Tag Annahmeverzug

Arbeitgeber, die härtere Corona-Quarantäneregeln als behördlich vorgeschrieben, erlassen, können wegen Annahmeverzugs 

…. Arbeitnehmern den Arbeitslohn schulden.

Das hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Urteil vom 10.08.2022 – 5 AZR 154/22 – entschieden und einen Arbeitgeber, der zum 

  • Corona-Infektionsschutz ein Hygienekonzept 

erstellt hatte, das, im Gegensatz zu den 

  • verordnungsrechtlichen Vorgaben, 

nach denen Personen nach der Einreise aus einem Risikogebiet dann keiner Absonderungspflicht (Quarantäne) unterlagen, wenn sie

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Wichtig zu wissen für Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wenn es zu einer corona-bedingten Betriebsschließung kommt

Mit Urteil vom 25.03.2021 – 8 Ca 409/20 – hat das Arbeitsgericht (ArbG) Mannheim darauf hingewiesen, dass bei einer 

  • aufgrund des Infektionsschutzgesetzes mittels „Corona-Verordnung“ 

angeordneten Schließung eines Lokals,

  • hier eines Tanzclubs mit einer Tanzfläche von nur 20 qm und einem Gastraum von nur 48 qm,

sich, 

  • wegen des ein besonderes Infektionsrisiko darstellenden Betriebes,

das vom Arbeitgeber zu tragende Betriebsrisiko i.S.d. § 615 S. 3 BGB realisiert, Arbeitnehmer

  • dann

Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugslohn haben gemäß § 615 S. 3 BGB i.V.m. S. 1 BGB, ein Arbeitsangebot

  • bei einer staatlich angeordneten Betriebsschließung

gem. § 296 BGB entbehrlich ist, Arbeitnehmer aber,

  • weil sie aus dem Annahmeverzug keinen Vorteil ziehen und nicht mehr erhalten sollen, als sie bei ordnungsgemäßer Abwicklung des Arbeitsverhältnisses erhalten hätten, 

sich nach § 615 S. 2 BGB auf den Annahmeverzugslohn anrechnen lassen müssen, was sie 

  • infolge des Unterbleibens der Arbeit ersparen oder 
  • durch anderweitige Verwendung ihrer Arbeitskraft erwerben, einen sog. Zwischenverdienst, oder zu erwerben böswillig unterlassen, 

wobei anrechnungspflichtig ist, nur 

Übrigens:
Absichern gegen die von ihnen zu tragenden Betriebsrisiken können Arbeitgeber sich durch 

  • Rücklagen oder 
  • den Abschluss einer Betriebsschließungsversicherung.

Auch besteht für Arbeitgeber die Möglichkeit,

  • für ihre Angestellten, sofern diese nicht nur geringfügig beschäftigt sind, Kurzarbeitergeld zu beantragen oder 
  • betriebsbedingte Kündigungen auszusprechen. 

Wichtig zu wissen für Bauherrn und Bauunternehmer, wenn Bauherrn gebotene Mitwirkungspflichten unterlassen

…. deswegen vom Bauunternehmer (vorübergehend) nicht (weiter)gearbeitet werden kann und der Bauunternehmer den Vertrag

  • nicht gemäß § 643 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kündigt,
  • sondern nach Beendigung des Annahmeverzugs (weiter) ausführt.

Ist bei der Herstellung eines Werkes (beispielweise bei der Errichtung eines Bauvorhabens) eine Handlung des Auftraggebers erforderlich

  • – beispielsweise die Erstellung von Plänen, die Beschaffung von Genehmigungen, die Zurverfügungstellung eines baureifen Grundstücks –

so steht, wenn der Auftraggeber durch das Unterlassen einer solchen

  • – ihm obliegenden und zur Herstellung des Werkes erforderlichen Mitwirkungs- –

Handlung in Verzug der (Leistungs)Annahme kommt,

  • – was kein Verschulden des Auftraggebers voraussetzt –

dem Unternehmer, der

  • zur Leistung bereit und imstande ist (§ 297 BGB),
  • seine Leistung wie geschuldet dem Besteller angeboten (§§ 294 – 296 BGB) und,
  • sofern die Parteien die Einbeziehung der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil B (VOB/B) vereinbart haben, ordnungsgemäß die Behinderung, wenn diese nicht offenkundig ist, nach § 6 Abs. 1 VOB/B angezeigt hat,

neben der Vergütung für die erbrachte Leistung,

  • also neben seinem vollen Vergütungsanspruch, den er durch Ausführung der Werkleistung nach Beendigung des Annahmeverzugs verdient,

dafür, dass er

  • – während der Dauer des Annahmeverzugs des Auftraggebers infolge Unterlassens der diesem obliegenden Mitwirkungshandlung –

Personal, Geräte und Kapital,

  • also die Produktionsmittel zur Herstellung der Werkleistung,

bereitgehalten hat, nach § 642 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ein

  • verschuldensunabhängiger

Anspruch auf eine angemessene Entschädigung zu, dessen Höhe sich bestimmt,

  • einerseits nach
    • der Dauer des Verzugs und
    • der Höhe der vereinbarten Vergütung,
  • andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer
    • infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder
    • durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann.

Da diese Entschädigung der Unternehmer,

  • der seine Produktionsmittel während des Annahmeverzugs weder anderweitig – produktiv – eingesetzt hat, noch einsetzen konnte,

erhalten soll für den Zeitraum, in dem nicht geleistet werden konnte,

  • ohne dass ihm damit jegliche Nachteile ausgeglichen werden, die ihm dadurch entstanden sind, dass er seine Leistung während des Annahmeverzugs nicht gewinnbringend ausführen konnte,

muss er zur Berechnung dieser Entschädigung

  • darlegen und ggf. beweisen

welche Anteile

  • der vereinbarten Gesamtvergütung einschließlich Wagnis, Gewinn und allgemeinen Geschäftskosten

auf die von ihm während des Annahmeverzugs des Auftraggebers

  • unproduktiv bereitgehaltenen Produktionsmittel

entfallen.

Darauf hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 30.01.2020 – VII ZR 33/19 – hingewiesen.

Übrigens:
Mehrkosten, die dadurch anfallen, dass sich die Ausführung der Leistung des Unternehmers – etwa aufgrund von Lohn- oder Materialkostensteigerungen – verteuert, weil sie wegen des Annahmeverzugs des Auftraggebers infolge Unterlassens einer ihm obliegenden Mitwirkungshandlung zu einem späteren Zeitraum ausgeführt wird, sind nicht Gegenstand der nach § 642 BGB vom Unternehmer zu beanspruchenden Entschädigung (BGH, Urteil vom 26.10.2017 – VII ZR 16/17 –).

  • Jedoch kann der Unternehmer, wenn die Mitwirkungsverpflichtung des Auftraggebers als selbständige Nebenpflicht auszulegen ist, derartige ihm entstehenden Mehrkosten nach §§ 280, 286 BGB ersetzt verlangen.
  • Liegen die Voraussetzungen für einen solchen Schadensersatzanspruch nicht vor, kann der Unternehmer, wenn ihm das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zumutbar ist, verlangen, dass die Vergütung nach § 313 BGB angepasst wird.
  • Darüber hinaus steht es den Vertragsparteien grundsätzlich frei, eine Lohn- und Stoffpreisgleitklausel in den Vertrag aufzunehmen, um das Risiko von Lohn- und Materialkostensteigerungen auf den Besteller zu verlagern.
  • Im Übrigen kann der Unternehmer den Vertrag, falls der Besteller die ihm obliegende Mitwirkungshandlung binnen einer ihm gesetzten Frist nicht nachholt, gemäß § 643 BGB wegen des Annahmeverzugs kündigen, und damit die sich aus einer erwarteten Lohn- oder Materialpreissteigerung ergebenden Nachteile vermeiden.

Was Arbeitgeber über die Beschäftigungspflicht von Arbeitnehmern und Arbeitnehmer über ihren Beschäftigungsanspruch wissen sollten

In einem bestehenden Arbeitsverhältnis besteht ein

  • aus den §§ 611, 613 iVm. § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hergeleiteter

Beschäftigungsanspruch des Arbeitnehmers.

Er beruht auf der arbeitsvertraglichen Förderungspflicht des Arbeitgebers im Hinblick auf das Beschäftigungsinteresse des Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen der Art. 1 und 2 Grundgesetz (GG) zum Persönlichkeitsschutz.

  • Eine einseitige Suspendierung des Arbeitnehmers ohne vertragliche Vereinbarung ist grundsätzlich nicht zulässig.
  • Der Anspruch muss nur dann zurücktreten, wenn überwiegende schutzwerte Interessen des Arbeitgebers entgegenstehen.

Gerichtet ist der Anspruch auf die vertragsgemäße Beschäftigung, deren Konkretisierung gemäß § 106 Gewerbeordnung (GewO) dem Arbeitgeber obliegt.
Der Arbeitgeber kann bestimmen, welche Arbeitsleistung der Arbeitnehmer im Rahmen
des Arbeitsvertrags und der auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Regelungen zu erbringen hat (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 09.04.2014 – 10 AZR 637/13 –).

  • Zur Erfüllung des Beschäftigungsanspruchs muss eine hierfür gegebenenfalls erforderliche Konkretisierung erfolgen.

Bei Unmöglichkeit der Arbeitsleistung besteht kein Beschäftigungsanspruch, vielmehr ist der Anspruch auf die Arbeitsleistung ausgeschlossen, § 275 Abs. 1 BGB. Insbesondere entfällt die Leistungspflicht, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig ist.

  • Gemäß § 293 BGB gerät ein Arbeitgeber in Annahmeverzug, wenn er die angebotene Arbeitsleistung des Arbeitnehmers nicht annimmt.

Dabei ist jedenfalls im ungekündigten Arbeitsverhältnis regelmäßig

  • ein tatsächliches Angebot

erforderlich.

Gemäß § 294 BGB ist die Arbeitsleistung demnach so,

  • wie sie zu bewirken ist,
  • tatsächlich anzubieten, d.h.
    • in eigener Person,
    • zur rechten Zeit,
    • am rechten Ort und
    • in der rechten Weise.

Nach § 295 Satz 1 BGB genügt

  • ein wörtliches Angebot,

wenn

  • der Arbeitgeber erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen.

Der Arbeitnehmer braucht sein Angebot dann auch grundsätzlich nicht zu wiederholen; es wirkt jedenfalls so lange fort, wie der Arbeitnehmer leistungsfähig ist.

Im Falle

  • einer Kündigung

bedarf es nach Ablauf der Kündigungsfrist gemäß § 296 BGB

  • grundsätzlich keines ausdrücklichen Angebots,

da der Arbeitgeber mit der Kündigung zum Ausdruck bringt, dass er an einer weiteren Arbeitsleistung (nach der angenommenen Beendigung des Arbeitsverhältnisses) kein Interesse habe und insofern dem Arbeitnehmer auch keine vertragsgemäße Arbeit zuweist.

Demgegenüber ist ein Angebot im ungekündigten Arbeitsverhältnis in der Regel nicht gemäß § 296 Satz 1 BGB entbehrlich, weil der Arbeitgeber hier dem Arbeitnehmer nicht durch einseitige gestaltende Willenserklärung die Arbeitsmöglichkeit entzieht.

Darauf hat das Arbeitsgericht (ArbG) Nürnberg mit Urteil vom 11.11.2016 – 12 Ca 6016/15 – hingewiesen.