…. also beispielsweise strittig ist, ob die Unterschrift unter einer Vereinbarung gefälscht ist oder nicht.
Wird die Echtheit einer Unterschrift auf einer Urkunde von dem Beklagten bestritten auf die der Kläger seinen Anspruch stützt,
- ist entscheidungserheblich ob die Echtheit der Urkunde festgestellt werden kann.
Da für die Echtheit einer Unterschrift keine gesetzliche Vermutung existiert und der Kläger für die tatsächlichen Voraussetzungen des Klageanspruches beweisbelastet ist, muss er den Vollbeweis für die Echtheit der Unterschrift erbringen.
Der Beweis für die Echtheit einer Unterschrift kann
- durch ein Schriftvergleichsgutachten erbracht,
- aber auch nach § 441 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO) durch Schriftvergleichung geführt werden.
Das Gericht kann
- den Schriftvergleich selbst durchführen,
- dann handelt es sich um einen Beweis durch Augenschein im Sinne von § 371 ZPO,
aber auch, was in seinem pflichtgemäßen Ermessen liegt und wozu ein Parteiantrag nicht erforderlich ist,
- bei der Schriftvergleichung einen Schriftsachverständigen hinzuziehen (§ 442 ZPO),
- dann handelt es sich um eine Beweiserhebung nach den §§ 402 ff. ZPO.
Nach § 441 Abs. 2 ZPO hat der Beweisführer bei einer Beweiserhebung über die Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde nach § 441 Abs. 1 ZPO
- zum Vergleich geeignete Schriften vorzulegen oder
- ihre Mitteilung nach der Vorschrift des § 432 ZPO zu beantragen und erforderlichenfalls den Beweis ihrer Echtheit anzutreten.
Befinden sich zur Vergleichung geeignete Schriften
- in den Händen des Gegners,
- so ist dieser auf Antrag des Beweisführers
zur Vorlegung verpflichtet (§ 441 Abs. 3 Satz 1 ZPO), wenn
- die Voraussetzungen der §§ 421 bis 426 ZPO auf die § 441 Abs. 3 Satz 2 ZPO verweist, gegeben sind, also
- ein zivilrechtlicher Anspruch der beweisbelasteten Partei auf Urkundenvorlage besteht oder
- sich der Gegner der beweisbelasteten Partei auf die entsprechenden Urkunden zur Beweisführung bezieht.
Kommt in einem solchen Fall der Gegner der gerichtlichen Anordnung, die Schriften vorzulegen,
- nicht nach oder
- gelangt das Gericht im Falle des nach § 441 Abs. 3 Satz 2 ZPO entsprechend anwendbaren § 426 ZPO zu der Überzeugung, dass der Gegner nach dem Verbleib der Schriften nicht sorgfältig geforscht hat,
so kann die Urkunde als echt angesehen werden (§ 441 Abs. 3 Satz 3 ZPO).
Dadurch,
- dass die Voraussetzungen für einen Herausgabe- oder Vorlegungsanspruch des Beweisführers nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch selten vorliegen werden,
- also eine Vorlageanordnung nach § 441 Abs. 3 Satz 2 ZPO regelmäßig am Fehlen der Voraussetzungen des § 422 ZPO scheitern wird,
wird der beweisbelasteten Partei der Beweis der Echtheit einer Urkunde durch Schriftvergleichung nicht unmöglich gemacht.
- Denn der Gegner der beweisbelasteten Partei kann, wenn es um die Echtheit der eigenen Unterschrift oder derjenigen seiner organschaftlichen Vertreterin geht, diese nicht lediglich einfach bestreiten.
- Ihm obliegt insoweit gemäß § 138 Abs. 2 ZPO eine prozessuale Erklärungspflicht.
Diese kann sich
- auf die Unterschiede zwischen der eigenen Unterschrift und der zu vergleichenden Unterschrift beziehen und
- die Vorlage von Vergleichsunterschriften erforderlich machen.
Nimmt der Gegner der beweisbelasteten Partei dabei auf Urkunden in seinem Besitz Bezug, liegen die Voraussetzungen des § 423 ZPO vor, so dass insoweit eine Vorlageanordnung ergehen kann.
- Im Übrigen besteht die Möglichkeit, dass das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 142 Abs. 1 ZPO eine Vorlageanordnung erlässt, die weniger strengen Anforderungen als diejenige nach § 441 Abs. 3 ZPO unterliegt, weil sie
- keinen materiell-rechtlichen Herausgabeanspruch der beweisbelasteten Partei voraussetzt,
- sondern wofür die Bezugnahme der beweisbelasteten Partei auf eine im Besitz des Prozessgegners befindliche Urkunde ausreicht.
Darin liegt kein Wertungswiderspruch, weil die Nichtbefolgung einer Anordnung nach § 142 Abs. 1 ZPO nicht mit einer speziellen Sanktion wie § 441 Abs. 3 Satz 3 ZPO bewehrt, sondern lediglich gemäß §§ 286, 427 Satz 2 ZPO frei zu würdigen ist.
Übrigens:
Für die gerichtliche Anordnung einer Beweiserhebung von Amts wegen nach § 144 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist kein Raum, soweit es um die Vorlage von Vergleichsurkunden geht, die für den Beweis der Echtheit oder Unechtheit einer Urkunde nach § 441 Abs. 1 ZPO benötigt werden,
- weil insoweit die Regelungen in § 441 Abs. 3 und Abs. 4 ZPO der Vorschrift des § 144 ZPO vorgehen.
Erlässt das Gericht ohne gesetzliche Grundlage eine Anordnung, nach der der Gegner der beweisbelasteten Partei zur Vergleichung geeignete Schriften vorzulegen hat, darf der Umstand, dass dieser der Anordnung nicht Folge geleistet hat, im Rahmen der Beweiswürdigung nicht zu seinen Lasten berücksichtigt werden.
Darauf hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 16.03.2017 – I ZR 205/15 – hingewiesen.