Tag Persönlichkeitsrecht

Ärzte sollten wissen, wie sie erreichen können, dass negative Bewertungen, die anonym von Personen abgegeben wurden, zu denen kein Patientenkontakt bestand, vom Portalbetreiber  

…. gelöscht oder gesperrt werden.

Mit Urteil vom 06.08.2024 – 18 U 2631/24 – hat das Oberlandesgericht (OLG) München darauf hingewiesen, dass ein Arzt  

  • gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB, Art, 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG)

Anspruch auf Sperrung einer solchen, ihn in seinem

Read More

AG München entscheidet, dass eine auf einer Terrasse aufgestellte Wildüberwachungskamera, die von der Terrasse des Nachbarn aus sichtbar ist, wegen

…. Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Nachbarn, entfernt werden muss.

Mit Urteil vom 01.02.2023 – 171 C 11188/22 – hat das Amtsgericht (AG) München in einem Fall, in dem von dem Eigentümer eines Wohngrundstücks 

  • auf seiner Terrasse 

eine, 

  • von der Terrasse des Nachbarn sichtbare, 

Wildüberwachungskamera aufgestellt worden war, es ihm

Read More

Hausbesitzer sollten wissen, wann eine an der Hauswand installierte Überwachungskamera das Persönlichkeitsrecht

…. des Nachbarn verletzen und diesem deshalb ein Anspruch aus § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB auf Unterlassung und Entfernung der Kamera zustehen kann. 

Mit Urteil vom 16.12.2020 – 2 S 195/19 – hat das Landgericht (LG) Frankenthal in einem Fall, in dem zwischen Nachbarn seit vielen Jahren ein erbitterter Nachbarstreit bestand und einer der beiden,

  • weil er u.a. das unbefugte Betreten seines Grundstücks befürchtete, 

an der Giebelwand seines Hauses eine Videokamera montiert hatte und der andere dies,

  • da er unzulässige Einblicke in sein Grundstück und eine Verletzung seiner Privatsphäre befürchtete,

nicht akzeptieren wollte, entschieden, dass die Videokamera (wieder) entfernt werden muss.

Eine Überwachung durch eine Kamera bzw. Videoanlage ist danach zulässig nur, 

  • wenn sie auf das eigene Grundstück beschränkt ist

und unzulässig

  • wegen Verletzung des verfassungsrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechts des Nachbarn 

nicht nur dann, 

  • wenn sie tatsächlich Einsicht in das Grundstück der Nachbarn ermöglicht,

sondern bei zerstrittenen Nachbarn auch dann, wenn 

  • eine Videoanlage zwar (noch) nicht auch auf das Nachbargrundstück ausgerichtet ist,
  • es ohne großen Aufwand aber möglich ist, den Blickwinkel der Videoanlage in Richtung des Nachbargrundstücks zu lenken und
  • der Nachbar eine Überwachung objektiv ernsthaft befürchten muss („Überwachungsdruck“).

Vgl. auch die Entscheidungen

sowie

Wonach beurteilt sich, ob (gravierend) ehrverletzende und damit unsachliche Äußerungen als Beleidigung strafbar oder (noch) durch

…. die Meinungsfreiheit geschützt sind?

In vier Beschlüssen vom 19.05.2020 – 1 BvR 2459/19, 1 BvR 2397/19, 1 BvR 1094/19, 1 BvR 362/18 – hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) darauf hingewiesen, dass zur Beurteilung, ob 

  • eine (gravierend) ehrbeeinträchtigende Äußerung 

rechtswidrig und unter den Voraussetzungen der §§ 185, 193 Strafgesetzbuch (StGB) strafbar ist oder nicht, es, 

  • – sofern nicht (schon) der Sonderfall einer Schmähkritik, einer Formalbeleidigung oder einer Verletzung der Menschenwürde vorliegt, hinter die die Meinungsfreiheit ausnahmsweise stets zurücktritt –   

zunächst der Ermittlung 

  • des Sinns der infrage stehenden Äußerung

bedarf und anschließend daran, 

  • unter Berücksichtigung der kontextbezogenen Bedeutung der Äußerung in der konkreten Situation,

einer Abwägung,  

  • mit Blick auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG)) einerseits und 
  • das aus Art 2 Abs. 1 GG (der freien Entfaltung) sowie Art 1 Abs. 1 GG (der Menschenwürde) abgeleitete Persönlichkeitsrecht des von der Äußerung Betroffenen andererseits, 

ob in dem jeweiligen Einzelfall  

  • das Gewicht der Ehre
  • die Meinungsfreiheit des Äußernden. 

überwiegt.

Bei dieser gebotenen Abwägung kann (mit) wesentlich sein,

  • ob die Äußerung bzw. inwieweit sie grundlegende, allen Menschen gleichermaßen zukommende Achtungsansprüche betrifft oder eher das jeweils unterschiedliche soziale Ansehen des Betroffenen,
  • ob die Äußerung darauf abzielt, einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung zu leisten oder ob es hiervon unabhängig lediglich um die emotionalisierende Verbreitung von Stimmungen gegen einzelne Personen geht, 
  • ob die Äußerung sich richtet gegen Personen, die, wie etwa Politiker bewusst in die Öffentlichkeit treten oder solche, denen als staatliche Amtswalter ohne ihr besonderes Zutun eine Aufgabe mit Bürgerkontakt übertragen wurde,
  • ob Gegenstand der Äußerung das öffentliche Wirken einer Person oder ihr Privatleben ist,
  • ob es sich um eine ins Persönliche gehende (öffentliche) Beschimpfung, Verächtlichmachung oder Hetze handelt,
  • ob die Äußerung unvermittelt in einer hitzigen Situation oder im Gegenteil mit längerem Vorbedacht gefallen ist, 
  • ob und inwieweit für die betreffende Äußerung ein konkreter und nachvollziehbarer Anlass bestanden hat und
  • die konkrete Breitenwirkung die die Äußerung entfaltet. 

Übrigens:
Eine Schmähung,

  • bei der ebenso, wie bei einer Formalbeleidigung oder einer Verletzung der Menschenwürde, die Meinungsfreiheit stets (ausnahmsweise) zurücktritt – somit auch eine Abwägung, wie oben dargestellt, entbehrlich ist -,  

zeichnet sich dadurch aus, dass die Äußerung

  • keinen irgendwie nachvollziehbaren Bezug mehr zu einer sachlichen Auseinandersetzung hat und 
  • es bei ihr allein um das grundlose Verächtlichmachen der betroffenen Person als solcher geht,

wie bei Fällen, 

  • in denen eine vorherige Auseinandersetzung erkennbar nur äußerlich zum Anlass genommen wird, um über andere Personen herzuziehen oder sie niederzumachen, etwa aus verselbständigter persönlicher Feindschaft („Privatfehde“) 

oder aber auch dann, 

  • wenn – insbesondere unter den Kommunikationsbedingungen des Internets – Personen ohne jeden nachvollziehbaren Bezug zu einer Sachkritik grundlos aus verwerflichen Motiven wie Hass- oder Wutgefühlen heraus verunglimpft und verächtlich gemacht werden. 

Um eine Formalbeleidigung kann es sich handeln bei der Verwendung 

  • mit Vorbedacht und nicht nur in der Hitze einer Auseinandersetzung 

von, 

  • nach allgemeiner Auffassung 

besonders krassen, aus sich heraus herabwürdigenden Schimpfwörtern – etwa aus der Fäkalsprache -.

Eine Verletzung der Menschenwürde liegt vor, wenn die Äußerung 

  • sich nicht lediglich gegen einzelne Persönlichkeitsrechte richtet, 
  • sondern einer konkreten Person den ihre menschliche Würde ausmachenden Kern der Persönlichkeit abspricht (Quelle: Pressemitteilung des BVerfG).

Hinweis:
Vergleiche in diesem Zusammenhang auch die Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG

sowie dazu, wann die Unterlassung einer nicht erweislich wahren Tatsachenbehauptung verlangt werden kann und wann nicht,

BVerfG erklärt Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für verfassungswidrig und

…. § 217 Strafgesetzbuch (StGB), der die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung verbietet, für nichtig.

Mit Urteil vom 26.02.2020 – 2 BvR 2347/15, 2 BvR 651/16, 2 BvR 1261/16, 2 BvR 1593/16, 2 BvR 2354/16, 2 BvR 2527/16 – hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) entschieden,

  • dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG)
    • ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben umfasst,
    • das die Freiheit einschließt, sich das Leben zu nehmen und
    • hierbei auf die freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen,
  • dass die in Wahrnehmung dieses Rechts getroffene Entscheidung des Einzelnen, seinem Leben entsprechend seinem Verständnis von Lebensqualität und Sinnhaftigkeit der eigenen Existenz ein Ende zu setzen, im Ausgangspunkt als Akt autonomer Selbstbestimmung von Staat und Gesellschaft zu respektieren ist,

dass,

  • weil es die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung faktisch weitgehend entleert

das in § 217 StGB normierte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung, gegen das Grundgesetz verstößt und nichtig ist und der Gesetzgeber,

  • wenn er die Suizidhilfe reguliert,

sicherstellen muss, dass dem Recht des Einzelnen, sein Leben selbstbestimmt zu beenden, hinreichend Raum zur Entfaltung und Umsetzung verbleibt,

LG Koblenz entscheidet: Auch Videokamera-Attrappen dürfen nicht auf das Nachbargrundstück ausgerichtet

…. werden, wenn der Nachbar eine Überwachung seines Grundstückes ernsthaft befürchten muss.

Mit Urteil vom 05.09.2019 – 13 S 17/19 – hat das Landgericht (LG) Koblenz einen Grundstückseigentümer, der

  • mit seinem Nachbarn zerstritten war und

auf seinem Grundstück

  • eine Videokamera sowie
  • eine Kamera-Attrappe

angebracht hatte, die auf das Grundstück des Nachbarn ausgerichtet waren, verurteilt,

  • die Videokamera sowie
  • die Kamera-Attrappe

zu entfernen.

Danach steht in einem solchen Fall dem Grundstückseigentümer, auf dessen Grundstück Videokameras,

  • ob funktionstüchtig,
  • funktionsuntüchtig oder
  • reine Attrappe,

ausgerichtet sind, ein Anspruch auf Beseitigung der Kameras sowie der Kamera-Attrappen nach § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB zu.

Begründet hat das LG dies damit, dass die Videoüberwachung von anderen,

  • ohne deren Einwilligung,
  • wegen Eingriffs in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht – in Form des informationellen Selbstbestimmungsrechts –

unzulässig ist,

  • sofern kein überwiegendes Interesse des Betreibers der Anlage angenommen werden kann,
    • – wie z.B. im Falle einer bestehenden konkreten, besonderen Gefährdung der Sicherheit des Videoüberwachungsanlagenbetreibers –

und deshalb bei der Installation von Videoüberwachungsanlagen auf einem Privatgrundstück in der Regel sichergestellt werden müsse, dass

  • weder angrenzende öffentliche Bereiche,
  • noch benachbarte Privatgrundstücke von Kameras

erfasst werden (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 21.10.2011 – V ZR 265/10 –).

  • Dies gelte, so das LG, im Ergebnis auch für funktionsuntüchtige Kameras und reine Attrappen.

Denn dadurch könne bei einem Nachbarn,

  • wenn dieser, beispielsweise wegen eines schon länger schwelenden Nachbarschaftsstreites, eine Überwachung seines Grundstückes objektiv ernsthaft befürchten müsse,

ein „Überwachungsdruck“ entstehen,