Tag Krankheit

Wichtig zu wissen für privat Krankenversicherte: BGH entscheidet wann eine Krankheit vorliegt

…. und die private Krankenversicherung dem Versicherten die Heilbehandlungskosten erstatten muss, wenn es in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) heißt:

  • „Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen (…).“

Eine Krankheit im Sinne der AVB kann, so die Entscheidung des IV. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 29.03.2017 – IV ZR 533/15 –) auch dann vorliegen,

  • wenn der fragliche Gesundheitszustand eines Versicherten
  • in gleicher Weise bei 30-40 % der Menschen entsprechenden Alters auftritt.

Anzunehmen ist danach eine Krankheit, wenn bei einer Fehlsichtigkeit im Vergleich zum Normalzustand der Sehfähigkeit,

  • zu dem ein beschwerdefreies Lesen und eine gefahrenfreie Teilnahme am Straßenverkehr gehören,

bei einem Versicherungsnehmer

  • eine nicht nur ganz geringfügige Beeinträchtigung dieser körperlichen Normalfunktion vorliegt,
  • die ohne medizinisch indizierte Korrektur ein beschwerdefreies Sehen nicht ermöglicht.

Erfüllt die Fehlsichtigkeit eines Versicherten die Voraussetzungen einer bedingungsgemäßen Krankheit, so der Senat weiter (und von ihm in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall bejaht für Fehlsichtigkeit von -3 und -2,75 Dioptrien),

  • kann die medizinische Notwendigkeit einer Lasik-Operation an den Augen nicht allein wegen der Üblichkeit des Tragens einer Brille oder von Kontaktlinsen verneint werden,
  • sondern müssen dem Versicherten von dem Krankenversicherer die Kosten für die Femto-Lasik-Operation an den Augen erstattet werden.

BGH entscheidet wann private Krankenversicherungen die Kosten einer Lasik-Operation an den Augen erstatten müssen

Mit Urteil vom 29.03.2017 – IV ZR 533/15 – hat der u.a. für das Versicherungsvertragsrecht zuständige IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass

  • eine Fehlsichtigkeit auf beiden Augen von -3 bzw. -2,75 Dioptrien
  • eine Krankheit im Sinne von § 1 Abs. 2 der Musterbedingungen für die Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung darstellt und

der private Krankenversicherer deshalb bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen auch die Kosten einer Lasik-Operation zur Beseitigung dieser Fehlsichtigkeit tragen muss.

Da es in § 1 Abs. 2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen heißt

  • „Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen (…)“

und nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers

  • zum Normalzustand der Sehfähigkeit ein beschwerdefreies Lesen und eine gefahrenfreie Teilnahme am Straßenverkehr gehören,

ist, so der Senat, eine Krankheit im Sinne der Versicherungsbedingungen dann anzunehmen, wenn

  • bei einem Versicherungsnehmer eine nicht nur ganz geringfügige Beeinträchtigung dieser körperlichen Normalfunktion vorliegt,
  • die ohne medizinisch indizierte Korrektur ein beschwerdefreies Sehen nicht ermöglicht.

Auch könne, so der Senat weiter, die medizinische Notwendigkeit einer Lasik-Operation nicht allein wegen der Üblichkeit des Tragens einer Brille oder von Kontaktlinsen verneint werden,

  • wenn der Versicherungsnehmer in den vereinbarten Versicherungsbedingungen nicht deutlich darauf hingewiesen wird,
  • dass die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung grundsätzlich davon abhängen soll,
    • ob er (dauerhaft) auf ein Hilfsmittel, wie Brille oder Kontaktlinsen zurückgreifen kann,
    • das den bei ihm bestehenden anormalen Körperzustand auszugleichen oder abzuschwächen geeignet ist, ohne am eigentlichen Leiden etwas zu ändern (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 30.03.2017 – Nr. 45/2017 –).

Was Arbeitnehmerinnen, die sich zu einer künstlichen Befruchtung entschließen, wissen sollten

Wünscht sich eine Arbeitnehmerin ein Kind und entscheidet sie sich wegen der eingeschränkten Zeugungsfähigkeit ihres Partners zur Herbeiführung einer Schwangerschaft für eine künstliche Befruchtung, hat sie

  • wenn es durch Inseminationen zu Fehlzeiten bei der Arbeit kommt,

in der Regel keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG).

Darauf hat der Fünfte Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Urteil vom 26.10.2016 – 5 AZR 167/16 – hingewiesen.

Begründet hat der Senat dies damit, dass ein Arbeitnehmer nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall durch den Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von sechs Wochen hat, wenn er durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, ohne dass ihn ein Verschulden trifft,

  • bei einer Frau aber ein allein durch die Zeugungsunfähigkeit des Partners bedingter unerfüllter Kinderwunsch, ohne dass dadurch bei ihr körperliche oder seelische Beeinträchtigungen mit Krankheitswert hervorgerufen werden, entgeltfortzahlungsrechtlich nicht als Krankheit anzusehen ist,
  • ebensowenig die mit einer künstlichen Befruchtung vorgenommenen Eingriffe und Maßnahmen eine Heilbehandlung darstellen, wenn vor Beginn der künstlichen Befruchtung eine Erkrankung nicht vorgelegen hat und
  • wenn erst durch eine künstliche Befruchtung willentlich und vorhersehbar eine Arbeitsunfähigkeit bedingte Erkrankung herbeigeführt worden ist, ein Entgeltfortzahlungsanspruch auch wegen Verschuldens i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG ausgeschlossen ist.

Ein Entgeltfortzahlungsanspruch kann demzufolge lediglich dann bestehen, wenn eine künstliche Befruchtung nach allgemein anerkannten medizinischen Standards vom Arzt oder auf ärztliche Anordnung vorgenommen und anschließend eine Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit aufgetreten ist, mit deren Eintritt nicht gerechnet werden musste.

Übrigens:
Als Beginn der Schwangerschaft ist bei einer In-vitro-Fertilisation,

  • bei der entnommene Eizellen mit präparierten Spermien befruchtet und
  • anschließend in den Uterus der Frau transferiert werden mit dem Ziel der Einnistung,

die Einsetzung der befruchteten Eizelle in die Gebärmutter anzusehen,

  • der Zeitpunkt der Verbindung einer befruchteten Eizelle mit dem Organismus der Frau durch den Embryonentransfer.

Da damit ein Zustand erreicht ist, der demjenigen einer durch natürliche Befruchtung herbeigeführten Schwangerschaft entspricht,

  • findet ab dem Embryonentransfer das Mutterschaftsgesetz (MuSchG) Anwendung und
  • kann somit für Zeiträume danach ein Anspruch auf Mutterschutzlohn nach § 11 MuSchG, unter den weiteren in dieser Vorschrift genannten Voraussetzungen, in Betracht kommen.

Was, wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen hat oder abschließen will, wissen sollte

Wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen hat, nach der bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit

  • vorliegt, wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, voraussichtlich auf Dauer (mindestens sechs Monate) außer Stande ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, auszuüben

oder

  • dann vermutet wird, wenn die versicherte Person sechs Monate ununterbrochen infolge Krankheit, Körperverletzung oder mehr als altersentsprechenden Kräfteverfalls, die ärztlich nachzuweisen sind, vollständig oder teilweise außer Stande gewesen ist, ihren zuletzt ausgeübten Beruf, so wie er ohne gesundheitliche Beeinträchtigung ausgestaltet war, auszuüben und in dieser Zeit auch keine andere Tätigkeit ausgeübt hat, die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht

und wegen geltend gemachter Berufsunfähigkeit Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung begehrt, muss im Streitfall nachweisen, dass er bedingungsgemäß berufsunfähig ist.

In Fällen, in denen ein Versicherungsnehmer

  • an Schmerzen leidet,
  • deren Ursache sich nicht klären lässt,

kann zwar eine Krankheit im Sinne der Berufsunfähigkeitsversicherung in Betracht kommen.

In prozessualer Hinsicht stellt sich in einem solchen Fall für den Versicherungsnehmer

  • jedoch das Problem der Beweisbarkeit,
  • da es sich bei Schmerzen und deren Ausmaß um subjektive Empfindungen handelt (Oberlandesgericht (OLG) Koblenz, Urteil vom 11.01.2002 – 10 U 786/01 –; Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth, Urteil vom 12.12.2005 – 2 O 1626/05 –).

Zusätzlich ist dabei zu berücksichtigen, dass,

  • wenn die versicherte Person nicht sechs Monate ununterbrochen außerstande war, ihren bisherigen Beruf auszuüben, also keine vermutete Berufsunfähigkeit in Betracht kommt,

die Feststellung bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit

Den Nachweis, dass

  • subjektiv empfundene Schmerzen
  • objektiv die Annahme der Berufsunfähigkeit rechtfertigen,

kann der Versicherungsnehmer im Wesentlichen auf zwei Wegen führen, nämlich

  • entweder durch den Nachweis körperlicher Ursachen
  • oder durch den Nachweis psychischer bzw. psychosomatischer Bedingtheit, die ihrerseits Krankheitswert aufweisen kann, wie insbesondere eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung.

Der Nachweis körperlicher Ursachen setzt voraus, dass

  • der Versicherungsnehmer unter Schmerzen leidet bzw. litt und
  • was entscheidend ist, sich zur Überzeugung des Gerichts objektiv feststellen lässt, dass diese Schmerzen – insbesondere nach ihrem Ausmaß – die Annahme der Berufsunfähigkeit rechtfertigen, wozu nicht nur erforderlich ist,
    • dass die Beeinträchtigungen des Versicherungsnehmers über „normale“, mit der von ihm verrichteten körperlichen Arbeit typischerweise verbundene Belastungsschmerzen hinausgingen,
    • sondern auch, dass die Schmerzen nach ihrem Ausmaß einer Berufsausübung entgegenstehen und
      • entweder prognostisch eine dauerhafte Berufsunfähigkeit zu erwarten ist oder
      • dieser Zustand zumindest für einen Zeitraum von sechs Monaten ununterbrochen andauerte.

Darauf hat der 12. Senat des OLG Karlsruhe mit Urteil vom 06.09.2016 – 12 U 79/16 – hingewiesen.

Wann kann ein langfristiger Fitness-Studiovertrag vom Kunden vorzeitig gekündigt werden?

Der u.a. für das gewerbliche Mietrecht zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 04.05.2016 – XII ZR 62/15 – darauf hingewiesen,

  • dass ein langfristiger Fitnessstudio-Vertrag zwar von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund, d.h., wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann, ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann,
  • dass jedoch ein berufsbedingter Wohnortwechsel eines Kunden grundsätzlich keinen solchen zu einer außerordentlichen Kündigung berechtigenden Grund i.S.v. §§ 314 Abs. 1, 543 Abs. 1, 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) für eine außerordentliche Kündigung eines Fitness-Studiovertrags darstellt, weil
    • die Gründe für einen Wohnsitzwechsel – sei er auch berufs- oder familienbedingt – in aller Regel allein in der Sphäre des Kunden liegen sowie von ihm beeinflussbar sind und
    • das Risiko, die vereinbarte Leistung des Vertragspartners aufgrund einer Veränderung seiner persönlichen Verhältnisse nicht mehr nutzen zu können, grundsätzlich der Kunde trägt.

Etwas anderes gilt danach nur dann, wenn dem Kunden aus Gründen, die er nicht beeinflussen kann, eine weitere Nutzung der Leistungen des anderen Vertragspartners nicht mehr zumutbar ist, wie das beispielsweise bei einer die Nutzung ausschließenden Erkrankung der Fall sein kann oder einer Schwangerschaft, wenn diese die weitere Nutzung der Leistungen des Studiobetreibers bis zum Ende der vereinbarten Vertragslaufzeit unzumutbar macht.

Auf die Kündigung eines Fitnessstudio-Vertrags die Vorschrift des § 46 Abs. 8 Satz 3 Telekommunikationsgesetz (TKG) entsprechend anzuwenden, die dem Nutzer einer Telekommunikations-Leistung (etwa DSL) ein Sonderkündigungsrecht unter Einhaltung einer Kündigungsfrist von drei Monaten einräumt, hat der Senat abgelehnt.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 04.05.2016 – Nr. 79/2016 – mitgeteilt.