Tag Betreuungsrecht

Der Antrag auf Feststellung der Rechtswidrigkeit nach § 62 FamFG in einer Unterbringungssache

Für die Feststellung nach § 62 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ist kein Raum,

  • wenn das Vorliegen des Rechtsfehlers noch vor Eintritt der Erledigung jedenfalls inzident festgestellt worden ist,
  • was auch dann zu bejahen ist, wenn das Beschwerdegericht einen Verfahrensfehler erkannt und geheilt hat.

 

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 02.09.2015 – XII ZB 226/15 – hingewiesen.

Wie der Senat ausgeführt hat, hat der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 62 Abs. 1 FamFG dem Umstand Rechnung getragen, dass im Einzelfall trotz Erledigung des ursprünglichen Rechtsschutzziels ein Bedürfnis nach einer gerichtlichen Entscheidung fortbestehen kann, wenn das Interesse des Betroffenen an der Feststellung der Rechtslage besonders geschützt ist.

  • Gerade in Fällen schwerwiegender Grundrechtseingriffe oder konkret zu erwartender Wiederholung (§ 62 Abs. 2 FamFG) soll die Klärung von Rechtswidrigkeit oder Rechtmäßigkeit einer gerichtlichen Entscheidung nicht daran scheitern,
  • dass das für die Rechtsverfolgung grundsätzlich erforderliche Rechtsschutzinteresse wegen Erledigung, etwa zeitlichem Ablauf einer Genehmigung, entfallen ist.

 

Die Regelung des § 62 Abs. 1 FamFG eröffnet dem Betroffenen mithin die Möglichkeit,

  • eine gerichtliche Feststellung der Rechtslage zu erhalten,
  • obwohl in der Hauptsache selbst – aufgrund der Erledigung – keine Regelung mehr möglich ist.

 

Demnach ist für die Feststellung nach § 62 Abs. 1 FamFG dann kein Raum, wenn das Vorliegen des Rechtsfehlers noch vor Eintritt der Erledigung jedenfalls inzident festgestellt worden ist, was auch dann zu bejahen ist, wenn das Beschwerdegericht einen Verfahrensfehler erkannt und geheilt hat. 

 

Wenn sich ein zivilrechtliches Unterbringungsverfahren während des Beschwerdeverfahrens in der Hauptsache erledigt

Der Anspruch auf ein faires Verfahren gebietet es, einen anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen eines zivilrechtlichen Unterbringungsverfahrens

 

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 02.09.2015 – XII ZB 138/15 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem die Erledigung der zivilrechtlichen Unterbringung durch Zeitablauf bereits zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung eingetreten war, so dass der Betroffene schon im Beschwerdeverfahren einen Antrag nach § 62 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) hätte stellen müssen, weil damit die Beschwerde mit dem Ziel der Aufhebung der amtsgerichtlichen Unterbringungsgenehmigungsentscheidung unzulässig geworden war,

 

entschieden,

  • dass das Fehlen des erforderlichen Feststellungsantrags dem Beschwerdezurückweisungsbeschluss dann nicht die Rechtswidrigkeit nimmt, wenn das Beschwerdegericht es versäumt hat, einen anwaltlich nicht vertretenen Betroffenen auf die Möglichkeit hinzuweisen, seinen Antrag umzustellen auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Unterbringungsanordnung.

 

Auch bei genehmigter Unterbringung bedarf es der gesonderten Genehmigung für unterbringungsähnliche Maßnahmen

Auch im Rahmen einer genehmigten Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

  • bedarf es der gesonderten betreuungsgerichtlichen Genehmigung nach § 1906 Abs. 4 BGB,
  • wenn dem Betroffenen durch mechanische Vorrichtungen, Medikamente oder auf andere Weise über einen längeren Zeitraum oder regelmäßig die Freiheit entzogen werden soll.

 

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 28.07.2015 – XII ZB 44/15 – hingewiesen.

Wie der Senat ausgeführt hat, sieht zwar der Wortlaut des § 1906 Abs. 4 BGB eine Genehmigungspflicht für unterbringungsähnliche Maßnahmen nur für Betreute vor, die sich in einer Anstalt, einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung aufhalten, ohne untergebracht zu sein.
Da die Unterbringung den Betroffenen im Einzelfall jedoch regelmäßig weniger beeinträchtigt als eine zusätzliche freiheitsentziehende Maßnahme iSv § 1906 Abs. 4 BGB, ist letztere stets auch dann gesondert gerichtlich zu genehmigen, wenn der Betroffene nach § 1906 Abs. 1 bis 3 BGB untergebracht ist (BGH, Beschluss vom 12.09.2012 – XII ZB 543/11 –).

Erteilt werden kann die Genehmigung für eine unterbringungsähnliche Maßnahme, wie sie beispielsweise auch das zeitweise oder regelmäßige Verschließen der Zimmertür darstellt (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 07.01.2015 – XII ZB 395/14 –), neben einer beantragten Genehmigung für die Unterbringung eines Betroffenen ohne ausdrücklichen Antrag des Betreuers nur dann, wenn sich aus dem Verhalten des Betreuers ergibt, dass er die Genehmigung auch der unterbringungsähnlichen Maßnahme wünscht.
Denn dies ist notwendige Voraussetzung für eine Entscheidung nach § 1906 Abs. 4 BGB (BGH, Beschluss vom 15.09.2010 – XII ZB 383/10 –).
Da das Gericht nach § 1906 BGB nur die Genehmigung zu einer vom Betreuer beabsichtigten Maßnahme erteilt, dieser für den Vollzug der Maßnahme indes allein verantwortlich bleibt, muss zumindest aus dem Verhalten des Betreuers ersichtlich sein, dass er die Genehmigung der Unterbringung oder unterbringungsähnlichen Maßnahme wünscht.

 

Die Vorsorgevollmacht

Volljährige können nach § 1901c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für den Fall ihrer Betreuungsbedürftigkeit in einem Schriftstück

  • Vorschläge zur Auswahl des Betreuers oder Wünsche zur Wahrnehmung der Betreuung äußern (Betreuungsverfügung) oder
  • eine andere Person mit der Wahrnehmung ihrer Angelegenheiten bevollmächtigen (Betreuungsvollmacht).

 

Gemäß § 6 Absatz 2 Satz 1 des Gesetzes über die Wahrnehmung behördlicher Aufgaben bei der Betreuung Volljähriger (Betreuungsbehördengesetz – BtBG) ist die Urkundsperson bei der Betreuungsbehörde befugt,

  • Unterschriften oder Handzeichen auf Vorsorgevollmachten oder Betreuungsverfügungen
  • öffentlich zu beglaubigen.

 

Eine solche öffentlich beglaubigte Vorsorgevollmacht genügt den Anforderungen des § 29  Grundbuchordnung (GBO).

Die Befugnis der Betreuungsbehörde nach § 6 Absatz 2 Satz 1 BtBG Unterschriften oder Handzeichen auf Vorsorgevollmachten oder Betreuungsverfügungen öffentlich zu beglaubigen,

  • umfasst auch transmortale Vorsorgevollmachten,
  • d. h. Vorsorgevollmachten, die nach dem Willen des Vollmachtgebers zu seinen Lebzeiten und noch nach seinem Tod gelten sollen.

 

Der Begriff der Vorsorgevollmacht begrenzt die Vollmacht nämlich weder inhaltlich noch zeitlich. Vielmehr liegt es in der Hand des Vollmachtgebers, die zeitlichen Grenzen der Bevollmächtigung und damit das Erlöschen der Vollmacht zu regeln.
Legt der Vollmachtgeber ausdrücklich die Geltung der Vollmacht bis über den Tod hinaus fest, so will er gerade verhindern, dass aus dem Vorsorgecharakter der Vollmacht der Schluss gezogen wird, dass die Vollmacht nur für die Dauer einer Betreuungsbedürftigkeit gelten soll.

Dass es sich bei einer Vollmacht um eine Vorsorgevollmacht im Sinne des § 6 Abs. 2 BtBG handelt, lässt sich erkennen,  

  • am Motiv der Erteilung, nämlich daran, dass die Vollmacht zur Vermeidung einer vom Gericht angeordneten Betreuung erteilt worden ist sowie
  • an Hand charakteristischer Bestimmungen in der Vollmacht, wobei wichtige Indizien Regelungen zur Gesundheitsfürsorge und zu freiheitsentziehenden Maßnahmen sind.

 

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Beschluss vom 14.09.2015 – 11 Wx 71/15 – hingewiesen.

 

Widerruf einer Vorsorgevollmacht durch den Betreuer?

Ein gerichtlich bestellter Betreuer kann eine Vorsorgevollmacht nur widerrufen, wenn ihm diese Befugnis

  • als eigenständiger Aufgabenkreis ausdrücklich zugewiesen ist.
  • Ist einem Betreuer nicht der Aufgabenkreis des Widerrufs der Vorsorgevollmacht ausdrücklich zugewiesen, kann ein von ihm ausgesprochener Widerruf keine Wirksamkeit entfalten.

 

Die Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf ist

  • weder in allgemein zugewiesenen Aufgabenkreisen eines Regelbetreuers
  • noch in dem allgemeinen Aufgabenkreis eines Kontrollbetreuers nach § 1896 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) enthalten.

 

Zwischen einem Regelbetreuer und einem Kontrollbetreuer nach § 1896 Abs. 3 BGB ist insoweit auch nicht zu unterscheiden.
Soweit die Ausführungen in den Beschlüssen des XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 13.11.2013 – XII ZB 339/13 – und vom 01.08.2012 – XII ZB 438/11 – dahingehend verstanden werden könnten, dass der Kontrollbetreuer ggf. auch ohne ausdrückliche Zuweisung dieses Aufgabenkreises zum Widerruf der Vollmacht berechtigt sei, hält der BGH hieran nicht fest.

  • Das gleiche gilt für die Ermächtigung zur Beendigung des der Vollmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses, wodurch gemäß § 168 Satz 1 BGB die Vollmacht ebenfalls erlischt.

 

Ob im Falle einer Kontrollbetreuung (§ 1896 Abs. 3 BGB) auch ein Rechtspfleger im Rahmen der ihm nach §§ 3 Nr. 2, 15 Abs. 1 S. 2 Rechtspflegergesetz (RPflG) übertragenen Geschäfte den Aufgabenkreis des Vollmachtwiderrufs zuweisen kann oder ob dies – im Hinblick auf das besondere Gewicht des Grundrechtseingriffs und zur Wahrung der in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) statuierten Rechtsweggarantien – dem Richter vorbehalten ist, hat der BGH (noch) nicht entschieden.

Gerechtfertigt ist eine gerichtliche Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf allein zu dem Zweck, eine Gefährdungslage für den Betroffenen abzuwenden.
Der Aufgabenkreis Vollmachtwiderruf kann daher einem Betreuer nur dann übertragen werden,

  • wenn das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und
  • in erheblicher Schwere befürchten lässt.
  • Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert ferner, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass mildere Mittel nicht zur Abwehr eines Schadens zur Verfügung stehen.

 

Der mit der Ermächtigung des Betreuers zum Vollmachtwiderruf verbundene Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen ist dann verhältnismäßig,

  • wenn er geeignet, erforderlich und angemessen ist, um Schaden vom Betroffenen abzuwenden und
  • er dadurch dessen Wohl gemäß den Zielen des Erwachsenenschutzes dient.

 

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Vollmachtwiderruf seinerseits eine Betreuungsnotwendigkeit begründen oder perpetuieren kann und dieses gerade dem mit der Vorsorgevollmacht verfolgten und durch § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB geförderten Zweck widerspricht, eine Betreuung zu vermeiden.

  • Sind behebbare Mängel bei der Vollmachtausübung festzustellen, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz regelmäßig zunächst den Versuch, durch einen zu bestellenden (Kontroll-)betreuer auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken, insbesondere durch Verlangen nach Auskunft und Rechenschaftslegung (§ 666 BGB) sowie die Ausübung bestehender Weisungsrechte.

 

Die Ausübung der Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten ist als geringerer Grundrechtseingriff grundsätzlich vorrangig vor einer Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf.
Nur wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder es aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Sicherheit als ungeeignet erscheint, drohende Schäden auf diese Weise abzuwenden, ist die Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf, der die ultima ratio darstellt, verhältnismäßig.

  • Auch wenn aufgrund ausdrücklicher richterlicher Zuweisung des Aufgabenkreises der Betreuer den Vollmachtwiderruf wirksam erklärt hat, kann der Bevollmächtigte gemäß § 303 Abs. 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) noch im Namen des Betroffenen Beschwerde gegen die Betreuerbestellung einlegen.

 

Nach dieser Vorschrift kann der Vorsorgebevollmächtigte gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen.
Durch den Widerruf der Vorsorgevollmacht entfällt nämlich nicht die Vertretungsmacht nach § 303 Abs. 4 FamFG. Diese Vertretungsmacht endet erst mit dem Abschluss des Verfahrens über die Rechtmäßigkeit der Betreuerbestellung bzw. wenn dieses nicht mehr in zulässiger Weise eingelegt bzw. weiterverfolgt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 15.04.2015 – XII ZB 330/14 –).
Da dem Bevollmächtigten durch die Befugnis, im Namen des Betroffenen Beschwerde einzulegen, gerade die Überprüfung der Betreuerbestellung ermöglicht werden soll, steht der Widerruf der Vollmacht durch einen Betreuer dem Beschwerderecht nicht entgegen. Damit soll gewährleistet werden, dass dem Rechtsmittel nicht durch einen vom Betreuer erklärten Widerruf der Vollmacht die Grundlage entzogen werden kann.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 28.07.2015 – XII ZB 674/14 – hingewiesen.

 

Genehmigung einer Zwangsmedikation

Bei der Genehmigung der Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme handelt es sich nach § 312 Satz 1 Nr. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) um eine Unterbringungssache.
Nach § 321 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat vor einer Unterbringungsmaßnahme eine förmliche Beweisaufnahme durch Einholung eines Gutachtens über die Notwendigkeit der Maßnahme stattzufinden. Gemäß § 30 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 FamFG ist diese entsprechend der Zivilprozessordnung (ZPO) durchzuführen. Danach bedarf es zwar nicht zwingend eines förmlichen Beweisbeschlusses (vgl. § 358 ZPO).
Jedoch ist die Ernennung des Sachverständigen dem Betroffenen

  • wenn nicht förmlich zuzustellen,
  • so doch zumindest formlos mitzuteilen, damit dieser gegebenenfalls von seinem Ablehnungsrecht nach § 30 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 406 ZPO Gebrauch machen kann.

 

Ferner hat der Sachverständige den Betroffenen gemäß § 321 Abs. 1 Satz 2 FamFG

  • vor Erstattung des Gutachtens
  • persönlich zu untersuchen oder zu befragen.

 

Dabei muss er

  • schon vor der Untersuchung des Betroffenen zum Sachverständigen bestellt worden sein und
  • ihm den Zweck der Untersuchung eröffnen.

 

Andernfalls kann der Betroffene sein Recht, an der Beweisaufnahme teilzunehmen, nicht sinnvoll ausüben.

Schließlich muss das Sachverständigengutachten zwar nicht zwingend schriftlich erstattet werden, wenn auch eine schriftliche Begutachtung vielfach in Anbetracht des schwerwiegenden Grundrechtseingriffs angezeigt erscheint.
Jedenfalls aber muss das Gutachten

 

Auch soll nach der Regelung in § 321 Abs. 1 Satz 5 FamFG

  • in Verfahren zur Genehmigung einer Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme oder bei deren Anordnung
  • der zwangsbehandelnde Arzt nicht zum Sachverständigen bestellt werden.
  • Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen – etwa bei besonderer Eilbedürftigkeit – kann das Gericht hiervon abweichen und im Einzelfall auch den behandelnden Arzt zum Gutachter bestellen. In diesem Fall hat das Gericht jedoch in dem Genehmigungsbeschluss nachvollziehbar zu begründen, weshalb es von § 321 Abs. 1 Satz 5 FamFG abgewichen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 30.10.2013 – XII ZB 482/13 –).

 

Genügt ein im Betreuungsverfahren eingeholten Gutachten, auf welches das Gericht unter anderem die Genehmigung für die zwangsweise Heilbehandlung eines Betroffenen gestützt hat, diesen Anforderungen, die § 321 Abs.1 FamFG an das zwingend einzuholende Sachverständigengutachten stellt, nicht, hat das Gericht auf einer unzureichenden tatsächlichen Grundlage entschieden und ist der Betroffene durch diese Verfahrensmängel in seinem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG) verletzt.

Hat ein Betroffener in einem solchen Fall die Genehmigung der zwangsweisen Heilbehandlung angefochten, kann er, wenn sich diese während des Beschwerdeverfahrens durch Zeitablauf erledigen sollte, beantragen, nach § 62 FamFG festzustellen, dass er durch die angefochtene Entscheidungen in seinen Rechten verletzt ist.  

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 08.07.2015 – XII ZB 600/14 – hingewiesen.

 

Der Einwilligungsvorbehalt für den Bereich der Vermögenssorge

Gemäß § 1903 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ordnet das Betreuungsgericht an, dass der Betreute zu einer Willenserklärung, die den Aufgabenkreis des Betreuers betrifft, dessen Einwilligung bedarf (Einwilligungsvorbehalt),

  • soweit dies zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist.

 

Für die Verlängerung der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts gelten die Vorschriften über die erstmalige Anordnung dieser Maßnahme entsprechend.

  • Die Anordnung oder die Verlängerung der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts setzen somit voraus, dass die konkrete Gefahr für das Vermögen des Betroffenen (nach wie vor) besteht.

 

Ob dies der Fall ist, hat das Betreuungsgericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht festzustellen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 27.07.2011 – XII ZB 118/11 –).

  • Die Anordnung des Einwilligungsvorbehalts muss erforderlich sein, um eine erhebliche Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten abzuwenden.
  • Die drohende Selbstschädigung muss gewichtig sein und sich als wesentliche Beeinträchtigung des Wohls des Betreuten in seiner konkreten Lebenssituation darstellen.

 

Die Gefahr für das Vermögen des Betreuten kann sich dabei auch daraus ergeben, dass er sein umfangreiches Vermögen, das aus Grundstücken oder einem Betrieb besteht, nicht überblicken und verwalten kann.

  • Allerdings kann ein Einwilligungsvorbehalt auch bei einem umfangreichen Vermögen des Betreuten nur dann angeordnet werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine Vermögensgefährdung erheblicher Art vorliegen.
  • Allein der Umstand, dass ein Betroffener lediglich nicht in der Lage ist, sich um sein umfängliches Vermögen zu kümmern und/oder er sich nur nicht darüber im Klaren ist, welche Maßnahmen notwendig sind, um sein derzeitiges Vermögen auch für die Zukunft zu erhalten, rechtfertigt für sich genommen nur die Anordnung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis der Vermögenssorge, nicht aber schon die Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts.

 

Auch bedeutet der Grundsatz der Erforderlichkeit, dass der Einwilligungsvorbehalt je nach den Umständen auf ein einzelnes Objekt oder eine bestimmte Art von Geschäften beschränkt werden kann.
Untauglich ist der Einwilligungsvorbehalt als Disziplinierungsinstrument bei bloßen Meinungsverschiedenheiten zwischen Betreuer und Betreutem.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 28.07.2015 – XII ZB 92/15 – hingewiesen.

 

Wenn bei einem Betreuten ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet ist

Die Zahlung an eine Person,

  • für die ein Betreuer bestellt und
  • ein Einwilligungsvorbehalt für den Bereich der Vermögenssorge angeordnet ist,

 

hat keine Erfüllungswirkung.

Das hat der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) mit Urteil vom 21.04.2015 – XI ZR 234/14 – in einem Fall entschieden, in dem ein Betroffener,

  • für den vom Gericht ein Betreuer bestellt sowie angeordnet war, dass dessen Willenserklärungen, die seine Vermögenssorge betreffen, zu ihrer Wirksamkeit der Einwilligung des Betreuers bedürfen (Einwilligungsvorbehalt),

 

nach dem Tod seiner Mutter, deren Alleinerbe er war,   

  • vom Girokonto der Erblasserin bei der Sparkasse ohne Einwilligung oder nachträglicher Genehmigung seines Betreuers Geld abgehoben hatte.

 

Wie der XI. Zivilsenats des BGH ausgeführt hat, ist aufgrund eines für den Bereich der Vermögenssorge angeordneten Einwilligungsvorbehalts ein Betreuter kraft Gesetzes in diesem Bereich einem beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen gleichzustellen.
Erfüllung wäre in dem obigen Fall demnach nur eingetreten, wenn der Betreuer in die Abhebung durch  den Betreuten eingewilligt oder diese genehmigt hätte oder wenn dem Betreuer selbst das Geld übergeben worden wäre.
Bestehende Leistungspflichten können gegenüber einem beschränkt geschäftsfähigen Minderjährigen nämlich mangels Empfangszuständigkeit nicht ohne Einwilligung des gesetzlichen Vertreters wirksam erfüllt werden (Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg, Urteil vom 06.03.2007 – 10 UF 206/06 –).
Der Schutzzweck der §§ 107 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) trifft wegen des mit der Erfüllung verbundenen rechtlichen Nachteils auch auf die Annahme einer Leistung als Erfüllung zu. Bei wirksamer Erfüllung erlitte der Minderjährige einen rechtlichen Nachteil in Form des Erlöschens seiner Forderung.
Ob er hierdurch auch etwas erlangt, was bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise gleich- oder höherwertig ist, ist unerheblich, da § 107 BGB voraussetzt, dass er lediglich einen rechtlichen Vorteil erlangt. Um den vom Gesetz bezweckten Minderjährigenschutz lückenlos zu gewährleisten, muss dies auch dann gelten, wenn an tatsächliche Handlungen, etwa die Entgegennahme einer Leistung, Rechtsfolgen geknüpft werden.
Diese Grundsätze gelten auch im Falle einer Leistung an einen geschäftsfähigen Betreuten, wenn für den betroffenen Bereich ein Einwilligungsvorbehalt angeordnet ist und der Betreuer in die Leistungsannahme nicht einwilligt.
Dem Betreuten fehlt insoweit ebenfalls die zur Erfüllung notwendige Empfangszuständigkeit (Landessozialgericht (LSG) Berlin, Urteil vom 17.12.2004 – L 5 RA 12/03 –), sodass die Zahlung an ihn nicht zum Erlöschen seiner Forderung führt.
Auf die Kenntnis bzw. fahrlässige Unkenntnis des Schuldners von der Betreuung und dem Einwilligungsvorbehalt kommt es nicht an. Maßgeblich ist allein die objektive Sachlage (Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin, Urteil vom 22.06.2006 – 18 Sa 385/06 –). 

 

Wunsch des Betroffenen ist bei der Betreuerauswahl grundsätzlich zu berücksichtigen.

Für die Bestellung einer anderen als der vom Betroffenen vorgeschlagenen Person als Betreuer wegen Eignungsmängeln des Vorgeschlagenen müssen Erkenntnisse vorliegen, die geeignet sind, einen das Wohl des Betroffenen gefährdenden Eignungsmangel auch für die Zukunft und bezogen auf den von der Betreuung umfassten Aufgabenkreis zu begründen.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 25.03.2015 – XII ZB 621/14 – hingewiesen.

Nach § 1897 Abs. 4 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist die Person zum Betreuer zu bestellen, die der Betroffene wünscht. Diese Vorschrift räumt dem Betreuungsrichter bei der Auswahl des Betreuers kein Ermessen ein.

  • Der Wille des Betroffenen kann nur dann unberücksichtigt bleiben, wenn die Bestellung der vorgeschlagenen Person seinem Wohl zuwiderläuft.

 

Dies setzt voraus, dass sich aufgrund einer umfassenden Abwägung aller relevanten Umstände Gründe von erheblichem Gewicht ergeben, die gegen die Bestellung der vorgeschlagenen Person sprechen.

 

Die Annahme einer solchen konkreten Gefahr beruht auf einer Prognoseentscheidung des Gerichts, für die dieses sich naturgemäß auf Erkenntnisse stützen muss, die in der – näheren oder auch weiter zurückliegenden – Vergangenheit wurzeln.

  • Soweit es um die Eignung der vorgeschlagenen Person geht, müssen diese Erkenntnisse geeignet sein, einen das Wohl des Betroffenen gefährdenden Eignungsmangel auch für die Zukunft und bezogen auf den von der Betreuung umfassten Aufgabenkreis zu begründen.

 

Auch bei einer Verlängerung der Betreuung stellt § 1897 BGB den Maßstab für die Betreuerauswahl dar. Dies folgt aus dem Rechtscharakter der Verlängerungsentscheidung als erneute vollständige Einheitsentscheidung über die Betreuung und ergibt sich aus § 295 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), nach dem für die Verlängerung der Bestellung eines Betreuers die Verfahrensvorschriften über die erstmalige Anordnung dieser Maßnahme entsprechend gelten.
Die Vorschrift des § 1908 b Abs. 1 BGB, die die Voraussetzungen regelt, unter denen ein Betreuer entlassen werden kann, ist in diesen Fällen nicht einschlägig, sondern nur anwendbar, wenn bei fortbestehender Betreuung eine isolierte Entscheidung über die Beendigung des Amtes des bisherigen Betreuers getroffen werden soll (BGH, Beschlüsse vom 15.09.2010 – XII ZB 166/10 – und vom 17.09.2014 – XII ZB 220/14 –). 

 

Zivilrechtliche Unterbringung von Alkoholkranken zum Schutz vor Selbstgefährdung?

Gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist eine Unterbringung eines Betreuten durch den Betreuer, die mit Freiheitsentziehung verbunden ist, nur zulässig, so lange sie zum Wohl des Betreuten erforderlich ist,

  • weil aufgrund einer psychischen Krankheit oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten
  • die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt.

Alkoholismus für sich gesehen ist keine psychische Krankheit bzw. geistige oder seelische Behinderung im Sinne von § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB, so dass allein darauf die Genehmigung der Unterbringung nicht gestützt werden kann.
Ebenso wenig vermag die bloße Rückfallgefahr eine Anordnung der zivilrechtlichen Unterbringung zu rechtfertigen.

Etwas anderes gilt, wenn der Alkoholismus

  • entweder im ursächlichen Zusammenhang mit einem geistigen Gebrechen steht,
    • insbesondere einer psychischen Erkrankung,

oder

Die Grundrechte eines psychisch Kranken schließen einen staatlichen Eingriff nicht aus, der ausschließlich den Zweck verfolgt, ihn vor sich selbst in Schutz zu nehmen und ihn zu seinem eigenen Wohl in einer geschlossenen Anstalt unterzubringen.
Die zivilrechtliche Unterbringung ist – wie das Betreuungsrecht insgesamt – ein Institut des Erwachsenenschutzes als Ausdruck der staatlichen Wohlfahrtspflege, deren Anlass und Grundlage das öffentliche Interesse an der Fürsorge für den schutzbedürftigen Einzelnen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28.01.2015 – XII ZB 520/14 –).

Deshalb kann die geschlossene Unterbringung

  • zur Vermeidung einer lebensbedrohenden Selbstgefährdung,
    • beispielsweise wenn ein Betroffener außerhalb einer Unterbringung umgehend (binnen weniger als einer Woche) alkoholrückfällig werden und innerhalb kurzer Zeit (binnen weiterer vier bis acht Wochen) in ein lebensbedrohliches Delirium tremens fallen würde, das bei nicht sofort gegebener intensivmedizinischer Behandlung zum Tode führt,

auch dann genehmigt werden,

  • wenn eine gezielte Therapiemöglichkeit nicht besteht.

Zwar steht es nach der Verfassung in der Regel jedermann frei, Hilfe zurückzuweisen, sofern dadurch nicht Rechtsgüter anderer oder der Allgemeinheit in Mitleidenschaft gezogen werden.
Das Gewicht, das dem Freiheitsanspruch gegenüber dem Gemeinwohl zukommt, darf aber nicht losgelöst von den tatsächlichen Möglichkeiten des Betroffenen bestimmt werden, sich frei zu entschließen.

  • Mithin setzt eine Unterbringung zur Verhinderung einer Selbstschädigung infolge einer psychischen Erkrankung voraus, dass der Betroffene aufgrund der Krankheit seinen Willen nicht frei bestimmen kann (BGH, Beschluss vom 17.08.2011 – XII ZB 241/11 –).

Dadurch, dass sich bei einem Betroffenen eine Einsichtsfähigkeit in die Krankheit und damit Behandlungsbedürftigkeit nicht erreichen lässt, sondern allenfalls ein sog. Gewöhnungseffekt (Gewöhnung daran, keinen Alkohol mehr zu trinken) erzielen lassen wird, ist eine Unterbringung nicht ausgeschlossen.

  • Denn die Frage der Therapiefähigkeit ist für eine nicht zur Heilbehandlung, sondern gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 BGB zum Selbstschutz erfolgte Unterbringung nicht maßgeblich.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 25.03.2015 – XII ZA 12/15 – hingewiesen.