Tag Händler

Autokäufer sollten wissen was unter „Neu/Tageszulassung“ und „Werkskilometer“ zu verstehen ist

Wer bei einem Händler einen PKW kauft, kann, wenn im Kaufvertrag bzw. der Auftragsbestätigung

  • als Erstzulassung „Neu/Tageszulassung“ und
  • als Kilometerstand „Werkskilometer“

festgehalten ist,

  • aufgrund der Angabe „Tageszulassung“ davon ausgehen,
    • dass das Fahrzeug bis zur Übergabe nur auf einen Handelsbetrieb zugelassen gewesen ist und
    • die Zulassungsdauer bei maximal 30 Tagen gelegen hat,
      • weil Fahrzeuge mit Tageszulassungen nur formal auf einen Händler zugelassen, aber nicht im Straßenverkehr bewegt werden, so dass sie weiter als Neuwagen angesehen werden können

sowie

  • aufgrund der Angabe „Werkskilometer“ davon,
    • dass das Fahrzeug nach der Produktion nur auf dem Werksgelände gefahren wurde,
    • um daran noch letzte Tests und Abstimmungen vorzunehmen,
      • weil „Werkskilometer“ die zu diesem Zweck zurückgelegte Fahrstrecke bezeichnet, die allerdings auch einige 100 km betragen kann, ohne dass die Neuwageneigenschaft infrage gestellt wird.

Entspricht ein geliefertes Fahrzeug nicht diesen vereinbarten Beschaffenheitsmerkmalen,

  • weil es beispielsweise schon 11 Monate vor Abschluss des Kaufvertrags erstmals zum Straßenverkehr zugelassen, seitdem als Leasingfahrzeug genutzt worden ist und eine Laufleistung von 1.412 km aufweist,

ist es mangelhaft und berechtigt den Käufer

  • zum Rücktritt vom Kaufvertrag oder
  • zur Minderung des Kaufpreises.

Darauf hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 18.05.2017 – 28 U 134/16 – hingewiesen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 14.06.2017).

Käufer von vom Diesel-Abgasskandal betroffener Fahrzeuge sollten wissen warum sie den Autohersteller nur schwer in Anspruch nehmen können

Gekauft wird ein Auto normalerweise nicht vom Hersteller sondern von einem (Vertrags)Händler.

Ist ein gekaufter Pkw mangelhaft kann der Käufer

  • sofern seine Gewährleistungsansprüche noch nicht verjährt sind (vgl. hierzu §§ 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 Satz 1, 195 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) und die dem Kaufvertrag zugrunde liegenden AGBs), bzw.
  • sofern bereits Verjährung eingetreten ist, der Verkäufer die Einrede der Verjährung nicht erhebt oder vor Eintritt der Verjährung auf die Erhebung der Einrede der Verjährung verzichtet hat,

vom Verkäufer

  • gemäß § 439 Abs. 1 BGB Nacherfüllung binnen einer angemessenen Frist verlangen und
  • wenn die Nacherfüllungsphase erfolglos verlaufen ist bzw. sich als nicht behebbar erwiesen hat,
    • entweder gegenüber dem Verkäufer die Minderung des Kaufpreises erklären und vom Verkäufer einen Teil des bezahlten Kaupreises, nämlich den Minderwert zurückfordern oder,
    • wenn der Mangel nicht nur unerheblich ist, nach §§ 437 Nr. 2, 440, 323, 346 Abs. 1 BGB gegenüber dem Verkäufer den Rücktritt vom Kaufvertrag erklären und vom Verkäufer die Rückzahlung des Kaufpreises, abzüglich des Nutzungswertersatzes für jeden gefahrenen Kilometer, Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs verlangen.

Gleiches gilt, wenn der Fahrzeugmangel darin besteht, dass vom Fahrzeughersteller in das bei einem Händler gekaufte Fahrzeug ein Dieselmotor mit einer Software zur Beeinflussung des Abgasverhaltens hinsichtlich der Stickoxidwerte auf dem Prüfstand eingebaut worden ist,

  • durch die der Motor so gesteuert wird, dass beim Durchlaufen von Testzyklen auf dem Prüfstand eine vom normalen Fahrbetrieb abweichende Einstellung der Abgasrückführung erfolgt, welche dazu führt, dass sich der Ausstoß von Schadstoffen in die Umwelt, insbesondere der Stickoxide, verringert,
  • während im normalen Fahrbetrieb die Stickoxidwerte im Abgas deutlich höher sind

und der Hersteller dies

  • weder bei der Durchführung der offiziellen Testzyklen zwecks Erreichung der Typengenehmigung für das Fahrzeug durch das Kraftfahrtbundesamt und Einstufung in die steuerlich relevante Abgasnorm,
  • noch bei der Bewerbung am Markt offen gelegt hat.

Auch in einem solchen Fall ist es nur sehr schwer möglich den Fahrzeughersteller unmittelbar auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.

In Betracht kommen kann ein Schadensersatzanspruch des Fahrzeugkäufers gegen den Fahrzeughersteller nämlich

  • aus § 443 Abs. 1 BGB nur dann,
    • wenn, was der Käufer nachweisen muss, zwischen ihm und dem Hersteller, wozu die einschlägige Werbung nicht genügt, ein Garantievertrag betreffend die Umweltverträglichkeit des Fahrzeuges zustande gekommen ist, der Hersteller also dem Käufer gegenüber die Einhaltung der vorgeschriebenen Abgaswerte garantiert hat,
  • unter dem Gesichtspunkt der Prospekthaftung nur dann,
    • wenn – unabhängig von der Frage, ob die Vollständigkeit und Richtigkeit der Angaben zum Fahrzeug und zur eingestuften Abgasnorm auch eine Aufklärung über den Einsatz der verwendeten Software bei der Durchführung der Testzyklen erfordert hätte -, die Kaufentscheidung des Käufers nachweislich auf der Verwendung eines entsprechenden Prospektes des Herstellers beruhte,
  • aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 Abs. 1 StGB nur dann,
    • wenn ein dem Hersteller anzulastender Betrug zum Nachteil des Fahrzeugkäufers vorliegen würde, was, sofern der Käufer seinen Schaden in dem Vertragsschluss mit dem Vertragshändler und der Belastung mit der Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises sieht, schon daran scheitern dürfte, dass es an der für den Betrug erforderlichen Unmittelbarkeit der Vermögensverschiebung fehlt, weil der Vertragsschluss mit dem Vertragshändler insoweit die mittelbare Folge der von dem Hersteller primär beabsichtigten (unmittelbaren) Veräußerung des Fahrzeugs an den Vertragshändler darstellt,
  • sowie aus § 826 BGB nur dann, wenn eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung des Käufers vorliegen würde, was schon deshalb zweifelhaft erscheint,
    • weil der Hersteller lediglich damit geworben hat, dass das Fahrzeugmodell im Rahmen der Erlangung der Typengenehmigung auf dem Rollenprüfstand bei Ableistung des Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) die Grenzwerte einer bestimmten Norm eingehalten hat,
    • weitergehende Versprechen dahingehend, dass diese Grenzwerte, insbesondere im Hinblick auf den Stickoxidwert, im Realbetrieb nicht überschritten werden, nicht erfolgt sind und
    • insoweit eine vergleichbare Situation zur Herstellerangabe betreffend den durchschnittlichen Kraftstoffverbrauch vorliegt, bei der dem Käufer bewusst sein muss, dass die angegebenen Werte nicht im Realbetrieb, sondern unter definierten, vom individuellen Realbetrieb abweichenden Testbedingungen ermittelt wurden, die primär darauf abzielen, eine Vergleichbarkeit der Testergebnisse hinsichtlich der Vielzahl von Testungen und Fahrzeugtypen zu erreichen und nicht den Realbetrieb des einzelnen Fahrzeuges abzubilden.

Die 1. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Braunschweig hat mit Urteil vom 29.12.2016 – 1 O 2084/15 – deshalb auch die Klage eines Fahrzeugkäufers abgewiesen, der

  • das vom Hersteller mit einer Software zur Beeinflussung des Abgasverhaltens ausgestattete Fahrzeug bei einem Vertragshändler des Herstellers erworben und

vom Hersteller im Wege des Schadensersatzes Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs verlangt hatte.