Tag Nachbarrecht

Keine Störerhaftung des Nachbarn bei durch Biber verursachten Überflutungsschaden.

Überflutungsschäden auf einem landwirtschaftlichen Grundstück, die durch einen auf ein Nachbargrundstück zugewanderten Biber verursacht werden, begründen keine Störerhaftung des für das Nachbargrundstück Verantwortlichen.

Darauf hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg mit Beschluss vom 14.01.2014 – 4 U 2123/13 – hingewiesen.

Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH), dass der Tatbestand des § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) nicht erfüllt ist, wenn die Beeinträchtigung ausschließlich auf Naturkräfte zurückgeht. Der Abwehranspruch setzt voraus, dass die Beklagte als Störerin verantwortlich ist. Der bloße Umstand des Eigentums an demjenigen Grundstück, von dem die Einwirkung ausgeht, reicht dazu nicht aus; die Beeinträchtigung muss vielmehr wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers zurückgehen (vgl. BGH, Urteil vom 07.07.1995 – V ZR 213/94 –).
Durch Naturereignisse ausgelöste Störungen sind dem Eigentümer eines Grundstücks nur dann zuzurechnen, wenn er sie durch eigene Handlungen ermöglicht hat oder wenn die Beeinträchtigung durch ein pflichtwidriges Unterlassen herbeigeführt worden ist (BGH, Urteil vom 23.04.1993 – V ZR 250/92 –).

 

Nachbarrecht – Überbau – Zu den Eigentumsverhältnissen an überbauten Gebäudeteilen.

Hat der Eigentümer eines Grundstücks bei der Errichtung eines Gebäudes von seinem Grundstück aus über die Grenze auf das einem anderen gehörende Nachbargrundstück gebaut, sind die auf dem Nachbargrundstück stehenden Gebäudeteile Überbauten, für welche grundsätzlich die Vorschriften der §§ 912 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) gelten   

§ 912 BGB enthält allerdings keine Regelung über die Eigentumsverhältnisse an dem überbauten Gebäudeteil.
Wer dessen Eigentümer ist, ergibt sich nach dem Willen des Gesetzgebers jedoch als mittelbare Folge der Vorschrift.

Muss

  • der Grundstückseigentümer gemäß § 912 Abs. 1 BGB den Überbau des Nachbarn dulden,

unterliegt der hinübergebaute Gebäudeteil nicht der in § 94 Abs. 1, § 946 BGB enthaltenen Grundregel, dass der Duldungspflichtige Eigentümer ist; vielmehr tritt entsprechend § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB die Wirkung ein, dass der Gebäudeteil als Scheinbestandteil des überbauten Grundstücks gemäß § 93, § 94 Abs. 2 BGB wesentlicher Bestandteil des Grundstücks bleibt, von welchem aus übergebaut wurde (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 23.02.1990 – V ZR 231/88 –).
Dessen Eigentümer ist auch Eigentümer des überbauten Gebäudeteils.

Bei diesen Eigentumsverhältnissen bleibt es auch dann, wenn das überbaute Gebäude teilweise abgerissen worden ist und die Gebäudereste keine selbständige wirtschaftliche Bedeutung haben.
Bei einem entschuldigten Überbau entfällt in diesem Fall zwar die Duldungspflicht des § 912 Abs. 1 BGB, weil ein vor der Zerschlagung zu schützender wirtschaftlicher Wert nicht mehr vorhanden ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.09.2008 – V ZR 152/07 –).
Eigentümer der Gebäudereste ist aber weiterhin der Eigentümer des Grundstücks, von dem aus überbaut worden ist.

Muss

  • der Grundstückseigentümer den Überbau von vornherein nicht dulden, weil die in § 912 Abs. 1 BGB genannten Voraussetzungen für die Duldungspflicht nicht vorliegen,

kommt die entsprechende Anwendung von § 95 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht in Betracht.
Der übergebaute Gebäudeteil gilt vielmehr nach § 94 Abs. 1 BGB als wesentlicher Bestandteil des überbauten Grundstücks.
Eigentumsrechtlich wird er auf der Grundstücksgrenze lotrecht geteilt mit der Folge, dass jeder Teil dem Eigentümer der Grundstücksfläche gehört, auf der er steht (BGH, Urteil vom 28.01.2011 – V ZR 147/10 –).
Auch in diesem Fall darf der Nachbar aber sein Recht zum Abriss des auf seinem Grundstück stehenden Teils des Überbaus nicht schrankenlos ausüben (§ 903 S. 1 BGB ), sondern muss das sich aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis ergebende Rücksichtnahmegebot beachten (vgl. BGH, Urteile vom 29.06.2012 – V ZR 97/11 –; vom 08.02.2013 – V ZR 56/12 – und vom 29.04.1977 – V ZR 71/75 –).

Ein besonderer Fall des Überbaus

  • ist die Giebelmauer, die auch Nachbarwand oder Kommunmauer genannt wird.

Das ist eine Mauer, welche von einem Grundstückseigentümer – nicht notwendig zur Hälfte –

  • auf seinem und
  • auf dem Nachbargrundstück errichtet wurde und
  • dazu bestimmt ist, von jedem der beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück benutzt zu werden (siehe nur BGH, Urteil vom 27.07.2012 – V ZR 2/12 –).

Diese Zweckbestimmung beruht auf der beiderseitigen Verabredung der Nachbarn oder wenigstens auf der einseitigen Erwartung des Erbauers, dass der Nachbar die Mauer für den Bau seines Hauses benutzen kann.
Mit dem Anbauen von dem überbauten Grundstück aus wird die Mauer eine gemeinschaftliche Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB. Es entsteht in Umwandlung einer eventuell bisher anderen Eigentumslage Miteigentum beider Grundstückseigentümer an der Mauer.
Das gilt sowohl im Fall des entschuldigten (nicht vorsätzlich oder grob fahrlässigen) Überbaus (BGH, Urteil vom 30.04.1958 – V ZR 178/56 –) als auch im Fall des unentschuldigten Überbaus (BGH, Urteil vom 02.02.1965 – V ZR 247/62 –).
Den Abriss der Mauer zu unterlassen, kann dann der eine Miteigentümer gemäß § 1004 Abs. 1 BGB von dem anderen verlangen (vgl. BGH, Urteil vom 28.09.2007 – V ZR 276/06 –).

Zur rechtlichen Qualifizierung einer Mauerwand

  • als Nachbarwand oder
  • als entschuldigter bzw. unentschuldigter Überbau:

Hierfür kommt es zunächst darauf an, ob die Wand verabredungsgemäß oder wenigstens in der Erwartung des Erbauers über die Grenze gebaut wurde, dass der Nachbar den übergebauten Teil für die Errichtung eigener baulicher Anlagen benutzen kann.

Lässt sich eine solche Verabredung nicht feststellen, hatte jedoch der Erbauer diese Erwartung, hindert die fehlende Zustimmung des anderen Eigentümers oder seines Rechtsvorgängers zur Errichtung des Anbaus unter Überschreitung der Grundstücksgrenze nicht die rechtliche Einordnung der Wand als Nachbarwand.
Zwar ist die Zustimmung notwendig, weil es nicht der Willkür eines Grundstückseigentümers überlassen bleiben kann, ohne oder gegen den Willen seines Nachbarn eine Grenzeinrichtung zu schaffen, dafür dessen Grund und Boden in Anspruch zu nehmen und ihn auch noch mit Unterhaltungskosten zu belasten (§ 922 S. 2 BGB ); aber die Zustimmung kann auch nachträglich (Genehmigung) und konkludent erteilt werden (BGH, Urteil vom 15.10.1999 – V ZR 77/99 –).
Von einer solchen Zustimmung ist auszugehen, wenn der Nachbar die Wand bestimmungsgemäß nutzt und an sie anbaut.

Die Zweckbestimmung einer Nachbarwand, von jedem der beiden Nachbarn in Richtung auf sein eigenes Grundstück benutzt zu werden, muss nicht schon bei ihrer Errichtung vorliegen, sondern kann auch später durch Vereinbarung der Nachbarn getroffen werden.
Eine solche nach der Errichtung eines Anbaus getroffene Vereinbarung zwischen den benachbarten Grundstückseigentümern hat dieselben Rechtsfolgen wie in den Fällen, in denen die übergebaute Wand schon bei ihrer Errichtung als Nachbarwand gedacht war.

Dass eine Mauerwand nicht auf ihrer gesamten Länge, sondern nur teilweise auf das Nachbargrundstück übergebaut wurde, steht der Annahme, dass es sich um eine Nachbarwand handelt, nicht entgegen. Denn als Grenzeinrichtung im Sinne von § 921 BGB muss eine Wand nicht notwendigerweise in voller Länge von der Grenze durchschnitten werden. Auch der „scheinbare“, nur auf einem der benachbarten Grundstücke stehende Teil einer Grenzeinrichtung ist zusammen mit dem von der Grenze durchschnittenen Teil insgesamt eine Grenzeinrichtung (BGH, Urteil vom 15.10.1999 – V ZR 77/99 –).

Handelt es sich bei der Wand um keine Nachbarwand, gelten für die Eigentumsverhältnisse die allgemeinen Regeln über den Überbau. Entscheidend ist dann also, ob die Grenzüberschreitung entschuldigt oder unentschuldigt im Sinne von § 912 Abs. 1 BGB erfolgte.

Die Urteile des BGH vom 26.02.1964 – V ZR 59/61 – und vom 18.05.2001 – V ZR 119/00 –  behandeln – nicht den Anbau an eine Nachbarwand, sondern – den Anbau an eine ausschließlich auf dem Nachbargrundstück stehende Grenzwand (vgl. zu dieser BGH, Urteil vom 11.04.2008 – V ZR 158/07 –).

Darauf hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 17.01.2014 – V ZR 292/12 – hingewiesen.

 

Zum Anspruch auf Einräumung eines Notwegerechts.

Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg, so kann der Eigentümer nach § 917 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden.

Ausgeschlossen sein kann der Anspruch auf Einräumung eines Notwegerechts dann, wenn das Grundstück auf einem öffentlichen Weg mit Kraftfahrzeugen unmittelbar erreichbar ist.

Zwar schließt die Verbindung eines Grundstücks mit einem öffentlichen Weg ein Notwegrecht nicht von vornherein aus.
Der öffentliche Weg, der auch nur ein Feldweg sein kann, muss für eine ordnungsmäßige Benutzung des notleidenden Grundstücks geeignet sein. Entscheidend ist, ob die ordnungsmäßige Benutzung des Grundstücks die Einräumung des Notwegs über ein Nachbargrundstück notwendig macht.

Die ordnungsmäßige Benutzung des notleidenden Grundstücks bestimmt sich dabei nach objektiven Gesichtspunkten. Maßgebend ist die danach angemessene, den wirtschaftlichen Verhältnissen des Grundstücks entsprechende Nutzung.
Eine nur einem persönlichen Bedürfnis des Eigentümers oder eines Nutzungsberechtigten entsprechende oder eine nur provisorische Nutzung gibt daher keinen Anspruch auf einen Notweg nach § 917 BGB.

Eine in diesem Sinn ordnungsmäßige Grundstücksbenutzung setzt bei einem Wohngrundstück in der Regel die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen voraus.
Dies ist zur Gewährleistung elementarer Bedürfnisse objektiv erforderlich, so etwa im Hinblick auf die Müllentsorgung oder die Belieferung mit Brennstoffen oder sperrigen Gütern.
Ebenfalls zur ordnungsgemäßen Benutzung eines Wohngrundstücks gehört die Möglichkeit, dieses mit dem eigenen Kraftfahrzeug anzufahren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es nicht lediglich um das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück, sondern um dessen Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen geht.

An dieser Erreichbarkeit fehlt es nicht bereits dann, wenn das Kraftfahrzeug nicht bis vor den Eingangsbereich des auf einem Grundstück aufstehenden Gebäudes fahren kann.
Vielmehr ist es ausreichend, wenn das Kraftfahrzeug unmittelbar an das Wohngrundstück heranfahren kann und der Eingangsbereich von dieser Stelle aus in zumutbarer Weise – auch mit sperrigen Gegenständen – erreicht werden kann.

Der Gesichtspunkt, dass das Erreichen des Hauseingangs bei einem Auffahren auf das Grundstück erleichtert möglich wäre, rechtfertigt kein Notwegrecht.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 18.10.2013 – V ZR 278/12 – hingewiesen.

 

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Nachbarrecht – Wenn eine auf einem tieferliegenden Grundstück stehende Mauer abgerissen werden soll und das angrenzende höherliegende Nachbargrundstück dadurch seinen Halt verliert.

Wird ein höherliegendes Grundstück durch eine auf dem angrenzenden, tieferliegenden Nachbargrundstück stehende Mauer abgestützt, stellt sich Frage, ob der Eigentümer des tieferliegenden Grundstücks die auf seinem Grundstück stehenden Mauer auch dann abreißen darf, wenn das angrenzende Nachbargrundstück dadurch seinen Halt verliert oder ob dem Grundstücksnachbarn in diesem Fall ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit den nachbarrechtlichen Sondervorschriften zusteht.

Ergeben kann sich ein Abrissverbot nur aus § 909 BGB. Aber die Entfernung der Stützmauer selbst stellt keine Vertiefung im Sinne dieser Vorschrift dar; denn eine solche setzt eine Senkung des Bodenniveaus voraus und umfasst nicht die Entfernung oberirdischer Gebäudeteile.
Demzufolge müsste der Eigentümer des tieferliegenden Grundstücks das angrenzende Nachbargrundstück gemäß § 909 BGB nur dann auch weiterhin abstützen und hätte den ersatzlosen Abriss der auf seinem Grundstück stehenden Mauer zu unterlassen, wenn diese von ihm oder einem seiner Rechtvorgänger nach einer von ihnen vorgenommenen Vertiefung des Grundstücks zum Zwecke der Befestigung errichtet worden wäre.
Sollte dagegen nicht feststellbar sein, worauf der Höhenunterschied beruht oder der Eigentümer des höherliegenden Grundstücks sein Grundstück aufgeschüttet haben, würde ihm kein Unterlassungsanspruch gegen den Abbruch der Mauer zustehen. Vielmehr dürfte der Eigentümer des tieferliegenden Grundstücks die auf seinem Grundstück stehende Mauer in diesem Fall auch abreißen, wenn das angrenzende Nachbargrundstück dadurch seinen Halt verliert. Aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnis ergäbe sich dann nur die Pflicht zu einer Ankündigung derartiger Abrissarbeiten, die so rechtzeitig erfolgen muss, dass sie den Grundstücknachbarn in die Lage versetzt, vorher eigene Stützungsmaßnahmen zu treffen; nur in diesem eingeschränkten Rahmen könnte sich dann eine Unterlassungspflicht ergeben.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Urteil vom 29.06.2012 – V ZR 97/11 – hingewiesen.

 

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