Tag Kündigung

Was, wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen hat, wissen sollte

Ein Berufsunfähigkeitsversicherungsvertrag darf vom Versicherer fristlos gekündigt werden, wenn

  • durch das Verhalten des Versicherungsnehmers das Vertrauen des Versicherers in die Redlichkeit des Versicherungsnehmers derart erschüttert ist,
  • dass eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessenlagen nicht mehr zumutbar ist.

Darauf hat der 5. Senat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg mit Beschluss vom 28.11.2016 – 5 U 78/16 – in einem Fall hingewiesen,

  • in dem ein Arbeitnehmer aus der von ihm abgeschlossenen Berufsunfähigkeitsversicherung zunächst Zahlungen wegen Berufsunfähigkeit erhalten hatte,
  • der Versicherungsvertrag vom Versicherer nachfolgend aber deshalb gekündigt worden war, weil
    • bei einer Überprüfung seines Gesundheitszustandes der im Rollstuhl sitzend angetroffene Versicherungsnehmer vorgegeben hatte, Schmerzen zu haben,
    • während er, wie Recherchen ergeben hatten, nicht nur auf aktuellen im Internet veröffentlichten Bildern als erfolgreicher Marathonläufer posierte, sondern Interessenten auch seine Dienstleistungen als Küchenbauer anbot.

Nach Auffassung des Senats ist bei einem solchen Verhalten eines Versicherungsnehmers das Vertrauensverhältnis in dessen Redlichkeit in so hohem Maße zerstört, dass der Versicherer berechtigt ist

  • den Versicherungsvertrag wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses ohne weiteres Zuwarten – auch für die Zukunft – fristlos zu kündigen und
  • zwar ohne vorherige Abmahnung, da ansonsten jeder Versicherungsnehmer die Möglichkeit hätte, einmal sanktionslos zu versuchen, die Versicherung hinters Licht zu führen (Quelle: Presseinformation des OLG Oldenburg).

Vermieter und Mieter sollten wissen, dass eine Strafanzeige des Mieters gegen den Vermieter nicht immer eine Kündigung rechtfertigt

Eine von einem Wohnungsmieter gegen ihn erstatteten Strafanzeige berechtigt den Vermieter nämlich dann nicht zur Kündigung des Mietverhältnisses, wenn

  • Anlass für die Anzeige wahre oder aus des Sicht des Mieters möglicherweise wahre Tatsachen waren und
  • der Mieter zur Wahrung eigener Interessen gehandelt hat.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 24.02.2016 – 424 C 21138/15 – hingewiesen und in einem Fall, in dem ein Mieter,

  • weil ihm gehörende im Kellergang gelagerte Gegenstände, die er auf Aufforderung binnen der ihm vom Vermieter, unter Androhung der Entsorgung ansonsten, gesetzten Frist noch nicht vollständig beseitigt hatte, während seiner Abwesenheit entfernt sowie vom Vermieter, trotz Aufforderung nicht zurückgegeben worden waren,

gegen den Vermieter Strafanzeige erstattet und der Vermieter daraufhin mit der Begründung, dass wegen der damit verbundenen Beschuldigung die Fortführung des Mietverhältnisses nicht zumutbar sei, dem Mieter gekündigt hatte,

  • die vom Vermieter nachfolgend erhobene Räumungsklage abgewiesen.

Begründet hat das AG die Klageabweisungsentscheidung damit, dass,

  • nachdem der Mieter aufgrund erfolgter sorgfältiger Prüfung, ob ein Anlass zur Anzeige bestehe, davon habe ausgehen dürfen, dass seine Gegenstände durch oder auf Veranlassung des Vermieters entfernt worden sind und
  • die Strafanzeige insoweit in Wahrnehmung berechtigter Interessen erfolgt sei,

ein Grund zur fristlosen Kündigung nicht bestanden habe (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 16.12.2016 – 98/16 –).

Was Wohnungsmieter wissen sollten, wenn Vermieterin eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist

Eine Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR), die ein Mietshaus erworben hat und damit Vermieterin der in dem Anwesen gelegenen Wohnungen geworden ist, kann,

  • sofern dem nicht § 577a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) entgegensteht,
  • ein Wohnraummietverhältnis mit einem Mieter wegen Eigenbedarfs eines Gesellschafters bzw. eines Familienangehörigen eines Gesellschafters nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB kündigen, weil

dieser – seinem Wortlaut nach auf natürliche Personen zugeschnittene – Kündigungstatbestand in den Fällen entsprechend anzuwenden ist, in denen Vermieterin eine teilrechtsfähige (Außen-)Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist.

Allerdings hat, um die Folgen einer auf Eigenbedarf gestützten Kündigung für den Mieter so gering wie möglich zu halten, der Vermieter dem betroffenen Mieter eine andere, ihm während der Kündigungsfrist zur Verfügung stehende Wohnung zur Anmietung anzubieten, sofern diese sich im selben Haus oder derselben Wohnanlage befindet.

  • Wird eine solche bestehende Anbietpflicht vom Vermieter verletzt, hat dies aber nicht die Unwirksamkeit der Eigenbedarfskündigung zur Folge.
  • Vielmehr macht sich der Vermieter durch eine solche Verletzung der mietvertraglichen Rücksichtnahmepflichten (§ 241 Abs. 2 BGB) lediglich schadensersatzpflichtig, so dass dem Mieter allenfalls Ersatzansprüche in Geld für hierdurch entstandene Schäden (etwa Umzugs- und Maklerkosten) zustehen.

Das hat der unter anderem für das Wohnraummietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 14.12.2016 – VIII ZR 232/15 – entschieden (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 14.12.2016 – Nr. 225/2016 –).

Was, wer einen Vertrag über eine Therapie zur Gewichtsabnahme abgeschlossen hat, wissen sollte

Ein Vertrag über die Durchführung einer Therapie zur Gewichtsabnahme,

  • die neben einer Ernährungsumstellung mit Hilfe einer Beratung vorsieht, dass von montags bis freitags täglich eine Spritze mit einem apothekenpflichtigen, nach ärztlichen Vorgaben hergestellten homöopathischen Mittel zur Ankurbelung der Fettverbrennung, zur Optimierung der Nahrungsverwertung und zur Unterstützung der Hautstraffung subkutan verabreicht wird und
  • die verspricht, in ihrer ernährungs-medizinischen Konzeption nachweisbar und grundsätzlich dem ärztlich geforderten Standard zu entsprechen,

kann von Therapieteilnehmern jederzeit auch ohne Grund nach § 627 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) wieder gekündigt werden, weil

  • eine solche Therapie nicht nur besonders qualifizierte Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert, sondern ebenso den unmittelbaren persönlichen Lebensbereich des Therapieteilnehmers betrifft, somit also auch deshalb als Dienst höherer Art zu qualifizieren ist und
  • angebotene qualifizierte Dienste, wie das Verabreichenlassen eines nach ärztlichen Vorgaben hergestellten homöopathischen Mittels auch nur aufgrund besonderen Vertrauens übertragen zu werden pflegen.

Das hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 10.11.2016 – III ZR 193/16 – entschieden.

AG Nürnberg entscheidet: Fortgesetztes Taubenfüttern von Mietwohnung aus kann fristlose Kündigung rechtfertigen

Unterlässt ein Wohnungsmieter,

  • trotz entsprechender Aufforderungen dazu und erfolgloser Abmahnungen durch den Vermieter,

nicht das Füttern von Tauben vom Fenster seiner Mietwohnung aus,

  • kann dies ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung des Mietverhältnisses sein.

Das hat das Amtsgericht (AG) Nürnberg mit Urteil vom 08.04.2016 – 14 C 7772/15 – entschieden und in einem Fall,

  • in dem ein Wohnungsmieter mehrfach täglich aus seinem Fenster Tauben gefüttert, dabei jeweils um die 30 Tauben angelockt und das Füttern der Tauben auch weiter fortgesetzt hatte,
  • nachdem sich Nachbarn deswegen beim Vermieter des Mieters beschwert hatten, der Mieter vom Vermieter erfolglos zum Einstellen des Taubenfütterns aufgefordert und wegen Missachtung der Aufforderungen abgemahnt worden war,

die aus diesem Grund vom Vermieter ausgesprochene fristlose Kündigung des Mietverhältnisses für gerechtfertigt erklärt.

Dass der Vermieter das Mietverhältnis außerordentlich kündigen durfte hat das AG damit begründet, dass der Mieter durch sein Verhalten den Hausfrieden in dem Wohnanwesen nachhaltig gestört habe (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 08.12.2016 – 14/16 –).

Was Frachtführer und deren Auftraggeber (Absender) wissen sollten

Wird ein abgeschlossener Frachtvertrag (§ 407 Handelsgesetzbuch (BGH)),

  • beispielsweise ein Vertrag über die Beförderung von Umzugsgut,

vom Absender aus Gründen gekündigt, die nicht dem Risikobereich des Frachtführers zuzurechnen sind,

  • beispielweise deshalb, weil der Umzug nicht stattfinden kann,

kann der Frachtführer

  • entweder nach § 415 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB die vereinbarte Fracht, das etwaige Standgeld sowie zu ersetzende Aufwendungen unter Anrechnung dessen verlangen, was er infolge der Aufhebung des Vertrages an Aufwendungen erspart oder anderweitig erwirbt oder zu erwerben böswillig unterlässt,
  • oder nach § 415 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB ein Drittel der vereinbarten Fracht (Fautfracht).

Diese beiden in § 415 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 HGB geregelten, wahlweise gegebenen Ansprüche stellen bloße Modifikationen des Entschädigungsanspruchs dar, so dass ein Frachtführer,

  • der im Rechtsstreit zunächst den Anspruch auf die vereinbarte Fracht abzüglich seiner ersparten Aufwendungen gemäß § 415 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HGB geltend gemacht hat,
  • nachfolgend stattdessen noch die Fautfracht gemäß § 415 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 HGB beanspruchen kann,

ohne dass es sich hierbei um eine Klageänderung handelt.

Das Wahlrecht für den Frachtführer gemäß § 415 Abs. 2 Satz 1 HGB besteht so lange, bis der geltend gemachte Anspruch erfüllt ist.

Das hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 28.07.2016 – I ZR 252/15 – entschieden.

Was Mieter und Vermieter wissen sollten, wenn strittig ist ob die Eigenbedarfskündigung vorgetäuscht war

Benötigt ein Vermieter von ihm vermietete Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts ist er nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) berechtigt das Mietverhältnis zu kündigen.
Allerdings reicht für eine solche Kündigung wegen Eigenbedarfs eine sogenannte Vorratskündigung,

  • der ein gegenwärtig noch nicht absehbarer Nutzungswunsch der Eigenbedarfsperson zugrunde liegt,

nicht aus.
Vielmehr muss sich (zum Zeitpunkt der Kündigung) der Nutzungswunsch so weit „verdichtet“ haben, dass ein konkretes Interesse an einer alsbaldigen Eigennutzung besteht.

Setzt ein Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht in die Tat um so liegt der Verdacht nahe, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben gewesen ist.
Nimmt in einem solchen Fall der gekündigte Mieter den Vermieter auf Schadensersatz wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs in Anspruch, muss,

  • weil der Mieter in die für den Eigenbedarf geltend gemachten Tatsachen regelmäßig keinen Einblick hat und
  • ohne nähere Darlegung seitens des Vermieters nicht beurteilen kann, ob dessen Kündigung wegen Eigenbedarfs, die den Mieter zum Auszug veranlasst hat, berechtigt war,

der Vermieter

  • substantiiert und plausibel („stimmig“) darlegen,
  • aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf (der zum Zeitpunkt der Kündigung und bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich bestehen muss) nachträglich entfallen sein soll.

Hierbei sind strenge Anforderungen zu stellen.

  • Erst wenn der Vortrag des Vermieters diesem Maßstab genügt, obliegt dem Mieter der Beweis, dass ein Selbstnutzungswille des Vermieters schon vorher nicht bestand.

Darauf hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 11.10.2016 – VIII ZR 300/15 – hingewiesen.

OLG Karlsruhe entscheidet: Kein Kündigungsrecht der Bausparkasse 10 Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife

Der für Bankrecht zuständige 17. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe hat mit Urteil vom 08.11.2016 – 17 U 185/15 – entschieden, dass Bausparkassen einen festverzinslichen Bausparvertrag, wenn

  • die Bausparsumme noch nicht vollständig angespart und
  • das Bauspardarlehen vom Bausparer 10 Jahre nach Zuteilungsreife noch nicht abgerufen worden ist,

nicht nach § 489 Abs. 1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kündigen können und zwar auch nicht in entsprechender Anwendung dieser gesetzlichen Vorschrift.

Begründet hat der Senat dies damit,

  • dass die Bausparkasse das Darlehen vollständig erst empfangen habe, wenn die Bausparsumme erreicht sei und nicht bereits wenn der Bausparvertrag zuteilungsreif sei, so dass die Voraussetzungen des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht vorliegen und
  • eine entsprechende Anwendung von § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB im Hinblick auf die Besonderheiten des Bauspargeschäftes abzulehnen sei, weil die Bausparkasse nicht schutzlos sei, nachdem sie ihren Anspruch auf vollständige Besparung des Vertrages bis zum Erreichen der Bausparsumme durchsetzen und wenn der Bausparer dieser Verpflichtung nicht nachkomme, den Bausparvertrag nach den vertraglichen Vereinbarungen kündigen könne (Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe vom 08.11.2016).

Der gleichen Ansicht wie das OLG Karlsruhe sind das OLG Bamberg (Urteil vom 10.08.2016 – 8 U 24/16 –) sowie das OLG Stuttgart (Urteil vom 30.03.2016 – 9 U 171/15 –).
Anderer Ansicht sind das OLG Köln (Urteil vom 15.02.2016 – 13 U 151/15 –), das OLG Celle (Beschlüsse vom 15.02.2016 – 3 U 163/15 – und vom 17.02.2016 – 3 U 208/15 –) sowie das OLG Hamm (Beschluss vom 30.12.2015 – 31 U 191/15 –).

Wie der Bundesgerichtshof (BGH) die strittige Rechtsfrage entscheiden wird bleibt abzuwarten.

Wann liegt (noch) keine, eine Kündigung rechtfertigende, Gebrauchsüberlassung der Mietwohnung an einen Verwandten des Mieters vor?

Bewohnt ein Wohnungsmieter seine Mietwohnung drei Monate im Jahr selbst und überlässt er den Rest der Zeit die Wohnung zur alleinigen Nutzung einer erwachsenen nahen Verwandten, beispielsweise seiner Tochter,

  • liegt keine unbefugte Gebrauchsüberlassung der Wohnung vor,
  • die den Vermieter nach erfolgloser Abmahnung zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt.

Das hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 02.03.2016 – 424 C 10003/15 – in einem Fall entschieden, in dem eine Mietwohnung,

  • die der Mieter vor Jahren angemietet hatte und in die er mit seiner Frau und seiner damals noch minderjährigen Tochter eingezogen war,

zwischenzeitlich neun Monate im Jahr allein von der nunmehr erwachsenen Tochter des Mieters allein bewohnt wird,

  • da sich der Mieter mit seiner Ehefrau in der Regel nur noch drei Monate im Winter in der Wohnung aufhält und er den Rest des Jahres mit seiner Ehefrau in der Türkei verbringt.

Dass in einem solchen Fall der Vermieter kein Recht zur Kündigung des Mietverhältnisses hat, hat das AG damit begründet, dass

  • zwar ein Wohnungsmieter die von ihm angemietete Wohnung auch einem zu seinem privilegierten Personenkreis gehörenden Verwandten nicht zur alleinigen Benutzung überlassen, sondern ihn nur mit in die Wohnung aufnehmen darf solange er die Wohnung auch selbst noch in eigener Person nutzt,
  • eine unberechtigte alleinige Gebrauchsüberlassung an einen nahen Angehörigen aber erst dann vorliegt, wenn der Mieter die Wohnung nur noch sporadisch nutzt, in der Wohnung lediglich nur noch einzelne Gegenstände zurücklässt oder er den Gewahrsam über die Wohnung vollständig aufgibt und den ihn treffenden Obhutspflichten nicht mehr nachkommt, was alles bei einer (Noch)Nutzung der Wohnung durch den Mieter über einen Zeitraum von einem Vierteljahr jedenfalls nicht der Fall ist (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 04.11.2016 – 86/16 –).

OLG Bamberg entscheidet Streit über die Wirksamkeit der Kündigung von Bausparverträgen nach Eintritt der Zuteilungsreife zugunsten der Bausparer

In einem Rechtsstreit zwischen einem Bausparer und der Bausparkasse über den Fortbestand von noch nicht vollständig, d. h. bis zur Bausparsumme angesparten Bausparverträgen und die Wirksamkeit der Kündigungen der Bausparkasse, die diese mehr als zehn Jahre nach Eintritt der Zuteilungsreife, gestützt auf § 489 Abs. 1 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), erklärt hat, hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Bamberg mit Urteil vom 10.08.2016 – 8 U 24/16 –,

  • unter Abänderung des Urteil des Landgerichts (LG) Würzburg vom 04.02.2016 – 63 O 1317/15 –, das die Klage des Bausparers abgewiesen und die Kündigung der Bausparverträge für wirksam erachtet hatte,

entschieden,

  • dass die Kündigungen der Bausparverträge unwirksam waren und
  • die Bausparverträge fortbestehen.

Dass § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB eine ordentliche Kündigung von Bausparverträgen durch die Bausparkasse nicht zu rechtfertigen vermag hat der Senat damit begründet,

  • dass bei einem Bausparvertrag der Eintritt der Zuteilungsreife keinen vollständigen Empfang des Darlehens im Sinne des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB darstellt und
  • eine analoge Anwendung dieser Vorschrift auf den erstmaligen Eintritt der Zuteilungsreife bei Bausparverträgen deswegen nicht in Betracht kommt, weil es die für Bausparverträge charakteristische Interessen- und Pflichtanlage der Vertragsparteien nicht rechtfertigt, den vollständigen Empfang der Darlehensvaluta im Sinne des § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dem erstmaligen Eintritt der Zuteilungsreife gleichzustellen.

Der gleichen Ansicht wie das OLG Bamberg ist auch das OLG Stuttgart (Urteil vom 30.03.2016 – 9 U 171/15 –).
Anderer Ansicht sind das OLG Köln (Urteil vom 15.02.2016 – 13 U 151/15 –), das OLG Celle (Beschlüsse vom 15.02.2016 – 3 U 163/15 – und vom 17.02.2016 – 3 U 208/15 –) sowie das OLG Hamm (Beschluss vom 30.12.2015 – 31 U 191/15 –).

Wie der Bundesgerichtshof (BGH) die strittige Rechtsfrage entscheiden wird bleibt abzuwarten.