Tag Reiserecht

Tourist fällt vom Kamel

Ein Reiseveranstalter haftet nicht, wenn während eines Kamelausritts das Tier scheut und der Tourist deshalb vom Kamel stürzt.

Das hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 24.06.2015 – 111 C 30051/14 – in einem Fall entschieden,

  • in dem der Kläger, der bei der beklagten Reiseveranstalterin eine Ägyptenreise zum Preis von 589 Euro gebucht hatte,
  • bei der Teilnahme an einem Ausflug inklusive Kamelausritt, als das von einem Kameltreiber geführte Tier stolperte und scheute, vom Kamel gestürzt war.

 

Seine Klage,

  • mit der der Kläger von der Reiseveranstalterin 3378 Euro Schmerzensgeld sowie Schadensersatz verlangt und die er damit begründet hatte, dass der Kameltreiber keine Anstalten gemacht habe, seinen Sturz zu verhindern und die Reiseveranstalterin für dieses Verhalten des Kameltreibers einstehen müsse, 

 

wies das AG München ab,

  • weil vom Kläger nicht vorgetragen war, dass der Kamelführer in irgendeiner Weise aktiv zum Sturz des Klägers beigetragen hätte.

 

Vielmehr war, da das Kamel nach dem klägerischen Vortrag plötzlich sowie unvorhersehbar gestolpert war, nicht ersichtlich, was der Kamelführer unterlassen haben könnte oder tun hätte können, um den Sturz des Klägers zu vermeiden, so dass das AG davon ausging, dass sich allein die Gefahr verwirklicht hatte, die von einem Tier ausgeht, ohne dass dies dem Kamelführer oder der Reiseveranstalterin zuzurechnen ist.

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 07.08.2015 – 46/15 – mitgeteilt.

 

Wenn Fluggesellschaften ein elektronisches Buchungssystem für von ihr angebotene Flugdienste bereithalten

Fluggesellschaften die ein elektronisches Buchungssystem für die von ihr angebotenen Flugdienste bereithalten haben

  • bei jeder Angabe von Preisen für Flüge und damit auch bei der erstmaligen Angabe von Preisen
  • den zu zahlenden Endpreis einschließlich aller Preisbestandteile anzugeben.

 

Das hat der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 30.07.2015 – I ZR 29/12 – entschieden.

Danach liegt ein Verstoß gegen Art. 23 Abs. 1 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24.09.2008 über gemeinsame Vorschriften für die Durchführung von Luftverkehrsdiensten in der Gemeinschaft vor, wenn in dem elektronischen Buchungssystem einer Fluggesellschaft

  • für die in einer Tabelle dargestellten Flugdienste lediglich die reinen Flugpreise ausgewiesen werden und der Endpreis für einen bestimmten Flugdienst erst im weiteren Buchungsprozesses auf späteren Internetseiten angegeben ist und es damit an einer übersichtlichen Darstellung der Endpreise fehlt oder 
  • der Endpreis (Flugpreis zuzüglich Steuern und Gebühren, Kerosinzuschlag und Servicegebühr) nur für den ausgewählten Flug und nicht bei sämtlichen in einer Tabelle angezeigten Flugdienste angegeben wird.

 

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 30.07.2015 – Nr. 132/2015 – mitgeteilt.

 

Ausgleichszahlungsanspruch bei mehrstündiger Änderung der Abflugzeit?

Eine mehrstündige Flugzeitänderung durch das Luftverkehrsunternehmen ist

  • eine – mit dem Angebot einer anderweitigen Beförderung verbundene – Annullierung des Fluges,

 

die einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 der europäischen Fluggastrechteverordnung (VO (EG) 261/2004) begründen kann,

  • wenn der betroffene Fluggast nicht rechtzeitig gemäß Art. 5 Abs. 1i FluggastrechteVO unterrichtet worden ist.

 

Das hat das Amtsgericht (AG) Bremen mit Urteil vom 24.07.2015 – 25 C 41/15 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war der Kläger am 12.08.2014 durch sein Reisebüro informiert worden,

  • dass der Abflug seines gebuchten Fluges, der nach der Buchungsbestätigung am 18.09.2014 für 13:05 Uhr vorgesehen war,
  • erst um 18:25 Uhr stattfinden und der Flug dadurch nicht planmäßig um 17:35 Uhr, sondern erst um 22:25 Uhr ankommen wird.

 

Seine Klage, mit der er von der Fluggesellschaft eine Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 FluggastrechteVO forderte, wies das AG Bremen ab, weil der Kläger über die Flugzeitenänderung rechtzeitig nach Art. 5 Abs. 1i FluggastrechteVO informiert worden war.

  • In der Flugzeitänderung ist, so das AG, nämlich keine Umbuchung im Sinne einer Nichtbeförderung zu sehen, für die von dem Luftfahrtunternehmen nach Art. 4 Abs. 3 FluggastrechteVO eine Ausgleichsleistung gemäß Art. 7 FluggastrechteVO erbringen ist.
  • Vielmehr liegt in der Verlegung der Flugzeit eine mit dem Angebot einer anderweitigen Beförderung verbundene Annullierung des Fluges, bei der Art. 5 Abs. 1i FluggastrechteVO den Ausschluss etwaiger Ansprüche nach Art. 7 Abs. 1 der Fluggastrechteverordnung im Falle rechtzeitiger Information vorsieht (Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 09.06.2015, X ZR 59/14 –).

 

Die Nichtbeförderung unterscheidet sich von der Annullierung begrifflich dadurch,

  • dass im Falle der Nichtbeförderung der Flug ohne Mitnahme des Passagiers durchgeführt wird,
  • im Falle der Annullierung das Luftverkehrsunternehmen seine ursprüngliche Flugplanung endgültig aufgibt.

 

Dies ist durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteile vom 19.11.2009 – C-402/07 – und vom 13.10.2011 – C-83/10 –) geklärt, die zur Abgrenzung des Tatbestands der Annullierung vom Tatbestand der großen Verspätung entwickelt worden ist.
Im Falle der Flugzeitänderung mit mehrstündiger Verlegung wird danach die ursprüngliche Flugplanung aber vollständig aufgegeben und der Flug zu einer anderen Zeit durchgeführt. Das entspricht der Annullierung eines Fluges mit Umbuchung auf einen anderen. 

 

Ausgleichszahlung auch bei Vorverlegung eines gebuchten Fluges?

Jedenfalls in einer

  • mehr als geringfügigen Vorverlegung eines geplanten Fluges durch das Luftverkehrsunternehmen

liegt eine

  • – mit dem Angebot einer anderweitigen Beförderung verbundene – Annullierung des Fluges vor,

 

die einen Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004 über eine gemeinsame Regelung für Ausgleichs- und Unterstützungsleistungen für Fluggäste im Fall der Nichtbeförderung und bei Annullierung oder großer Verspätung von Flügen (Fluggastrechteverordnung) begründen kann.

Darauf hat der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 09.06.2015 – X ZR 59/14 – in einem Fall hingewiesen, in dem von den Klägern, die bei dem beklagten Luftverkehrsunternehmen Flüge von Düsseldorf nach Fuerteventura und zurück gebucht hatten, Ausgleichszahlungen in Höhe von jeweils 400 € nach Art. 5 Abs. 1 Buchst. c i.V.m. Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b der Fluggastrechteverordnung begehrt worden waren, weil das beklagte Flugunternehmen sie am 02.11.2012 informiert hatte, dass ihr Rückflug, der am 05.11.2012 um 17:25 Uhr hatte stattfinden sollen, auf 08:30 Uhr vorverlegt worden war.

Wie der Senat ausgeführt hat, ist für eine Annullierung kennzeichnend,

dass das Luftverkehrsunternehmen seine ursprüngliche Flugplanung endgültig aufgibt, auch wenn die Passagiere auf einen anderen Flug verlegt werden.
Dies ist durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteile vom 19.11.2009 – C-402/07 – und vom 13.10.2011 – C-83/10 – Sousa Rodríguez/Air France) geklärt, die zur Abgrenzung des Tatbestands der Annullierung vom Tatbestand der großen Verspätung entwickelt worden ist.
Danach wird die ursprüngliche Flugplanung auch dann aufgegeben, wenn ein Flug – wie im Streitfall – um mehrere Stunden „vorverlegt“ wird.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 09.06.2015 – Nr. 89/2015 – mitgeteilt.

 

Teures Parken in Kroatien

Kroatien ist ein schönes Land. Aber auch dort gibt es juristische Fallstricke. Seit einiger Zeit machen deutsche Anwaltskanzleien teils Ansprüche wegen angeblicher Parkverstöße in Kroatien geltend (z.B. in den Städten Opatija, Pula oder Zagreb).

Was kosten Parkverstöße in Kroatien?

Verstöße gegen die Kroatische Straßenverkehrsordnung ziehen in der Regel ein Bußgeld von ca. 40,00 € nach sich. Es handelt sich dabei um eine öffentlich-rechtliche Strafe.

Parkverstöße werden in der Regel mit 10,00 bis 40,00 € geahndet. Teils wurde in Kroatien die Überprüfung der Einhaltung der Parkvorschriften an private Unternehmen übertragen. Unter anderem die Unternehmen Zagrebparking, Pula Parking sowie „Parkdienste“ aus Dubrovnik, Opatija, Osijek und Omis  versuchen nun teils Kosten einzutreiben.

Parken in Kroatien

Wann verjähren die Ansprüche?

Soweit derartige Ansprüche geltend gemacht werden, handelt es sich um eine zivilrechtliche Vertragsstrafe. Anspruchsvoraussetzung ist grundsätzlich – auch in Kroatien – eine Anspruchsgrundlage. Streitig ist nach der Auskunft kroatischer Juristen, ob es sich um eine Forderung gemäß Art. 225 des kroatischen Obligationsgesetzes oder eine Miet- und Pachtforderung gemäß Art. 229 des kroatischen Obligationsgesetzes handelt. Im ersten Fall würde die Verjährungsfrist 5 Jahre, im zweiten Fall unter Umständen 3 Jahre betragen.

Was ist mit den außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten?

Grundsätzlich sind außergerichtliche Rechtsanwaltskosten dann zu erstatten, wenn eine Mahnung mit Fristsetzung erfolglose geblieben ist. Dies dürfte auch bei gegenständlicher Problematik gelten. Die derzeit geltend gemachten Kosten wirken auch erheblich überhöht.

Wo kann ich in Anspruch genommen werden?

Unabhängig von der Frage ob ein Anspruch besteht, ist zu klären, wo eine Rechtsstreitigkeit anhängig gemacht werden könnte. Eine Rechtsprechung deutscher Gerichte ist zu dieser Problematik bisher nicht bekannt. Geht man von einer Mietrechtlichen Forderung aus, so könnte ein Gerichtsstand in Kroatien gegeben sein. Dann liegt jedoch nahe, auch die kürzere Verjährungsfrist zu Grunde zu legen (siehe oben). Geht man von einer Anwendung von Art. 18 Abs. 2 Brüssel la-VO aus, so wäre ein Gerichtsstand in Deutschland gegeben. Überlegen könnte man auch, ob ein Gerichtsstand in Kroatien möglicherweise europarechtswidrig wäre.

Ein Verfahren in Deutschland hätte unter Umständen zur Folge, dass das kroatische Recht nicht zugrunde gelegt werden kann. Eine privatrechtliche Halterhaftung für Parkverstöße gibt es in Deutschland nicht. Es könnte damit ein Verstoß gegen den Grundsatz des so genannten „Ordre Public“, also die grundsätzlichen inländischen (in diesem Fall dann Deutschen) Wertevorstellungen vorliegen. Hier sind aber viele Varianten und Rechtsmeinungen denkbar.

Was ist wenn ein kroatischer Notar sich meldet?

Wenn sich ein kroatischer Notar mit einem so genannten Vollstreckungsbeschluss meldet, dann sollte man hellhörig werden. Im kroatischen Recht kann ein Vollstreckungsbeschluss bei einem Notar beantragt werden. Reagiert man nicht, so droht, dass eine Vollstreckung erfolgen kann. Es ist daher zu empfehlen, einen Einspruch gegen den Vollstreckungsbeschluss einzulegen.

Grundvoraussetzung für einen Vollstreckungsbeschluss durch einen Notar ist in Kroatien grundsätzlich, dass der Schuldner dort vollstreckbares Eigentum oder einen angemeldeten Wohnsitz hat.

Gegen den notariellen Vollstreckungsbeschluss muss unbedingt innerhalb von acht Tagen Einspruch eingelegt werden.

Der Einspruch muss als Beweis für die Fristwahrung unbedingt per Einschreiben mit Rückschein abgeschickt werden. Für die Fristwahrung ist nach kroatischem Recht entscheidend, wann die Einreichung bei der Post erfolgte. Abzustellen ist auf den Poststempel. Wird kein Einspruch eingelegt, so droht die Vollstreckung.

Einspruch? – Aber wie?

Idealerweise sollte man den Einspruch gleich begründen. Soweit zutreffend bietet sich folgende kurze Begründung an:

  • Falls der angeschriebene nicht gefahren ist, so sollte dies dargelegt werden. Zu Überlegen ist, ob gleich belegt werden kann, dass man nicht gefahren ist. Beweisbelastet ist jedoch die Partei, die sich auf den Parkverstoß beruft. Zu bedenken ist, dass dann, wenn ein anderer Fahrer benannt wird, unter Umstände eine Inanspruchnahme dieses „neuen“ Fahrers im Raum stehen kann.
  • Es sollte die Einrede der Verjährung erhoben werden, soweit eine solche in Betracht kommt (nach derzeitiger Einschätzung ab 3 Jahren)
  • Es sollte eingewendet werden, dass die Voraussetzungen für einen Vollstreckungsantrag beim Notar nicht vorlagen, da kein Wohnsitz und kein Eigentum in Kroatien besteht. Zu beantragen ist in diesem Zusammenhang, denn Vollstreckungsbeschluss abzuweisen.

Folgen eines Einspruchs?

Nach dem Einspruch ist eine Aufhebung des Vollstreckungsbeschlusses zu erwarten. Offen ist jedoch, ob es dann noch zu einem gerichtlichen Verfahren kommt. Geht das Gericht von einer Unzuständigkeit des Notars aus, so ist ein Verfahren nicht zu erwarten. Anderenfalls kann ein Urteil eines kroatischen Gerichts folgen. Gegen diese ist das Rechtsmittel der Berufung denkbar, wobei auch hier sehr kurze Fristen zu beachten sind.

Was ist mit Vollstreckungen in Deutschland?

Ob kroatische Titel wegen Parkverstößen in Deutschland vollstreckt werden können ist offen. Rechtsprechung hierzu liegt noch nicht vor. Einer Vollstreckung könnte ein Verstoß gegen das Ordre Public entgegen stehen. Es wäre dann denkbar einen Antrag auf Versagung der Vollstreckung zu stellen.

Darüber hinaus ist zu überlegen ob ein Vollstreckungsbeschluss eines sachlich unzuständigen Notars in Deutschland vollstreckt werden kann. Hier besteht eine gewisse Rechtsunsicherheit für beide Seiten.

Vollstreckung Parkverstoß Kroatien

Was tun?

Anwaltlicher Rat ist sinnvoll, wenn es hier zu Streitigkeiten kommt. Zu empfehlen ist es auch, einen kroatischen Kollegen mit einzubeziehen. Wir arbeiten in diesem Zusammenhang mit dem Netzwerk „advounion“ zusammen. Auch über Rechtsschutzversicherungen kann uns ein entsprechender Kontakt zu kroatischen Kollegen vermittelt werden. Gerne beraten wir Sie hinsichtlich des jeweiligen Vorgehens.

Nehmen Sie daher Kontakt mit uns auf.

 

Kein Reisemangel bei Lärmbelästigungen durch Schiffstheater bei einer Kreuzfahrt.

Wer auf einem großen Kreuzfahrtschiff eine Reise bucht, muss, wenn sich seine Kabine über dem Theater des Schiffes befindet, mit Lärmbelästigungen durch dort stattfindende Shows und Veranstaltungen rechnen. Solche Lärmbelästigungen stellen keinen Reisemangel im Sinne des § 651 c Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) dar, sofern das Maß des Hinnehmbaren nicht überschritten wird.
Überschritten wird das Maß des Hinnehmbaren erst dann, wenn die Lärmbelästigungen erst weit nach Mitternacht enden.

Das hat das Amtsgericht (AG) Wiesbaden mit Urteil vom 26.03.2015 – 92 C 4334/14 – entschieden und zur Begründung ausgeführt, dass ein großes Kreuzfahrtschiff kein Ort der Ruhe ist, sondern sich immer durch ein lebendiges Bordleben auszeichnet.
Es ergibt sich aus der Natur der Sache, dass, wenn eine große Anzahl von Menschen auf einem relativ abgegrenzten Raum untergebracht sind, dies immer zu einer gewissen Unruhe führt.
Darüber hinaus ist das schlichte Fahren auf dem Meer prinzipiell ereignisarm. Es liegt auf der Hand, dass in einer solchen Situation die Erwartungshaltung der Mitreisenden dahin geht, durch kurzweilige Veranstaltungen unterhalten zu werden.
Die hiermit verbundenen Lärmbelästigungen, zu denen auch Musik und Showveranstaltungen mit den damit verbundenen Begleitgeräuschen zählen, sind für große Kreuzfahrtschiffe üblich und stellen keine Reisemängel dar, wenn das Maß des Hinnehmbaren nicht überschritten wird.
Das Maß des Hinnehmbaren wird erst dann überschritten, wenn die Lärmbelästigungen erst weit nach Mitternacht enden. 

 

Ausgleichszahlungsanspruch wegen Nichtbeförderung bei Umbuchung auf späteren Flug?

Der Ausgleichsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 und Art. 4 Abs. 3 der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Februar 2004) wegen Nichtbeförderung setzt grundsätzlich voraus,

  • dass der Fluggast über eine bestätigte Buchung für den betreffenden Flug verfügt,
  • sich zur angegebenen Zeit zur Abfertigung („Check-in“) einfindet und
  • ihm der Einstieg („Boarding“) gegen seinen Willen verweigert wird.

Allerdings kommt es weder auf das Erscheinen zur Abfertigung noch auf das Erscheinen am Ausgang dann an,

  • wenn das Luftverkehrsunternehmen bereits zuvor unzweideutig zum Ausdruck gebracht hat, dem Fluggast die Beförderung auf dem gebuchten Flug zu verweigern.

Darauf hat der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 17.03.2015 – X ZR 34/14 – in einem Fall hingewiesen, in dem einem Reisenden, der eine Flugpauschalreise in die Türkei gebucht hatte, 14 Tage vor Reiseantritt vom Reiseveranstalter mitgeteilt worden war, dass er auf einen sechs Stunden später startenden Flug nach Antalya umgebucht worden ist.

Da noch zu klären ist,

  • ob der Reisende, der auf die Ausgleichzahlung klagte, über eine bestätigte Buchung für den sechs Stunden früheren Flug verfügte und
  • ob in der Mitteilung des Reiseveranstalters, der Reisende sei auf einen anderen Flug umgebucht worden, eine dem beklagten Luftverkehrsunternehmen zuzurechnende vorweggenommene Weigerung zum Ausdruck gekommen ist, den Reisenden auf einem Flug zu befördern, für den er über einen Flugschein oder eine andere bestätigte Buchung im Sinne der Fluggastrechteverordnung verfügte,

hat der X. Zivilsenat des BGH die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 17.03.2015 – Nr. 35/2015 – mitgeteilt.

 

Kostenlos mitreisendes Kleinkind hat keinen Anspruch auf Ausgleichszahlung wegen Flugverspätung.

Der für das Reise- und Personenbeförderungsrecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 17.03.2015 – X ZR 35/14 – die Klage einer noch nicht zweijährigen Klägerin,

abgewiesen, weil

  • dem Reiseveranstalter von dem beklagten Luftverkehrsunternehmen in der Flugbuchungsbestätigung eine „100% Kinderermäßigung bis 1 Jahr“ eingeräumt worden und die Klägerin auf Grund dessen kostenlos gereist war.

Wie der X. Zivilsenat des BGH ausgeführt hat, nimmt Art. 3 Abs. 3 Satz 1 der Fluggastrechteverordnung sämtliche Fluggäste, die kostenlos reisen, vom Anwendungsbereich der Verordnung aus. Darauf, ob ein „Nulltarif“ für die Öffentlichkeit verfügbar ist, kommt es nicht an. Denn weder Wortlaut noch Entstehungsgeschichte der Vorschrift noch ihr Sinn und Zweck rechtfertige die Annahme, der Ausschlusstatbestand der „kostenlos reisenden Fluggäste“ betreffe lediglich den Sonderfall eines für die Öffentlichkeit nicht verfügbaren Tarifs, bei dem der Flugpreis auf Null reduziert ist.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs (BGH) am 17.03.2015 – Nr. 36/2015 – mitgeteilt.

 

Vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten bei der Geltendmachung von Ausgleichsansprüchen nach der Fluggastrechteverordnung.

Mahnt ein Fluggast das Luftfahrtunternehmen wegen erheblicher Flugverspätung über einen Inkassodienstleister zur Ausgleichszahlung nach Art. 7 Abs. 1 a der Fluggastrechteverordnung (Verordnung (EG) Nr. 261/2004 – FluggastrechteVO) an, so sind

  • die Kosten der nachfolgenden vorgerichtlichen Beauftragung eines Rechtsanwalts erstattungsfähig,
  • sofern lediglich diese als Rechtsverfolgungskosten geltend gemacht werden.

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Bremen mit Urteil vom 27.11.2014 – 9 C 416/14 – hingewiesen und ein Flugunternehmen

  • zur Zahlung der Ausgleichsleistung von 250,00 € zuzüglich Zinsen von 5,00% über dem jeweiligen Basiszinssatz verurteilt
  • sowie dazu, den Kläger von Honoraransprüchen seiner Prozessbevollmächtigten für die vorgerichtliche Tätigkeit in Höhe von 70,20 € zzgl. 19% Mwst 13,34 €, insgesamt 83,54 € freizustellen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall stand dem Kläger gemäß Art. 7 Abs. 1 a FluggastrechteVO ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 250,00 € zu, weil der vom Kläger gebuchte Flug sein Ziel nicht planmäßig, sondern erst mit einer Verspätung um mehr als 3 Stunden erreicht hatte, eine solche Verspätung einer Flugannullierung gleichsteht und Entlastungsgründe im Sinne des Art. 5 Abs. 3 FluggastrechteVO von der insofern darlegungsbelasteten beklagten Fluggesellschaft nicht vorgetragen worden waren.

Die Beauftragung eines Rechtsanwalts zur vorgerichtlichen Geltendmachung des Ausgleichszahlungsanspuchs, stellte nach Auffassung des AG Bremen,

eine zweckdienliche Rechtsverfolgungsmaßnahme dar (ausführlich: AG Bremen, Urteil vom 12.06.2014 – 9 C 72/14 –).
Die diesbezüglichen Kosten hatte das beklagte Luftfahrtunternehmen durch seine Schlechtleistung zurechenbar veranlasst. Somit waren die Rechtsanwaltsgebühren als Schaden im Sinne der §§ 280 Abs. 1, 249, 257 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) zu bewerten.
Der auf Freistellung von den Gebühren gerichtete Schadensersatzanspruch (§ 257 S. 1 BGB) folgt unmittelbar aus § 280 Abs. 1 BGB; auf eine vorangehende Inverzugsetzung kam es nicht an (AG Bremen, Urteil vom 12.06.2014 – 9 C 72/14 –).
Im Übrigen war die beklagte Fluggesellschaft vorliegend vom Kläger gemahnt worden und befand sich im Zeitpunkt der Mandatierung – nach Ablauf der Prüfungsfrist – auch im Zahlungsverzug.

Die erstattungsfähigen Rechtsanwaltsgebühren waren vorliegend auf Basis eines Streitwerts von 250,00 € zu beziffern. Gemäß dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in der Fassung ab dem 01.08.2013 (§§ 2 II, 13, 33 RVG i.V.m. VV 2300, 7002) ist die vorgerichtliche Leistung des Klägervertreter mit einer 1,3 Geschäftsgebühr inkl. Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer in Höhe von 83,54 € zu vergüten.

Der Erstattungsanspruch entfiel, wie das AG Bremen ausführte, auch nicht unter dem Gesichtspunkt der gegebenenfalls im ausschließlichen Interesse der Klägervertreter erfolgten Gebührenmaximierung (§ 254 BGB bzw. fehlender Zurechnungszusammenhang).
Zwar ist anerkannt, dass der Gebührenerstattungsanspruch bei erkennbarer Zahlungsunwilligkeit des Schuldners im Einzelfall entfallen kann (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 26.02.2013 – XI ZR 345/10 –; OLG Hamm, Beschluss vom 31.10.2005 – 24 W 23/05 –).
Ein solcher Ausnahmefall war vorliegend jedoch nicht gegeben. Insbesondere war der Kläger aufgrund der Schadensminderungspflicht nicht gehalten, seinem Prozessbevollmächtigten sogleich einen unbedingten Klageauftrag zu erteilen (a.A. für vergleichbaren Sachverhalt: AG Simmern/Hunsrück, Urteil vom 24.02.2014 – 32 C 935/13 –; AG Eilenburg, Urteil vom 08.05.2014 – 2 C 315/14 –; AG Lübeck, Urteil vom 05.06.2014 – 31 C 929/14 –; AG Geldern, Urteil vom 07.06.2014 – 17 C 229/14 –; AG Memmingen, Urteil vom 16.06.2014 – 11 C 445/14 –). Denn der geltend gemachte Anspruch war von der Beklagten nicht kategorisch zurückgewiesen worden.
Der Kläger durfte daher erwarten, dass die erfolgreich auf dem europäischen Markt agierende Fluggesellschaft seinen evident berechtigten Anspruch zumindest nach Anwaltsschreiben prüfen und sodann Ausgleichszahlung leisten werde.
Ein Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Anwaltskosten bestünde nur dann nicht, wenn die Fluggesellschaft – zulasten ihrer Außendarstellung – vor Beauftragung des Rechtsanwalts unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hätte, dass sie auch auf anwaltliche Mahnschreiben vorgerichtlich keine Zahlungen leisten werde. Eine solche ernsthafte und endgültige Erfüllungsverweigerung lag zum Zeitpunkt der Mandatierung aber nicht vor.

Auch wenn der Kläger hier vor der Beauftragung des Rechtsanwalts eine Inkassobüro eingeschaltet hatte sind die vorgerichtlichen Anwaltskosten erstattungsfähig. Denn ausgeschlossen ist nur eine doppelte Gebührenerstattung. Nicht erstattungsfähig sind im Zweifel dann die vorangehenden Inkassokosten, weil der Gläubiger sogleich einen Rechtsanwalt hätte beauftragen können.
Die Ansicht, die Fluggesellschaften mitunter vertreten, nämlich,

  • dass vorgerichtliche Anwaltskosten nicht nur ohne vorangehende Inverzugsetzung nicht erstattungserstattungsfähig sind,
  • sondern, wegen Verstoßes gegen die Schadensminderungsobliegenheit auch dann nicht, wenn der Fluggast vor der Mandatierung des Rechtsanwalts die Fluggesellschaft durch ein Inkassobüro hat mahnen lassen oder vor Einschaltung des Rechtsanwalts selbst ergebnislos gemahnt hat,

teilt das AG Bremen deshalb nicht, weil ein schlecht beförderter Fluggast danach niemals vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten geltend machen könnte. Gerade gegenüber Fluggesellschaften bedürfen die Fluggäste jedoch professioneller Unterstützung. 

 

Reisebüro muss vor Entgegennahme des Reisepreises Insolvenzsicherung für einen Reiseveranstalter aus der EU nachweisen.

Ein Reisvermittler hat gemäß § 651k Abs. 4 i. V. m. Abs. 5 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auch dann, wenn der Reiseveranstalter seinen Sitz in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union hat, das Bestehen einer für den Insolvenzfall greifenden Kundengeldabsicherung nachzuweisen, bevor er den Reisepreis entgegen nimmt.

Darauf hat der für das Reiserecht zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in zwei Urteilen vom 25.11.2014 – X ZR 106/13 – und – X ZR 105/13 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatten die Kläger

  • über die Beklagte, die als Internet-Reisebüro tätig ist, bei einem niederländischen Reiseveranstalter eine viertägige Flusskreuzfahrt gebucht und
  • nach Erhalt der Rechnung und Reisebestätigung sowie Vorlage eines als Sicherungsschein bezeichneten Dokuments eines niederländischen Kundengeldabsicherers in Kopie, den auf sie entfallenden Reisepreis an die Beklagte gezahlt.

Da wegen finanzieller Schwierigkeiten des niederländischen Reiseveranstalters die Kreuzfahrt nicht stattfand, der Reiseveranstalter, der später Insolvenz anmeldete, den Reisepreis nicht zurückzahlte und der niederländische Kundengeldabsicherer eine Erstattung des Reisepreises mit der Begründung ablehnte, dass seine Haftung auf die auf dem niederländischen Markt angebotenen und abgeschlossenen Reisen beschränkt sei, wozu die Reise der Kläger nicht zähle, verlangten die Kläger von der Beklagten Rückzahlung des  Reisepreises.

Das Amtsgericht (AG) gab der Klage statt, Berufung und Revision der Beklagten blieben ohne Erfolg.

Nach der Entscheidung des X. Zivilsenats des BGH hat ein Reisevermittler wie die Beklagte gemäß § 651k Abs. 4 i.V.m. Abs. 5 Satz 2 BGB auch hinsichtlich eines im EU-Ausland ansässigen Reiseveranstalter das Bestehen einer für den Insolvenzfall greifenden Kundengeldabsicherung nachzuweisen, bevor er den Reisepreis entgegen nimmt.
Zwar muss der Reisevermittler in diesem Fall keinen Sicherungsschein vorlegen, wie er von inländischen Reiseveranstaltern gefordert wird.
Gleichwohl muss sich der Nachweis für einen im EU-Ausland ansässigen Reiseveranstalter aber auf die konkreten Reisenden und die von ihnen gebuchten Reise beziehen. Die Wiedergabe einer dahingehenden Erklärung des Reiseveranstalters reicht dafür nicht aus.
Diese Anforderungen hatte die Beklagte im Streitfall nicht erfüllt.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 25.11.2014 – Nr. 174/2014 – mitgeteilt.