzt dies rechtlich grundsätzlich erlaubt ist,

aus dem Umstand allein, dass der Arzt den Bereich der Schulmedizin verlassen hat,

  • nicht von vornherein auf einen Behandlungsfehler geschlossen werden.

Allerdings setzt die Entscheidung des Arztes

  • für die Wahl einer nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode

eine sorgfältige und gewissenhafte medizinische Abwägung von Vor- und Nachteilen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und des Wohls des konkreten Patienten voraus, wobei

  • auch die Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten der Schulmedizin bei dieser Abwägung nicht aus dem Blick verloren werden dürfen und
  • die Anforderungen an die medizinische Vertretbarkeit der gewählten Behandlungsmethode desto höher sind, je schwerer und radikaler der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten ist.

Darauf und

  • dass hiervon abhängt, ob ein Patient ggf. gegen den Arzt wegen fehlerhafter Behandlung und/oder wegen nicht hinreichender Aufklärung Schadensersatzansprüche geltend machen kann,

hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 30.05.2017 – VI ZR 203/16 – hingewiesen.

Was bei der Beurteilung einer Äußerung als Schmähkritik oder Meinungsäußerung zu beachten ist

…. und warum die zutreffende Einordnung so wichtig ist.

Unter den Schutz der Meinungsfreiheit fallen Werturteile und Tatsachenbehauptungen,

  • wenn und
  • soweit

sie zur Bildung von Meinungen beitragen.

  • Allerdings wird das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht vorbehaltlos gewährt, sondern findet seine Schranken in den allgemeinen Gesetzen.

Dies verlangt deshalb grundsätzlich eine Abwägung zwischen

  • der Schwere der Persönlichkeitsbeeinträchtigung durch die Äußerung einerseits und
  • der Einbuße an Meinungsfreiheit durch ihr Verbot andererseits,

dessen Ergebnis von den Umständen des Einzelfalls abhängt.

Zu beachten ist hierbei indes, dass Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG)

  • nicht nur sachlich-differenzierte Äußerungen schützt,
  • sondern gerade Kritik auch pointiert, polemisch und überspitzt erfolgen darf;
    insoweit liegt die Grenze zulässiger Meinungsäußerungen nicht schon da, wo eine polemische Zuspitzung für die Äußerung sachlicher Kritik nicht erforderlich ist.

Einen Sonderfall bilden hingegen

  • herabsetzende Äußerungen,

die sich als

  • Formalbeleidigung oder
  • Schmähung

darstellen.

  • Dann ist ausnahmsweise keine Abwägung zwischen der Meinungsfreiheit und dem Persönlichkeitsrecht notwendig, weil die Meinungsfreiheit regelmäßig hinter den Ehrenschutz zurücktreten wird.

Diese für die Meinungsfreiheit einschneidende Folge gebietet es aber, hinsichtlich des Vorliegens von Formalbeleidigungen und Schmähkritik strenge Maßstäbe anzuwenden.

  • Wegen seines die Meinungsfreiheit verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmähkritik von Verfassungs wegen eng zu verstehen.

Auch eine überzogene oder gar ausfällige Kritik macht eine Äußerung für sich genommen noch nicht zur Schmähung.

  • Eine Äußerung nimmt diesen Charakter erst dann an, wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern – jenseits auch polemischer und überspitzter Kritik – die Diffamierung der Person im Vordergrund steht.

Sie liegt bei einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage nur ausnahmsweise vor und ist eher auf die Privatfehde beschränkt.
Die Annahme einer Schmähung hat wegen des mit ihr typischerweise verbundenen Unterbleibens einer Abwägung gerade in Bezug auf Äußerungen, die als Beleidigung und damit als strafwürdig beurteilt werden, ein eng zu handhabender Sonderfall zu bleiben.

Darauf hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) mit Beschluss vom 08.02.2017 – 1 BvR 2973/14 – hingewiesen.

Bei der Einordnung einer Äußerung ist deswegen stets zu fragen, was damit gewollt war und ob es dem Äußernden ausschließlich um die persönliche Herabsetzung des anderen oder (auch) um etwas anderes ging.