Tag Ausgleichsanspruch

Was Fluggäste wissen sollten, wenn ihr gebuchter Flug annulliert wird oder am Zielflughafen erst mit großer Verspätung ankommt

Nach Art. 7 der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – FluggastrechteVO) haben Anspruch auf eine Ausgleichszahlung

  • nicht nur, wie in Art. 5 der FluggastrechteVO bestimmt, die Fluggäste annullierter Flüge,
  • sondern auch die Fluggäste verspäteter Flüge, bei einer Verspätung von drei Stunden oder mehr am Endziel,
    • wobei Endziel ist,
      • der Zielort auf dem am Abfertigungsschalter vorgelegten Flugschein,
      • bei direkten Anschlussflügen der Zielort des letzten Fluges und
    • zur Bestimmung des Ausmaßes der Verspätung abzustellen ist auf den Zeitpunkt,
      • zu dem mindestens eine der Flugzeugtüren geöffnet wird,
      • sofern den Fluggästen in diesem Moment das Verlassen des Flugzeugs gestattet ist.

Die Ausgleichszahlung beträgt,

  • 250 Euro bei Flügen über eine Entfernung von 1.500 km oder weniger,
  • 400 Euro bei allen innergemeinschaftlichen Flügen über eine Entfernung von mehr als 1.500 km und bei allen anderen Flügen über eine Entfernung zwischen 1500 km und 3500 km sowie
  • bei allen nicht hierunter fallenden Flügen 600 Euro.

Hat es sich

  • um einen Flug mit Anschlussflügen gehandelt,

ist maßgebend für die Entfernungsberechnung

  • die Luftlinienentfernung (Großkreisentfernung) zwischen dem Startflughafen und dem Zielflughafen,
  • also die Luftlinienentfernung, die ein Direktflug zwischen dem Start- und dem Zielflughafen zurücklegen würde.

Das heißt, bei einem gebuchten Flug

  • beispielsweise von Rom über Brüssel nach Hamburg,
  • der in Hamburg mit einer Verspätung von drei Stunden oder mehr gegenüber der ursprünglich vorgesehenen Ankunftszeit ankommt,

richtet sich die Höhe des Ausgleichs der dem Fluggast zusteht, nach

  • der Luftlinienentfernung zwischen dem Startflughafen Rom und dem Zielflughafen Hamburg
  • und nicht nach der Luftlinienentfernung zwischen Rom und Brüssel zuzüglich der Luftlinienentfernung zwischen Brüssel und Hamburg.

Das hat die Achte Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) in der Rechtssache C-559/16 mit Urteil vom 07.09.2017 entschieden.

Begründet hat die Kammer das damit, dass nach der FluggastrechteVO,

  • da diese im Rahmen des Ausgleichsanspruchs nicht unterscheidet, ob die betroffenen Fluggäste ihr Endziel mittels eines Direktflugs oder eines Flugs mit Anschlussflug erreichen,

die Fluggäste in beiden Fällen bei der Berechnung der Höhe des Ausgleichs gleichzubehandeln sind (Quelle: Pressemitteilung des EuGH vom 07.09.2017 – Nr. 92/17 –).

Wichtig für Fluggäste zu wissen: Wann besteht ein Ausgleichsanspruch wegen Verspätung und wann nicht?

Anspruch auf den in Art. 7 der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – FluggastrechteVO) vorgesehenen Ausgleichsanspruch haben grundsätzlich

  • nicht nur wie in Art. 5 der FluggastrechteVO bestimmt, die Fluggäste annullierter Flüge,
  • sondern auch die Fluggäste verspäteter Flüge, wenn sie infolge der Verspätung ihr Endziel erst drei Stunden nach der vorgesehenen Ankunftszeit oder noch später erreichen (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 07.05.2013 – X ZR 127/11 – und vom 12.06.2014 – X ZR 121/13 –).

Nach Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO nicht verpflichtet zur Leistung der Ausgleichszahlung ist die betreffende Fluggesellschaft, wenn sie nachweisen kann,

  • dass die Annullierung oder Verspätung auf außergewöhnliche Umstände zurückgeht,
  • die sich auch dann nicht hätten vermeiden lassen, wenn alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen worden wären.

Grundsätzlich keinen, einen Ausgleichsanspruch wegen Verspätung ausschließenden, außergewöhnlichen Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO stellt es allerdings dar, wenn

  • ein auf einem Flughafen auf einer Außenposition abgestelltes Flugzeug durch einen nicht hinreichend gegen unkontrolliertes Wegrollen gesicherten und durch den Turbinenstrahl eines anderen Flugzeugs in Bewegung versetzten Gepäckwagen beschädigte worden und
  • es dadurch zu der Verspätung gekommen ist.

Das hat der X. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 20.12.2016 – X ZR 75/15 – entschieden.

Außergewöhnliche Umstände, die nach Art. 5 Abs. 3 der FluggastrechteVO einem Ausgleichsanspruch wegen Annullierung oder erheblicher Verspätung entgegenstehen können, sind danach Umstände,

  • die außerhalb dessen liegen, was üblicherweise mit dem Ablauf der Personenbeförderung im Luftverkehr verbunden ist oder verbunden sein kann,
  • beruhen darauf, wenn sie durch einen außerhalb der normalen Flughafendienstleistungen liegenden Akt verursacht worden sind,

wozu beispielsweise zählen,

  • Sabotageakte oder eterroristische Handlungen,
  • Naturereignisse wie etwa ein Vulkanausbruch oder eine Kollision mit Vögeln,
  • aber auch ein den Betrieb beeinträchtigender Streik oder eine behördliche Anordnung, die Auswirkungen auf den Flugbetrieb hat.

Dagegen ist es nicht als außergewöhnlicher Umstand im Sinne von Art. 5 Abs. 3 der FluggastrechteVO anzusehen, wenn

  • es zu einer Kollision zwischen einem Flugzeug oder einem Fahrzeug kommt, das bei der Beförderung von Fluggästen im Luftverkehr notwendigerweise eingesetzt wird, wie beispielsweise einem Treppenfahrzeug oder einem Gepäckwagen und
  • zwar unabhängig davon, ob das dabei beschädigte Flugzeug oder das mit ihm kollidierende Fahrzeug zum Zeitpunkt der Kollision in Einsatz waren oder ob das Fahrzeug durch den Turbinenstrahl eines anderen Flugzeugs in Bewegung versetzt worden ist.

Was Gesamtschuldner, die gegenüber den übrigen Schuldnern einen Ausgleichsanspruch haben, wissen sollten

Haften mehrere einem Gläubiger gegenüber als Gesamtschuldner gemäß § 421 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),

  • beispielsweise nach § 840 Abs. 1 BGB, weil sie für den dem Gläubiger aus einer unerlaubten Handlung entstehenden Schaden nebeneinander verantwortlich sind,

und befriedigt einer von ihnen den Gläubiger, können die übrigen Schuldner ihm gegenüber aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgleichspflichtig sein.

Dieser Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB

  • unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist des § 195 BGB von drei Jahren und
  • die dreijährige Verjährungsfrist beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB demzufolge mit dem Schluss des Jahres,
    • in dem der Anspruch entstanden ist und
    • der Ausgleichsberechtigte von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen.

Zu beachten bei der Prüfung, ob ein Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB verjährt ist, ist, dass der Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB bereits in dem Augenblick entsteht,

  • in dem die mehreren Ersatzpflichtigen dem Geschädigten ersatzpflichtig werden (also regelmäßig im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses),
  • d.h. mit der Entstehung der Gesamtschuld im Außenverhältnis.

Denn bei dem Ausgleichsanspruch aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB,

  • der zunächst als Mitwirkungs- und Befreiungsanspruch besteht und
  • sich nach Befriedigung des Gläubigers in einen Zahlungsanspruch umwandelt,

handelt es sich, unabhängig von seiner Ausprägung als Mitwirkungs-, Befreiungs- oder Zahlungsanspruch, um einen einheitlichen Anspruch, der einer einheitlichen Verjährung unterliegt und mit der Begründung der Gesamtschuld entstanden ist.

Dass der Ausgleichsanspruch beziffert werden bzw. Gegenstand einer Leistungsklage sein kann ist für den Beginn der Verjährung nicht erforderlich.

Entstanden ist ein Anspruch nämlich,

  • sobald er geltend gemacht und
  • notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann und

hierfür genügt die Möglichkeit, eine die Verjährung unterbrechende Feststellungsklage zu erheben.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 08.11.2016 – VI ZR 200/15 – hingewiesen.

Was Gesellschafter einer GmbH, die Höchstbetragsbürgschaften für Verbindlichkeiten der GmbH übernehmen, wissen sollten

Übernehmen Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft

  • auf der Grundlage einer gemeinsamen Absprache (mit dem Gläubiger) gemeinsam

Bürgschaften bis zu unterschiedlichen Höchstbeträgen,

  • bringen sie damit stillschweigend zum Ausdruck, dass sie auch intern in dem Verhältnis haften wollen, in dem sie eine Haftung nach außen übernahmen,

so dass sich im Falle der Inanspruchnahme eines Mitbürgen durch den Gläubiger die Höhe des Innenausgleichs zwischen den Mitbürgen gemäß § 774 Abs. 2, § 426 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

  • nicht nach dem Verhältnis der Gesellschaftsanteile der Mitbürgen richtet
  • sondern nach dem Verhältnis der mit den Bürgschaften jeweils übernommenen Höchstbeträge.

Da das Ausgleichsverhältnis unter Mitbürgen gemäß § 774 Abs. 2, § 426 BGB bereits mit Begründung des Gesamtschuldverhältnisses entsteht,

  • h. bei Übernahme der Bürgschaften und nicht erst mit der Leistung eines Mitbürgen an den Gläubiger,
  • berührt eine vom Gläubiger vorgenommene Entlassung eines Bürgen aus dem gesamtschuldnerischen Haftungsverband die Ausgleichsverpflichtung grundsätzlich nicht.

Dessen Bürgschaft ist bei der Beurteilung der Höhe des Ausgleichsanspruchs vielmehr nur dann außer Ansatz zu lassen, wenn

  • etwa die übrigen Bürgen mit einer solchen Privilegierung ausdrücklich oder stillschweigend einverstanden gewesen sind oder
  • der entsprechende Gesellschafter von einem ihm bereits zum Zeitpunkt seiner Verbürgung von dem Gläubiger eingeräumten Kündigungsrecht Gebrauch gemacht hat oder
  • in Folge Zeitablaufs (§ 777 BGB) von seiner Bürgenverpflichtung frei geworden ist.

Darauf hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 27.09.2016 – XI ZR 81/15 – hingewiesen.