Tag Gesundheit

Kann ein Fitnessstudiovertrag mit bestimmter Erstlaufzeit wegen verschlechterter Gesundheit vorzeitig gekündigt werden?

Mit Urteil vom 05.06.2020 – 3c C 51/19 – hat das Amtsgericht (AG) Frankenthal entschieden, dass ein Mitgliedsvertrag über die Nutzung eines Fitnessstudios mit einer bestimmten Erstlaufzeit und einem vertraglich vorgesehenen Kündigungszeitpunkt

  • vorzeitig außerordentlich fristlos gekündigt 

werden kann, wenn der Kunde nachweislich 

  • an einer Erkrankung leidet, die ihm die künftige Inanspruchnahme wesentlicher Leistungen auf unbestimmte Zeit unmöglich macht,
  • wobei Vorerkrankungen dann keine Rolle spielen, wenn 
    • die zur Kündigung führenden Beschwerden zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht bestanden und 
    • das Auftreten für den Kunden nicht vorhersehbar war.

Begründet hat das AG dies damit, dass in einem solchen Fall die Fortführung des als Dauerschuldverhältnis einzustufenden Fitnessstudiovertrages bis zum vertraglich vorgesehenen Kündigungszeitpunkt ohne Nutzungsmöglichkeit wesentlicher Elemente der vertraglichen Leistungen, 

  • nämlich des überwiegenden Teils der zur Verfügung gestellten Trainingsgeräte, 

nicht zumutbar sein kann (Quelle: Pressemitteilung des AG Frankenthal). 

Hinweis:
Vergleiche dazu auch den Blogeintrag „Wichtig zu wissen, wenn man einen Fitnessstudiovertrag mit Mindestlaufzeit abgeschlossen hat oder beabsichtigt abzuschließen“. 

Hamburgisches OVG entscheidet: Corona-Krisen-Öffnungsverbot gilt für Geschäfte die E-Zigaretten und

…. Nachfüllbehälter verkaufen.

Mit Beschluss vom 26.03.2020 – 5 Bs 48/20 – hat das Hamburgische Oberverwaltungsgericht (OVG), nachdem eine Betreiberin mehrerer Einzelgeschäfte

  • für den Handel mit elektronischen Zigaretten und Nachfüllbehältern

sich mit Eilantrag gegen die

  • durch Allgemeinverfügung der Stadt Hamburg zur Eindämmung des Coronavirus

angeordnete Schließung ihrer Läden gewandt hatte, entschieden, dass die Schließung

  • der Läden der Antragstellerin

zurecht angeordnet worden ist.

Das OVG hat dabei die getroffene Unterscheidung in der angegriffenen Allgemeinverfügung

  • zwischen Geschäften mit einem stark spezialisierten Warensortiment wie denen der Antragstellerin, die schließen müssen und
  • den von der Schließung ausgenommenen Verkaufsstellen, die der Versorgung der Bevölkerung mit Waren des täglichen Bedarfs dienen,

als verfassungsrechtlich zulässig angesehen und dem Schutz der Gesundheit der gesamten Bevölkerung

  • den Vorzug gegeben

vor den wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin (Quelle: Pressemitteilung des OVG Hamburg).

Schleswig-Holsteinisches VG entscheidet: Untersagung der Anreise zur Nutzung einer Nebenwohnung ist rechtmäßig

Mit Beschluss vom 25.03.2020 – 1 B 30/20 – hat die 1. Kammer des Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgerichts (VG), nachdem der Kreis Nordfriesland,

  • als Schutzmaßnahme im Zusammenhang mit der Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus nach dem Infektionsschutzgesetz,

mit sofort vollziehbarer Allgemeinverfügung Personen, die ihren Erstwohnsitz außerhalb des Kreises haben,

  • die Anreise in den Kreis Nordfriesland sowie die Nutzung ihrer Nebenwohnung dort aus touristischem Anlass oder zu Freizeitzwecken untersagt hatte

und von den

  • mit ihrem Erstwohnsitz in Hamburg gemeldet

Antragstellern,

  • die kurzfristig die Anreise in ihr als Zweitwohnsitz genutztes Haus in St. Peter-Ording beabsichtigten,

vorläufiger Rechtsschutzantrag gestellt worden war, entschieden, dass

  • den Antragstellern die Anreise zu Recht untersagt worden ist.

Begründet hat die Kammer ihre Entscheidung damit, dass

  • vor dem Hintergrund der Eindämmung der Corona-Pandemie

die getroffene Anreise- sowie Nutzungsuntersagung erforderlich sowie zumutbar sei, da die dadurch erreichbare

  • Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der medizinischen, insbesondere krankenhausärztlicher (Intensiv-) Versorgung zum Schutz der Gesundheit speziell in ländlichen Bereichen Schleswig-Holsteins wie Nordfriesland und zur Abwehr von Gefahren für die Gesundheit der dort ansässigen Bevölkerung

höher einzustufen ist als

VG Aachen entscheidet: Vorübergehende Betriebsschließungen wegen Corona-Pandemie rechtmäßig

Mit Beschluss vom 23.03.2020 – 7 L 230/20, 7 L 233/20 – hat die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Aachen, nachdem von der Stadt Würselen,

  • angesichts der fortschreitenden Ausbreitung des Corona-Virus,

mit Allgemeinverfügung ab sofort – zunächst bis zum 19.04.2020 –

  • u.a. der Weiterbetrieb bestimmter, nicht zur Grundversorgung der Bevölkerung und nicht zur Sicherstellung des täglichen Bedarfs notwendiger Verkaufsstellen des Einzelhandels untersagt worden war

und

  • sich ein Betreiber einer Lottoannahmestelle sowie ein Betreiber eines Pralinenfachgeschäfts mit Eilanträgen gegen die Schließung ihrer, von dem Verbot erfassten, Betriebe gewandt hatten,

die Eilanträge der beiden Verkaufsstellenbetreiber abgelehnt.

Begründet hat die Kammer dies damit, dass

  • zur Verzögerung der dynamischen Ausbreitung des Corona-Virus mit ersten Todesfällen in den letzten Wochen und
  • zum Schutz von besonders anfälligen Personengruppen vor einer Infizierung,

die Untersagung der Betriebsfortführungen erforderlich seien und der dadurch erreichbare

  • Schutz der menschlichen Gesundheit

höher einzustufen sei als

VG Göttingen entscheidet, dass in Zeiten der Corona-Krise eine Geburtstagsfeier durch infektionsschutzrechtliche Allgemeinverfügung

…. untersagt werden kann.

Mit Beschluss vom 20.03.2020 – 4 B 56/20 – hat die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts (VG) Göttingen, nachdem die Stadt zur Bekämpfung der Corona-Krise eine für alle verbindliche Verfügung erlassen hatte,

  • mit der u.a. private Veranstaltungen mit mehr als 50 Teilnehmern und
  • die Beherbergung von Personen zu touristischen Zwecken verboten sowie
  • Taxiunternehmen die Aufnahme von Fahrgästen nur gestattet worden war, wenn sie die Gäste zuvor danach befragt haben,
    • ob sie aus einem vom Robert-Koch-Institut festgelegten Risikogebiet kommen,
    • ob sie Krankheitssymptome aufweisen und
    • wie ihre Kontaktdaten sind

und von einem Bürger,

  • der seinen runden Geburtstag in großer Runde feiern wollte,

gegen die Allgemeinverfügung,

  • durch die ihm die geplante große Geburtstagsfeier unmöglich gemacht wurde,

Klage und gleichzeitig ein Eilantrag erhoben worden war, entschieden, dass

  • die Allgemeinverfügung rechtmäßig und
  • es dem Antragsteller somit verboten ist, seinen Geburtstag in der geplanten großen Runde zu feiern.

Begründet hat die Kammer dies damit, dass,

  • da bei privaten Veranstaltungen, bei denen üblicherweise zahlreiche Menschen aus unterschiedlichen Regionen zusammenkommen, die Gefahr einer Verbreitung der Corona-Infektion besonders groß ist,

die Allgemeinverfügung geeignet und erforderlich ist, um die unkontrollierte Ausweitung der Coronaepidemie zu verhindern und angesichts dessen

  • private Feierinteressen

hinter

  • dem Schutz der menschlichen Gesundheit

zurückstehen müssen (Quelle: Pressemitteilung des VG Göttingen).

Wer ein (lebendes) Tier, beispielsweise ein (Reit)Pferd kauft oder verkauft, sollte wissen für welchen (Gesundheits-)Zustand

…. des Tieres der Verkäufer einzustehen hat, also

  • wann beispielsweise eine erlittene Vorverletzung des Tieres einen Sachmangel begründet und
  • wann nicht.

Der Verkäufer eines Tieres hat,

  • sofern eine diesbezügliche anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht getroffen worden ist,

(lediglich) dafür einzustehen, dass das Tier bei Gefahrübergang

  • nicht krank ist und
  • sich auch nicht in einem (ebenfalls vertragswidrigen) Zustand befindet, aufgrund dessen bereits die Sicherheit oder zumindest die hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass
    • es alsbald erkranken wird und
    • infolgedessen für die gewöhnliche (oder die vertraglich vorausgesetzte) Verwendung nicht mehr einzusetzen ist.

Auch gehört es nicht zur üblichen Beschaffenheit eines Tieres, dass es in jeder Hinsicht einer

  • biologischen oder
  • physiologischen

„Idealnorm“ entspricht.

Denn der Käufer eines lebenden Tieres kann redlicherweise nicht erwarten, dass er

  • – ohne besondere (Beschaffenheits-)Vereinbarung –

ein Tier mit „idealen“ Anlagen erhält, sondern muss,

  • da es sich bei Tieren um Lebewesen handelt, die einer ständigen Entwicklung unterliegen und die – anders als Sachen – mit individuellen Anlagen ausgestattet und dementsprechend mit sich daraus ergebenden unterschiedlichen Risiken behaftet sind,

im Regelfall damit rechnen, dass

  • das von ihm erworbene Tier in der einen oder anderen Hinsicht physiologische Abweichungen vom Idealzustand aufweist, wie sie für Lebewesen nicht ungewöhnlich sind.

Die damit verbundenen Risiken für die spätere Entwicklung des Tieres sind für Lebewesen typisch und stellen für sich genommen ebenfalls

  • noch keinen vertragswidrigen Zustand dar,

so dass der Verkäufer eines Tieres auch nicht haftet

  • für den Fortbestand des bei Gefahrübergang gegebenen Gesundheitszustands.

Die vorgenannten Grundsätze gelten auch für

  • folgenlos überstandene Krankheiten und
  • Verletzungen, wie beispielsweise eine ausgeheilte Rippenfraktur eines als Reittier verkauften erwachsenen Pferdes, das nach Ablauf des Heilungsprozesses klinisch unauffällig ist.
    • wobei es insoweit auch nicht darauf ankommt, worauf die vollständig ausgeheilte Rippenfraktur beruht.

Demgemäß wird die Eignung eines beispielsweise klinisch unauffälligen Pferdes für

  • die gewöhnliche oder
  • die vertraglich vorausgesetzte

Verwendung

  • als Reitpferd

nicht schon dadurch beeinträchtigt,

  • dass aufgrund von Abweichungen von der „physiologischen Norm“ eine (lediglich) geringe Wahrscheinlichkeit dafür besteht,
  • dass das Tier zukünftig klinische Symptome entwickeln wird, die seiner Verwendung als Reitpferd entgegenstehen.

Darauf

  • und dass die Verletzung eines Tieres somit jedenfalls nicht in jeder Hinsicht einem Schaden an einer Sache, etwa einem Kraftwagen, gleichgestellt werden kann,

hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 30.10.2019 – VIII ZR 69/18 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem nach dem Erwerb eines Reitpferdes bei diesem erlittene Vorverletzungen in Form von Rippenfrakturen festgestellt worden waren und
  • der Käufer deswegen den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt hatte,

entschieden, dass

  • vollständig ausgeheilte Rippenfrakturen

bei einem als Reittier verkauften Pferd,

  • ohne anderslautende Beschaffenheitsvereinbarung

nicht geeignet sind einen Sachmangel zu begründen, sondern

die Wirksamkeit des von dem Käufer erklärten Rücktritts vom Kaufvertrag davon abhängt, ob

  • bei Gefahrübergang bei dem Pferd ein Zustand von nicht vollständig ausgeheilter Rippenfraktur vorhanden war und
  • dieser noch im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung fortbestanden hat.

Was man über sein Selbstbestimmungsrecht bei Entscheidungen über sein eigenes Leben wissen sollte und

…. was zu wissen insbesondere auch für die behandelnden Ärzte wichtig ist.

Nach dem Grundgesetz (GG) ist jeder Mensch,

  • der volljährig ist und
  • seinen Willen frei bilden sowie entsprechend handeln kann,

frei,

  • über den Umgang mit seiner Gesundheit

nach eigenem Gutdünken zu entscheiden.

Die Rechtsprechung leitet aus

  • dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG) und
  • dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG)

eine „Freiheit zur Krankheit“ ab, die es grundsätzlich einschließt, Heilbehandlungen

  • auch dann abzulehnen, wenn

sie medizinisch angezeigt sind.

  • Selbst bei lebenswichtigen ärztlichen Maßnahmen schützt das Selbstbestimmungsrecht des Patienten eine Entschließung, die aus medizinischen Gründen unvertretbar erscheint.

Das Grundgesetz garantiert dem Individuum das Recht, in Bezug auf die eigene Person aus medizinischer Sicht Unvernünftiges zu tun und sachlich Gebotenes zu unterlassen.

Durch die Erstellung einer Patientenverfügung (§ 1901a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) kann man sicherstellen, dass sein

  • in einwilligungsfähigem Zustand

ausgeübtes,

  • das Recht zur Selbstgefährdung bis hin zur Selbstaufgabe und
  • damit auch auf Ablehnung lebensverlängernder Maßnahmen, unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung sowie der ärztlichen Indikation der Behandlung einschließende,

Selbstbestimmungsrecht über

  • eine gewünschte Behandlung oder
  • eine nicht mehr gewünschte (Weiter)Behandlung

auch dann noch respektiert wird, wenn

  • man zu eigenverantwortlichem Entscheiden nicht mehr in der Lage ist.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 25.06.2010 – 2 StR 454/09 – demzufolge einen Behandlungsabbruch

  • – losgelöst von der Begehungsform –

als gerechtfertigt angesehen, wenn er

  • in Ansehung von § 1901a BGB dem tatsächlichen oder mutmaßlichen Patientenwillen entspricht und
  • dazu dient, einem ohne Behandlung zum Tode führenden Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen (BGH, Urteil vom 07.2019 – 5 StR 393/18 –).