Tag Benachteiligung

Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten wissen, wann der vereinbarte Monatslohn fällig ist, wann eine Fälligkeitsregelung

…. in einem Arbeitsvertrag unwirksam ist und dass die Verzugsschadenspauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch im Arbeitsverhältnis geltend gemacht werden kann.

Mit Urteil vom 09.10.2017 – 4 Sa 8/17 – hat das Landesarbeitsgericht (LArbG) Baden-Württemberg entschieden, dass eine vom Arbeitgeber in einem Arbeitsvertrag vorformulierte Klausel,

  • die vorsieht, dass das Monatsentgelt nach erbrachter Arbeitsleistung erst am 20. des Folgemonats fällig werden soll,

wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam ist,

  • mit der Folge, dass
    • der Arbeitgeber dann ab dem Ersten des Folgemonats mit der Entgeltzahlung in Verzug kommt und
    • der Arbeitnehmer in einem solchen Fall auch Anspruch auf Zahlung der Verzugsschadenspauschale in Höhe von 40 Euro nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB hat.

Begründet hat das LArbG dies damit, dass

  • gemäß § 614 Satz 1 BGB die Vergütung nach der Leistung der Dienste zu entrichten ist, bei einer vereinbarten Monatsvergütung somit jeweils am Monatsletzten,
  • ein Abweichen von dieser gesetzlichen Regelung in vom Arbeitgeber vorformulierten Vertragsbedingungen den Arbeitnehmer unangemessen benachteiligt, wenn es nicht durch schutzwürdige Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist und
  • auch dann, wenn solche schutzwürdigen Interessen des Arbeitgebers vorliegen, beispielsweise deswegen, weil die Vergütungsbestandteile monatlich jeweils neu berechnet werden müssen, ein Hinausschieben der Fälligkeit nur bis zum 15. des Folgemonats noch als angemessen angesehen kann und dies auch nur dann, wenn dem Arbeitnehmer zuvor wenigstens noch ein Abschlag gezahlt wird.

BAG entscheidet: Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist kann wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers unwirksam sein

Mit Urteil vom 26.10.2017 – 6 AZR 158/16 – hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) darauf hingewiesen, dass, wenn die gesetzliche Kündigungsfrist für einen Arbeitnehmer in vom Arbeitgeber vorformulierten Vertragsbedingungen erheblich verlängert wird, darin

  • auch dann, wenn die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber in gleicher Weise verlängert wird,

eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinn von § 307 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) liegen kann,

  • mit der Folge, dass die gesetzliche Kündigungsfrist gilt.

Denn eine vom Arbeitgeber vorformulierte Kündigungsfrist,

  • die wesentlich länger ist als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB

kann,

  • auch wenn die Grenzen des § 622 Abs. 6 BGB und des § 15 Abs. 4 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz – TzBfG) eingehalten werden,

eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers darstellen.

Ob – trotz der beiderseitigen Verlängerung der Kündigungsfrist – eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers vorliegt oder der Nachteil für den Arbeitnehmer durch eine entsprechende Vertragsgestaltung aufgewogen wird, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab (Quelle: Pressemitteilung des BAG vom 26.10.2017 – Nr. 48/17 –).

Versicherungsnehmer sollten wissen, dass von Versicherungen verwendete Versicherungsbedingungen auch unwirksam sein können

…. und deshalb im Zweifel immer einen Rechtsanwalt, am besten einen Fachanwalt für Versicherungsrecht zu Rate ziehen.

Auch für die von Versicherungen verwendeten Allgemeinen Versicherungsbedingungen gilt nämlich, dass Klauseln nach § 307 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam sind,

  • die den Versicherungsnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen und
  • sich eine solche unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben kann, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist, d.h. gegen das Transparenzgebot verstößt.

Ein solcher Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt

  • nicht nur vor, wenn Klauseln nicht nur in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Vertragspartner unverständlich sind,
  • sondern auch, wenn sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen nicht so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann,

weil die Rechte und Pflichten des Vertragspartners von dem Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen möglichst klar und durchschaubar darzustellen sind.

Das Transparenzgebot verlangt ferner, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen führen,

  • in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und
  • welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden,

weil ein potentieller Versicherungsnehmer nur dann die Entscheidung treffen kann,

  • ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht.

Ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht, braucht der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen.

  • Bei der Beurteilung, ob Allgemeine Versicherungsbedingungen dem Transparenzgebot entsprechen oder nicht, sind diese so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht.

Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an, wobei

  • in erster Linie vom Wortlaut der jeweiligen Klausel auszugehen ist und
  • der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln zusätzlich zu berücksichtigen sind, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 13.09.2017 – IV ZR 302/16 – hingewiesen und im Fall eines Versicherungsnehmers,

  • der eine, um eine Forderungsausfalldeckung ergänzte private Haftpflichtversicherung abgeschlossen und
  • mit der Versicherung die Geltung der „Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung“ sowie die „Besonderen Bedingungen und Risikobeschreibungen zur Privathaftpflicht KLASSIK“ vereinbart hatte,

entschieden, dass

  • in der Forderungsausfallversicherung die Klausel „Inhalt und Umfang der versicherten Schadensersatzansprüche richten sich nach dem Deckungsumfang der Privathaftpflichtversicherung dieses Vertrages“ gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt,
  • soweit durch eine berufliche Tätigkeit des Schädigers verursachte Schäden nicht versichert sein sollen.

Ehegatten die einen Ehevertrag geschlossen und darin Gütertrennung vereinbart haben sollten wissen

  • …. dass der Ehevertrag wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig sein kann, wenn die Gesamtbetrachtung ergibt, dass eine unangemessene Benachteiligung eines Ehegatten vorliegt und
  • der Ehevertrag dann keine Rechtswirkung entfaltet, (auch) mit der Folge, dass die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben bzw. gelebt haben.

Darauf hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg mit Beschluss vom 10.05.2017 – 3 W 21/17 (NL) – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem ein Mann mit seiner 20 Jahre jüngeren künftigen Ehefrau, die damals Auszubildende in seinem Betrieb und hochschwanger war,
  • vor der Hochzeit in einem notariellen Ehevertrag Gütertrennung vereinbart hatte,

den geschlossenen Ehevertrag deswegen für nichtig erachtet, weil

  • aufgrund der Gütertrennung die Ehefrau nicht nur weder Anspruch auf den Zugewinnausgleich noch auf Teilhabe an den Rentenansprüche ihres Mannes gehabt hätte,
  • sondern durch die Regelungen im Vertrag auch der Unterhaltsanspruch der Ehefrau weitgehend eingeschränkt worden wäre

und darüber hinaus sich die Ehefrau bei Abschluss des Vertrages nach Auffassung des Senats in einer Zwangslage befunden hatte,

Wichtig zu wissen für Betreiber und Nutzer eines Internetforums

Mit Urteil vom 10.04.2017 – 102 C 297/16 – hat das Amtsgericht (AG) Kerpen entschieden, dass

  • ein Internet-Forennutzungsvertrag, der dadurch zustande kommt, dass der Nutzer sich in einem öffentlich „online“ gestellten Internetforum eines Betreibers „angemeldet“, der Forenbetreiber den Account bzw. das Benutzerkonto freigeschaltet hat und der Benutzer aufgrund dessen berechtigt ist, Beiträge im Forum des Betreibers zu posten und auch die im Übrigen dort angebotene Infrastruktur, etwa das persönliche Postfach und die Versendung persönlicher Nachrichten zu nutzen, ein nicht typisiertes „Dauerschuldverhältnis“ im Sinne von § 314 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist,
  • dieses Dauerschuldverhältnis gekündigt werden kann,
    • gemäß § 314 Abs. 1, Abs. 2 BGB unter den dort genannten Voraussetzungen aus wichtigem Grund fristlos oder,
    • soweit nichts anderes vereinbart worden ist, vom Forenbetreiber ordentlich in entsprechender Anwendung von § 624 S. 2 BGB mit einer Frist von 6 Monaten und
  • vom Forenbetreiber gestellte Nutzungsbedingungen, die vorsehen, dass Nutzer jederzeit und ohne Angabe von Gründen gelöscht oder gesperrt werden können wegen unangemessener Benachteiligung des Nutzers gemäß § 305, 307, 308 Nr. 4 BGB unwirksam sind.

BGH entscheidet: Bausparkassen dürfen keine Gebühren für Darlehenskonten erheben

Mit Urteil vom 09.05.2017 – XI ZR 308/15 – hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass Formularklauseln in Bausparverträgen sowie damit korrespondierende Regelungen in Allgemeinen Bausparbedingungen (ABB) von Bausparkassen,

  • die in der Darlehensphase eine von Bausparern zu zahlende „Kontogebühr“ vorsehen,

wegen unangemessener Benachteiligung der Bausparer nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam sind.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • die bloße Verwaltung der Darlehensverträge nach Darlehensausreichung keine gesondert vergütungsfähige Leistung gegenüber dem Bausparer, sondern eine rein innerbetriebliche Leistung der Bausparkasse ist,

Regelungen, die hierfür eine Gebühr vorsehen, der gerichtlichen Kontrolle unterliegende sogenannte Preisnebenabreden darstellen, die mit dem auch für Bauspardarlehensverträge geltenden – gesetzlichen Leitbild des § 488 Abs. 1 Satz 2 BGB unvereinbar sind,

  • weil die Berechnung der Kontogebühr in der Darlehensphase der Abgeltung von Aufwand für im Zusammenhang mit Bauspardarlehen stehende Verwaltungstätigkeiten der Bausparkasse dient,
  • folglich Kosten auf Bausparkunden abgewälzt werden, die für Tätigkeiten anfallen, die von der Bausparkasse überwiegend in eigenem Interesse erbracht werden und

dadurch die Bausparkunden in sachlich nicht gerechtfertigter Weise unangemessen benachteiligen werden (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 09.05.2017 – Nr. 68/2017 –).

BGH entscheidet wann eine vom Auftraggeber in einem Bauvertrag gestellte Klausel über einen Sicherheitseinbehalt (un)wirksam ist

Mit Urteil vom 30.03.2017 – VII ZR 170/16 – hat der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass die von einem Auftraggeber in einem Bauvertrag gestellten (also nicht im Einzelnen ausgehandelten) Formularklauseln

  • „….. Die Parteien vereinbaren – unabhängig von einer Ausführungsbürgschaft – den Einbehalt einer unverzinslichen Sicherheitsleistung durch den Auftraggeber in Höhe von 5 % der Brutto-Abrechnungssumme für die Sicherstellung der Gewährleistung einschließlich Schadensersatz und die Erstattung von Überzahlungen…….
  • …. Der Auftragnehmer ist berechtigt, den Sicherheitseinbehalt gegen Vorlage einer unbefristeten, selbstschuldnerischen und unwiderruflichen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Versicherung abzulösen; frühestens jedoch nach vollständiger Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgestellten Mängel oder fehlender Leistungen ….“

bei der gebotenen Gesamtbeurteilung

  • des Sicherheitseinbehalts und der untrennbar damit verknüpften Ablösungsmöglichkeit,

wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers nach § 307 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) unwirksam sind.

Eine vom Auftraggeber in Allgemeinen Geschäftsbedingungen eines Bauvertrags gestellte Klausel,

  • wonach ein Sicherheitseinbehalt in Höhe von 5 % der Bausumme für die Dauer der fünfjährigen Gewährleistungsfrist durch eine selbstschuldnerische unbefristete Bürgschaft abgelöst werden kann,

ist danach zwar

  • unter Berücksichtigung der Höhe und Dauer des Einbehalts sowie der Art, wie der Einbehalt abgelöst werden kann,

zulässig und wirksam.

Unwirksam ist eine solche Klausel aber nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB dann, wenn die Ablösung des Sicherheitseinbehalts

  • zusätzlich davon abhängig gemacht wird,
  • dass wesentliche Mängel nicht (mehr) vorhanden sind.

Denn, so der Senat, die Einschränkung,

  • dass eine Ablösungsmöglichkeit bezüglich des Sicherheitseinbehalts frühestens nach vollständiger Beseitigung der im Abnahmeprotokoll festgestellten Mängel oder fehlenden Leistungen besteht,

ist so weitreichend,

  • dass ein angemessener Ausgleich zu den mit dem Sicherheitseinbehalt für den Auftragnehmer verbundenen Nachteilen (den Werklohn nicht sofort ausgezahlt zu bekommen, das Bonitätsrisiko für die Dauer der Gewährleistungsfrist tragen zu müssen sowie der Vorenthaltung der Liquidität und der Verzinsung des Werklohns) nicht mehr zugestanden wird.

Die Frage, ob im Abnahmeprotokoll festgestellte Mängel vollständig beseitigt sind, kann nämlich Gegenstand langwieriger Kontroversen sein, die sich über die Dauer der Verjährungsfrist für die Mängelansprüche hinziehen können.
Jeder diesbezügliche Streit kann zur Blockade der Ablösungsmöglichkeit führen, so dass es dann bei dem Sicherheitseinbehalt und den mit diesem für den Auftragnehmer verbundenen Nachteilen bleibt.
Entsprechendes gilt bezüglich etwaiger im Abnahmeprotokoll als fehlend festgestellter Leistungen.

Kann die kurze Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB im Mietvertrag formularmäßig verlängert werden?

Nach Auffassung des Landgerichts (LG) Detmold (vgl. Urteil vom 01.06.2011 – 10 S 14/09 –) soll es zulässig sein, die Verjährungsfrist des § 548 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nach der

  • Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache in sechs Monaten verjähren,

durch eine entsprechende Klausel im Mietvertrag moderat zu erhöhen (in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war das ein Jahr).

Das Amtsgericht (AG) Dortmund hat dagegen mit Urteil vom 07.02.2017 – 425 C 6067/16 – entschieden, dass die kurze Verjährungsfrist des § 548 BGB

  • nur individualvertraglich im Rahmen des § 202 Abs. 2 BGB,
  • in der Regel aber nicht formularvertraglich

verlängert werden kann,

  • weil die kurze Verjährungsfrist des § 548 BGB zum gesetzlichen Leitbild des Mietvertrages gehört und
  • eine formularmäßige Verjährungsfristverlängerung deshalb gem. § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB wegen unangemessener Benachteiligung des Mieters unwirksam ist, sofern nicht ausnahmsweise ganz besondere Interessen des Vermieters vorliegen, auf die sich die Verlängerungsklausel beschränkt.

Wer muss was darlegen bzw. beweisen, wenn ein Stellenbewerber wegen Benachteiligung bei einer Bewerbung Zahlung einer Entschädigung verlangt?

Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis (§ 6 Abs. 1 Satz 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG)), die sich zur Geltendmachung eines Anspruchs auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG darauf berufen, der beklagte Arbeitgeber (vgl. § 6 Abs. 2 AGG) habe gegen ein Benachteiligungsverbot des AGG verstoßen, haben gemäß § 22 AGG Indizien vorzutragen, die eine Benachteiligung nach § 3 AGG wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, also

  • aus rassistischen Gründen oder wegen seiner ethnischen Herkunft,
  • wegen seines Geschlechts,
  • wegen seiner Religion oder seiner Weltanschauung,
  • wegen seiner Behinderung,
  • wegen seines Alters oder
  • wegen seiner sexuellen Identität.

An die Vermutungsvoraussetzungen des § 22 AGG ist dabei kein zu strenger Maßstab anzulegen.
Es genügt, wenn aus den vorgetragenen Tatsachen nach allgemeiner Lebenserfahrung eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen einer Benachteiligung besteht (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 27.01.2011 – 8 AZR 580/09 –).

Indizien beispielsweise für eine Benachteiligung wegen einer (Schwer-)Behinderung in einer Bewerbungssituation gegenüber einem öffentlichen Arbeitgeber können insbesondere die Verletzung von Verfahrens- und Förderpflichten nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) zu Gunsten schwerbehinderter Menschen sein, namentlich

  • das Unterlassen der Einschaltung der Agentur für Arbeit gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1, 82 Satz 1 SGB IX (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 03.03.2011 – 5 C 16/10 –) oder
  • das Unterbleiben einer Einladung zu einem Vorstellungsgespräch entgegen § 82 Satz 2 SGB IX,

sofern der Bewerber alle (zulässigen) Einstellungsvoraussetzungen erfüllt (BAG, Urteil vom 16.02.2012 – 8 AZR 697/10 –; Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein, Urteil 18.03.2015 – 3 Sa 371/14 –; Arbeitsgericht (ArbG) Ulm, Urteil vom 02.08.2016 – 5 Ca 86/16 –).

Besteht die Vermutung einer Benachteiligung, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz nicht verletzt worden ist. Hierfür gilt jedoch das Beweismaß des sog. Vollbeweises.

  • Der Arbeitgeber muss demnach dann Tatsachen vortragen und ggf. beweisen, aus denen sich ergibt, dass ausschließlich andere als die in § 1 AGG genannten Gründe zu einer ungünstigeren Behandlung geführt haben (BAG, Urteil vom 17.03.2016 – 8 AZR 677/14 –).