Tag Entfernen

Eine strafbare Unfallflucht kann bei einem Unfallgeschehen auf nicht der Öffentlichkeit zugänglichen (Verkehrs)Grund

…. nicht begangen werden.

Darauf hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken mit Beschluss vom 11.11.2019 – 1 OLG 2 Ss 77/19 – hingewiesen.

Kein unerlaubtes Entfernen vom Unfallort nach § 142 Strafgesetzbuch (StGB) liegt somit vor, wenn der Fahrer eines PKWs beispielsweise auf einem Parkplatz,

  • der durch eine entsprechende Beschilderung als Privatparkplatz gekennzeichnet ist,
  • auf dem nur parken darf, wer eine Stellfläche gemietet hat und
  • auf dem die Ein- und Ausfahrt nur durch das Passieren einer Schrankenanlage – für die die Mieter eine elektronische Karte haben – möglich ist,

mit seinem Fahrzeug gegen ein anderes Kraftfahrzeug stößt,

  • dadurch einen Fremdschaden verursacht und
  • anschließend, obwohl er den Anstoß bemerkt hatte, die Unfallstelle verlässt ohne die erforderlichen Feststellungen zu seiner Person zu ermöglichen.

Denn das Unfallgeschehen hat sich in diesem Fall

  • nicht auf einer öffentlichen Verkehrsfläche,
  • sondern auf nichtöffentlichem Verkehrsraum

ereignet.

Ein als solcher gekennzeichneter Privatparkplatz wird nach Ansicht des Strafsenats,

  • jedenfalls dann, sofern die einzelnen Stellplätze vermietet sind,

auch noch nicht allein dadurch zum öffentlichen Parkplatz, dass er wegen eines Defektes an der Schrankenanlage

  • „faktisch für die Öffentlichkeit zugänglich“ wird bzw. ist und
  • dies vom Eigentümer des Parkplatzes bzw. von dem Verfügungsberechtigten geduldet wird.

Vielmehr wird ein solcher Privatparkplatz zu einer öffentlichen Verkehrsfläche nur bzw. erst, wenn er

  • trotz vorhandener Hinweise auf eine Nutzungsbeschränkung

durch entgegengesetzte längere Übung

  • nicht nur praktisch für jedermann zugänglich,
  • sondern dies nach außen hin auch erkennbar geworden ist.

Entscheidend für die Nichtöffentlichkeit bzw. Öffentlichkeit ist nämlich, ob die

  • von dem Eigentümer des Privatparkplatzes bzw. von dem Verfügungsberechtigten

geduldete Mitnutzung durch Unberechtigte

  • lediglich gelegentlich stattfindet

oder ob die Nutzung

  • aufgrund längerer Übung praktisch durch jedermann erfolgt und
  • es sich quasi „eingebürgert“ hat, dass die Parkfläche entgegen ihrer Kennzeichnung als Privatparkplatz auch durch einen größeren unbestimmten Personenkreis in Gebrauch genommen wird.

Übrigens:
Ein Verkehrsraum, so der Strafsenat, ist öffentlich dann, wenn er

  • entweder ausdrücklich oder
  • mit stillschweigender Duldung des Verfügungsberechtigten

für

  • jedermann oder
  • aber zumindest für eine allgemein bestimmte größere Personengruppe

zur Benutzung zugelassen ist und auch so benutzt wird, wie

  • eine nach dem Wegerecht des Bundes und der Länder dem allgemeinen Straßenverkehr gewidmete Verkehrsfläche oder
  • eine Verkehrsfläche, deren Benutzung durch eine nach allgemeinen Merkmalen bestimmte größere Personengruppe ohne Rücksicht
    • auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund oder
    • auf eine verwaltungsrechtliche Widmung durch den Berechtigten ausdrücklich oder faktisch zugelassen wird oder
  • eine Verkehrsfläche, bei der ohne Rücksicht auf eine förmliche (wegerechtliche) Widmung und ungeachtet der Eigentumsverhältnisse allein auf Grund ausdrücklicher oder nur stillschweigender Duldung seitens des Verfügungsberechtigten die Benutzung
    • durch jedermann oder jedenfalls durch bestimmte Gruppen von Verkehrsteilnehmern dauernd oder vorübergehend zugelassen und
    • die von der Allgemeinheit zu diesem Zweck auch tatsächlich benutzt wird.

Wann macht man sich wegen Unfallflucht strafbar, was droht einem in einem solchen Fall und wann kann eine Entziehung der Fahrerlaubnis

…. bei einer Unfallflucht auch dann unzulässig sein, wenn an fremden Sachen bedeutender Schaden entstanden ist?

Schuldig des unerlaubten Entfernens vom Unfall nach § 142 Strafgesetzbuch (StGB) nach einem Unfall im Straßenverkehr,

  • also der „Unfallflucht“,

macht sich ein Unfallbeteiligter

  • – und das ist jeder, dessen Verhalten nach den Umständen zur Verursachung des Unfalls beigetragen haben kann –

nicht nur, wenn er sich vom Unfallort entfernt,

  • bevor er zugunsten der anderen Unfallbeteiligten und der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und durch die Angabe, dass er an dem Unfall beteiligt ist, ermöglicht (§ 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB) oder
  • eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet hat, ohne dass jemand bereit war, die Feststellungen zu treffen (§ 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB),

sondern nach § 142 Abs. 2 StGB auch derjenige, der sich

  • nach Ablauf der Wartefrist (§ 142 Abs. 1 Nr. 2) oder
  • berechtigt oder
  • entschuldigt

vom Unfallort entfernt hat und

  • die Feststellungen nicht unverzüglich nachträglich ermöglicht.

Verhängt werden kann gegen einen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort Schuldigen nicht nur

  • eine Geldstrafe oder
  • eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren.

Vielmehr droht daneben auch entweder die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 StGB, wenn

  • der Schuldige Führer eines Kraftfahrzeugs war und
  • er wusste oder wissen konnte, dass
    • bei dem Unfall ein Mensch getötet, nicht unerheblich verletzt worden oder
    • an fremden Sachen bedeutender Schaden (der ab einer Größenordnung von ca. 1.300,- € beginnt) entstanden ist

oder (zumindest) ein Fahrverbot nach § 44 StGB für die Dauer von einem Monat bis zu sechs Monaten.

Allerdings kann, abhängig von den Umständen des Einzelfalles, nach einer Unfallflucht

  • auch dann, wenn bei dem Unfall ein Sachschaden entstanden ist, der über der Wertgrenze für den bedeutenden Sachschaden liegt,

eine Entziehung der Fahrerlaubnis unzulässig sein, wenn der des unerlaubten Entfernens vom Unfallort Schuldige

  • vor der Tat langjährig beanstandungsfrei als Kraftfahrzeugführer am Straßenverkehr teilgenommen hat und
  • ebenso über einen längeren Zeitraum nach der Tat nicht auffällig war,
  • bereits durch die lange Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 111a Strafprozessordnung (StPO) nachhaltig beeindruckt worden ist oder
  • sich die Tat in einer für ihn außergewöhnlichen, beispielsweise emotional belastenden Situation ereignet hat (Hanseatisches Oberlandesgericht (OLG) Hamburg, Beschluss vom 27.07.2018 – 2 Rev 50/18 – 1 Ss 91/18 –).