Tag Kind

Wichtig für Elternteile zu wissen, die über die persönlichen Verhältnisse ihres minderjährigen Kindes keine Informationen haben

Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes kann,

  • soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht
  • bei berechtigtem Interesse

verlangen,

  • jeder Elternteil vom anderen Elternteil nach § 1686 BGB und
  • in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift auch ein Elternteil von anderen, die nicht Elternteil, aber in ihrer rechtlichen oder tatsächlichen Stellung einem solchen vergleichbar sind, also in erster Linie der Person, die kraft des Sorgerechts über die zur Auskunft erforderlichen Informationen verfügt bzw. an diese gelangen kann und
    • das ist regelmäßig der Vormund oder – im Rahmen der ihm übertragenen Sorgerechtsbefugnisse – der Pfleger, weil er in seiner rechtlichen Stellung einem Elternteil am nächsten kommt und nur,
    • soweit sich der Sorgerechtsinhaber die erforderlichen Informationen nicht verschaffen kann, im Einzelfall auch derjenige, der aufgrund eines sonstigen, einem Elternteil vergleichbaren Fürsorgeverhältnisses für das Kind, etwa der Ausübung der tatsächlichen Obhut, zur Auskunftserteilung in der Lage ist.

Dass der Auskunftsverpflichtete die Obhut über das Kind in einem Sinn ausübt, wie er etwa §§ 1629 Abs. 2 Satz 2, 1684 Abs. 2 Satz 2 BGB zugrunde liegt,

  • setzt der Auskunftsanspruch nicht voraus,
  • vielmehr kann der Auskunftsanspruch auch gegenüber einem „nur“ umgangsberechtigten Elternteil bestehen, weil ein Informationsbedürfnis auch gegenüber dem umgangsberechtigten Elternteil etwa hinsichtlich solcher Vorgänge bestehen kann, die sich im Rahmen des Umgangs ereignet haben.

Ein berechtigtes Interesse im Sinne des § 1686 BGB besteht dann, wenn der Elternteil keine andere zumutbare Möglichkeit hat, sich über die Entwicklung und die persönlichen Verhältnisse des Kindes zu unterrichten.

  • Eine solche anderweitige Möglichkeit kann gegebenenfalls der Umgang mit dem Kind darstellen.

Dies gilt allerdings nur, wenn hierdurch nicht der mit dem Umgangsrecht auch verbundene Zweck, die verwandtschaftlichen Beziehungen aufrechtzuerhalten und zu pflegen sowie einer Entfremdung vorzubeugen, gefährdet wird und das Kind in der Lage sowie willens ist, dem Elternteil die erforderlichen Informationen zu erteilen.

  • Ebenfalls in Betracht kommt im Einzelfall beispielsweise, dass der Elternteil sich – etwa als Inhaber (von Teilen) der Personensorge – die Informationen unschwer von Dritten verschaffen kann, oder dass er auf sonstige Informationsquellen wie regelmäßige Hilfeplangespräche oder auch Protokolle hierüber zu verweisen ist, wenn diese eine ausreichende Kenntnis von den persönlichen Verhältnissen des Kindes vermitteln.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung, ob und inwieweit ein berechtigtes Interesse an der Auskunftserteilung vorliegt, ist im Streitfall derjenige der abschließenden Entscheidung in der gerichtlichen Tatsacheninstanz.

Der Umfang der Informationen, die der Auskunftsberechtigte beanspruchen kann, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls.
Der Elternteil soll in die Lage versetzt werden, sich einen Überblick über die Entwicklung und das Befinden des Kindes zu verschaffen.

  • Die von § 1686 BGB erfassten persönlichen Verhältnisse beinhalten alle insoweit wesentlichen Umstände, insbesondere das schulische Fortkommen, außerschulische Betätigungen, die gesundheitliche Situation und die soziale Entwicklung des Kindes.

Das Maß und die Häufigkeit der geschuldeten Auskunft haben sich an diesem Zweck zu orientieren, so dass in der Regel verlangt werden können,

  • zwar die Übersendung der Kopie von Schulzeugnissen,
  • nicht aber detaillierte Angaben zum Tagesablauf des Kindes, ins Einzelne gehende Erziehungsberichte oder ärztliche Unterlagen und Dokumentationen.

Nicht umfasst von den persönlichen Verhältnissen im Sinne des § 1686 BGB ist die vermögensrechtliche Situation des Kindes.

Inwieweit es bei – wenn auch unregelmäßigem – Umgangskontakt des Auskunftsberechtigten der Übersendung eines Fotos des Kindes bedarf, ist eine Frage des Einzelfalls.

Zu bereits vorhandenen Informationen bedarf es keiner Auskunft, die sich im Übrigen nur auf Umstände mit aktuellem Bezug erstrecken muss.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 14.12.2016 – XII ZB 345/16 – hingewiesen.

Haften auch noch nicht verantwortliche Kinder oder andere nicht verantwortliche Personen für verursachte Schäden?

In solchen Fällen,

  • wenn also z.B. ein noch nicht sieben Jahre altes Kind eine fremde Sache beschädigt hat,

kommt

  • mangels Verantwortlichkeit des Kindes
  • eine verschuldensunabhängige Ersatzpflicht des Kindes aus Billigkeitsgründen gemäß § 829 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Betracht.

Allerdings sind die Hürden hierfür hoch.

Denn ist in einem der in den §§ 823 bis 826 BGB bezeichneten Fälle der Schaden verursacht worden von

  • einem nach § 828 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht verantwortlichem Kind bzw. Minderjährigen oder
  • einer nach § 827 BGB nicht verantwortlichen anderen Person,

hat der nicht verantwortliche Schadensverursacher dem Geschädigten den Schaden nach § 829 BGB nur dann zu ersetzen, wenn

  1. der Ersatz des Schadens nicht von einem aufsichtspflichtigen Dritten (§ 832 BGB) erlangt werden kann,
  2. die gesamten Umstände des Falles, insbesondere die Verhältnisse der Beteiligten, eine Haftung des schuldlosen Schädigers aus Billigkeitsgründen geradezu erfordern (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 16.09.2016 – VGS 1/16 –) und
  3. dem nicht verantwortlichen Schadensverursacher nicht die Mittel entzogen werden, deren er zum angemessenen Unterhalt sowie zur Erfüllung seiner gesetzlichen Unterhaltspflichten bedarf.

Voraussetzung dafür, dass die Billigkeit eine Schadloshaltung des Geschädigten erfordert ist zunächst, dass

  • bei dem stets in solchen Fällen vorzunehmenden Vergleich der Vermögenslagen der Beteiligten,
  • wofür maßgeblicher Zeitpunkt derjenige der letzten mündlichen gerichtlichen Tatsachenverhandlung ist,

ein „wirtschaftliches Gefälle“ zugunsten des Schädigers vorliegt,

Fehlt es an dem wirtschaftlichen Gefälle zugunsten des nicht verantwortlichen Schädigers scheidet dessen Haftung nach § 829 BGB aus.

Besteht das nach § 829 BGB erforderliche wirtschaftliche Gefälle zugunsten des nicht verantwortlichen Schädigers müssen darüber hinaus aber auch

  • die gesamten (übrigen) tat-, täter- und geschädigtenbezogenen Umstände des Falles,
  • etwa die Besonderheiten der die Schadensersatzpflicht auslösenden Handlung,

eine Haftung aus Billigkeitsgründen erfordern.

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 29.11.2016 – VI ZR 606/15 – hingewiesen.

BGH entscheidet wann das Familiengericht Eltern eines minderjährigen Kindes und Dritten Weisungen zum Schutz des Kindes erteilen darf

Gemäß § 1666 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hat das Familiengericht die zur Abwendung einer Gefährdung des Kindeswohls erforderlichen Maßnahmen zu treffen, zu deren Abwendung

  • die sorgeberechtigten Personen nicht gewillt oder
  • nicht in der Lage sind.

Eine solche Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn

  • eine gegenwärtige,
  • in einem solchen Maß vorhandene Gefahr festgestellt wird,

dass bei der weiteren Entwicklung der Dinge eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

  • An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind dabei umso geringere Anforderungen zu stellen, je schwerwiegender der drohende Schaden ist.
  • Die Annahme einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit muss allerdings in jedem Fall auf konkreten Verdachtsmomenten beruhen.
  • Außerdem muss der drohende Schaden für das Kind erheblich sein.
  • Selbst bei hoher Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines nicht erheblichen Schadens sind Maßnahmen nach § 1666 BGB nicht gerechtfertigt. In solchen Fällen ist dem elterlichen Erziehungs- und Gefahrabwendungsprimat der Vorrang zu geben.

Ist eine Kindeswohlgefährdung in diesem Sinne festgestellt, hat das Gericht, unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. dazu für den Fall der Trennung des Kindes von der elterlichen Familie § 1666 a BGB) die zur Abwehr der Kindeswohlgefährdung geeigneten, erforderlichen und den Beteiligten auch zumutbaren Maßnahmen zu treffen.

Zu diesen Maßnahmen gehören gemäß § 1666 Abs. 3 BGB insbesondere

  • Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen,
  • Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen,
  • Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält,
  • Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen,
  • die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge sowie
  • die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge,

wobei nach § 1666 Abs. 4 BGB in Angelegenheiten der Personensorge das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen kann.

Darauf hat der u.a. für Familienrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 23.11.2016 – XII ZB 149/16 – in einem Fall hingewiesen, in dem eine allein sorgeberechtigte Mutter einer siebenjährigen Tochter in den Haushalt ihres Lebensgefährten eingezogen war,

  • der wegen mehrerer Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern, in einem davon in Tateinheit mit Vergewaltigung eine viereinhalbjährige Freiheitsstrafe vollständig verbüßt hatte,
  • bei dem eine sachverständig festgestellte 30 %ige Rückfallwahrscheinlichkeit bestand und
  • dem im Rahmen der Führungsaufsicht verboten worden war, zu Kindern und Jugendlichen weiblichen Geschlechts Kontakt aufzunehmen, außer in Begleitung und unter Aufsicht eines Sorgeberechtigten,

und entschieden,

  • dass der Mutter untersagt werden durfte,
    • das Kind ohne ihre gleichzeitige Anwesenheit mit dem Lebensgefährten verkehren zu lassen und
    • zwischen 22 Uhr und 8 Uhr den Aufenthalt des Kindes in derselben Wohnung wie der Lebensgefährte zuzulassen,
  • dass ihr ferner aufgegeben werden durfte, jederzeit unangekündigte Besuche des Jugendamts oder vom Jugendamt hiermit beauftragter Personen zu gestatten und
  • dass gegen den Lebensgefährten entsprechende Verbote ausgesprochen werden durften (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 16.12.2016 – Nr. 231/2016 –).

Was leibliche Väter wissen sollten, wenn die rechtliche Vaterschaft eines anderen besteht und sie ein Recht auf Umgang möchten

Solange die rechtliche Vaterschaft eines anderen Mannes besteht,

  • beispielsweise gemäß § 1592 Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), weil dieser zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet war,

hat der leibliche Vater,

  • der ernsthaftes Interesse an dem Kind gezeigt hat,

nach § 1686 a Abs. 1 Nr. 1 BGB

  • ein Recht auf Umgang mit dem Kind,
  • wenn der Umgang dem Kindeswohl dient.

Zulässig ist der Antrag auf Einräumung eines Umgangsrechts nur dann, wenn der Antragsteller, dessen biologische Vaterschaft (noch) nicht feststeht, an Eides statt versichert, der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt zu haben (§ 167 a Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)).

Erfolg hat ein Umgangsantrag, wenn

  1. feststeht, dass der Antragsteller der leibliche Vater ist,
    • wobei zur Klärung seiner leiblichen Vaterschaft der Antragsteller die erforderlichen Untersuchungen, insbesondere die Entnahme von Blutproben, zu dulden hat, es sei denn, dass die Untersuchung nicht zugemutet werden kann (§ 167a Abs. 2 FamFG),
  1. das Gericht dem antragstellenden leiblichen Vater ein ernsthaftes Interesse an dem Kind zubilligt, wofür mögliche Kriterien sind,
    • ob er sein Kind zeitnah nach der Geburt kennenlernen wollte,
    • ob er sich um (weiteren) Kontakt mit dem Kind bemüht hat,
    • ob er den Wunsch nach Umgang wiederholt artikuliert und gegebenenfalls Pläne entwickelt hat, wie er seinen Kontaktwunsch im Hinblick auf Wohnort und Arbeitszeiten realisieren kann,
    • ob er sich vor und nach der Geburt zu dem Kind bekannt hat oder
    • ob er die Bereitschaft geäußert hat, Verantwortung für das Kind – gegebenenfalls auch finanziell – zu übernehmen und
  1. der Umgang nach Überzeugung des Gerichts dem Kindeswohl dient.

Im Rahmen der Kindeswohldienlichkeit prüft das sachverständig beratene Gericht,

  • ob und gegebenenfalls inwieweit Umgangskontakte mit einem „gewissermaßen zweiten, ausschließlich auf der biologischen Abstammung beruhenden Vater“ für das Kind eine seelische Belastung darstellen,
  • ob das Kind dadurch in einer dem Kindeswohl abträglichen Weise verunsichert wird,
  • inwieweit die Kindesmutter und der biologische Vater gegebenenfalls ihre Konflikte nach der Trennung begrenzen können und
  • wie der Umgang im Interesse einer gesunden Persönlichkeitsentwicklung und der Identitätsfindung des Kindes zu bewerten ist.

Dabei wird je nach familiärer Situation,

  • Stabilität und Belastbarkeit des Familienverbands,
  • Beziehungskonstellation bzw. Konfliktniveau zwischen den betroffenen Erwachsenen,
  • Alter und psychischer Widerstandsfähigkeit des Kindes,
  • Grad der Bindung des Kindes an seine rechtlich-sozialen Eltern,
  • Dauer der Kenntnis von der Existenz eines biologischen Vaters etc.

die Frage der Kindeswohldienlichkeit unterschiedlich zu beurteilen sein.

Das Kind ist im Verfahren nach § 1686 a BGB sowohl zur Sachaufklärung, als auch um ihm rechtliches Gehör zu gewähren, grundsätzlich persönlich anzuhören (vgl. § 159 FamFG).

Entbehrlich ist die Anhörung des Kindes nur dann,

  • wenn der Antrag des Antragstellers (ausschließlich) als unzulässig oder wegen fehlenden ernsthaften Interesses zurückzuweisen ist,
  • wenn die Abstammungsuntersuchung ergibt, dass der Antragsteller nicht der biologische Vater ist oder
  • wenn das Kind sich nicht zu seinem Willen und seinen Beziehungen äußern kann, weil es noch sehr jung oder aufgrund besonderer Umstände in seinen Fähigkeiten erheblich eingeschränkt ist.

Da der Umgang zwischen dem leiblichen Vater und dem Kind jedenfalls ab einem bestimmten Alter die Kenntnis des Kindes von seiner wahren Abstammung voraussetzt, ist eine Unterrichtung des Kindes hierüber in den Fällen, in denen es ein Alter erreicht hat, das es ihm ermöglicht zu verstehen, dass sein rechtlicher und sein leiblicher Vater personenverschieden sind, grundsätzlich unerlässlich.

Deshalb haben, wenn die Voraussetzungen für eine Unterrichtung erfüllt sind, die (rechtlichen) Eltern ihr Kind spätestens während des Umgangsverfahrens über seine wahre Abstammung zu informieren.

Unterlassen sie das, hat das Gericht

  • den (rechtlichen) Eltern eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb derer sie ihr Kind entsprechend unterrichten können und
  • wenn sie diese nicht nutzen, eine entsprechende Unterrichtung des Kindes auf andere Weise sicherzustellen.

Übrigens:
Ein Umgangsrecht nach § 1686 a Abs. 1 Nr. 1 BGB erlangen kann der leibliche Vater nur beim Bestehen der (rechtlichen) Vaterschaft eines anderen Mannes.
Fehlt es hieran, kann der leibliche Vater

  • die Vaterschaft entweder gemäß § 1594 BGB anerkennen oder
  • bei fehlender Zustimmung der Mutter nach § 1600 d BGB gerichtlich feststellen lassen.

Er hat dann alle Rechte, also auch ein Umgangsrecht nach § 1684 BGB, aber auch die Pflichten eines rechtlichen Vaters.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 05.10.2016 – XII ZB 280/15 – hingewiesen.

Was Eltern eines geistig behinderten Kindes wissen sollten

Der für die Sozialhilfe zuständige 8. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat mit Urteil vom 09.12.2016 – B 8 SO 8/15 R – in einem Fall,

  • in dem ein Kind mit Down-Syndrom mit Billigung des zuständigen Schulamtes die erste Grundschulklasse einer Regelschule besuchte und dort gemeinsam mit nicht behinderten Kindern unter Einschaltung einer Kooperationslehrerin sowie eines Schulbegleiters unterrichtet wurde,

entschieden,

  • dass der zuständige Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe die Kosten für den Schulbegleiter zu übernehmen hat.

Die Kosten für einen Schulbegleiter müssen danach von dem zuständigen Sozialhilfeträger immer dann getragen werden, wenn

  • ein wesentlich geistig behindertes Kind aufgrund der Behinderung ohne Unterstützung durch einen solchen Begleiter die für das Kind individuell und auf seine Fähigkeiten und Fertigkeiten abgestimmten Lerninhalte ohne zusätzliche Unterstützung nicht verarbeiten und umsetzen kann und
  • die notwendige Schulbegleitung tatsächlich nicht von der Schulbehörde übernommen beziehungsweise getragen wird (Quelle: Pressemitteilung des BSG vom 09.12.2016 – Nr. 25/16 –).

Was gemeinsam sorgeberechtigte Eltern wissen sollten, wenn sie sich bei einer Sorgeangelegenheit nicht einigen können

Können sich gemeinsam sorgeberechtigte Eltern

  • in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten,
  • deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist,

nicht einigen,

kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils nach § 1628 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Entscheidung einem Elternteil übertragen.

Das Familiengericht hat in diesem Fall den im Rahmen der Sorgerechtsausübung aufgetretenen Konflikt der Eltern zu lösen.

  • Entweder ist die gegenseitige Blockierung der Eltern durch die Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil zu beseitigen oder
  • durch Zurückweisung des Antrags die Angelegenheit beim gegenwärtigen Zustand zu belassen.

Ein Eingriff in die – gemeinsame – elterliche Sorge nach § 1628 BGB ist nur insoweit zulässig,

  • als das Gericht einem Elternteil die Entscheidungskompetenz überträgt,
  • nicht hingegen darf das Gericht die Entscheidung anstelle der Eltern selbst treffen.

Da sich die aufgrund § 1628 BGB zu treffende Entscheidung des Familiengerichts gemäß §1697 a BGB nach dem Kindeswohl richtet (Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg, Senat für Familiensachen, Beschluss vom 20.04.2015 – 10 UF 120/14 –; OLG Karlsruhe, Senat für Familiensachen, Beschluss vom 16.01.2015 – 5 UF 202/14 –) ist die Entscheidungskompetenz dem Elternteil zu übertragen, dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird.

Erscheint eine Bewahrung des gegenwärtigen Zustands als die bessere Konfliktlösung, genügt es, den Antrag zurückzuweisen.

Ob und inwiefern das Kindeswohl berührt ist, ist nach der Eigenart der zu regelnden Angelegenheit zu beurteilen, aus der sich auch die konkreten Anforderungen an die für die Entscheidung nach § 1628 BGB zu treffende Prüfung ergeben.

  • Handelt es sich um eine mit Anträgen an Behörden oder Gerichte verbundene Rechtsangelegenheit, so ist unter anderem zu berücksichtigen, ob und inwiefern diese Aussicht auf Erfolg versprechen.

Das liegt schon darin begründet, dass es nicht im wohlverstandenen Interesse des Kindes liegt, wenn es in seine Person betreffende aussichtslose Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren hineingezogen wird.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 09.11.2016 – XII ZB 298/15 – in einem Fall hingewiesen, in dem

  • nichteheliche Eltern gemeinsam sorgeberechtigt waren,
  • ihr Kind nach der Geburt mit Zustimmung der Mutter den Nachnamen des Vaters als Geburtsnamen erhalten hatte,
  • nach Trennung der Eltern die Mutter dem Kind nunmehr ihren Nachnamen erteilen wollte und

die Mutter beantragt hatte, ihr nach § 1628 BGB die Entscheidungsbefugnis zur Namensänderung nach dem Namensänderungsgesetz zu übertragen.

Wird für ein einjähriges Kind kein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt können Eltern Schadensersatz verlangen

§ 24 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) räumt einem Kind,

  • welches das erste Lebensjahr vollendet hat,
  • bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres

einen Anspruch auf frühkindliche Förderung

  • in einer Tageseinrichtung (§ 22 Abs. Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) oder
  • in Kindertagespflege (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII) ein.

Hieraus erwächst für den örtlich (§ 86 SGB VIII) und sachlich (§ 85 Abs. 1 SGB VIII) zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (§ 3 Abs. 2 Satz 2, § 69 Abs. 1 SGB VIII i.V.m. dem jeweiligen Landesrecht) die (Amts-)Pflicht, im Rahmen seiner die Planungsverantwortung umfassenden Gesamtverantwortung (§ 79 Abs. 1 und 2 Nr. 1, § 80 SGB VIII) sicherzustellen, dass für jedes anspruchsberechtigte Kind, für das ein entsprechender Bedarf rechtzeitig angemeldet worden ist (§ 24 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII), ein Betreuungsplatz zur Verfügung steht.

Diese Amtspflicht,

  • die nicht nur im Rahmen der vorhandenen Kapazität besteht,
  • sondern nach der der gesamtverantwortliche Jugendhilfeträger gehalten ist, eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte – freie Träger der Jugendhilfe oder Tagespflegepersonen – bereitzustellen,

kann der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe dadurch erfüllen, dass

  • er einen (zumutbaren) Platz
  • entweder in einer Tageseinrichtung oder im Rahmen der Kindertagespflege zuweist.

Stellt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, trotz rechtzeitiger Anmeldung des Bedarfs für ein anspruchsberechtigtes Kind keinen zumutbaren Betreuungsplatz zur Verfügung verletzt er seine Amtspflicht zur Erfüllung des Förderanspruchs aus § 24 Abs. 2 SGB VIII, wobei

  • in der Nichterfüllung dieses Anspruchs zugleich eine Amtspflichtverletzung liegt,
  • die personenberechtigten Eltern in den Schutzbereich dieser Amtspflicht einbezogen sind und
  • auch ein eventueller Verdienstausfallschaden, den ein Elternteil infolge der Nichtbereitstellung eines Betreuungsplatzes erleidet, grundsätzlich vom Schutzbereich der verletzten Amtspflicht mitumfasst wird.

Dafür, dass im Falle der Nichterfüllung des Anspruchs auf einen Betreuungsplatz die Bediensteten des Jugendhilfeträgers ihre Amtspflicht schuldhaft verletzt haben, spricht der Beweis des ersten Anscheins.
Es ist daher Sache des zuständigen Jugendhilfeträgers, den gegen ihn streitenden Anscheinsbeweis zu erschüttern,

  • wobei er sich auf allgemeine finanzielle Engpässe nicht mit Erfolg berufen kann,
  • weil der zuständige Träger der öffentlichen Jugendhilfe nach der gesetzgeberischen Entscheidung für eine ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen grundsätzlich uneingeschränkt – insbesondere: ohne „Kapazitätsvorbehalt“ – einstehen muss.

Soweit der Träger der Jugendhilfeträger einen zur Erschütterung des Anscheinsbeweises geeigneten Vortrag hält, muss er diesen im Bestreitensfalle beweisen.

  • Gelingt die Erschütterung des Anscheinsbeweises, so ist es Aufgabe des den Anspruch geltend machenden Elternteils – unter Berücksichtigung einer sekundären Darlegungslast des Jugendhilfeträgers in Bezug auf Vorgänge aus seiner Sphäre – zum Verschulden des Jugendhilfeträgers vorzutragen und diesen Vortrag gegebenenfalls nachzuweisen.

Darauf und dass bei Nichterfüllung des Anspruchs auf einen Betreuungsplatz einem für das Kind personensorgeberechtigten Elternteil

  • ein Schadensersatzanspruch aus Amtshaftung nach § 839 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. Art. 34 Grundgesetz (GG) zustehen kann,
  • der geschädigte Elternteil allerdings auch nach § 254 BGB gehalten ist, den Schaden möglichst gering zu halten,

hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in drei Urteilen vom 20.10.2016 – III ZR 302/15 –, – III ZR 303/15 – sowie III ZR 278/15 – hingewiesen.

Was nicht miteinander verheiratete Eltern über die elterliche Sorge wissen sollten

Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht die elterliche Sorge für das Kind nach § 1626a Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zunächst allein der Mutter zu.

Nach § 1626a Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB überträgt das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam,

  • wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht,
  • wobei nach § 1626a Abs. 2 S. 2 BGB vermutet wird, dass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht widerspricht, soweit der andere Elternteil keine entgegenstehenden Gründe vorträgt.

Nach dieser gesetzlichen Regelung darf auch eine erstmalige Einrichtung der gemeinsamen Sorge dem Kindeswohl nicht widersprechen, was

  • eine hinreichend tragfähige soziale Beziehung zwischen den Kindeseltern,
  • ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen sowie
  • ihre grundsätzliche Fähigkeit zum Konsens

erfordert bzw.,

  • dass es zumindest nach einer Phase der „Erprobung“ hierzu kommt.

Fehlt es allerdings

  • gänzlich an einer Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit und/oder
  • der entsprechenden Bereitschaft der Kindeseltern und
  • besteht auch mit professioneller Hilfe keine Aussicht auf Besserung,

ist die Alleinsorge der Kindsmutter bestehen zu lassen,

  • weil in diesem Fall davon auszugehen ist, dass bereits eine Phase des Erprobens der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Kindeswohl schadet.

Darauf hat laut Pressemitteilung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm vom 16.11.2016 der 3. Senats für Familiensachen des OLG Hamm mit Beschluss vom 24.05.2016 – 3 UF 139/15 – hingewiesen.

Was berufstätige Eltern, die für ihr Kind keinen Kitaplatz nachgewiesen erhalten, wissen sollten

Wird Kindern entgegen § 24 Abs. 2 Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ab Vollendung des ersten Lebensjahres vom zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe kein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt, können ihre Eltern,

  • wenn sie deshalb keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können und
  • den Bediensteten des zuständigen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe ein Verschulden trifft, wofür der Beweis des ersten Anscheins spricht,

nach § 839 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit Artikel 34 Satz 1 Grundgesetz (GG) ihren Verdienstausfallschaden ersetzt verlangen.

Das hat der unter anderem für Rechtsstreitigkeiten wegen Schadensersatzansprüchen aus Amtshaftung zuständige III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in drei Verfahren mit Urteilen jeweils vom 20.10.2016 – III ZR 278/15, 302/15 und 303/15 – entschieden.

In den drei den Verfahren zugrunde liegenden Fällen war von drei Müttern,

  • die nach Ablauf der einjährigen Elternzeit ihre Vollzeit-Berufstätigkeit wieder aufnehmen wollten und unter Hinweis darauf für ihre Kinder wenige Monate nach der Geburt bei der beklagten Stadt Bedarf für einen Kinderbetreuungsplatz für die Zeit ab der Vollendung des ersten Lebensjahres angemeldet,
  • aber zum gewünschten Termin keinen Betreuungsplatz nachgewiesen erhalten hatten,

für den Zeitraum zwischen der Vollendung des ersten Lebensjahres ihrer Kinder und der späteren Beschaffung eines Betreuungsplatzes Ersatz des ihnen entstandenen Verdienstausfalls verlangt worden.

Wie der Senat ausgeführt hat,

  • verletzt der Träger der öffentlichen Jugendhilfe seine Amtspflicht, wenn er einem gemäß § 24 Abs. 2 SGB VIII anspruchsberechtigten Kind trotz rechtzeitiger Anmeldung des Bedarfs keinen Betreuungsplatz zur Verfügung stellt,
  • ist die betreffende Amtspflicht nicht durch die vorhandene Kapazität begrenzt, sondern trifft den verantwortlichen öffentlichen Träger der Jugendhilfe der gehalten ist, eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen oder durch geeignete Dritte – freie Träger der Jugendhilfe oder Tagespflegepersonen – bereitzustellen, eine unbedingte Gewährleistungspflicht,
  • bezweckt diese Amtspflicht auch den Schutz der Interessen der personensorgeberechtigten Eltern und
  • fallen in den Schutzbereich der Amtspflicht auch Verdienstausfallschäden, die Eltern dadurch erleiden, dass ihre Kinder entgegen § 24 Abs. 2 SGB VIII keinen Betreuungsplatz erhalten.

Des weiteren hat der Senat auch darauf hingewiesen, dass sich der verantwortliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe zu seiner Entschuldigung,

  • da er nach der gesetzgeberischen Entscheidung für eine ausreichende Anzahl an Betreuungsplätzen grundsätzlich uneingeschränkt – insbesondere: ohne „Kapazitätsvorbehalt“ – einstehen muss,

nicht auf allgemeine finanzielle Engpässe berufen kann.

Nachdem in den drei Fällen noch Feststellungen zum Verschulden des beklagten Trägers der öffentlichen Jugendhilfe und zum Umfang des erstattungsfähigen Schadens zu treffen sind, sind die drei Verfahren zur Nachholung dieser Feststellungen vom Senat an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden.

Das hat die Pressestelle des BGH am 20.10.2016 – Nr. 185/2016 – mitgeteilt.

Was Mütter und von ihnen öffentlich der Vaterschaft bezichtigte Männer wissen sollten, wenn Streit über die Vaterschaft besteht

Behauptet eine Mutter

  • öffentlich, auch über sozialen Medien, von einem Mann, dass er der Vater ihres Kindes ist und
  • veröffentlicht sie im Internet Bilder des Mannes und Bilder ihres Kindes, die sie mit „Kind des (Name des Mannes)“ untertitelt,

kann der die Vaterschaft bestreitende Mann, dessen Vaterschaft nicht bewiesen ist,

  • wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts die Unterlassung sowie die Löschung und den Widerruf dieser Behauptungen verlangen.

Das hat das Amtsgerichts (AG) München mit Urteil vom 12.04.2016 – 161 C 31397/15 – entschieden.

Begründet hat das AG dies u.a. damit,

  • dass es sich bei der Vaterschaftsbehauptung um eine auf ihren Wahrheitsgehalt überprüfbare und die Privatsphäre betreffende Tatsachenbehauptung handle,
  • dass, wenn eine Mutter eine solche Behauptung aufstelle, sie die Beweislast für den Wahrheitsgehalt ihrer Behauptung trage, sie also nachweisen müsse, dass der von ihr als Vater Bezichtigte auch tatsächlich der Vater ihres Kindes ist und
  • wenn der Mutter dieser Nachweis nicht möglich sei, dem durch Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Grundgesetz (GG) geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Mannes Vorrang einzuräumen sei vor der nach Art. 5 GG geschützten Meinungsfreiheit der Mutter.

Weiter hat das AG darauf hingewiesen, dass die Veröffentlichung von Bildern einer Person, bei der es sich um keine Person der Zeitgeschichte handelt, nur mit Einwilligung der abgebildeten Person zulässig ist (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 30.09.2016 – 77/16 –).