Tag Ausparken

Beim Ausparken müssen Fahrzeugführer auch in Einbahnstraßen beide Fahrtrichtungen absichern

Darauf hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg mit Beschluss vom 23.04.2018 – 4 U 11/18 – hingewiesen.

Danach müssen Fahrzeugführer, die in einer Einbahnstraße (rückwärts) ausparken,

  • nicht nur mit Fußgängern, sondern auch

damit rechnen,

  • dass ein Fahrzeug mit Sonderrechten die Einbahnstraße in der entgegengesetzten Richtung nutzt

und aufgrund dessen

  • beide Fahrtrichtungen absichern sowie
  • sich laufend darüber vergewissern, dass niemand zu Schaden kommt.

Dass auch bei einem bereits begonnenen Ausparkmanöver der Ausparkende andere Verkehrsteilnehmer wahrnimmt und darauf reagiert, darf der übrige Verkehr vertrauen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg vom 15.08.2018).

Das Abstellen eines Fahrzeugs im absoluten Halteverbot kann, wenn es dort von einem anderen Fahrzeug angefahren wird, zu

…. einer Minderung des Schadensersatzanspruchs führen.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Dortmund mit Urteil vom 05.06.2018 – 425 C 774/18 – hingewiesen und in einem Fall, in dem

  • ein Führer eines PKWs beim Rückwärtsausparken aus einer auf der einen Straßenseite im rechten Winkel zu der Straße angeordneten Parkboxen,
  • einen auf der anderen Fahrbahnseite – der nicht sehr breiten Straße – im absoluten Halteverbot abgestellten PKW übersehen und deswegen angefahren hatte,

entschieden, dass der Eigentümer des im absoluten Halteverbot abgestellten Fahrzeugs,

  • wegen der von seinem Fahrzeug, aufgrund des verkehrswidrigen Haltens ausgehenden Betriebsgefahr,

nur 75% des ihm entstandenen Schadens ersetzt erhält.

Begründet hat das AG dies damit, dass

  • der Schutzzweck eines absoluten Halteverbots gemäß Zeichen 283 der Anlage 2 der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) zu § 41 Abs. 1 StVO nicht nur darin besteht, den ungestörten Ablauf des fließenden Verkehrs zu gewährleisten, sondern

ein solches Halteverbot (insbesondere) bei nicht sehr breiten Straßen auch der Sicherstellung der ungehinderten Ein- und Ausfahrt zu auf der gegenüberliegenden Seite liegenden Parkplätzen dient.

Wer haftet, wenn es auf einem Parkplatz beim rückwärtigen Ausparken von zwei Fahrzeugen zur Kollision kommt?

Steht bei einem Parkplatzunfall,

  • der sich beim rückwärtigen Ausparken von zwei Fahrzeugen aus Parkbuchten eines Parkplatzes ereignet hat,

fest, dass es beim Rückwärtsfahren zur Kollision gekommen ist, der Rückwärtsfahrende zum Kollisionszeitpunkt also noch nicht stand,

  • so spricht ein allgemeiner Erfahrungssatz dafür, dass der Rückwärtsfahrende seiner Sorgfaltspflicht nach § 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) in Verbindung mit der Wertung des § 9 Abs. 5 StVO nicht nachgekommen ist und den Unfall dadurch (mit)verursacht hat,
  • was im Rahmen der gemäß § 17 Abs. 1, 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG) gebotenen Abwägung der beiderseitigen Mitverursachungs- und -verschuldensanteile zu berücksichtigen ist.

Dagegen liegt die für die Anwendung eines Anscheinsbeweises gegen einen Rückwärtsfahrenden erforderliche Typizität des Geschehensablaufs regelmäßig dann nicht vor,

  • wenn zwar feststeht, dass vor der Kollision ein Fahrzeugführer rückwärts gefahren ist,
  • aber zumindest nicht ausgeschlossen werden kann, dass
    • sein Fahrzeug im Kollisionszeitpunkt bereits stand,
    • als der andere rückwärtsfahrende Unfallbeteiligte mit seinem Fahrzeug in das Fahrzeug hineingefahren ist.

Denn es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach sich der Schluss aufdrängt,

  • dass auch der Fahrzeugführer, der sein Fahrzeug vor der Kollision auf dem Parkplatz zum Stillstand gebracht hat,
  • die ihn treffenden Sorgfaltspflichten verletzt hat.

Anders als im fließenden Verkehr mit seinen typischerweise schnellen Verkehrsabläufen, bei denen der Verkehrsteilnehmer grundsätzlich darauf vertrauen darf, dass sein Verkehrsfluss nicht durch ein rückwärtsfahrendes Fahrzeug gestört wird, gilt in der Situation auf dem Parkplatz ein solcher Vertrauensgrundsatz nicht.
Hier muss der Verkehrsteilnehmer jederzeit damit rechnen, dass rückwärtsfahrende oder ein- und ausparkende Fahrzeuge seinen Verkehrsfluss stören. Er muss daher, um der Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme nach § 1 Abs. 1 StVO genügen zu können, von vornherein mit geringerer Geschwindigkeit und bremsbereit fahren, um jederzeit anhalten zu können.
Hat ein Fahrer diese Verpflichtung erfüllt und gelingt es ihm, beim Rückwärtsfahren vor einer Kollision zum Stehen zu kommen, hat er grundsätzlich seiner Verpflichtung zum jederzeitigen Anhalten genügt, so dass für den Anscheinsbeweis für ein Verschulden des Rückwärtsfahrenden kein Raum bleibt.

Aber auch dann, wenn der Anscheinsbeweis zu Lasten eines der beiden Rückwärtsausparkenden eingreift, führt das allein noch nicht dazu, dass dieser zu 100 % für den Schaden des Anderen haftet.
Vielmehr können die Betriebsgefahr der Fahrzeuge und weitere sie erhöhende Umstände im Rahmen der Abwägung nach § 17 Abs. 1, 2 StVG Berücksichtigung finden.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 11.10.2016 – VI ZR 66/16 – hingewiesen.