Tag Strafrecht

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Zustellung eines Strafbefehls oder Bußgeldbescheids in Abwesenheit.

Wird einem Betroffenen während einer vorübergehenden Abwesenheit von seiner ständigen Wohnung ein Strafbefehl oder Bußgeldbescheid zugestellt und versäumt er aus Unkenntnis dieser Zustellung die Einspruchsfrist, darf ihm eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht deswegen versagt werden, weil er keine besonderen Vorkehrungen wegen der möglichen Zustellung eines Bußgeldbescheids oder Strafbefehls getroffen hat.
Vielmehr muss einem Betroffenen, wenn ihm kein anderes Verschulden trifft, in einem solchen Fall nach § 44 Satz 1 StPO (Strafprozessordnung) Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist gewährt werden. Das gilt auch dann, wenn er weiß, dass gegen ihn ein Ermittlungs- bzw. Bußgeldverfahren anhängig ist, oder er als Beschuldigter oder Betroffener vernommen ist. Entscheidend ist allein, dass die Abwesenheit eine nur vorübergehende und relativ kurzfristige – längstens etwa sechs Wochen – von einer sonst ständig benutzten Wohnung ist.

Das hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 18.10.2012 – 2 BvR 2776/10 – entschieden.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Fahrverbot – Kann von der Verhängung wegen Zeitablaufs zwischen Tat und Hauptverhandlung abgesehen werden?

Nach § 44 Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB ) bzw. § 25 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) kann, unter den in diesen Vorschriften genannten Voraussetzungen, das Gericht, neben einer Verurteilung zu einer Strafe oder Geldbuße, einem Angeklagten bzw. Betroffenen für die Dauer von einem Monat bis zu drei Monaten verbieten im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art zu führen.

Ein solches Fahrverbot ist als Denkzettel für nachlässige und leichtsinnige Kraftfahrer vorgesehen, um den Täter vor einem Rückfall zu warnen und ihm ein Gefühl für den zeitweisen Verlust des Führerscheins und den Verzicht auf die aktive Teilnahme am Straßenverkehr zu vermitteln. Diese Warnungs- und Besinnungsfunktion kann das Fahrverbot – auch im Hinblick auf seinen Strafcharakter – aber nur dann erfüllen, wenn es sich in einem angemessenen zeitlichen Abstand zur Tat auf den Täter auswirkt. Eine Fahrverbotsverhängung, die sich nach allgemeinen Strafzumessungserwägungen richtet, kommt nach einhelliger Ansicht jedenfalls für sehr lange zurückliegende Taten nicht mehr in Betracht.
Liegen zwischen der Tat und der letzten tatrichterlichen Hauptverhandlung mehr als zwei Jahre kann das Fahrverbot gewöhnlich seinen spezialpräventiven Charakter nicht mehr entfalten.
Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn besonderen Umstände für die Annahme vorliegen, dass zu einer nach wie vor erforderlichen erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten bzw. Betroffenen die Verhängung eines Fahrverbots neben der Hauptstrafe unbedingt erforderlich ist oder der erhebliche Zeitablauf zwischen Tat und Verhängung des Fahrverbots dem Angeklagten bzw. Betroffenen in vorwerfbarer Weise anzulasten ist.
Dabei ist das Ausschöpfen von Rechtsmitteln und anderen strafprozessualen Rechten durch einen Angeklagten bzw. Betroffenen in der Regel nicht als unlauter anzusehen.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit Beschluss vom 24.07.2012 – III-2 RVs 37/12 – hingewiesen.

Beachte aber:
Ist es zu einem weiteren verkehrswidrigen Verhalten in der Zwischenzeit gekommen, kann dies ein besonderer Umstand für die Annahme sein, dass zur erzieherischen Einwirkung auf den Angeklagten bzw. Betroffenen die Verhängung eines Fahrverbots neben der Hauptstrafe nach wie vor unbedingt erforderlich ist.

 

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Fahren oder nicht fahren? – Wie berechnet man den Grad der Blutalkoholkonzentration?

Wie errechnet man bei sich aus der Menge des getrunkenen Alkohols die maximal mögliche Blutalkoholkonzentration (BAK) in Promille?

Schritt 1:
Zunächst errechnet man die Gramm Alkohol, die in der getrunkenen Alkoholmenge enthalten sind. Dazu multipliziert man den Alkoholgehalt des Getränks, der auf der Flasche in Volumenprozent (Vol.%) angegeben ist, mit 0,79. Auf diese Weise erhält man die Gramm Alkohol, die in 100 Milliliter des Getränks enthalten sind und kann damit ausrechnen, wie viel Gramm Alkohol in der insgesamt konsumierten Alkoholmenge enthalten waren.

Fallbeispiel hierzu:

  • Getrunken worden sind 2 halbe Liter Bier, 1 viertel Liter Weißwein und 1 einfacher Schnaps.
  • Das getrunkene Bier hatte laut Angabe auf der Flasche 4,8 Vol. %.  4,8 multipliziert mit 0,79 ergibt 3,79.  Das bedeutet, in 100 Milliliter des getrunkenen Biers sind 3,79 Gramm Alkohol enthalten. 1 halber Liter Bier, das sind 500 Milliliter, enthält also 18,95 Gramm Alkohol (= 3,79 Gramm Alkohol multipliziert mit 5) und  2 halbe Liter Bier enthalten somit 37,9 Gramm Alkohol (= 18,95 Gramm Alkohol multipliziert mit 2).
  • Der getrunkene Weißwein hatte laut Angabe auf der Flasche 11 Vol.%.  11 multipliziert mit 0,79 ergibt 8,69.  Das bedeutet, in 100 Milliliter des getrunkenen Weins sind 8,69 Gramm Alkohol enthalten. 1 viertel Liter Wein, das sind 250 Milliliter, enthält also 21,72 Gramm Alkohol (= 8,69 Gramm Alkohol multipliziert mit 2,5).
  • Der getrunkene Schnaps hatte laut Angabe auf der Flasche 40 Vol %.  40 multipliziert mit 0,79 ergibt 31,6.  Das bedeutet, in 100 Milligramm des getrunkenen Schnapses sind 31,6 Gramm Alkohol enthalten. 1 einfacher Schnaps (= 20 Milliliter) enthält also 6,32 Gramm Alkohol (= 31,6 Gramm Alkohol geteilt durch 5).

Insgesamt sind somit 65,94 Gramm Alkohol (= 37,9 Gramm plus 21,72 Gramm plus 6,32 Gramm) getrunken worden.

 

Schritt 2:
Nachdem man die konsumierte Menge Alkohol in Gramm errechnet hat, muss man sein reduziertes Körpergewicht in Kilogramm bestimmen. Dazu wird das Körpergewicht in Kilogramm multipliziert,

  • mit 0,7 wenn man ein Mann ist und
  • mit 0,6, wenn man eine Frau ist.

Fallbeispiel hierzu:
Das reduzierte Körpergewicht beträgt,

  • bei einem 80 Kilogramm schweren Mann 56 Kilogramm (= 80 multipliziert mit 0,7) und
  • bei einer 55 Kilogramm schweren Frau 33 Kilogramm (= 55 multipliziert mit 0,6).

Schritt 3:
Teilt man jetzt die konsumierte Menge Alkohol in Gramm (vgl. Schritt 1) durch das reduzierte Körpergewicht (vgl. Schritt 2), erhält man den sich daraus ergebenden Promillewert (= Widmark-Formel).

Fallbeispiel:
Legt man die obigen Fallbeispielswerte unter Schritt 1 und Schritt 2 zugrunde, ergibt sich bei der konsumierten Alkoholmenge von 65,94 Gramm,

  • für einen 80 Kilogramm schweren Mann ein Wert von 1,17 Promille (= 65,94 Gramm Alkohol geteilt durch das reduzierte Körpergewicht von 56 Kilogramm) und
  • für eine 55 Kilogramm schwere Frau ein Wert von 1,99 Promille (= 65,94 Gramm Alkohol geteilt durch das reduzierte Körpergewicht von 33 Kilogramm).

 

Schritt 4:
Von dem in Schritt 3 ermittelten jeweiligen Promillewert sind nunmehr noch abzuziehen,

  • die Alkoholmenge, die abgebaut wird, bevor sie in den Blutkreislauf gelangt (= das sogenannte Resorptionsdefizit) und
  • der Alkohol, den der Körper seit Beginn der Alkoholaufnahme (= Trinkbeginn) bereits wieder abgebaut hat.

Da diese Werte unterschiedlich hoch sein können – das sogenannte Resorptionsdefizit kann zwischen 10 % und 30 %, der stündliche Alkoholabbau zwischen 0,1 Promille sowie maximal 0,29 Promille betragen – und die individuellen Werte nicht feststellbar sind, muss man sich an dieser Stelle entscheiden, ob man

  • seine theoretisch höchstmögliche BAK oder
  • seine Mindest-BAK

errechnen will.

Will man seine theoretisch höchstmögliche BAK errechnen, muss man von dem unter Schritt 3 ermittelten Promillewert als Resorptionsdefizit 10 % abziehen und als Abbauwert pro Stunde 0,1 Promille von Trinkbeginn an.

Berechnungsbeispiel hierzu:
Legt man die im Schritt 3 ermittelten Promillewerte zugrunde (1,17 Promille bei dem Mann und 1,99 Promille bei der Frau) und lag der Trinkbeginn 3 Stunden zurück, ergäbe dies,

  • bei dem Mann, ausgehend von 1,17 Promille, abzüglich des Resorptionsdefizits von 10 % hiervon (= 0,11 Promille) zunächst ein Wert von 1,06 Promille (= 1,17 Promille abzüglich 0,11 Promille) und abzüglich eines Mindestabbauwertes von stündlich 0,1 Promille ab Trinkbeginn (= 0,3 Promille für die 3 Stunden) letztlich eine theoretisch höchstmögliche BAK von 0,76 Promille.
  • bei der Frau, ausgehend von 1,99 Promille, abzüglich des Resorptionsdefizits von 10 % hiervon (= 0,19 Promille) zunächst ein Wert von 1,80 Promille (= 1,99 Promille abzüglich 0,19 Promille) und abzüglich eines Mindestabbauwertes von stündlich 0,1 Promille ab Trinkbeginn (= 0,3 Promille für die 3 Stunden) letztlich eine theoretisch höchstmögliche BAK von 1,50 Promille.

Will man dagegen seine Mindest-BAK errechnen, muss man von dem unter Schritt 3 ermittelten Promillewert als Resorptionsdefizit 30 % abziehen und als Abbauwert pro Stunde 0,2 Promille von Trinkbeginn an sowie als einmaligen Sicherheitszuschlag (nochmals) 0,2 Promille.

Berechnungsbeispiel hierzu:
Legt man die im Schritt 3 ermittelten Promillewerte zugrunde (1,17 Promille bei dem Mann und 1,99 Promille bei der Frau) und lag der Trinkbeginn 3 Stunden zurück, ergäbe dies,

  • bei dem Mann, ausgehend von 1,17 Promille, abzüglich des Resorptionsdefizits von 30 % hiervon (= 0,35 Promille) zunächst ein Wert von 0,82 Promille (= 1,17 Promille abzüglich 0,35 Promille) sowie abzüglich eines Abbauwertes von stündlich 0,2 Promille ab Trinkbeginn (= 0,6 Promille für die 3 Stunden) ein Wert von 0,22 Promille und abzüglich eines einmaligen Sicherheitszuschlages von 0,2 Promille hiervon, eine Mindest-BAK von 0,02 Promille.
  • bei der Frau, ausgehend von 1,99 Promille, abzüglich des Resorptionsdefizits von 30 % hiervon (= 0,59 Promille) zunächst ein Wert von 1,40 Promille (= 1,99 Promille abzüglich 0,59 Promille) sowie abzüglich eines Abbauwertes von stündlich 0,2 Promille ab Trinkbeginn (= 0,6 Promille für die 3 Stunden) ein Wert von 0,80 Promille und abzüglich eines einmaligen Sicherheitszuschlages von 0,2 Promille hiervon, eine Mindest-BAK von 0,60 Promille.

Das Ergebnis des Fallbeispiels zeigt:

  • Die BAK eines 80 Kilogramm schweren Mann, der 2 halbe Liter Bier, 1 viertel Liter Weißwein und 1 einfachen Schnaps getrunken hat, beträgt 3 Stunden nach Trinkbeginn noch mindestens 0,02 Promille, kann aber auch noch 0,76 Promille betragen.
  • Die BAK einer 55 Kilogramm schweren Frau, die dieselbe Menge Alkohol getrunken hat, beträgt 3 Stunden nach Trinkbeginn dagegen noch mindestens 0,60 Promille und kann auch noch 1,50 Promille betragen.

Link zum Promillerechner der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung:
http://www.kenn-dein-limit.de/selbst-tests/promillerechner/

 

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Betäubungsmittelabhängigkeit: Unter welchen Voraussetzungen kommt eine erhebliche Verminderung oder Aufhebung der Schuldfähigkeit in Betracht?

Die bloße Abhängigkeit von Drogen kann zwar eine (schwere) andere seelische Abartigkeit sein, soweit sie nicht wegen körperlicher Abhängigkeit zu den krankhaft seelischen Störungen gehört (exogene Psychosen) und damit eines der psychopathologischen Eingangsmerkmale des § 20 StGB erfüllen.
Die bloße Abhängigkeit beeinflusst für sich genommen die Steuerungsfähigkeit jedoch nicht.
Dies ist erst dann in Erwägung zu ziehen, wenn langjähriger Betäubungsmittelmissbrauch zu schwersten Persönlichkeitsveränderungen geführt hat. In diesen Fällen liegen regelmäßig zugleich ein organischer Befund und eine krankhafte seelische Störung vor.
Möglich sind ein Ausschluss oder eine erhebliche Verminderung der Steuerungsfähigkeit aber auch, wenn der Täter die Straftat in einem akuten (Drogen)Rausch verübt hat.
Schwere Entzugserscheinungen können die Steuerungsfähigkeit bei Beschaffungsdelikten nur in seltenen Ausnahmefällen, z. B. in Kombination mit Persönlichkeitsveränderungen, aufheben.
Entzugserscheinungen, welche erst bevorstehen, können mitunter den Drang zur Beschaffungskriminalität übermächtig werden lassen, wenn die Angst des Täters vor Entzugserscheinungen, die er schon als äußerst unangenehm („grausamst“) erlitten hat und die er als nahe bevorstehend einschätzt, sein Hemmungsvermögen erheblich vermindert. Dies kann dann insbesondere bei Heroinkonsum die Voraussetzungen des § 21 StGB begründen, ist jedoch trotz der bei den verschiedenen Drogen unterschiedlichen Entzugsfolgen auch bei Kokain- und Amphetaminabhängigkeit nicht von vorneherein völlig ausgeschlossen.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 17.04.2012 – 1 StR 15/12 – hingewiesen.

 

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Strafrecht – Bedeutung der errechneten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit bei der Beurteilung der strafrechtlichen Schuldfähigkeit eines Täters.

Die strafrechtliche Verantwortlichkeit eines Täters, dessen errechnete maximale Blutalkoholkonzentration (BAK) zur Tatzeit 3,03 Promille betragen hat, muss auf Grund des Alkoholkonsums nicht erheblich i. S. von § 21 StGB (Strafgesetzbuch) vermindert gewesen sein.

Darauf hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Beschluss vom 29.05.2012 – 1 StR 59/12 – hingewiesen und hierzu ausgeführt:

Eine BAK in der errechneten Höhe gibt für den Tatrichter Anlass zur Prüfung einer krankhaften seelischen Störung durch einen akuten Alkoholrausch; die Möglichkeit von Schuldunfähigkeit oder erheblich verminderter Schuldfähigkeit ist dann grundsätzlich zu erörtern. Einen Rechts- oder Erfahrungssatz, der es gebietet, ohne Rücksicht auf die im konkreten Fall feststellbaren psychodiagnostischen Kriterien ab einer bestimmten Höhe der BAK regelmäßig von zumindest „bei Begehung der Tat“ erheblich verminderter Schuldfähigkeit auszugehen, gibt es aber nach der zwischenzeitlich gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht.
Vielmehr ist für die Beurteilung der Schuldfähigkeit eine Gesamtschau aller wesentlichen objektiven und subjektiven Umstände maßgeblich, die sich auf das Erscheinungsbild des Täters vor, während und nach der Tat beziehen.
Dabei kann die BAK ein je nach den Umständen des Einzelfalls sogar gewichtiges, aber keinesfalls allein maßgebliches Beweisanzeichen (Indiz) sein.
Welcher Beweiswert der BAK (die weniger zur Auswirkung des Alkohols, als lediglich zu dessen wirksam aufgenommener Menge aussagt) im Verhältnis zu anderen psychodiagnostischen Beweisanzeichen beizumessen ist, lässt sich nicht schematisch beantworten. Er ist umso geringer, je mehr sonstige aussagekräftige psychodiagnostische Kriterien zur Verfügung stehen. So können die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit bei Tatbegehung auch bei einer BAK schon von unter 2 ‰ begründen, umgekehrt eine solche selbst bei errechneten Maximalwerten von über 3 ‰ auch ausschließen.

Ergänzender Hinweis dazu:
War ein Täter bei der Tatbegehung alkoholisiert oder ist dies nicht auszuschließen, muss der Tatrichter, sofern möglich, grundsätzlich die BAK zur Tatzeit errechnen.
Nach ständiger Rechtsprechung ist bei einem erwachsenen normalen Alkoholkonsumenten bei einer zur Tatzeit nicht ausschließbare BAK von 2 Promille an aufwärts, bei schweren Gewalthandlungen gegen Leib und Leben Anderer, bei denen es eine höhere Hemmschwelle zu überwinden gilt, ab 2,2 Promille stets die Möglichkeit von erheblich verminderter Schuldfähigkeit (§ 21 StGB ) und ab 3 Promille die Möglichkeit von Schuldunfähigkeit (§ 20 StGB ) zu erörtern und zu prüfen. Ein Urteil, das in derartigen Fällen keine Feststellungen dazu enthält, hat in der Regel in der Revision keinen Bestand.

 

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Strafrecht – Einem einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat Verdächtigen ist bei Beginn der ersten Maßnahme, die der Identitätsfeststellung dient, zu eröffnen, welcher Ordnungswidrigkeit oder Straftat er verdächtig ist.

Nach § 163a Abs. 4 Satz 1 StPO (Strafprozessordnung) ist einem Beschuldigten bei der ersten Vernehmung durch Beamte des Polizeidienstes zu eröffnen, welche Tat ihm zur Last gelegt wird.
Diese Vorschrift gilt entsprechend (§ 163 b Abs. 1 Satz 1 HS 2 StPO) im Fall des § 163b Abs. 1 Satz 1 HS 1 StPO. Danach können Beamte des Polizeidienstes die zur Feststellung der Identität einer Person, die der Begehung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit (§ 46 Abs. 1 OWiG ) verdächtig ist, erforderlichen Maßnahmen treffen. Nach § 163b Abs. 1 Satz 2 StPO darf der Verdächtige hierzu auch festgehalten werden, wenn die Identität sonst nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann.

Aus der von § 163b Abs. 1 Satz 1 HS 2 StPO angeordneten entsprechenden Geltung des § 163a Abs. 4 Satz 1 StPO folgt, wie das Oberlandesgericht (OLG) Hamm mit Beschluss vom 10.05.2012 – III-3 RVs 33/12 – entschieden hat, dass, wenn Polizeibeamte beabsichtigen, bei jemand die Personalien festzustellen, um gegen ihn ein Bußgeld- oder Strafverfahren durchführen zu können, sie ihm, bei Beginn der ersten Maßnahme, die der Identitätsfeststellung dient, eröffnen müssen, welcher Ordnungswidrigkeit oder Straftat er verdächtig ist.
Diese Belehrungspflicht stellt eine wesentliche Förmlichkeit dar, deren Nichtbeachtung die Diensthandlung zur Identitätsfeststellung, gegen die sich der von ihr Betroffene zur Wehr setzt, nach § 113 Abs. 3 Satz 1 StGB (Strafgesetzbuch) unrechtmäßig macht, so dass eine Bestrafung wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte nicht in Betracht kommt.
Ausnahmsweise abgesehen werden darf von der Belehrung nur dann, wenn der Grund für die Personalienfeststellung für den Betroffenen offensichtlich ist oder die Belehrung den Vollstreckungszweck gefährdet.

 

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Strafverfahren – Fernmündlicher Verkehr eines Untersuchungsgefangenen mit seinem Verteidiger.

Beantragt ein Verteidiger zur Erörterung verteidigungsrelevanter Fragen die Genehmigung für ein fernmündliches Gespräche mit seinem in Untersuchungshaft befindlichen Mandanten und wird dies – ohne jede Auseinandersetzung mit den Vorgaben des § 148 Strafprozessordnung (StPO) – mit der Begründung abgelehnt, Telefongespräche zwischen Gefangenen und ihren Verteidigern seien allgemein nur unter Überwachung zuzulassen und daher wegen des damit verbundenen organisatorischen und personellen Aufwandes nur bei Vorliegen eines hier nicht ersichtlichen wichtigen Grundes genehmigungsfähig, verletzt diese Entscheidung den Beschuldigten in seinem Grundrecht auf ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Rechtsstaatsprinzip.

Darauf hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Kammerbeschluss vom 07.03.2012 – 2 BvR 988/10 – hingewiesen und hierzu u. a. ausgeführt:

Der Gesetzgeber hat das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren mit § 148 Abs. 1 StPO dahingehend konkretisiert, dass auch dem inhaftierten Beschuldigten schriftlicher und mündlicher Verkehr mit dem Verteidiger gestattet ist. Eine – eng auszulegende – Ausnahme sieht § 148 Abs. 2 StPO lediglich für Fälle des dringenden Verdachts einer Straftat nach § 129a StGB, auch in Verbindung mit § 129b StGB, vor. Unabhängig von der Frage, inwieweit dies Beschränkungen der Häufigkeit telefonischer Kontaktaufnahmen zwischen einem Beschuldigten und seinem Verteidiger aus Gründen der Anstaltsordnung zulässt, ist danach für die nicht von § 148 Abs. 2 StPO erfassten Fälle jedenfalls eine Überwachung stattfindender Telefonate zwischen einem Beschuldigten und seinem nicht selbst tat- oder teilnahmeverdächtigten Verteidiger ausgeschlossen.

 

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Strafverfahren – Was Opfer von Straftaten wissen sollten – Möglichkeiten und Rechte!

Welche Möglichkeiten haben durch eine Straftat Verletzte ganz allgemein?
Ganz wichtig ist, dass ein Rechtsanwalt für sie die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der öffentlichen Klage vorzulegen wären, einsehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke besichtigen kann (406e StPO).

Ferner können sie, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen,

  • sich der erhobenen öffentlichen Klage mit der Nebenklage anschließen und beantragen, dass ihnen ein anwaltlicher Beistand bestellt oder für dessen Hinzuziehung Prozesskostenhilfe bewilligt wird (§ 406h Satz 1 Nr. 1 StPO);
  • einen ihnen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch im Strafverfahren geltend machen (§ 406h Satz 1 Nr. 2 StPO);
  • nach Maßgabe des Opferentschädigungsgesetzes einen Versorgungsanspruch geltend machen (§ 406h Satz 1 Nr. 3 StPO);
  • nach Maßgabe des Gewaltschutzgesetzes den Erlass von Anordnungen gegen den Beschuldigten beantragen (§ 406h Satz 1 Nr. 4 StPO);
  • Unterstützung und Hilfe durch Opferhilfeeinrichtungen erhalten, etwa in Form einer Beratung oder einer psychosozialen Prozessbegleitung (§ 406h Satz 1 Nr. 5 StPO);
  • verlangen, bei ihrer Vernehmung einer zur Vernehmung erschienenen Person ihres Vertrauens die Anwesenheit zu gestatten (§ 406f Abs. 2 StPO);
  • beantragen, dass ihnen, soweit es sie betrifft, mitgeteilt wird,
    die Einstellung des Verfahrens und der Ausgang des gerichtlichen Verfahrens (§ 406d Abs. 1 StPO);

    • ob dem Verurteilten die Weisung erteilt worden ist, zu dem Verletzten keinen Kontakt aufzunehmen oder mit ihm nicht zu verkehren (406d Abs. 2 Nr. 1 StPO);
    • ob, freiheitsentziehende Maßnahmen gegen den Beschuldigten oder den Verurteilten angeordnet oder beendet oder ob erstmalig Vollzugslockerungen oder Urlaub gewährt werden (406d Abs. 2 Nr. 2 StPO);

Wer kann sich einem Strafverfahren als Nebenkläger anschließen?
Wer durch bestimmte rechtswidrige Taten verletzt ist. Welche Straftaten das sind, ist geregelt

  • in § 395 Abs. 1, 2 und 3 StPO, wenn der Täter zur Tatzeit schon 18 Jahre alt war und
  • in § 80 Abs. 3 JGG, wenn der Täter zur Tatzeit schon 14 Jahre aber noch nicht 18 Jahre alt war (§ 1 Abs. 2 JGG).

Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner von durch eine rechtswidrige Tat Getöteten können sich stets als Nebenkläger dem Strafverfahren anschließen.

Wann wird eine Anschlusserklärung als Nebenkläger wirksam?
Wirksam wird eine Anschlusserklärung als Nebenkläger mit Erhebung der öffentlichen Klage, im Verfahren bei Strafbefehlen, wenn Termin zur Hauptverhandlung anberaumt (§ 408 Abs. 3 Satz 2, § 411 Abs. 1) oder der Antrag auf Erlass eines Strafbefehls abgelehnt worden ist (§ 396 Abs. 1 StPO).

Hat ein Nebenkläger Anspruch darauf, dass ihm ein Rechtsanwalt als Beistand bestellt wird?
Ja, in den in § 397a Abs. 1 StPO aufgeführten Fällen.

Was ist, wenn die Voraussetzungen für die Bestellung eines Rechtsanwalts als Beistand nach § 397a Abs. 1 StPO nicht vorliegen?
In solchen Fällen ist einem Nebenkläger auf seinen Antrag für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen, wenn

  • er seine Interessen selbst nicht ausreichend wahrnehmen kann oder
  • ihm dies nicht zuzumuten ist

(§ 397a Abs. 2 Satz 1 StPO).

Welche Rechte hat ein Nebenkläger?
Der Nebenkläger

  • ist, auch wenn er als Zeuge vernommen werden soll, zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung berechtigt (§ 397 Abs. 1 Satz 1 StPO);
  • ist zur Hauptverhandlung zu laden (§ 397 Abs. 1 Satz 2 StPO);
  • kann sich des Beistands eines Rechtsanwalts bedienen oder sich durch einen solchen vertreten lassen (§ 397 Abs. 2 StPO).

Nach § 397 Abs. 1 StPO steht dem Nebenkläger auch zu,

  • die Befugnis zur Ablehnung eines Richters (§§ 24, 31 StPO) oder Sachverständigen (§ 74 StPO),
  • das Fragerecht (§ 240 Absatz 2 StPO),
  • das Recht zur Beanstandung von Anordnungen des Vorsitzenden (§ 238 Absatz 2 StPO) und von Fragen (§ 242 StPO),
  • das Beweisantragsrecht (§ 244 Absatz 3 bis 6 StPO) sowie
  • das Recht zur Abgabe von Erklärungen (§§ 257, 258 StPO).

Welche Möglichkeiten hat ein Nebenklageberechtigter vor der Erhebung der öffentlichen Klage?
Wenn die Voraussetzungen nach § 397a Abs. 1 oder Abs.2 StPO, unter denen einem Nebenkläger ein Rechtsanwalt als Beistand zu bestellen oder ihm für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, vorliegen, kann ein nach § 395 StPO zum Anschluss mit der Nebenklage Befugter den Antrag auf Bestellung eines Rechtsanwalts bzw. Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts auch schon stellen vor Erhebung der öffentlichen Klage und ohne Erklärung des Anschlusses (§ 406g Abs. 1, Abs. 3 StPO).

Ferner kann in den Fällen des § 397a Abs. 2 StPO auf seinen Antrag einem zum Anschluss als Nebenkläger Berechtigten einstweilen ein Rechtsanwalt als Beistand bestellt werden,

  • wenn dies aus besonderen Gründen geboten ist,
  • die Mitwirkung eines Beistands eilbedürftig ist und
  • die Bewilligung von Prozesskostenhilfe möglich erscheint, eine rechtzeitige Entscheidung hierüber aber nicht zu erwarten ist
    (§ 406g Abs. 4 Satz 1 StPO).

Kann man zivilrechtliche Entschädigungsansprüche auch im Strafverfahren geltend machen?
Einen aus der Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht anderweit gerichtlich anhängig gemacht ist, kann der Verletzte oder sein Erbe gegen den Beschuldigten – sofern es sich um keinen Jugendlichen handelt (§ 81 JGG) – im Strafverfahren geltend machen (vgl. §§ 403, 404 JGG).

Auf Antrag ist einem solchen Antragsteller für dieses sogenannte Adhäsionsverfahren auch Prozesskostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen (§ 404 Abs. 5 Satz 1 StPO i. V. m. §§ 114 Satz 1, 119 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Keine Strafbarkeit von Kassenärzten wegen Bestechlichkeit

Kassenärzte, die von einem Pharma-Unternehmen Vorteile als Gegenleistung für die Verordnung von Arzneimitteln dieses Unternehmens entgegennehmen, machen sich nicht wegen Bestechlichkeit nach § 332 Strafgesetbuch (StGB) strafbar. Auch eine Strafbarkeit wegen Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nach § 299 Abs. 1 StGB scheidet aus. Entsprechend sind auch Mitarbeiter von Pharmaunternehmen, die Ärzten solche Vorteile zuwenden, nicht wegen Bestechung (§ 334 StGB ) oder Bestechung im geschäftlichen Verkehr (§ 299 Abs. 2 StGB ) strafbar. Der niedergelassene, für die vertragsärztliche Versorgung zugelassene Arzt handelt nämlich bei der Wahrnehmung der ihm gemäß § 73 Abs. 2 SGB V übertragenen Aufgaben, insbesondere bei der Verordnung von Arzneimitteln, weder als Amtsträger im Sinne des § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB noch als Beauftragter der gesetzlichen Krankenkassen im Sinne des § 299 StGB.

Das hat der Große Senat für Strafsachen des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 29.03.2012 – GSSt 2/11 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Ausgangsverfahren war eine Pharmareferentin, die Kassenärzten Schecks über einen Gesamtbetrag von etwa 18.000 € übergeben hatte, wegen Bestechung im geschäftlichen Verkehr zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Der Übergabe des Schecks hatte ein als „Verordnungsmanagement“ bezeichnetes Prämiensystem des Pharmaunternehmens zugrunde gelegen. Dieses sah vor, dass Ärzte als Prämie für die Verordnung von Arzneimitteln des betreffenden Unternehmens 5 % des Herstellerabgabepreises erhalten sollten.

Die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen beruht im Wesentlichen auf folgenden Erwägungen:
Die gesetzlichen Krankenkassen sind zwar Stellen öffentlicher Verwaltung im Sinne der Amtsträgerdefinition in § 11 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c StGB. Auch erfüllt das System der gesetzlichen Krankenversicherung als Ganzes eine aus dem Sozialstaatsgrundsatz folgende, in hohem Maße der Allgemeinheit dienende Aufgabe. Die Kassenärzte sind aber nicht dazu bestellt, Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. Der freiberuflich tätige Kassenarzt ist weder Angestellter noch Funktionsträger einer öffentlichen Behörde. Er wird auf Grund der individuellen, freien Auswahl des gesetzlich Versicherten tätig. Sein Verhältnis zu dem Versicherten, der ihn regelmäßig individuell auswählt, wird – ungeachtet der mit der Zulassung verbundenen Verpflichtung zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung – wesentlich von persönlichem Vertrauen und einer Gestaltungsfreiheit gekennzeichnet, die der Bestimmung durch die gesetzlichen Krankenkassen weitgehend entzogen ist. Innerhalb des Behandlungsverhältnisses konkretisiert die Verordnung eines Arzneimittels zwar den gesetzlichen Leistungsanspruch des Versicherten auf Sachleistungen; sie ist aber untrennbarer Bestandteil der ärztlichen Behandlung und vollzieht sich innerhalb des personal geprägten Vertrauensverhältnisses zwischen dem Versicherten und seinem Arzt, der die Verordnung nach seiner aus § 1 BÄO folgenden Verpflichtung auszurichten hat. Die Einbindung des Vertragsarztes in das System öffentlich gelenkter Daseinsfürsorge verleiht der vertragsärztlichen Tätigkeit danach nicht den Charakter hoheitlich gesteuerter Verwaltungsausübung. Dies entspricht auch der zivilrechtlichen Betrachtungsweise.
Dem Kassenarzt fehlt es bei der Verordnung eines Arzneimittels auch an der Beauftragteneigenschaft im Sinne von § 299 Abs. 1 StGB. Gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB V wirken die Leistungserbringer, also auch die Kassenärzte, mit den gesetzlichen Krankenkassen zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung zusammen, begegnen sich nach der darin zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertung also auf einer Ebene der Gleichordnung. Von wenigen Ausnahmen abgesehen sind unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen den Kassenärzten und den Krankenkassen gesetzlich ausgeschlossen. Dem Begriff des Beauftragten ist aber schon vom Wortsinn her die Übernahme einer Aufgabe im Interesse des Auftraggebers immanent, der sich den Beauftragten frei auswählt und ihn bei der Ausübung seiner Tätigkeit anleitet. Es kommt hinzu, dass die Krankenkasse den vom Versicherten frei gewählten Arzt akzeptieren muss. Dieser wird vom Versicherten als „sein“ Arzt wahrgenommen, den er beauftragt hat und dem er sein Vertrauen schenkt. Eine sachgerechte Bewertung der ärztlichen Verordnung vor dem Hintergrund des sozialrechtlichen Regelungsgefüges führt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass der Kassenarzt kein Beauftragter der Krankenkassen ist. Dass die Verordnung von Medikamenten (und Hilfsmitteln) dabei auch Relevanz für die Krankenkasse hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Der Große Senat für Strafsachen hatte nur zu entscheiden, ob korruptives Verhalten von Kassenärzten und Mitarbeitern von Pharmaunternehmen nach dem geltenden Strafrecht strafbar ist. Das war zu verneinen. Darüber zu befinden, ob die Korruption im Gesundheitswesen strafwürdig ist und durch Schaffung entsprechender Straftatbestände eine effektive strafrechtliche Ahndung ermöglicht werden soll, ist Aufgabe des Gesetzgebers.

– Pressemitteilung des BGH vom 22.06.2012 –

§ 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB lautet:
(1) Im Sinne dieses Gesetzes ist
1. …
2. Amtsträger:
wer nach deutschem Recht
a) …
b) …
c) sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder bei einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen;

§ 299 Abs. 1 StGB lautet:
(1) Wer als Angestellter oder Beauftragter eines geschäftlichen Betriebes im geschäftlichen Verkehr einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er einen anderen bei dem Bezug von Waren oder gewerblichen Leistungen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzuge, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Strafverfahren – Wann hat man Anspruch auf einen Pflichtverteidiger?

Wer zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Tat Erwachsener, d. h. schon 21 Jahre alt war, hat Anspruch auf die Bestellung eines Pflichtverteidigers,

  • wenn die Hauptverhandlung im ersten Rechtszug vor dem Oberlandesgericht oder dem Landgericht stattfindet (§ 140 Abs. 1 Nr. 1
StPO);
  • wenn ihm ein Verbrechen zur Last gelegt wird (§ 140 Abs. 1 Nr. 2 StPO);
  • wenn das Verfahren zu einem Berufsverbot (§§ 77, 70a StGB ) führen kann (§ 140 Abs. 1 Nr. 3 StPO)
  • wenn gegen ihn Untersuchungshaft nach den §§ 112, 112a StPO oder einstweilige Unterbringung nach § 126a StPO oder § 275a Abs. 6 StPO vollstreckt wird (§ 140 Abs. 1 Nr. 4 StPO)
  • wenn er sich mindestens drei Monate auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befunden hat und nicht mindestens zwei Wochen vor Beginn der Hauptverhandlung entlassen wird (§ 140 Abs. 1 Nr. 5 StPO);
  • wenn zur Vorbereitung eines Gutachtens über seinen psychischen Zustand seine Unterbringung nach § 81 StPO in Frage kommt (§ 140 Abs. 1 Nr. 6 StPO);
  • wenn ein Sicherungsverfahren durchgeführt wird (§ 140 Abs. 1 Nr. 7 StPO);
  • wenn der bisherige Verteidiger durch eine Entscheidung von der Mitwirkung in dem Verfahren ausgeschlossen ist (§ 140 Abs. 1 Nr. 8 StPO);
  • wenn wegen der Schwere der Tat die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint (§ 140 Abs. 2 StPO);
  • wenn wegen der Schwierigkeit der Sachlage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint (§ 140 Abs. 2 StPO);
  • wenn wegen der Schwierigkeit der Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint (§ 140 Abs. 2 StPO);
  • wenn ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann (§ 140 Abs. 2 StPO);
  • wenn dem von ihm Verletzten nach den §§ 397a StPO und 406g Abs. 3 und 4 StPO ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist (§ 140 Abs. 2 StPO);
  • wenn er hör- oder sprachbehindert ist (§ 140 Abs. 2 StPO);
  • wenn gegen ihn ein beschleunigtes Verfahren durchgeführt wird und eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zu erwarten ist (§ 418 Abs. 4 StPO).

Wer zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Tat Jugendlicher, d. h. schon 14 Jahre, aber noch nicht 18 Jahre alt war (vgl. § 1 Abs. 2 JGG), hat Anspruch auf die Bestellung eines Pflichtverteidigers,

  • wenn einem Erwachsenen ein Verteidiger zu bestellen wäre (§ 68 Nr. 1 JGG i. V. m. § 140 Abs. 1 Nr. 1- 8 oder Abs.2 StPO; siehe oben);
  • wenn dem Erziehungsberechtigten und dem gesetzlichen Vertreter ihre Rechte nach diesem Gesetz entzogen sind (§ 68 Nr. 2 JGG);
  • wenn der Erziehungsberechtigte und der gesetzliche Vertreter nach § 51 Abs. 2 JGG von der Verhandlung ausgeschlossen worden sind und die Beeinträchtigung in der Wahrnehmung ihrer Rechte durch eine nachträgliche Unterrichtung (§ 51 Abs. 4 Satz 2 JGG) nicht hinreichend ausgeglichen werden kann (§ 68 Nr. 3 JGG);
  • wenn zur Vorbereitung eines Gutachtens über seinen Entwicklungsstand (§ 73 JGG) seine Unterbringung in einer Anstalt in Frage kommt (§ 68 Nr. 4 JGG);
  • wenn gegen ihn Untersuchungshaft oder einstweilige Unterbringung gemäß § 126a StPO vollstreckt wird, solange er das achtzehnte Lebensjahr nicht vollendet hat (§ 68 Nr. 5 JGG).

Wer zum Zeitpunkt der ihm vorgeworfenen Tat Heranwachsender, d. h. schon 18 Jahre, aber noch nicht 21 Jahre alt war (vgl. § 1 Abs. 2 JGG), hat Anspruch auf die Bestellung eines Pflichtverteidigers,

  • wenn einem Erwachsenen ein Verteidiger zu bestellen wäre (§§ 109 Abs. 1 Satz 1, 68 Nr. 1 JGG i. V. m. § 140 Abs. 1 Nr. 1- 8 oder Abs.2 StPO; siehe oben);
  • wenn zur Vorbereitung eines Gutachtens über seinen Entwicklungsstand (§ 73 JGG) seine Unterbringung in einer Anstalt in Frage kommt (§§ 109 Abs. 1 Satz 1, 68 Nr. 4 JGG).

Ein Anspruch auf einen Pflichtverteidiger besteht jedoch nicht wenn Sie bereits einen Wahlverteidiger beauftragt haben. Dieser kann das Mandat jedoch niederlegen und beantragen selbst zum Pflichtverteidiger bestellt zu werden.

 

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