Tag Erbrecht

Erbrechtlicher Erwerb vor oder während des Insolvenzverfahrens – Wann fällt was in die Insolvenzmasse – Wann Insolvenzanfechtung nicht möglich ist.

Ist ein Schuldner vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Verfahrens Erbe geworden, fällt der Nachlass bis zur Annahme oder zur Ausschlagung (§§ 1942 ff Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) vorläufig in die Masse (§ 1922 Abs. 1 BGB, § 35 Insolvenzordnung (InsO)).

Die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft steht wegen ihrer höchstpersönlichen Natur ausschließlich dem Schuldner zu (§ 83 Abs. 1 InsO). Die wirksame Ausschlagung beseitigt den Anfall der Erbschaft von Anfang an (§ 1953 Abs. 1 BGB ). Hat der Erbe die Erbschaft angenommen, kann er sie gemäß § 1943 BGB nicht mehr ausschlagen, es tritt hinsichtlich der Erbschaft Vollerwerb ein. Ab diesem Zeitpunkt ist der Nachlass endgültig Bestandteil der Insolvenzmasse, aus der die Nachlassgläubiger und die Eigengläubiger des Erben (Erbengläubiger) zu befriedigen sind, sofern nicht eine Trennung der Vermögensmassen durch Insolvenzverwalter, Erben oder Nachlassgläubiger herbeigeführt wird.

Die Ausschlagung einer Erbschaft ist der Insolvenzanfechtung entzogen, auch wenn der Ausschlagende im Einvernehmen mit dem an seine Stelle tretenden Erben mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung gehandelt hat.
Schlägt ein Erbe eine ihm in der Wohlverhaltensperiode angefallene Erbschaft aus, begeht er keine Obliegenheitsverletzung nach § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO.

Gleiches gilt für einen Erbverzicht (§§ 2346 ff BGB ) eines Schuldners. Dieser ist ebenfalls schon deshalb nicht anfechtbar, weil ein Verzichtender damit – bezogen auf die Erbenstellung – noch nicht einmal eine vorläufige Rechtsposition aufgibt, sondern nur die Aussicht auf ein künftiges Erbrecht

Für den Vermächtnisnehmer gilt entsprechendes. Seine Forderung kommt – wenn der Erblasser nichts anderes bestimmt hat – mit dem Erbfall zur Entstehung (§ 2176 BGB ) und fällt in die Masse. Der Vermächtnisnehmer kann das Vermächtnis jedoch – wie der Erbe die Erbschaft – annehmen oder ausschlagen (§ 2180 BGB ). Auch dieses Recht steht als höchstpersönlichem Recht in seiner Insolvenz allein dem Schuldner zu (§ 83 Abs. 1 InsO). Die Ausschlagung des Vermächtnisses ist ebenso wenig anfechtbar wie der Verzicht auf das Vermächtnis.
Auch die Ausschlagung des Vermächtnisses und der Verzicht stellen folgerichtig keine Obliegenheitsverletzung im Sinne von § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO dar.

Der Anspruch auf den Pflichtteil (§ 2303 BGB ) entsteht ebenfalls mit dem Erbfall (§ 2317 Abs. 1, § 1922 Abs. 1 BGB ). Von diesem Zeitpunkt an gehört er zum Vermögen des Pflichtteilsberechtigten. Gleichwohl ist § 852 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) so zu verstehen, dass vor der Anerkennung des Pflichtteilsanspruchs durch den Erben oder der Rechtshängigkeit des Anspruchs die Gläubiger des Pflichtteilsberechtigten den in seiner zwangsweisen Verwertbarkeit aufschiebend bedingten Pflichtteilsanspruch nur pfänden, nicht jedoch auf sich überweisen lassen können.
Als pfändbares Vermögen gehört der Anspruch nur vorläufig zur Insolvenzmasse (§ 35 Abs. 1, § 36 Abs. 1 InsO).
Wegen der familiären Verbundenheit zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigten ist allein diesem die Entscheidung darüber vorbehalten, ob der Anspruch gegenüber dem Erben durchgesetzt werden soll. Dieses persönliche Entscheidungsrecht des Schuldners darf nicht durch Anwendung der Anfechtungsvorschriften unterlaufen werden.
Deswegen stellt der Verzicht auf die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs in der Wohlverhaltensphase ebenfalls keine Obliegenheitsverletzung des Schuldners dar.

Darauf

  • und dass die vorgenannten Grundsätze auch dann gelten, wenn ein Schuldner an der Aufhebung seiner erbvertraglichen Einsetzung zum Erben mitwirkt (§ 2290 BGB ), weil auch diese Mitwirkung eine höchstpersönliche Entscheidung des Schuldners ist, ob und inwieweit er Erbe sein will und die Wirkungen dieser Entscheidung nicht durch die anfechtungsrechtliche Rückgewähr (§ 143 Abs. 1 InsO) unterlaufen werden dürfen,

hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 20.12.2012 – IX ZR 56/12 – hingewiesen.

 

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Erbrecht – Wer erbt, wenn der testamentarisch eingesetzte Alleinerbin vorverstorben ist?

Wird bei der Testamentseröffnung festgestellt, dass der Erblasser eine Person zum Alleinerben eingesetzt hat, die zum Zeitpunkt des Erbfalls bereits vorverstorben war, ist, wenn sich im Testament über die Erbeinsetzung hinaus keine Anhaltspunkte für eine Ersatzerbeneinsetzung finden, zu unterscheiden:

  • Handelt es sich bei dem von dem Erblasser Bedachten um einen Abkömmling von ihm oder um eine mit dem Erblasser nahe verwandte oder verschwägerte Person, ist gemäß § 2069 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) nach dem Willen des Gesetzgebers im Zweifel schon die bloße Einsetzung des Bedachten zugleich als Ausdruck der Ersatzberufung seiner Abkömmlinge zu werten.
  • In allen anderen Fällen kann dagegen die bloße Einsetzung des Bedachten noch nicht zugleich als hinreichender Ausdruck der Ersatzberufung seiner Abkömmlinge oder des Ehegatten gewürdigt werden.

Denn nur in den zuerst genannten Fällen liegt die Möglichkeit nahe, dass der Erblasser die Zuwendung nicht nur der von ihm bezeichneten Person hat machen, sondern diese Person lediglich als die erste ihres Stammes hat einsetzen wollen. Davon unterscheidet sich die Sachlage erheblich, wenn der im Testament Bedachte weder ein Abkömmling, noch sonst durch enge Verwandtschaft, Schwägerschaft oder die Ehe mit dem Erblasser verbunden ist. Ist in einem solchen Fall aus dem Gesamtbild des Testaments selbst keine Willensrichtung des Erblassers erkennbar, die in Richtung einer bestimmten Ersatzerbenberufung geht, ist, nachdem durch eine ergänzende Testamentsauslegung kein Wille in das Testament hineingetragen werden darf, der darin nicht andeutungsweise ausgedrückt ist, anzunehmen, dass der Erblasser den Bedachten nicht lediglich als den ersten seines Stammes, sondern um der engen persönlichen Beziehungen Willen als Erben eingesetzt hat.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) München mit Beschluss vom 19.12.2012 – 31 Wx 372/12 – entschieden.

 

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Erbrecht – Gemeinschaftliches Testament von Ehegatten mit gegenseitiger Erbeinsetzung und sogenannter Pflichtteilsstrafklausel.

Haben sich Ehegatten in einem gemeinschaftlichen eigenhändigen Testament (§§ 2269 Abs. 1, 2267 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB )) oder einem notariellen Erbvertrag (§§ 2274 ff BGB ) zu Alleinerben und die gemeinsamen Abkömmlinge zu Schlusserben eingesetzt und bestimmt, dass ein Abkömmling bei Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Erstversterbenden auch nach dem Letztversterbenden nur den Pflichtteil erhalten soll, steht die Erbeinsetzung der gemeinsamen Abkömmlinge unter der (auflösenden) Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB ), dass diese nach dem Tod des erstverstorbenen Elternteils keine Pflichtteilsansprüche gegen den anderen Elternteil geltend gemacht haben.
Denn eine solche Anordnung ist als „Strafklausel“ dahin auszulegen, dass das sanktionierte Verhalten beim Tod des erstversterbenden Elternteils den Verlust des Erbrechts beim Tod des überlebenden Elternteils bewirkt.
Die Abkömmlinge sind Schlusserben nur unter der Bedingung, dass sie das sanktionierte Verhalten unterlassen haben, wobei die Strafklausel in der Regel unter § 2075 BGB fällt. Damit ist die Tatsache des Nichtverlangens des Pflichtteils nach dem erstverstorbenen Elternteil Wirksamkeitsvoraussetzung für die Erbeinsetzung.

Darauf und auf die Möglichkeit, nach dem Tod des Letztversterbenden, bei Beantragung der Berichtigung des Grundbuchs nach Erbfolge (§§ 13, 22 Grundbuchordnung (GBO)), die Erbeinsetzung nicht nur durch Erbschein (§ 35 Abs. 1 GBO), sondern auch durch Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung nachzuweisen, hat das Oberlandesgericht (OLG) München mit Beschluss vom 11.12.2012 – 34 Wx 433/12 – hingewiesen.

 

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Erbrecht – Grenzen der Schreibhilfe eines Dritten bei Errichten eines privatschriftlichen Testaments.

Ein privatschriftliches Testament ist nur wirksam, wenn es eigenhändig geschrieben und unterschrieben ist (§ 2247 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB )).
Ist einem Erblasser, aufgrund seines geschwächten Zustandes, bei der Fertigung des Testaments Schreibhilfe gewährt werden, ist das Testament nur gültig, wenn die Grenze der zulässigen Schreibhilfe nicht überschritten worden ist.

Eigenhändigkeit setzt zwingend voraus, dass der Erblasser die Niederschrift selbst angefertigt hat. Durch Dritte hergestellte Niederschriften sind immer unwirksam, selbst wenn sie in Anwesenheit des Erblassers nach dessen Willen und Weisungen angefertigt und vom Erblasser eigenhändig unterschrieben worden sind. Die zwingende Eigenhändigkeit kann nicht dadurch ersetzt werden, dass der Erblasser sich eines Dritten als Werkzeug bedient oder diesen ermächtigt, die letztwillige Verfügung niederzuschreiben.
Eigenhändigkeit ist nicht gegeben, wenn dem Erblasser die Hand geführt wird und dadurch die Schriftzüge von einem Dritten geformt werden. Daher gilt nicht als vom Erblasser „eigenhändig“ geschrieben, was er unter der Herrschaft und Leitung eines anderen abgefasst hat; folgt er lediglich einem fremden Willen, so liegt Eigenhändigkeit nicht vor. Er muss die Gestaltung der Schriftzüge selbst bestimmen.
Zulässig ist dagegen eine unterstützende Schreibhilfe (Abstützen des Armes, Halten der zitternden oder geschwächten Hand), solange der Erblasser die Formung der Schriftzeichen vom eigenen Willen getragen selbst bestimmt.
Die Niederschrift und die Unterschrift müssen vom Willen des Erblassers abhängen; sie dürfen nicht von einem anderen durch Führen der Hand des Testierenden ohne dessen Willen hergestellt werden.
Wenn es sich um eine zulässige Unterstützung handelt, bleibt es ohne Bedeutung, ob der Erblasser seine gewöhnlichen Schriftzüge zustande bringt oder seine Unterschrift lesbar ist. Kann der Erblasser bei der Abfassung des Testamentes überhaupt nicht mehr aktiv mitwirken, ist er nicht mehr schreibfähig. Von einer Eigenhändigkeit kann in einem solchen Fall nicht mehr die Rede sein.

Bleibt unklar, ob die Schreibleistung des Erblassers ohne relevante Fremdeinwirkung war, geht dies zu Lasten desjenigen, der sein Erbrecht auf dieses Testament stützt. Denn dieser trägt die materielle Feststellungslast für die Einhaltung der gesetzlichen Form bei der Errichtung des privatschriftlichen Testaments.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit Beschluss vom 11.09.2001 – 15 W 224/01 – sowie Beschluss vom 02.10.2012 – 15 W 231/12 – hingewiesen.

 

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Erbrecht – Wann ist ein privatschriftliches Testament wegen fehlender Unterschrift unwirksam?

Nach §§ 2247 Abs. 1 und 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) bedarf das eigenhändig geschriebene Testament der Unterschrift des Erblassers. Wesensmerkmal der Unterschrift ist, dass sie „Unterschrift” ist, d.h. den Text, auf den sie sich zu beziehen hat, abdecken kann.
Bei Fehlen der Unterschrift ist das Testament formnichtig gemäß § 125 S. 1 BGB.
Ergänzungen oder Änderungen einer ursprünglich formgerecht getroffenen letztwilligen Verfügung, die sich auf einem besonderen Blatt befinden, bedürfen einer erneuten Unterzeichnung durch den Erblasser. Inhaltliche Verknüpfungen der Anordnungen allein können das Formerfordernis – anders als bei nachträglichen Verfügungen auf demselben Blatt oder Bogen nicht ersetzen.
Sind die eigenhändigen Nachträge nach der Testamentserrichtung oder auf einem besonderen Blatt hergestellt und enthalten sie eine weitere letztwillige Verfügung, bedürfen die Nachträge der nochmaligen Unterzeichnung durch den Erblasser, es sei denn, es handelt sich lediglich um Klarstellungen oder Berichtigungen von Schreibfehlern.
Sind die Anlagen oder Zusätze vor oder bei der Testamentserrichtung hergestellt, ist eine gesonderte Unterzeichnung nicht erforderlich, wenn sich der Zusammenhang aus dem Inhalt der Urkunde unzweideutig ergibt und eine Verwechslung nicht möglich ist.
Besteht ein Testament aus mehreren nicht untrennbar miteinander verbundenen Blättern, die erkennbar in engerem Zusammenhang stehen und eine einheitliche Willenserklärung enthalten, genügt eine Unterschrift auf dem letzten Blatt, wenn die Zusammengehörigkeit der einzelnen Blätter erkennbar ist, etwa auf Grund Nummerierung mit Seitenzahlen, eines fortlaufenden Textes oder des Schreibmaterials.
Der Erblasser kann das von ihm als früheres Testament Niedergeschriebene ganz oder zum Teil zum Bestandteil eines neuen Testaments machen; aus der Gesamturkunde muss hervorgehen, dass die einzelnen Blätter ein einziges untrennbares Ganzes sein sollen, somit eine einheitliche Willenserklärung enthalten. Dabei ist die zeitliche Reihenfolge der einzelnen Bestandteile des Testaments ohne Bedeutung. Das Gesetz verlangt keine Einheit der Errichtungshandlung.
Stehen jedoch einzelne lose Blätter in keinem inneren Zusammenhang und ist nur ein Blatt unterschrieben, so stellt nur dieses ein wirksames Testament dar, während die nicht unterschriebenen Blätter keine gültigen Testamente sind. So ist beispielsweise die Verbindung der Einlageblätter in einem Ringbuch mit Mechanismus zum Öffnen deshalb nicht ausreichend, um die einzelnen Blätter als einheitliche letztwillige Verfügung anzusehen.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit Beschluss vom 19.09.2012 – I-15 W 420/11 – hingewiesen.

 

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Erbscheinverfahren – Wann sind Ermittlungen des Nachlassgerichts zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers veranlasst?

Ein Testament errichten kann nur, wer testierfähig ist (vgl. § 2229 BGB ).
Testierfähigkeit setzt nach allgemeiner Meinung die Vorstellung des Testierenden voraus, dass er ein Testament errichtet und welchen Inhalt die darin enthaltenen letztwilligen Verfügungen aufweisen. Er muss in der Lage sein, sich ein klares Urteil darüber zu bilden, welche Tragweite seine Anordnungen haben, insbesondere welche Wirkungen sie auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen ausüben. Das umfasst auch die Gründe, welche für und gegen die Anordnungen sprechen. Nach seinem so gebildeten Urteil muss der Testierende grundsätzlich frei von Einflüssen Dritter handeln können. Das schließt nicht aus, dass er Anregungen Dritter aufnimmt und sie kraft eigenen Entschlusses in seiner letztwilligen Verfügung umsetzt.
Die Frage, ob die Voraussetzungen der Testierfähigkeit gegeben sind, ist im wesentlichen tatsächlicher Natur. Sie lässt sich nach ständiger Rechtsprechung in der Regel nur mit Hilfe eines psychiatrischen Sachverständigen beantworten.
Beantragt ein in einem Testament eingesetzter Erbe die Erteilung eines Erbscheins und behauptet ein anderer Beteiligter, der daraus Rechte für sich herleiten will, das Testament sei wegen Testierunfähigkeit des Erblassers unwirksam, ist die Hinzuziehung eines Sachverständigen durch das Nachlassgericht allerdings nur dann veranlasst, wenn aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltpunkte Anlass besteht, an der Testierfähigkeit des Erblassers im Zeitpunkt der Testamentserrichtung zu zweifeln.

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg mit Beschluss vom 18.06.2012 – 6 W 20/12 – entschieden.

 

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Bundesgerichtshof entscheidet über Pflichtteilsberechtigung eines Abkömmlings trotz Pflichtteilsverzicht des näheren Abkömmlings.

Der u. a. für das Erbrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 27.06.2012 – IV ZR 239/10 – entschieden, dass Pflichtteilsansprüche eines entfernteren Abkömmlings nicht durch letztwillige oder lebzeitige Zuwendungen des Erblassers geschmälert werden, die dieser einem trotz Erb- und Pflichtteilsverzichts testamentarisch zum Alleinerben bestimmten näheren Abkömmling zukommen lässt, wenn beide Abkömmlinge demselben Stamm gesetzlicher Erben angehören und allein dieser Stamm bedacht wird.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war Klägerin die Tochter der Beklagten. Sie machte Pflichtteilsansprüche nach deren im Jahr 2005 verstorbenem Vater (Erblasser) geltend.
Der Erblasser und die Mutter der Beklagten errichteten im Jahr 1987 ein notarielles gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zum alleinigen und ausschließlichen Erben und ihre Enkelkinder zu Schlusserben einsetzten. Dem Überlebenden des Erstversterbenden wurde das Recht vorbehalten, aus dem Kreis der gemeinschaftlichen Abkömmlinge oder deren Abkömmlinge abweichende Schlusserben zu bestimmen. Am selben Tag verzichtete die Beklagte ihren Eltern gegenüber allein für ihre Person, nicht aber für ihre Abkömmlinge, auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht.
Nach dem Tod seiner Ehefrau setzte der Erblasser im Jahr 2000 die Beklagte mit notariellem Testament zu seiner alleinigen und ausschließlichen Erbin ein. Er ernannte die Klägerin zur Ersatzerbin. Die Parteien sind die einzigen Abkömmlinge des Erblassers und seiner vorverstorbenen Ehefrau.

Mit der Klage verlangte die Klägerin von der Beklagten Zahlung in Höhe von 85.000 € nebst Zinsen sowie Auskunft über den Bestand des Nachlasses und Einholung eines Wertermittlungsgutachtens bezüglich dem Nachlass zugehörigen Grundvermögens. Die Parteien streiten darüber, ob § 2309 BGB* einer Pflichtteilsberechtigung der Klägerin entgegensteht.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.

Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Berufungsgericht.

Die Klägerin ist pflichtteilsberechtigt, auch wenn die Beklagte der nähere und als solcher grundsätzlich vorrangige Abkömmling des Erblassers ist. Jedoch gilt sie infolge ihres Erb- und Pflichtteilsverzichts gemäß § 2346 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) als vorverstorben. An ihrer Stelle ist ihre Tochter, die Klägerin, in die gesetzliche Erb- und Pflichtteilsfolge eingerückt. Ihre Position als gesetzliche Erbin ihres Großvaters wurde der Klägerin durch dessen Testament aber wieder entzogen. Der Erblasser war durch den Erbverzicht nicht daran gehindert, die Beklagte als Erbin einzusetzen.
Das Berufungsgericht hat zu Unrecht in der Annahme des testamentarisch zugewendeten Erbes eine auf den Pflichtteilsanspruch anzurechnende Entgegennahme eines der Beklagten „Hinterlassenen“ i.S. vom § 2309 Alt. 2 BGB gesehen.
Wie eine Betrachtung der Entstehungsgeschichte der Vorschriften zum Pflichtteil und zum Erbverzicht ergibt, war es erklärtes Ziel des Gesetzgebers zu verhindern, dass demselben Stamm zweimal ein Pflichtteil gewährt würde, und eine Pflichtteilsvervielfältigung zu Lasten des Nachlasses auszuschließen. Mit dem Wortlaut des § 2309 BGB ist der Gesetzgeber auch für den Fall des verzichtsbedingten Aufrückens eines entfernteren Abkömmlings in die gesetzliche Erb- und Pflichtteilsfolge nicht von dem Prinzip abgekehrt, Doppelbegünstigungen des Stammes des ausgeschiedenen, grundsätzlich vorrangigen Berechtigten sowie Vervielfältigungen der auf dem Nachlass liegenden Pflichtteilslast auszuschließen.
Von diesem Normzweck wird die Erbfolge nach dem Vater bzw. Großvater der Parteien nicht erfasst. Gehören der trotz Erb-und Pflichtteilsverzichts zum gewillkürten Alleinerben bestimmte nähere Abkömmling und der entferntere Pflichtteilsberechtige dem einzigen Stamm gesetzlicher Erben an, berühren die Zuwendungen nur das Innenverhältnis dieses Stammes. Bleiben solche Zuwendungen – hier die testamentarische Erbeinsetzung der Beklagten – bei der Geltendmachung von Pflichtteilsansprüchen unberücksichtigt, droht dem Nachlass keine Vervielfältigung der Pflichtteilslast, wie sie § 2309 BGB gerade vermeiden will.

 

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Wenn nach dem Tod des Erblassers das Originaltestament nicht mehr auffindbar ist – Hilft eine Kopie des Testaments?

Gemäß §§ 2355, 2356 Abs. 1 Satz 1 BGB ist zum Nachweis eines testamentarischen Erbrechts grundsätzlich die Urschrift der Urkunde vorzulegen, auf die das Erbrecht gestützt wird.
Ist diese Urkunde nicht auffindbar, kommt der allgemein anerkannte Grundsatz zum Tragen, dass es die Wirksamkeit eines Testaments nicht berührt, wenn die Urkunde ohne Willen und Zutun des Erblassers vernichtet worden, verloren gegangen oder sonst nicht auffindbar ist. Errichtung und Inhalt des Testaments können in einem solchen Fall mit allen zulässigen Beweismitteln, auch durch Vorlage einer Kopie, bewiesen werden, wobei an den Nachweis dann allerdings strenge Anforderungen zu stellen sind.

Zu beachten dabei ist:
Wer unter Vorlage der Ablichtung eines Testaments, die ihn als Erben ausweist, beim Nachlassgericht die Erteilung eines Erbscheins beantragt, hat, da er für sich ein Erbrecht in Anspruch nimmt, die Last der Nichtfeststellbarkeit der rechtsbegründenden Tatsachen zu tragen. Hierzu gehören vor allem die Existenz und der Inhalt des Testaments, etwa in Abgrenzung zu einem Entwurf. Das Gerichts muss demzufolge nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen zu der Überzeugung gelangen, dass ein Originaltestament mit dem aus der Kopie ersichtlichen Inhalt von dem Erblasser formgültig errichtet worden ist.
Steht das zur Überzeugung des Gerichts fest, dann trägt wiederum der, der beispielsweise behauptet, das Testament sei vom Erblasser vernichtet worden und daraus Rechte für sich herleitet, die Feststellungslast für diese Tatsachen. Die diesbezügliche Nichterweislichkeit ginge also, weil diese Tatsachen ihm zugute kommen würden, zu seinen Lasten. Denn der Umstand allein, dass die Testamentsurkunde im Original nach dem Tode des Erblassers nicht mehr auffindbar ist, begründet noch keine tatsächliche Vermutung für eine Vernichtung durch den Erblasser und damit für einen in diesem Fall zu vermutenden Widerruf (§ 2255 BGB ).

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) des Landes Sachsen-Anhalt mit Beschluss vom 29.03.2012 – 2 Wx 60/11 – entschieden.

 

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Erbscheinsverfahren – Kostenrisiko bei Einwendungen ins Blaue.

Wenn der in einem Testament eingesetzte Erbe die Erteilung eines Erbscheins beantragt, ein anderer Beteiligter behauptet, das Testament sei gefälscht, ein vom Nachlassgericht daraufhin eingeholtes Gutachten zur Frage der Formgültigkeit des Testaments die Urheberidentität des Erblassers ergibt und das Nachlassgericht den beantragten Erbschein erteilt, stellt sich die Frage, wer die Gutachterkosten tragen muss.

Folgt einem auf Antrag vorzunehmenden Geschäft (Antrag auf Erbscheinserteilung) ein Amtsgeschäft (Einholung eines Sachverständigengutachtens), so haftet, wenn vom Gericht in seinem Beschluss keine anderweitige Kostenentscheidung getroffen ist, als Kostenschuldner nach § 2 Nr. 1 KostO grundsätzlich der Antragsteller auch für solche Sachverständigenauslagen, die allein auf Grund der Einwände eines anderen Beteiligten veranlasst wurden.
Allerdings muss das Gericht zur Vermeidung von Unbilligkeiten nach § 81 ff FamFG prüfen, ob es die Kosten des Verfahrens ganz oder „zum Teil“ einem anderen Beteiligten auferlegt, wobei nach § 81 FamFG nicht nur eine Quotelung, sondern auch eine Differenzierung nach Art der Kosten (beispielsweise Gutachterkosten) in Betracht kommt.
Lassen bestimmte Umstände in einem derartigen Fall den Schluss zu, dass die Behauptung, das Testament sei gefälscht, von dem Beteiligten ins Blau abgegeben worden ist, entspricht es nach § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG der Billigkeit diesem Beteiligten die Kosten des Gutachtens aufzuerlegen.

Das hat das Oberlandesgericht München mit Beschluss vom 30.04.2012 – 31 Wx 68/12 – entschieden.

 

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Pflichtteilsergänzungsanspruch schon vor der Geburt

Der u.a. für das Erbrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 23.05.2012 – IV ZR 250/11 – entschieden, dass der Pflichtteilsergänzungsanspruch – vorliegend der eines Abkömmlings – nach § 2325 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) nicht voraussetzt, dass die Pflichtteilsberechtigung bereits im Zeitpunkt der Schenkung bestand.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall machten die 1976 und 1978 geborenen Kläger gegen die Beklagte, ihre Großmutter, im Wege der Stufenklage Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche nach ihrem 2006 verstorbenen Großvater geltend.
Sie begehrten Auskunft über den Bestand des Nachlasses des Erblassers durch Vorlage eines notariell aufgenommenen Verzeichnisses, Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und Zahlung.
Die Großeltern hatten vier Kinder, unter anderem die 1984 verstorbene Mutter der Kläger. Im Jahr 2002 errichteten die Beklagte und der Erblasser ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament, in dem sie sich u.a. gegenseitig zu Erben einsetzten.
Die Parteien streiten insbesondere darüber, ob den Klägern ein Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 1 BGB zusteht, wenn sie zwar im Zeitpunkt des Todes des Erblassers, nicht aber im Zeitpunkt der jeweiligen Schenkungen pflichtteilsberechtigt waren. Im Wesentlichen geht es darum, ob der Auskunftsanspruch auch Schenkungen erfasst, die der Erblasser vor der Geburt der Kläger zugunsten der Beklagten vorgenommen hatte. Die Vorinstanzen haben der Auskunftsklage überwiegend stattgegeben.

Mit seinem Urteil hat der BGH entschieden, der Pflichtteilsergänzungsanspruch nach § 2325 Abs. 1 BGB setze nicht voraus, dass die Pflichtteilsberechtigung bereits im Zeitpunkt der Schenkung bestand.
Seine dem entgegenstehende frühere Rechtsprechung, die eine Pflichtteilsberechtigung sowohl im Zeitpunkt des Erbfalls als auch der Schenkung forderte (u. a. Urteil vom 25.06.1997 – IV ZR 233/06 -), sog. Theorie der Doppelberechtigung, hat der Senat insoweit aufgegeben.
Hierbei hat er neben dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift auf den Sinn und Zweck des Pflichtteilsrechts abgestellt, eine Mindestteilhabe naher Angehöriger am Vermögen des Erblassers sicherzustellen. Hierfür ist es unerheblich, ob der im Erbfall Pflichtteilsberechtigte schon im Zeitpunkt der Schenkung pflichtteilsberechtigt war oder nicht. Die bisherige Auffassung führte demgegenüber zu einer mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Absatz 1 Grundgesetz nicht zu vereinbarenden Ungleichbehandlung von Abkömmlingen des Erblassers und machte das Bestehen des Pflichtteilsergänzungsanspruchs von dem zufälligen Umstand abhängig, ob die Abkömmlinge vor oder erst nach der Schenkung geboren waren.

– Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 24.05.2012 –

 

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