Tag Berufskraftfahrer

LAG Schleswig-Holstein entscheidet: Trunkenheitsfahrt eines angestellten Berufskraftfahrers kann fristlose Kündigung rechtfertigen

Mit Urteil vom 24.03.2021 – 6 Sa 284/20 – hat die 6. Kammer des Landesarbeitsgerichts (LAG) Schleswig-Holstein in einem Fall, in dem einem angestellten Berufskraftfahrer,

  • weil er während der Arbeitszeit in alkoholisiertem (Blutalkoholkonzentration von 1,49 Promille) mit einem Firmen-LKW einen Unfall mit erheblichem Sachschaden verursacht hatte, 

von seinem Arbeitgeber 

  • fristlos gekündigt 

worden war, entschieden, dass die 

  • außerordentliche Kündigung 

wirksam war, mit der Rechtsfolge, dass die Kündigung  

  • mit ihrem Zugang 

das Arbeitsverhältnis beendet hat.

Die Kammer hat dies damit begründet, dass Arbeitnehmer die (arbeitsvertragliche Neben-) Pflicht haben, 

  • ihre Arbeitsfähigkeit auch nicht durch Alkoholgenuss in der Freizeit zu beeinträchtigen, 

aufgrund der besonderen Gefahren des öffentlichen Straßenverkehrs von als Berufskraftfahrern Angestellten  

  • jeder die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigende Alkoholkonsum zu unterlassen ist

und der Gekündigte,

  • indem er alkoholisiert seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer verrichtete, 

in schwerwiegender Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat, was einen 

  • wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für eine fristlose Kündigung

darstellt (vgl. Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteil vom 20.10.2016 – 6 AZR 471/15 –). 

Auch war dem Arbeitgeber eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nach Auffassung der Kammer, 

  • unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und
  • unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile

nicht zumutbar, nachdem 

  • der Gekündigte massiv alkoholisiert war, 
  • er durch die von ihm begangene Pflichtverletzung nicht nur sich selbst, sondern auch andere Verkehrsteilnehmer sowie Güter des Arbeitgebers in Gefahr gebracht hatte,
  • ihm als Berufskraftfahrer bewusst sein musste, dass er sich nicht alkoholisiert ans Steuer setzen darf und bei einen Verstoß ohne weiteres die Kündigung folgt sowie
  • seine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz nicht möglich war. 

Eine Abmahnung erachte die Kammer für entbehrlich, da sie die Pflichtverletzung des Gekündigten für so schwerwiegend ansah, dass selbst deren erstmalige Hinnahme durch den Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben 

  • unzumutbar und 
  • offensichtlich ausgeschlossen 

war.

Übrigens:
Ob die Alkoholisierung des Gekündigten ursächlich für den Unfall war oder ob der Gekündigte den Unfall auch in nicht alkoholisiertem Zustand verursacht hätte, war,

  • da die Pflichtverletzung schon in der Aufnahme und Ausführung der Tätigkeit trotz erheblichem Alkoholkonsums besteht, 

nicht entscheidungserheblich.

Berufskraftfahrer sollten wissen, wann, nach Verlust des Arbeitsplatzes wegen Fahrerlaubnisentzugs, auch Sperrzeit

…. für Arbeitslosengeld droht.  

Mit Urteil vom 30.09.2019 – S 3 AL 6956/18 – hat das Sozialgericht (SG) Stuttgart darauf hingewiesen, dass, wenn einem als Berufskraftfahrer Beschäftigten, 

  • wegen einer vorsätzlichen Verkehrsstraftat, 
    • wie beispielsweise dem unerlaubten Entfernen vom Unfallort, 

die Fahrerlaubnis entzogen sowie sein Führerschein eingezogen und vom Arbeitgeber daraufhin das Arbeitsverhältnis gekündigt wird, 

  • weil er den Mitarbeiter aufgrund des Führerscheinverlustes nicht mehr (weiter) beschäftigen kann,

Ursache der Arbeitslosigkeit ein arbeitsvertragswidriges Verhalten ist, weswegen grundsätzlich

  • eine Sperrzeit für das Arbeitslosengeld 

eintreten kann. 

Danach kann

  • die Begehung einer vorsätzlichen Verkehrsstraftat, die zum Verlust der für ein Beschäftigungsverhältnis erkennbar notwendigen Fahrerlaubnis führt, 

die Feststellung eines versicherungswidrigen Verhaltens nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) 

  • in Form der jedenfalls grob fahrlässigen Herbeiführung der Arbeitslosigkeit durch vorsätzliches arbeitsvertragswidriges Verhalten 

rechtfertigen (Quelle: Pressemitteilung des SG Stuttgart).

Berufskraftfahrer, die nach einer privaten Trunkenheitsfahrt ihren Arbeitsplatz verlieren, aufgrund dessen hilfsbedürftig werden und

…. „Hartz IV-Leistungen“ erhalten, sind nicht nach § 34 Abs. 1 des Zweiten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB II) zur Rückzahlung der bezogenen Grundsicherungsleistungen verpflichtet.

Das hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen mit Urteil vom 05.07.2018 – L 6 AS 80/17 – entschieden.

Danach kann das Jobcenter von Berufskraftfahrern,

  • denen wegen einer in ihrer Freizeit begangenen Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis entzogen sowie
  • deswegen von ihrem Arbeitgeber gekündigt worden ist und

die danach hilfsbedürftig sind und Grundsicherungsleistungen („Hartz IV“) beziehen,

  • das Jobcenter diese Grundsicherungsleistungen nicht zurückfordern.

Denn, so das LSG, der Erstattungsanspruch nach § 34 Abs. 1 SGB II,

  • wonach derjenige, der nach Vollendung des 18. Lebensjahres vorsätzlich oder grob fahrlässig die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II an sich ohne wichtigen Grund herbeigeführt hat, zum Ersatz der deswegen erbrachten Geld- und Sachleistungen verpflichtet ist,

setzt als ungeschriebenes objektives Tatbestandsmerkmal ein sozialwidriges Verhalten des Erstattungspflichtigen voraus und die Fahrt eines Berufskraftfahrers unter Alkoholeinfluss in der Freizeit,

  • stellt zwar eine rechtlich zu missbilligende Tat dar,

ist aber,

  • auch wenn durch diese besonders schwere Verletzung der beruflichen Sorgfaltspflichten der Arbeitsplatz und damit das existenzsichernde Einkommen verloren gegangen ist,

nicht als sozialwidrig einzustufen,

  • weil kein spezifischer Bezug zur Herbeiführung einer Hilfebedürftigkeit besteht, wie er insbesondere bei der Verschwendung von Vermögen in Betracht kommt.

Wer als Berufskraftfahrer Drogen konsumiert riskiert seine fristlose Kündigung

Nimmt ein Berufskraftfahrer

  • vor oder während der Arbeitszeit Substanzen wie Amphetamin oder Methamphetamin („Crystal Meth“) ein und
  • gefährdet er dadurch seine Fahrtüchtigkeit

kann dies eine fristlose Kündigung seines Arbeitsverhältnisses rechtfertigen.

Darauf hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Urteil vom 20.10.2016 – 6 AZR 471/15 – hingewiesen und in einem Fall, in dem ein Arbeitgeber einem bei ihm als LKW-Fahrer Beschäftigten fristlos gekündigt hatte,

  • weil von diesem im privaten Umfeld am Wochenende Amphetamin und Methamphetamin eingenommen und
  • am folgenden Dienstag, anlässlich einer Polizeikontrolle, der Drogenkonsum festgestellt worden war,
  • ohne dass jedoch eine dadurch bedingte Fahruntüchtigkeit bestand,

die außerordentliche Kündigung,

  • wegen der sich aus der Einnahme von Amphetamin und Methamphetamin für die Tätigkeit eines Berufskraftfahrers typischerweise ergebenden Gefahren,

für berechtigt erklärt.

Dass bei der Polizeikontrolle infolge des Drogenkonsums die Fahrtüchtigkeit nicht konkret beeinträchtigt war und deshalb keine erhöhte Gefahr im Straßenverkehr bestand ist danach unerheblich.

Das hat die Pressestelle des BAG am 20.10.2016 – Nr. 57/16 – mitgeteilt.