Tag Hausnotruf

Wer durch Verletzung von Berufs- oder Organisationspflichten, die dem Schutz der Gesundheit anderer dienen, geschädigt wurde, sollte wissen

…. dass ihm bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen eine Umkehr der objektiven Beweislast zugute kommen kann.

Zwar trägt grundsätzlich der Geschädigte, der Schadensersatzansprüche geltend macht, die Beweislast für

  • die Pflichtverletzung des Schädigers,
  • die Schadensentstehung und
  • den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden.

In bestimmten Fällen greift jedoch eine Beweislastumkehr zugunsten des Geschädigten ein.

So führt das Vorliegen eines groben ärztlichen Behandlungsfehlers

  • der geeignet ist, einen Schaden der beim Geschädigten tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen,

im Arzthaftungsrecht regelmäßig zur Umkehr der objektiven Beweislast

  • für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden,

wobei ein Behandlungsfehler dann als grob zu bewerten ist, wenn ein Arzt

  • eindeutig gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen und
  • einen Fehler begangen hat, der aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf.

Diese Beweisgrundsätze gelten entsprechend

  • bei grober Verletzung sonstiger Berufs- oder Organisationspflichten,

sofern diese, ähnlich wie beim Arztberuf,

  • dem Schutz von Leben und Gesundheit anderer dienen,

weil,

  • wer eine besondere Berufs- oder Organisationspflicht hat, andere vor Gefahren für Körper und Gesundheit zu bewahren,
  • grob vernachlässigt,

nach Treu und Glauben die Folgen der Ungewissheit, ob der Schaden abwendbar war, nicht dem Geschädigten aufbürden kann.

In derartigen Fällen muss der seine Pflichten grob Vernachlässigende daher

  • die Nichtursächlichkeit festgestellter Fehler beweisen,
  • die allgemein als geeignet anzusehen sind, einen Schaden nach Art des eingetretenen herbeizuführen.

Beispielsweise muss ein Schwimmmeister,

  • wenn er durch grobe Vernachlässigung seiner Aufsichtspflicht den seiner Obhut anvertrauten Schwimmschüler in eine Gefahrenlage gebracht hat, die geeignet war, den eingetretenen Ertrinkungstod herbeizuführen,

beweisen,

  • dass der Verunglückte auch bei sorgfältiger Überwachung nicht hätte gerettet werden können.

War etwa bei stationärer Krankenhauspflege ein Patient

  • durch Missstände und Versäumnisse außerhalb des engeren Bereichs der ärztlichen Behandlung einer Infektionsgefahr ausgesetzt,
  • die das Maß des Unvermeidlichen erheblich überschritt,

muss im Falle einer Infizierung

  • der Krankenhausträger die Nichtursächlichkeit festgestellter Fehler beweisen,
  • die allgemein als geeignet anzusehen sind, die Infektionsgefahr zu erhöhen.

Ebenfalls greift, wenn der Betreiber eines Hausnotrufs die ihm obliegenden Schutz- und Organisationspflichten grob verletzt bzw. vernachlässigt hat,

  • beispielsweise, dadurch, dass nicht unverzüglich eine angemessene Hilfeleistung vermittelt worden ist,
  • obwohl aufgrund des Verhaltens eines Teilnehmers, der die Notruftaste betätigt hat, sich das Vorliegen eines akuten medizinischen Notfalls aufdrängte,

zu Gunsten des Teilnehmers an dem Hausnotruf,

  • wenn dieser wegen eines erlittenen Gesundheitsschadens, z.B. wegen eines erlittenen Schlaganfalls die Notruftaste betätigt hat,

eine Beweislastumkehr ein,

  • soweit es um die Frage geht, ob eingetretene schwerwiegende Folgen dieses Gesundheitsschadens auch bei unverzüglich vermittelter Hilfeleistung eingetreten wären,

Darauf hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 11.05.2017 – III ZR 92/16 – hingewiesen.

Was, wer einen Dienstleistungsvertrag zur Teilnahme am Hausnotruf abschließen will oder abgeschlossen hat, wissen sollte

Ein Hausnotrufvertrag,

  • der beinhaltet, dass das Hausnotrufgerät an eine ständig besetzte Zentrale angeschlossen und
  • von dieser Zentrale im Fall eines Notrufs unverzüglich eine angemessene Hilfeleistung vermittelt wird (z.B. durch vereinbarte Schlüsseladressen, Rettungsdienst, Hausarzt, Schlüsseldienst)

ist

  • ein Dienstvertrag im Sinne des § 611 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB),
  • der in erster Linie den Schutz von Leben und Gesundheit der zumeist älteren und pflegebedürftigen Teilnehmer bezweckt.

Dem Teilnehmer an einem Hausnotruf wird geschuldet,

  • zwar kein Erfolg etwaiger Rettungsmaßnahmen,
  • aber die unverzügliche Vermittlung einer angemessenen Hilfeleistung.

Verletzt bzw. vernachlässigt der Betreiber des Hausnotrufs die ihm obliegenden Schutz- und Organisationspflichten grob,

  • beispielsweise, dadurch, dass nicht unverzüglich eine angemessene Hilfeleistung vermittelt wird,
  • obwohl aufgrund des Verhaltens eines Teilnehmers, der die Notruftaste betätigt hat, sich das Vorliegen eines akuten medizinischen Notfalls aufdrängte,

greift, wenn der Teilnehmer wegen eines erlittenen Gesundheitsschadens, z.B. wegen eines erlittenen Schlaganfalls die Notruftaste betätigt hat,

  • soweit es um die Frage geht, ob eingetretene schwerwiegende Folgen dieses Gesundheitsschadens auch bei unverzüglich vermittelter Hilfeleistung eingetreten wären,

zu seinen Gunsten eine Beweislastumkehr ein.

Das hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 11.05.2017 – III ZR 92/16 – entschieden.

Danach sind hier, wegen der Vergleichbarkeit der Interessenlage, dieselben Beweisgrundsätze anzuwenden wie im Arzthaftungsrecht,

  • wo grundsätzlich zwar der Geschädigte die Beweislast für die Pflichtverletzung, die Schadensentstehung und den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden trägt,
  • ein grober Behandlungsfehler, der geeignet ist, einen Schaden der tatsächlich eingetretenen Art herbeizuführen, regelmäßig allerdings zur Umkehr der objektiven Beweislast für den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Behandlungsfehler und dem Gesundheitsschaden führt (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 11.05.2017 – Nr. 71/2017).