Tag Erben

Wichtig zu wissen für Erben, wenn der Erblasser Teilnehmer eines sozialen Netzwerkes war

Mit Beschluss vom 27.08.2020 – III ZB 30/20 – hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall, in dem 

  • der Betreiber eines sozialen Netzwerkes 

verurteilt worden war, den Eltern einer verstorbenen Teilnehmerin an dem Netzwerk als Erben Zugang 

  • zu dem vollständigen Benutzerkonto und 
  • den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten ihrer Tochter 

zu gewähren, entschieden, dass es zur Erfüllung der Verpflichtung aus einem solchen Urteil nicht ausreicht, dass der Betreiber des sozialen Netzwerkes den Erben 

  • einen USB-Stick übermittelt, der eine PDF-Datei mit einer Kopie der ausgelesenen Daten aus dem von der Verstorbenen geführten Konto enthält,

sondern dass der Betreiber des sozialen Netzwerkes den Erben die Möglichkeit einräumen muss,

  • vom Konto und dessen Inhalt auf dieselbe Weise Kenntnis zu nehmen und 
  • sich – mit Ausnahme einer aktiven Nutzung – darin so „bewegen“ zu können wie es zuvor die ursprüngliche Kontoberechtigte konnte.  

Dies ergibt sich, wie der Senat ausgeführt hat, aus der Stellung der Erben, auf die der Nutzungsvertrag 

  • zwischen Erblasser (Gläubiger) und Netzwerkbetreiber (Schuldner) 

mit seinen Rechten und Pflichten im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergegangen ist (Quelle: Pressemitteilung des BGH). 

Übrigens:
Dass, sofern die Vererblichkeit nicht wirksam ausgeschlossen wurde,  

  • beim Tod des Kontoinhabers eines sozialen Netzwerks 

der Nutzungsvertrag nach § 1922 BGB auf dessen Erben übergeht und dem Zugang der Erben zu dem Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommunikationsinhalten 

  • weder das postmortale Persönlichkeitsrecht des Erblassers 
  • noch das Fernmeldegeheimnis oder 
  • das Datenschutzrecht entgegensteht, 

hat der III. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 12.07.2018 – III ZR 183/17 – entschieden.

OLG Frankfurt entscheidet, wann bei einem Suizid auf Bahngleisen die Erben des Suizidenten gegenüber dem Lokführer nicht haften

Mit Urteil vom 24.06.2020 – 16 U 265/19 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem sich ein Mann in Suizidabsicht auf Bahngleise begeben, dort von einem Güterzug,

  • dessen Lokführer dies trotz einer sofort eigeleiteten Schnellbremsung nicht hatte vermeiden können,

erfasst sowie tödlich verletzt worden, 

  • der Lokführer aufgrund dessen danach knapp zwei Jahre arbeitsunfähig krankgeschrieben 

und der Erbe des Suizidenten von dem Arbeitgeber des Lokführers auf Ersatz 

  • der an den Lokführer gezahlten Heilbehandlungskosten sowie der fortgezahlten Dienstbezüge in Höhe von insgesamt gut 90.000 Euro

verklagt worden war, die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass nach den überzeugenden Feststellungen des angehörten Sachverständigen 

  • der Suizid von dem Suizidenten in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen worden sei, somit

der Suizident dem Lokführer den Schaden nicht schuldhaft zugefügt habe (§ 827 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) und eine Ersatzpflicht der Beklagten aus Billigkeitsgründen (§ 829 BGB) deswegen nicht bestehe,

  • nachdem die Vermögensverhältnisse des Suizidenten sich nicht besser darstellen als die des Geschädigten. 

Danach haften die Erben eines Suizidenten,

  • der sich von einem Zug überfahren lässt, 

dem Zugführer nach §§ 823, 1922 Abs. 1 BGB für den diesem dadurch entstandenen Schaden dann nicht, wenn   

  • der Suizid von dem Suizidenten in einem die freie Willensentschließung ausschließenden Zustand begangen worden ist

und ist in einem solchen Fall bei der Beurteilung, 

  • ob eine Ersatzpflicht der Erben aus Billigkeitsgründen nach § 829 BGB besteht,

bei der Vergleich der Vermögenslagen des Suizidenten und des geschädigten Zugführers eine freiwillige Haftpflichtversicherung des Suizidenten in dessen Vermögen nicht einzubeziehen, weil, so das OLG,

  • das Risiko, dass der Versicherungsnehmer einen Schaden herbeiführt, für den er nicht verantwortlich ist, grundsätzlich nicht versichert ist und 
  • wenn damit kein Versicherungsschutz besteht, dieser auch keinen Vermögenswert darstellen kann.

Beachte:
Nicht jeder Suizid wird automatisch in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen. 

Andererseits spricht, dass eine Suizidhandlung bewusst und akribisch geplant worden ist, nicht für die Schuldfähigkeit eines Suizidenten. 

Somit bedarf es zur Beantwortung der Frage, 

  • ob ein Suizident für einen durch sein Handeln dem Lokführer zugefügten Schaden verantwortlich gewesen ist oder nicht, 

stets der Einholung eines Sachverständigengutachtens (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt).

Was bei Abschluss eines Grundstückskaufvertrages mit Wohnrecht und Pflegeverpflichtung beachtet werden sollte

Werden bei einem Grundstückskaufvertrag von den Vertragsparteien

  • ein (lebenslanges, unentgeltliches) Wohnrecht für den Veräußerer und
  • eine Pflegeverpflichtung für den Erwerber

vereinbart, müssen, wenn

  • keine diesbezüglichen Vereinbarungen hierzu getroffen werden und

sich die Parteien darüber in Ungewissheit befinden,

  • wie lange der Verkäufer leben und
  • ob er zu Lebzeiten pflegebedürftig im Sinne des Vertrages werden wird,

der Erwerber damit rechnen,

  • dass er – sollte der Verkäufer sehr alt sowie gleichzeitig bald nach Vertragsschluss pflegebedürftig werden – über einen sehr langen Zeitraum zur Erbringung von Pflegeleistungen ist

und der Verkäufer,

  • dass er, im Fall seines frühen Todes, dem Käufer das Grundstück überlässt, obwohl er ihn nicht pflegen und das Wohnrecht nur für kurze Zeit erdulden musste.

Sofern in einem solchen Fall

  • beispielsweise knapp drei Wochen nach Abschluss eines solchen Kaufvertrages

der Verkäufer überraschend stirbt, besteht demzufolge,

  • mangels Raum für eine entsprechende ergänzende Vertragsauslegung bzw. einer Anpassung des Vertrages nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage,

kein Anspruch des Erben des Verkäufers auf eine Ausgleichszahlung für das

  • infolge des Todes gegenstandslos gewordene

Wohnrecht und die Pflegeverpflichtung (Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main, Beschluss vom 06.05.2019 – 8 W 13/19 –).

Urlaub, der einem Arbeitnehmer zum Zeitpunkt seines Todes noch zustand, kann sich der Erbe abgelten lassen

Mit Urteil vom 22.01.2019 – 9 AZR 45/16 – hat der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entschieden, dass Erben eines verstorbenen Arbeitnehmers

  • nach § 1922 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 7 Abs. 4 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG)

Anspruch auf Abgeltung des von dem Erblasser nicht genommenen Urlaubs haben.

Danach geht der Anspruch eines verstorbenen Arbeitnehmers

  • auf Abgeltung des nicht genommenen bezahlten Urlaub nicht unter,
  • sondern im Wege der Erbfolge auf seine Erben über,

wobei dieser Abgeltungsanspruch der Erben

  • nicht nur den Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub nach §§ 1, 3 Abs. 1 BUrlG von 24 Werktagen umfasst,
  • sondern auch den Anspruch auf Zusatzurlaub für schwerbehinderte Menschen nach § 208 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) sowie
  • den Anspruch auf Urlaub nach § 26 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD), der den gesetzlichen Mindesturlaub übersteigt (Quelle: Pressemitteilung des BAG vom 22.01.2019).

LG Osnabrück entscheidet: Ohne Neuanfertigung einer Zahnprothese kein Anspruch auf Wertersatz

Mit Urteil vom 10.12.2018 – 7 O 1610/18 – hat die 7. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Osnabrück in einem Fall, in dem

  • während des stationären Klinikaufenthalts die Zahnprothese eines in der Klinik verstorbenen Patienten verschwunden sowie nicht mehr auffindbar war und

die Erben des Verstorbenen von dem Träger des Klinikums

  • wegen Verletzung der dem Klinikum obliegenden Obhutspflicht, jedenfalls aber wegen eines Organisationsmangels,
  • für die verloren gegangene, schon in Gebrauch gewesene Zahnprothese, nach Abzug „neu für alt“,

als Schadensersatz einen Teil der ursprünglichen Prothesenherstellungskosten verlangt hatten, die Klage abgewiesen und das damit begründet,

  • dass eine Neuanfertigung der Zahnprothese nicht erfolgt sei und
  • ein Ersatzanspruch der Erben auf fiktiver Grundlage – ohne Neuanfertigung einer Prothese – nicht bestehe.

Nach Auffassung der Kammer wirkt sich der Verlust einer Zahnprothese,

  • da diese wesentlich der Herstellung von körperlichen Fähigkeiten wie der Nahrungsaufnahme und dem unbeeinträchtigten Sprechen diene und
  • es daher im Ergebnis um eine Kompensation für die fortdauernde Beeinträchtigung der Persönlichkeit gehe,

in erster Linie auf nicht materieller Ebene aus, so dass,

  • ebenso wie ein bei einem Unfall Verletzter nur dann Heilbehandlungskosten verlangen könne,
    • wenn er sich tatsächlich behandeln lasse,
    • nicht aber „fiktive“ Behandlungskosten geltend machen kann, wenn er eine Behandlung ablehnt,

auch ein Anspruch auf Wertersatz für eine Zahnprothese zweckgebunden ist und nur für den Fall einer tatsächlichen Neuanfertigung einer Prothese besteht (Quelle: Pressemitteilung des LG Osnabrück vom 12.12.2018).

EuGH entscheidet, dass Arbeitnehmer ihre erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub nicht automatisch deshalb verlieren, weil

…. sie keinen Urlaub beantragt haben und

  • dass der Anspruch eines verstorbenen Arbeitnehmers auf eine finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub nicht untergeht,
  • sondern im Wege der Erbfolge auf seine Erben übergehen kann.

Mit Urteilen vom 06.11.2018 in den Rechtssachen C-619/16 und C-684/16 hat die Große Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) darauf hingewiesen, dass Arbeitnehmer, die ihnen nach Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG

  • zustehenden Urlaubstage und
  • entsprechend ihren Anspruch auf finanzielle Vergütung

nicht automatisch deshalb verlieren dürfen,

  • weil sie vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses (oder im Bezugszeitraum) keinen Urlaub beantragt haben,

sondern das Unionsrecht einem Verlust bzw. Wegfall dieser Ansprüche nur dann nicht entgegen steht, wenn

  • der öffentliche oder private Arbeitgeber des Arbeitsnehmers nachweisen kann, dass

der Arbeitnehmer

  • aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Sachlage darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen,
  • obwohl er in die Lage versetzt worden war, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen.

Nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat ein Arbeitnehmer danach für nicht beantragte und genommene Urlaubstage dann noch Anspruch auf eine finanzielle Vergütung, wenn

  • der Arbeitgeber nicht beweisen kann,
  • dass der Arbeitnehmer durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, die ihm nach dem Unionsrecht zustehenden bezahlten Urlaubstage rechtzeitig zu nehmen (Quelle: Pressemitteilung des EuGH vom 06.11.2018).

Übrigens:
Besteht beim Tod eines Arbeitnehmers ein Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub können

  • dessen Erben
  • von dem ehemaligen Arbeitgeber

die finanzielle Vergütung für den von dem verstorbenen Arbeitnehmer nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub verlangen und

Nicht immer ist im Erbschein eine angeordnete Testamentsvollstreckung zu vermerken

Mit Beschluss vom 03.04.2017 – 2 Wx 72/17 – hat der für Nachlasssachen zuständige 2. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Köln darauf hingewiesen, dass

  • eine vom Erblasser angeordnete Testamentsvollstreckung dann nicht im Erbschein zu vermerken ist,

wenn

  • die Erben durch die Testamentsvollstreckung nicht in ihrer Verwaltungs- und Verfügungsmacht über den Nachlass beschränkt werden sollen bzw. sind,

der Erblasser also beispielsweise in seinem Testament Testamentsvollstreckung angeordnet und bestimmt hatte, dass

  • die Tätigkeit des Testamentsvollstreckers in der „Überwachung“ seiner letztwilligen Anordnung,
  • nicht aber in der laufenden Verwaltung des Nachlasses bestehen soll.

Danach ist im Falle einer solchen nur „beaufsichtigenden Testamentsvollstreckung“ gemäß § 2208 Abs. 2 BGB,

  • bei der es Aufgabe des Testamentsvollstreckers lediglich ist, die Einhaltung der Anordnungen des Erblassers zu kontrollieren,

der Zusatz im Erbschein „Es ist Testamentsvollstreckung angeordnet“ nicht aufzunehmen (Quelle: Presseservice des Ministeriums der Justiz des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15.09.2017).

Bundesgerichtshof entscheidet, dass der Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung grundsätzlich nicht vererblich ist

…. und auf die Erben des Verletzten nur ein (noch) zu Lebzeiten des Verletzten rechtskräftig zuerkannter Anspruch übergeht.

Mit Urteil vom 23.05.2017 – VI ZR 261/16 – hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass der auf den Schutzauftrag aus Artikel 1 und 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zurückgehende Anspruch auf Geldentschädigung wegen Persönlichkeitsrechtsverletzung

  • grundsätzlich nicht vererblich ist

und zwar auch dann nicht,

  • wenn der Anspruch noch zu Lebzeiten des Geschädigten anhängig oder rechtshängig geworden ist.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • bei der Zuerkennung einer Geldentschädigung im Falle einer schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung regelmäßig der Genugtuungsgedanke im Vordergrund steht und
  • der Verletzte diese von der Geldentschädigung bezweckte Genugtuung erst mit der rechtskräftigen Zuerkennung eines Anspruchs auf Geldentschädigung erlangt.

Danach geht ein solcher Anspruch auf die Erben somit nur über, wenn

  • der Anspruch zu Lebzeiten des Verletzten rechtskräftig zuerkannt worden,
  • der Verletzte also erst nach Rechtskraft der Entscheidung verstorben ist.