Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten wissen was Voraussetzung für eine Verdachtskündigung ist

Ein an sich zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigender Grund kann

  • nicht nur eine erwiesene schwere Pflichtverletzung, sondern

auch der Verdacht einer schwerwiegenden Pflichtverletzung sein.

Ein solcher Verdacht stellt

  • gegenüber dem Vorwurf, der Arbeitnehmer habe die Pflichtverletzung begangen,

einen eigenständigen Kündigungsgrund dar.

Gerechtfertigt kann eine Verdachtskündigung sein, wenn

  1. sich starke Verdachtsmomente aus objektiven Tatsachen ergeben,
  2. die Verdachtsmomente geeignet sind, das für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses erforderliche Vertrauen zu zerstören, und
  3. der Arbeitgeber alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen, insbesondere dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat.

Der Verdacht muss

  • auf konkrete Tatsachen gestützt sein,
  • er muss ferner dringend sein, d.h. es muss eine große Wahrscheinlichkeit dafür bestehen, dass er zutrifft und

die Umstände, die ihn begründen, dürfen nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ebenso gut durch ein Geschehen zu erklären sein, das eine außerordentliche Kündigung nicht zu rechtfertigen vermag.

  • Auf mehr oder weniger haltbarer Vermutungen gestützte Verdächtigungen reichen zur Rechtfertigung eines dringenden Tatverdachts nicht aus.

In einem Rechtstreit über die Wirksamkeit einer Verdachtskündigung sind

  • nicht nur die dem Arbeitgeber bei Kündigungsausspruch bekannten tatsächlichen Umstände von Bedeutung,
  • sondern auch später bekannt gewordene Umstände zu berücksichtigen, die den ursprünglichen Verdacht abschwächen oder verstärken, wenn die Tatsachen bei Kündigungszugang objektiv vorlagen.

Für die kündigungsrechtliche Beurteilung einer Pflichtverletzung, auf die sich der Verdacht bezieht,

  • ist ihre strafrechtliche Bewertung nicht maßgebend.
  • Entscheidend sind der Verstoß gegen vertragliche Haupt- und Nebenpflichten und der damit verbundene Vertrauensbruch.

Alles ihm Zumutbare zur Sachverhaltsaufklärung getan hat ein Arbeitgeber erst dann, wenn er den Arbeitnehmer ausreichend angehört hat.

  • Die Anhörung des verdächtigen Arbeitnehmers ist Wirksamkeitsvoraussetzung für die Verdachtskündigung.

Die Notwendigkeit der Anhörung vor Erklärung der Verdachtskündigung ist Ausfluss des Verhältnismäßigkeitsprinzips.
Der Umfang der Nachforschungspflicht und damit auch die Ausgestaltung der Anhörung richten sich nach den Umständen des Einzelfalls.

  • Die Anhörung muss sich aber immer auf einen greifbaren Sachverhalt beziehen.

Der Arbeitnehmer muss die Möglichkeit haben,

  • bestimmte, zeitlich und räumlich eingegrenzte Tatsachen gegebenenfalls zu bestreiten,
  • den Verdacht entkräftende Tatsachen aufzuzeigen und so

zu der Aufhellung der für den Arbeitgeber im Dunkeln liegenden Geschehnisse beizutragen.

Dabei muss dem Arbeitnehmer das Thema der Anhörung nicht grundsätzlich vorher bekannt gegeben werden.
Ihm sind auch nicht unbedingt konkret formulierte Fragen vorzulegen.
Zweck der Anhörung ist die Aufklärung des belastenden Sachverhalts in Gänze, und zwar auch in Richtung auf eine mögliche Entlastung.

  • Der Arbeitnehmer soll Gelegenheit erhalten, sich möglichst unbefangen mit den Vorwürfen des Arbeitgebers auseinanderzusetzen, weil möglicherweise schon seine spontane Reaktion zu einer Entlastung führt.

Unschädlich ist eine unzureichende Anhörung dann, wenn das Gericht im Rechtsstreit über die Wirksamkeit der Kündigung aufgrund der objektiven Tatsachen zu der Überzeugung gelangt, dass eine erwiesene schwere Pflichtverletzung vorliegt.

Darauf hat die 17. Kammer des Landesarbeitsgerichts (LArbG) Hamm mit Urteil vom 14.08.2017 – 17 Sa 1540/16 – hingewiesen.