Tag Rückschaupflicht

LG Köln entscheidet wann bei einem Unfall der Beweis des ersten Anscheins gegen den Linksabbieger spricht

Mit Urteil vom 08.02.2017 – 9 S 157/16 – hat die 9. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Köln entschieden, dass, wenn es zu einer Kollision zwischen einem nach links abbiegenden Kraftfahrzeug und

  • dem durchgehenden oder
  • dem nachfolgenden Verkehr kommt,

jeweils der Beweis des ersten Anscheins zunächst gegen den Linksabbieger spricht,

  • der diesen gegen ihn sprechenden Anscheinsbeweis entkräften muss.

Bei einer Kollision mit einem ihn links überholenden Fahrzeug, ist, so die Kammer, nach der allgemeinen Lebenserfahrung nämlich davon auszugehen, dass der Linksabbieger die ihn nach § 9 Abs. 1 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) treffenden Pflichten nicht erfüllt hat (so auch Kammergericht (KG) Berlin, Beschluss vom 10.09.2009 – 12 U 216/08 – sowie LG Saarbrücken, Urteil vom 24.01.2014 – 13 S 168/13 –; anderer Ansicht Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Urteil vom 23.06.2015 –1 U 107/14 –).

  • Zum einen ist davon auszugehen, dass der nachfolgende Verkehr nicht zu einem Überholmanöver angesetzt hätte, wenn der Linksabbieger seine Abbiegeabsicht ordnungsgemäß und rechtzeitig angezeigt hätte.
  • Zum anderen ist davon auszugehen, dass es nicht zum Unfall gekommen wäre, wenn der Linksabbieger seiner doppelten Rückschaupflicht nachgekommen wäre.
    Denn in diesem Fall hätte ihm die Überholabsicht des nachfolgenden Verkehrs regelmäßig rechtzeitig auffallen müssen.

Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn der Überholende dem Linksabbieger nicht unmittelbar gefolgt war, sondern eine kleine Kolonne – zwei Fahrzeuge sind hierfür ausreichend – in einem Zuge überholt und dann mit einem aus der Kolonne ausscherenden Fahrzeug kollidiert ist.

Beim Befahren einer Autobahnabfahrt mit Gabelung – Wer muss sich wann wie verhalten und wer haftet im Falle eines Unfalls?

Gabelt sich eine Straße ohne vorfahrtsregelnde Verkehrszeichen in zwei Schenkel und

  • ist ein Straßenschenkel nach vernünftiger Verkehrsauffassung als Fortsetzung der bisherigen Fahrtrichtung anzusehen,
    • stellt das Befahren dieses Schenkels keine Änderung der Fahrtrichtung dar,
    • so dass nur der Kraftfahrer, der den anderen Schenkel befährt, seine Fahrtrichtung ändert und sich entsprechend zu verhalten hat,
  • während, wenn keiner der Schenkel deutlich als Fortsetzung der bisherigen Straße zu erkennen ist,
    • jeder Fahrzeugführer beim Einfahren in einen der beiden Schenkel seine Fahrtrichtung ändert, er dementsprechend dies als Abbiegen gemäß § 9 Abs. 1 der Straßenverkehrsordnung (StVO) unter Benutzung der Fahrtrichtungsanzeiger und durch ein Sicheinordnen anzukündigen sowie – der StVO entsprechend – auf den nachfolgenden Verkehr zu achten hat.

Darauf sowie dass, wenn sich die Abfahrt einer Bundesautobahn im weiteren Straßenverlauf ohne vorfahrtsregelnde Verkehrszeichen in zwei Schenkel gabelt,

  • von denen keiner deutlich als Fortsetzung der bisherigen Straße zu erkennen ist

und es im Bereich dieser Gabelung zu einer streifenden Kollision zwischen zwei Fahrzeugen kommt, weil

  • der Fahrer des einen Fahrzeugs zum rechtsseitigen Vorbeifahren des vorausfahrenden anderen Fahrzeugs angesetzt hatte,
  • während der Fahrer des vorausfahrenden Fahrzeugs ebenfalls diesen Schenkel der Gabelung ansteuerte,

eine hälftige Haftung beider Beteiligten für den Unfallschaden dann in Betracht kommt, wenn

  • der Vorausfahrer seiner Rückschaupflicht nicht genügt, d.h. beim Abbiegen in den rechten Fahrbahnschenkel nicht ausreichend auf den rückwärtigen Verkehr geachtet und
  • der Nachfahrer verkehrswidrig rechts zu überholen versucht hat, was dann der Fall ist, wenn der Vorausfahrer seine Absicht, nach links abzubiegen, weder angekündigt, noch sich entsprechend eingeordnet hatte (vgl. § 5 Abs. 7 StVO),

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 03.06.2016 – 7 U 14/16 – hingewiesen.