Tag Eltern

BGH entscheidet wann das Familiengericht Eltern eines minderjährigen Kindes und Dritten Weisungen zum Schutz des Kindes erteilen darf

Gemäß § 1666 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat das Familiengericht die zur Abwendung einer Gefährdung des Kindeswohls erforderlichen Maßnahmen zu treffen, zu deren Abwendung

  • die sorgeberechtigten Personen nicht gewillt oder
  • nicht in der Lage sind.

Eine solche Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn

  • eine gegenwärtige,
  • in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird,

dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

  • An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerwiegender der drohende Schaden ist.
  • Die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit muss allerdings in jedem Fall auf konkreten Verdachtsmomenten beruhen.
  • Außerdem muss der drohende Schaden für das Kind erheblich sein.
  • Selbst bei hoher Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines nicht erheblichen Schadens sind Maßnahmen nach § 1666 BGB nicht gerechtfertigt. In solchen Fällen ist dem elterlichen Erziehungs- und Gefahrabwendungsprimat der Vorrang zu geben.

Ist eine Kindeswohlgefährdung in diesem Sinne festgestellt, hat das Gericht, unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. dazu für den Fall der Trennung des Kindes von der elterlichen Familie § 1666 a BGB) die zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung geeigneten, erforderlichen und den Beteiligten auch zumutbaren Maßnahmen zu treffen.

Zu diesen Maßnahmen gehören gemäß § 1666 Abs. 3 BGB insbesondere

  • Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
  • Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
  • Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
  • Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
  • die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge sowie
  • die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge,

wobei nach § 1666 Abs. 4 BGB in Angelegenheiten der Personensorge das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen kann.

Darauf hat der u.a. für Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 23.11.2016 – XII ZB 149/16 – in einem Fall hingewiesen, in dem eine allein sorgeberechtigte Mutter einer siebenjährigen Tochter in den Haushalt ihres Lebensgefährten eingezogen war,

  • der wegen mehrerer Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern, in einem davon in Tateinheit mit Vergewaltigung eine viereinhalbjährige Freiheitsstrafe vollständig verbüßt hatte,
  • bei dem eine sachverständig festgestellte 30 %ige Rückfallwahrscheinlichkeit bestand und
  • dem im Rahmen der Führungsaufsicht verboten worden war, zu Kindern und Jugendlichen weiblichen Geschlechts Kontakt aufzunehmen, außer in Begleitung und unter Aufsicht eines Sorgeberechtigten,

und entschieden,

  • dass der Mutter untersagt werden durfte,
    • das Kind ohne ihre gleichzeitige Anwesenheit mit dem Lebensgefährten verkehren zu lassen und
    • zwischen 22 Uhr und 8 Uhr den Aufenthalt des Kindes in derselben Wohnung wie der Lebensgefährte zuzulassen,
  • dass ihr ferner aufgegeben werden durfte, jederzeit unangekündigte Besuche des Jugendamts oder vom Jugendamt hiermit beauftragter Personen zu gestatten und
  • dass gegen den Lebensgefährten entsprechende Verbote ausgesprochen werden durften (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 16.12.2016 – Nr. 231/2016 –).

Was gemeinsam sorgeberechtigte Eltern wissen sollten, wenn sie sich bei einer Sorgeangelegenheit nicht einigen können

Können sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern

  • in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten,
  • deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist,

nicht einigen,

kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils nach § 1628 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Entscheidung einem Elternteil übertragen.

Das Familiengericht hat in diesem Fall den im Rahmen der Sorgerechtsausübung aufgetretenen Konflikt der Eltern zu lösen.

  • Entweder ist die gegenseitige Blockierung der Eltern durch die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil zu beseitigen oder
  • durch Zurückweisung des Antrags die Angelegenheit beim gegenwärtigen Zustand zu belassen.

Ein Eingriff in die – gemeinsame – elterliche Sorge nach § 1628 BGB ist nur insoweit zulässig,

  • als das Gericht einem Elternteil die Entscheidungskompetenz überträgt,
  • nicht hingegen darf das Gericht die Entscheidung anstelle der Eltern selbst treffen.

Da sich die aufgrund § 1628 BGB zu treffende Entscheidung des Familiengerichts gemäß §1697 a BGB nach dem Kindeswohl richtet (Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg, Senat für Familiensachen, Beschluss vom 20.04.2015 – 10 UF 120/14 –; OLG Karlsruhe, Senat für Familiensachen, Beschluss vom 16.01.2015 – 5 UF 202/14 –) ist die Entscheidungskompetenz dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird.

Erscheint eine Bewahrung des gegenwärtigen Zustands als die bessere Konfliktlösung, genügt es, den Antrag zurückzuweisen.

Ob und inwiefern das Kindeswohl berührt ist, ist nach der Eigenart der zu regelnden Angelegenheit zu beurteilen, aus der sich auch die konkreten Anforderungen an die für die Entscheidung nach § 1628 BGB zu treffende Prüfung ergeben.

  • Handelt es sich um eine mit Anträgen an Behörden oder Gerichte verbundene Rechtsangelegenheit, so ist unter anderem zu berücksichtigen, ob und inwiefern diese Aussicht auf Erfolg versprechen.

Das liegt schon darin begründet, dass es nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes liegt, wenn es in seine Person betreffende aussichtslose Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren hineingezogen wird.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 09.11.2016 – XII ZB 298/15 – in einem Fall hingewiesen, in dem

  • nichteheliche Eltern gemeinsam sorgeberechtigt waren,
  • ihr Kind nach der Geburt mit Zustimmung der Mutter den Nachnamen des Vaters als Geburtsnamen erhalten hatte,
  • nach Trennung der Eltern die Mutter dem Kind nunmehr ihren Nachnamen erteilen wollte und

die Mutter beantragt hatte, ihr nach § 1628 BGB die Entscheidungsbefugnis zur Namensänderung nach dem Namensänderungsgesetz zu übertragen.

Wird für ein einjähriges Kind kein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt können Eltern Schadensersatz verlangen

§ 24 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) räumt einem Kind,

  • welches das erste Lebensjahr vollendet hat,
  • bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres

einen Anspruch auf frühkindliche Förderung

  • in einer Tageseinrichtung (§ 22 Abs. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) oder
  • in Kindertagespflege (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) ein.

Hieraus erwächst für den örtlich (§ 86 SGB VIII) und sachlich (§ 85 Abs. 1 SGB VIII) zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 3 Abs. 2 Satz 2, § 69 Abs. 1 SGB VIII i.V.m. dem jeweiligen Landesrecht) die (Amts-)Pflicht, im Rahmen seiner die Planungsverantwortung umfassenden Gesamtverantwortung (§ 79 Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 80 SGB VIII) sicherzustellen, dass für jedes anspruchsberechtigte Kind, für das ein entsprechender Bedarf rechtzeitig angemeldet worden ist (§ 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII), ein Betreuungsplatz zur Verfügung steht.

Diese Amtspflicht,

  • die nicht nur im Rahmen der vorhandenen Kapazität besteht,
  • sondern nach der der gesamtverantwortliche Jugendhilfeträger gehalten ist, eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte – freie Träger der Jugendhilfe oder Tagespflegepersonen – bereitzustellen,

kann der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe dadurch erfüllen, dass

  • er einen (zumutbaren) Platz
  • entweder in einer Tageseinrichtung oder im Rahmen der Kindertagespflege zuweist.

Stellt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, trotz rechtzeitiger Anmeldung des Bedarfs für ein anspruchsberechtigtes Kind keinen zumutbaren Betreuungsplatz zur Verfügung verletzt er seine Amtspflicht zur Erfüllung des Förderanspruchs aus § 24 Abs. 2 SGB VIII, wobei

  • in der Nichterfüllung dieses Anspruchs zugleich eine Amtspflichtverletzung liegt,
  • die personenberechtigten Eltern in den Schutzbereich dieser Amtspflicht einbezogen sind und
  • auch ein eventueller Verdienstausfallschaden, den ein Elternteil infolge der Nichtbereitstellung eines Betreuungsplatzes erleidet, grundsätzlich vom Schutzbereich der verletzten Amtspflicht mitumfasst wird.

Dafür, dass im Falle der Nichterfüllung des Anspruchs auf einen Betreuungsplatz die Bediensteten des Jugendhilfeträgers ihre Amtspflicht schuldhaft verletzt haben, spricht der Beweis des ersten Anscheins.
Es ist daher Sache des zuständigen Jugendhilfeträgers, den gegen ihn streitenden Anscheinsbeweis zu erschüttern,

  • wobei er sich auf allgemeine finanzielle Engpässe nicht mit Erfolg berufen kann,
  • weil der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach der gesetzgeberischen Entscheidung für eine ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen grundsätzlich uneingeschränkt – insbesondere: ohne „Kapazitätsvorbehalt“ – einstehen muss.

Soweit der Träger der Jugendhilfeträger einen zur Erschütterung des Anscheinsbeweises geeigneten Vortrag hält, muss er diesen im Bestreitensfalle beweisen.

  • Gelingt die Erschütterung des Anscheinsbeweises, so ist es Aufgabe des den Anspruch geltend machenden Elternteils – unter Berücksichtigung einer sekundären Darlegungslast des Jugendhilfeträgers in Bezug auf Vorgänge aus seiner Sphäre – zum Verschulden des Jugendhilfeträgers vorzutragen und diesen Vortrag gegebenenfalls nachzuweisen.

Darauf und dass bei Nichterfüllung des Anspruchs auf einen Betreuungsplatz einem für das Kind personensorgeberechtigten Elternteil

  • ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 Grundgesetz (GG) zustehen kann,
  • der geschädigte Elternteil allerdings auch nach § 254 BGB gehalten ist, den Schaden möglichst gering zu halten,

hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in drei Urteilen vom 20.10.2016 – III ZR 302/15 –, – III ZR 303/15 – sowie III ZR 278/15 – hingewiesen.

Was nicht miteinander verheiratete Eltern über die elterliche Sorge wissen sollten

Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht die elterliche Sorge für das Kind nach § 1626a Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zunächst allein der Mutter zu.

Nach § 1626a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB überträgt das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam,

  • wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht,
  • wobei nach § 1626a Abs. 2 S. 2 BGB vermutet wird, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht, soweit der andere Elternteil keine entgegenstehenden Gründe vorträgt.

Nach dieser gesetzlichen Regelung darf auch eine erstmalige Einrichtung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl nicht widersprechen, was

  • eine hinreichend tragfähige soziale Beziehung zwischen den Kindeseltern,
  • ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen sowie
  • ihre grundsätzliche Fähigkeit zum Konsens

erfordert bzw.,

  • dass es zumindest nach einer Phase der „Erprobung“ hierzu kommt.

Fehlt es allerdings

  • gänzlich an einer Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit und/oder
  • der entsprechenden Bereitschaft der Kindeseltern und
  • besteht auch mit professioneller Hilfe keine Aussicht auf Besserung,

ist die Alleinsorge der Kindsmutter bestehen zu lassen,

  • weil in diesem Fall davon auszugehen ist, dass bereits eine Phase des Erprobens der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl schadet.

Darauf hat laut Pressemitteilung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 16.11.2016 der 3. Senats für Familiensachen des OLG Hamm mit Beschluss vom 24.05.2016 – 3 UF 139/15 – hingewiesen.

Was berufstätige Eltern, die für ihr Kind keinen Kitaplatz nachgewiesen erhalten, wissen sollten

Wird Kindern entgegen § 24 Abs. 2 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ab Vollendung des ersten Lebensjahres vom zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe kein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt, können ihre Eltern,

  • wenn sie deshalb keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können und
  • den Bediensteten des zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe ein Verschulden trifft, wofür der Beweis des ersten Anscheins spricht,

nach § 839 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit Artikel 34 Satz 1 Grundgesetz (GG) ihren Verdienstausfallschaden ersetzt verlangen.

Das hat der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten wegen Schadensersatzansprüchen aus Amtshaftung zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in drei Verfahren mit Urteilen jeweils vom 20.10.2016 – III ZR 278/15, 302/15 und 303/15 – entschieden.

In den drei den Verfahren zugrunde liegenden Fällen war von drei Müttern,

  • die nach Ablauf der einjährigen Elternzeit ihre Vollzeit-Berufstätigkeit wieder aufnehmen wollten und unter Hinweis darauf für ihre Kinder wenige Monate nach der Geburt bei der beklagten Stadt Bedarf für einen Kinderbetreuungsplatz für die Zeit ab der Vollendung des ersten Lebensjahres angemeldet,
  • aber zum gewünschten Termin keinen Betreuungsplatz nachgewiesen erhalten hatten,

für den Zeitraum zwischen der Vollendung des ersten Lebensjahres ihrer Kinder und der späteren Beschaffung eines Betreuungsplatzes Ersatz des ihnen entstandenen Verdienstausfalls verlangt worden.

Wie der Senat ausgeführt hat,

  • verletzt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe seine Amtspflicht, wenn er einem gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII anspruchsberechtigten Kind trotz rechtzeitiger Anmeldung des Bedarfs keinen Betreuungsplatz zur Verfügung stellt,
  • ist die betreffende Amtspflicht nicht durch die vorhandene Kapazität begrenzt, sondern trifft den verantwortlichen öffentlichen Träger der Jugendhilfe der gehalten ist, eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte – freie Träger der Jugendhilfe oder Tagespflegepersonen – bereitzustellen, eine unbedingte Gewährleistungspflicht,
  • bezweckt diese Amtspflicht auch den Schutz der Interessen der personensorgeberechtigten Eltern und
  • fallen in den Schutzbereich der Amtspflicht auch Verdienstausfallschäden, die Eltern dadurch erleiden, dass ihre Kinder entgegen § 24 Abs. 2 SGB VIII keinen Betreuungsplatz erhalten.

Des weiteren hat der Senat auch darauf hingewiesen, dass sich der verantwortliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu seiner Entschuldigung,

  • da er nach der gesetzgeberischen Entscheidung für eine ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen grundsätzlich uneingeschränkt – insbesondere: ohne „Kapazitätsvorbehalt“ – einstehen muss,

nicht auf allgemeine finanzielle Engpässe berufen kann.

Nachdem in den drei Fällen noch Feststellungen zum Verschulden des beklagten Trägers der öffentlichen Jugendhilfe und zum Umfang des erstattungsfähigen Schadens zu treffen sind, sind die drei Verfahren zur Nachholung dieser Feststellungen vom Senat an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden.

Das hat die Pressestelle des BGH am 20.10.2016 – Nr. 185/2016 – mitgeteilt.

Was Eltern, deren Kind Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege hat, wissen sollten

Hat ein Kind nach § 24 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) Anspruch auf frühkindliche Förderung in einer Tageseinrichtung oder in der Kindertagespflege und wird ein entsprechender Bedarf rechtzeitig von den Eltern des Kindes geltend gemacht, ist der Träger der Jugendhife verpflichtet, dem anspruchsberechtigten Kind

  • einen vom Wohnsitz des Kindes aus in vertretbarer Zeit erreichbaren Betreuungsplatz
  • entweder in einer eigenen Kindertageseinrichtung zuzuweisen oder in einer Einrichtung eines anderen Trägers bzw. nach Wahl der Eltern in Kindertagespflege nachzuweisen.

Ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht imstande, einen (zumutbaren) Betreuungsplatz zur Verfügung zu stellen, muss er den Eltern, die einen Betreuungsplatz selbst beschaffen,

  • in der Regel diejenigen Aufwendungen erstatten, welche diese für erforderlich halten durften (was vermeidbare Luxusaufwendungen ausschließt),
  • wobei hiervon etwaige ersparte (fiktive) Kostenbeiträge für einen durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe verschafften Betreuungsplatz abzusetzen sind.

Darauf

  • und dass ein (hier: von der Landeshauptstadt München) angebotener Betreuungsplatz jedenfalls dann nicht in vertretbarer Zeit erreichbar ist, wenn allein der Zeitaufwand der erwerbstätigen Mutter für die Bewältigung des Hin- und Rückwegs bei Nutzung von Bus und U-Bahn im Berufsverkehr zwei Stunden pro Tag beträgt,

hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) mit Urteil vom 22.07.2016 – 12 BV 15.719 – hingewiesen (Quelle Pressemitteilung des BayVGH vom 18.08.2016).

Kann ein Erblasser verfügen, dass Eltern das Vermögen, das ihr minderjähriges Kind von ihm erbt, nicht verwalten dürfen?

Grundsätzlich obliegt die Verwaltung des Vermögens ihrer minderjährigen Kinder den Eltern. Sie haben gemäß § 1626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Pflicht und das Recht, für ihre minderjährigen Kinder zu sorgen (elterliche Sorge), wobei die elterliche Sorge

  • die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und
  • das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge)

umfasst.

Allerdings erstreckt sich die Vermögenssorge nach § 1638 Abs. 1 BGB nicht auf das Vermögen, welches das Kind von Todes wegen erwirbt, wenn

  • der Erblasser durch letztwillige Verfügung bestimmt hat,
  • dass die Eltern das Vermögen nicht verwalten sollen.

Deshalb erhält ein minderjähriger Erbe gemäß § 1909 Abs. 1 Satz 2 BGB dann einen Pfleger zur Verwaltung des Vermögens, das er von Todes wegen erworben hat, wenn der Erblasser in seinem Testament beispielsweise bestimmt hat,

  • dass die Eltern oder der Vormund des von ihm eingesetzten minderjährigen Erben von der Verwaltung sämtlicher Vermögensgegenstände, die dieser aufgrund des Testaments an dem Nachlass des Erblassers erwirbt, ausgeschlossen wird, falls er beim Tod des Erblassers noch nicht volljährig sein sollte.

Hat ein Erblasser von dieser sich aus § 1638 Abs. 1 BGB ergebenden Befugnis, das elterliche Vermögenssorgerecht zu beschränken, Gebrauch gemacht,

  • ist den Eltern auch die gesetzliche Vertretung des Kindes
  • bei der Ausschlagung der Erbschaft verwehrt.

Denn gesetzliche Folge einer solchen Beschränkung der elterlichen Sorge ist,

  • dass die Vermögenssorge einschließlich der gesetzlichen Vertretung für das von Todes wegen erworbene Vermögen insgesamt ausgeschlossen ist.

Dementsprechend fehlt es im Fall des § 1638 Abs. 1 BGB bei jeglichen auf das ererbte Vermögen bezogenen Willenserklärungen an der elterlichen Vertretungsmacht, so dass auch eine von den Eltern im Namen des Kindes erklärte Ausschlagung der Erbschaft unwirksam ist.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 29.06.2016 – XII ZB 300/15 – hingewiesen.

Was getrennt lebende, gemeinsam sorgeberechtigte Eltern wissen sollten, wenn sie die Übertragung des alleinigen Sorgerechts für ihr gemeinsames Kind beantragen

Leben Eltern,

  • denen die elterliche Sorge für ihr Kind gemeinsam zusteht,
  • nicht nur vorübergehend getrennt,

so kann gemäß § 1671 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) jeder Elternteil beantragen,

  • dass ihm das Familiengericht die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge allein überträgt.

Dem Antrag ist, sofern nicht die Voraussetzungen des § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB vorliegen, stattzugeben, soweit zu erwarten ist, dass

  • die Aufhebung der gemeinsamen Sorge und
  • die Übertragung auf den Antragsteller

dem Wohl des Kindes am besten entspricht, § 1671 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB.

Vor diesem Hintergrund ist eine doppelte Kindeswohlprüfung durchzuführen,

  • die zunächst dahin geht festzustellen, ob die Aufhebung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht.
  • Bejahendenfalls ist zu prüfen, ob die Übertragung gerade auf den Antrag stellenden Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht.

Der Fortbestand der gemeinsamen elterlichen Sorge setzt voraus, dass

  • zwischen den Eltern eine tragfähige soziale Beziehung und
  • in den wesentlichen Sorgerechtsbereichen ein Mindestmaß an Übereinstimmung besteht (Bundesgerichtshof (BGH), Beschlüsse vom 12.12.2007 – XII ZB 158/05 – und vom 16.03.2011 – XII ZB 407/10 –).

Letztlich kommt es entscheidend darauf an, ob

  • die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge voraussichtlich nachteiligere Folgen für das Kind hat
  • als die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge (Oberlandesgericht (OLG) Saarbrücken, Beschluss vom 11.05.2015 – 6 UF 18/15 –).

Entspricht danach die Aufhebung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl am besten, ist zur Beantwortung der Frage, ob die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf den einen oder den anderen Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht, eine Abwägung nachfolgender Gesichtspunkte vorzunehmen, wobei deren Reihenfolge im Hinblick auf ihren Stellenwert keine Bedeutung zukommt:

  • Für welchen Elternteil spricht der Kontinuitätsgrundsatz, der auf die Einheitlichkeit, Gleichmäßigkeit und Stabilität der Erziehungsverhältnisse abstellt oder lässt sich diesbezüglich kein Vorrang zugunsten eines Elternteils feststellen?
  • Lässt sich unter dem Gesichtspunkt der Bindungen des Kindes an beide Elternteile und etwa vorhandene Geschwister ein Vorrang zugunsten eines Elternteils feststellen oder ist von gleichwertigen, sicheren Bindungen des Kindes an beide Eltern auszugehen?
  • Was will das Kind? (sofern der Wille des Kindes mit seinem Wohl vereinbar ist, das Kind nach Alter und Reife zu einer Willensbildung im natürlichen Sinne in der Lage ist und seinen Äußerungen nicht eine Willensbeeinflussung durch einen Elternteil zugrunde liegt)
  • Ist einem Elternteil und ggf. welchem, unter dem Gesichtspunkt des Förderungsgrundsatzes, nämlich der Eignung, Bereitschaft und Möglichkeit zur Übernahme der für das Kindeswohl maßgeblichen Erziehung und Betreuung der Vorrang zu geben?

Darauf hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen OLG mit Beschluss vom 19.07.2016 – 10 UF 8/16 – hingewiesen.

Was getrennt lebende, gemeinsam sorgeberechtigte Eltern wissen sollten, wenn ein Elternteil mit dem Kind verreisen möchte

Leben Eltern nicht nur vorübergehend getrennt und steht ihnen die elterliche Sorge gemeinsam zu,

  • ist bei Entscheidungen in Angelegenheiten, deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, ihr gegenseitiges Einvernehmen erforderlich (§ 1687 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)),
  • während die Befugnis zur Entscheidung in Angelegenheiten des täglichen Lebens allein der Elternteil hat, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält (§ 1687 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Danach bedarf es, wenn der Elternteil, bei dem sich das Kind mit Einwilligung des anderen Elternteils oder auf Grund einer gerichtlichen Entscheidung gewöhnlich aufhält, mit dem Kind eine Urlaubsreise unternehmen will, nicht generell der Zustimmung des mitsorgeberechtigten anderen Elternteils.

  • Liegen jedoch Umstände vor, nach denen eine Reise besondere Gefahren mit sich bringt, die mit dem Reiseziel zusammenhängen und die über das allgemeine Lebensrisiko hinausgehen, ist die Durchführung einer solchen Reise nicht mehr von der Alleinentscheidungsbefugnis aus § 1687 Abs. 1 S. 2 BGB gedeckt.

Solche besonderen, mit dem Reiseziel zusammenhängenden Risiken bestehen dann, wenn das Land in das die Reise gehen soll, beispielsweise in letzter Zeit mehrfach Ziel terroristischer Anschläge war bzw. es Drohungen extremistischer Gruppen mit Anschlägen in der Touristenregion gibt.

Derartige Gefahrenlagen schließen zwar Urlaubsreisen in diese Region nicht aus, weshalb sich Eltern weiterhin dafür entscheiden können, mit ihren Kindern dort ihren Urlaub zu verbringen.
Allerdings setzt dies, wenn die Eltern das gemeinsame Sorgerecht haben, voraus, dass die Entscheidung von beiden Eltern getragen wird.

Bestehen hinsichtlich der Gefährlichkeit der Urlaubsreise zwischen den Eltern Meinungsverschiedenheiten kann der Elternteil, der mit dem Kind die Reise unternehmen will, beim Familiengericht zwar nach § 1628 BGB beantragen, ihm (im Wege einstweiliger Anordnung nach § 49 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)) die Entscheidung zu übertragen.
Jedoch können die gegenwärtigen Verhältnisse in einem Land einer Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis nach § 1628 BGB auf den die Reise beabsichtigenden Elternteil entgegenstehen.
Maßgebend für die Übertragung der Alleinentscheidungsbefugnis ist nämlich

  • weder der Wille des Kindes und dessen Freude auf den Urlaub, noch die eventuellen finanziellen Folgen eines Rücktritts von der Reise,
  • sondern, ob sich die Haltung der Eltern als Ausübung der Elternverantwortung darstellt, ob also die Befürchtungen des einen Elternteils, dass die Reise nicht gefahrlos durchgeführt werden kann, von vornherein unbegründet sind oder begründet sein können.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main mit Urteil vom 21.07.2016 – 5 UF 206/16 – hingewiesen.