Tag Kündigungsfrist

Darf ein Arbeitgeber auf die Eigenkündigung eines Arbeitnehmers mit längerer Kündigungsfrist mit

…. einer Gegenkündigung mit der kürzest möglichen Frist reagieren?

Grundsätzlich darf der Arbeitgeber das nicht hat das Arbeitsgericht (ArbG) Siegburg mit Urteil vom 17.07.2019 – 3 Ca 500/19 – entschieden.

Danach kann der in einer Eigenkündigung eines Arbeitnehmers zum Ausdruck kommende Abkehrwille nur ausnahmsweise,

  • bei Hinzutreten weiterer Gründe,
  • wie beispielsweise des Umstandes, dass
    • Schwierigkeiten mit der Nachbesetzung der Stelle zu erwarten sein werden und
    • der Arbeitgeber eine sonst schwer zu findende Ersatzkraft gerade an der Hand hat,

eine betriebsbedingte ordentliche Kündigung seitens des Arbeitgebers rechtfertigen (Quelle: Pressemitteilung des ArbG Siegburg).

Eltern sollten wissen, dass in Krippenverträgen vorformulierte Kündigungsfristen von mehr als drei Monaten unwirksam sein können

…. und dann die wesentlich kürzeren gesetzlichen Kündigungsfristen nach § 621 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gelten.

Mit Urteil vom 24.10.2018 – 242 C 12495/18 – hat das Amtsgericht (AG) München in einem Fall, in dem Eltern einen Betreuungsvertrag für ihren Sohn unterschrieben hatten,

  • der eine Betreuung des Kindes gegen monatliche Betreuungskosten i.H.v. 995 Euro vorsah und

in dem u.a. vorformuliert war, dass

  • eine Kündigung vor dem vereinbarten Vertragsbeginn ausgeschlossen ist, danach

der Vertrag von den Eltern und dem Krippenbetreiber

  • zunächst mit einer Frist von sechs Monaten zum Monatsersten sowie
  • später ab einem bestimmten im Vertrag festgelegten Zeitpunkt mit einer Frist von (dann nur noch) drei Monaten zum Monatsersten gekündigt werden kann,

entschieden,

  • dass die vertraglich vorgesehene sechsmonatige Kündigungsfrist, auch unter Berücksichtigung der Planungsbedürfnisse des Krippenbetreibers, unangemessen lang und
  • deswegen unwirksam ist,

mit der Folge,

  • dass die unwirksame Sechsmonatsfrist nicht durch die bzw. eine Dreimonatsfrist, die gerade noch angemessen wäre, ersetzt wird, sondern

dass die allgemeinen gesetzlichen Regelungen für die Kündigung von Dienstverträgen gelten, nach denen,

  • wenn, wie im obigen Fall die Vergütung nach Monaten bemessen ist,
  • gemäß § 621 Nr. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der Betreuungsvertrag von den Eltern spätestens am fünfzehnten eines Monats für den Schluss des Kalendermonats gekündigt werden kann (Quelle: Pressemitteilung des AG München vom 02.11.2018).

Was Bewohner von Pflegeheimen (und ihre Betreuer) über die Heimkostenzahlungspflichten wissen sollten, wenn sie

…. den Wohn- und Betreuungsvertrag kündigen und der endgültige Auszug aus dem Heim bereits vor Ablauf der Kündigungsfrist erfolgt.

Mit Urteil vom 04.10.2018 – III ZR 292/17 – hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass, wenn

  • Leistungen der sozialen Pflegeversicherung beziehende

Bewohner eines Pflegeheims den

  • mit einem Heimbetreiber geschlossenen

Wohn- und Betreuungsvertrag kündigen und vor Ablauf der Kündigungsfrist endgültig ausziehen,

  • sowohl die Zahlungspflicht des Kostenträgers,
  • als auch die zivilrechtliche Vergütungspflicht dieser Heimbewohner

mit dem Tag des Auszugs aus dem Pflegeheim endet,

  • danach der Pflegeheimbetreiber also keinen Entgeltanspruch mehr hat und
  • er ggf. zuviel vereinnahmte Heimkosten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zurückzuerstatten hat.

Begründet hat der Senat dies damit, dass

  • nach § 87a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) der Zahlungsanspruch des Heimträgers nur für die Tage besteht, in denen sich der Pflegebedürftige tatsächlich im Heim aufhält (Berechnungstage),
  • in Anwendung des Prinzips der Berechnung auf Tagesbasis § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI anordnet, dass die Zahlungspflicht der Heimbewohner oder ihrer Kostenträger mit dem Tag endet, an dem der Heimbewohner aus dem Heim entlassen wird oder verstirbt,
  • dies sowohl für die Zahlungspflicht des Kostenträgers, als auch für die zivilrechtliche Vergütungspflicht des Heimbewohners gilt und
  • ein „Entlassen“ auch dann vorliegt, wenn der Heimbewohner – nach einer Kündigung des Heimvertragsverhältnisses – vor Ablauf der Kündigungsfrist des § 11 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Regelung von Verträgen über Wohnraum mit Pflege- oder Betreuungsleistungen (WBVG) endgültig auszieht (Quelle: Pressemitteilung des BGH vom 04.10.2018).

Was, wer eine Unfallversicherung besitzt, über die Kündigungsmöglichkeit des Versicherungsvertrages nach erbrachter Leistung wissen sollte

Mit Urteil vom 18.10.2017 – IV ZR 188/16 – hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) darauf hingewiesen, dass, wenn es in den dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen

  • unter „Kündigung nach Versicherungsfall“

heißt,

  • dass der Versicherungsnehmer und der Versicherer den Versicherungsvertrag durch Kündigung beenden können, wenn der Versicherer eine Leistung erbracht hat … und die Kündigung spätestens einen Monat nach Leistung zugegangen sein muss,

diese Regelung dahin auszulegen ist,

  • dass das Kündigungsrecht mit der ersten Leistung beginnt.

Das bedeutet, nimmt ein Versicherungsnehmer nach einem erlittenen Unfall seine Unfallversicherung beispielsweise auf Zahlung von

  • Krankenhaustagegeld sowie
  • Invaliditätsentschädigung

in Anspruch und zahlt diese aufgrund des Unfalls

  • gemäß Schreiben vom 09.07.2015 Krankenhaustagegeld,
  • vom 19.05.2016 einen Invaliditätsvorschuss sowie
  • gemäß Abfindungserklärung vom 21.07.2016 einen Endbetrag,

beginnt die einmonatige Kündigungsfrist

  • mit der Zahlung des Krankenhaustagegeldes durch den Versicherer gemäß Schreiben vom 09.07.2015.

Eine Vertragskündigung, die nicht spätestens einen Monat nach der ersten Leistung,

  • im Beispielsfall also nicht spätestens einen Monat nach der Zahlung des Krankenhaustagegeldes durch den Versicherer gemäß Schreiben vom 09.07.2015

zugegangen ist, ist wegen Nichteinhaltung der Kündigungsfrist unwirksam,

  • mit der Folge, dass der Unfallversicherungsvertrag zwischen den Parteien fortbesteht.

BAG entscheidet: Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist kann wegen unangemessener Benachteiligung des Arbeitnehmers unwirksam sein

Mit Urteil vom 26.10.2017 – 6 AZR 158/16 – hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) darauf hingewiesen, dass, wenn die gesetzliche Kündigungsfrist für einen Arbeitnehmer in vom Arbeitgeber vorformulierten Vertragsbedingungen erheblich verlängert wird, darin

  • auch dann, wenn die Kündigungsfrist für den Arbeitgeber in gleicher Weise verlängert wird,

eine unangemessene Benachteiligung entgegen den Geboten von Treu und Glauben im Sinn von § 307 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) liegen kann,

  • mit der Folge, dass die gesetzliche Kündigungsfrist gilt.

Denn eine vom Arbeitgeber vorformulierte Kündigungsfrist,

  • die wesentlich länger ist als die gesetzliche Regelfrist des § 622 Abs. 1 BGB

kann,

  • auch wenn die Grenzen des § 622 Abs. 6 BGB und des § 15 Abs. 4 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz – TzBfG) eingehalten werden,

eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers darstellen.

Ob – trotz der beiderseitigen Verlängerung der Kündigungsfrist – eine unangemessene Beschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers vorliegt oder der Nachteil für den Arbeitnehmer durch eine entsprechende Vertragsgestaltung aufgewogen wird, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles ab (Quelle: Pressemitteilung des BAG vom 26.10.2017 – Nr. 48/17 –).

Was Arbeitgeber bei der Formulierung eines Arbeitsvertrages mit Probezeit beachten müssen

…. und Arbeitnehmer, denen während der Probezeit gekündigt wird, anhand ihres Arbeitsvertrages überprüfen sollten.

Gemäß § 622 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Arbeitsverhältnis während der Probezeit,

  • wenn eine solche von längstens sechs Monaten im Arbeitsvertrag vereinbart ist,

sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Arbeitnehmer mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden.

Ist in einem vom Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag mit einer solchen Probezeit in einer Vertragsklausel eine längere Kündigungsfrist festgelegt, muss,

  • wenn diese längere Kündigungsfrist erst nach dem Ende der Probezeit gelten soll,

dies unmissverständlich deutlich gemacht sein.

Ansonsten gilt diese längere Kündigungsfrist auch schon für Kündigungen des Arbeitgebers während der Probezeit.

Das hat der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts (BAG) mit Urteil vom 23.03.2017 – 6 AZR 705/15 – entschieden (Quelle: Pressemitteilung des BAG vom 23.03.2017 – Nr. 17/17 –).

Was Arbeitgeber und Arbeitnehmer wissen sollten wenn es darum geht ob ein Arbeitnehmer fristlos entlassen werden kann

Gemäß § 626 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer

  • dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und
  • unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile

die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann.

Demnach ist Voraussetzung für eine fristlose Kündigung

  • zunächst, dass der Sachverhalt, auf den die Kündigung gestützt wird, ohne seine besonderen Umstände „an sich“, das heißt typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist und

wenn dies der Fall ist,

  • dass dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – unzumutbar ist.

Ein wichtiger Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB ist also nur gegeben, wenn das Ergebnis dieser Gesamtwürdigung die Feststellung der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers auch nur bis zum Ablauf der Kündigungsfrist ist (Bundesarbeitsgericht (BAG), Urteile vom 09.06.2011 – 2 AZR 381/10 – und vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 –).

Eine außerordentliche Kündigung an sich rechtfertigen können beispielsweise auch grobe Beleidigungen des Arbeitgebers und/oder seiner Vertreter und Repräsentanten oder von Arbeitskollegen, die nach Form und Inhalt eine erhebliche Ehrverletzung für den Betroffenen bedeuten, weil sie einen gewichtigen Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die berechtigten Interessen des Arbeitgebers (§ 241 Abs. 2 BGB) darstellen (BAG, Urteil vom 10. Dezember 2009 – 2 AZR 534/08 – AP BGB § 626 Nr. 226).

Das allein reicht allerdings noch nicht für eine fristlose Kündigung aus.

Vielmehr ist, trotz Vorliegens einer erheblichen Pflichtverletzung, bei der Prüfung, ob dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist oder bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses zumutbar ist, in einer Gesamtwürdigung

  • das Interesse des Arbeitgebers an einer sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses
  • gegen das Interesse des Arbeitnehmers an dessen Fortbestand abzuwägen,

wobei eine Bewertung des Einzelfalles unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu erfolgen hat.

Zu berücksichtigen sind insbesondere regelmäßig

  • das Gewicht und die Auswirkungen einer Vertragspflichtverletzung – etwa im Hinblick auf das Maß eines durch sie bewirkten Vertrauensverlustes und die wirtschaftlichen Folgen -,
  • der Grad des Verschuldens des Arbeitnehmers,
  • eine mögliche Wiederholungsgefahr sowie
  • die Dauer des Arbeitsverhältnisses und dessen störungsfreier Verlauf.

Eine außerordentliche Kündigung kommt nur in Betracht,

  • wenn es keinen angemessenen Weg gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen, weil dem Arbeitgeber sämtliche milderen Reaktionsmöglichkeiten unzumutbar sind,
  • wobei als mildere Reaktion insbesondere die Abmahnung anzusehen ist, wenn schon sie geeignet ist, den mit der außerordentlichen Kündigung verfolgten Zweck – die Vermeidung des Risikos künftiger Störungen – zu erreichen.

Das Erfordernis weitergehend zu prüfen, ob nicht schon eine Abmahnung ausreichend gewesen wäre, folgt aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und trägt zugleich dem Prognoseprinzip bei der verhaltensbedingten Kündigung Rechnung (BAG, Urteile vom 10.06.2010 – 2 AZR 541/09 – und vom 25.10.2012 – 2 AZR 495/11 –).
Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbarem Verhalten des Arbeitnehmers, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sein künftiges Verhalten schon durch die Androhung von Folgen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses positiv beeinflusst werden kann.
Ordentliche und außerordentliche Kündigung wegen einer Vertragspflichtverletzung setzen deshalb regelmäßig eine Abmahnung voraus.
Einer solchen bedarf es nach Maßgabe des auch in § 314 Abs. 2 i.V.m. § 323 Abs. 2 BGB zum Ausdruck kommenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nur dann nicht, wenn

  • bereits ex ante erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach Abmahnung nicht zu erwarten steht, oder
  • es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich – auch für den Arbeitnehmer erkennbar – ausgeschlossen ist.

Darauf hat die 4. Kammer des Landesarbeitsgerichts (LAG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 22.06.2016 – 4 Sa 5/16 – hingewiesen.