Tag Strafrecht

Niemand muss sich im Strafverfahren selbst belasten

Der Grundsatz, dass niemand im Strafverfahren gegen sich selbst auszusagen braucht, insoweit also ein Schweigerecht besteht, ist notwendiger Bestandteil eines fairen Verfahrens.
So steht es einem Angeklagten frei,

  • sich zu äußern oder
  • nicht zur Sache auszusagen (§ 136 Abs. 1 Satz 2, § 243 Abs. 5 Satz 1 Strafprozessordnung (StPO)).

 

Macht ein Angeklagter von seinem Schweigerecht Gebrauch, so darf dies nicht zu seinem Nachteil gewertet werden (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 03.05.2000 – 1 StR 125/00 –).
Der unbefangene Gebrauch dieses Schweigerechts wäre nicht gewährleistet, wenn der Angeklagte die Prüfung und Bewertung der Gründe für sein Aussageverhalten befürchten müsste.

 

Erst recht darf aus dem Zeitpunkt, zu dem ein Verteidiger einen Beweisantrag anbringt, nichts zum Nachteil des bis dahin schweigenden Angeklagten hergeleitet werden.

  • Der Verteidiger ist neben dem Angeklagten selbständig berechtigt, Beweisanträge zu stellen.
    Er kann einen solchen Antrag auch gegen den offenen Widerspruch des Angeklagten vorbringen, der Antrag muss nicht mit der Einlassung des Angeklagten übereinstimmen, die unter Beweis gestellte Behauptung kann auch einem Geständnis des Angeklagten widersprechen.

 

Dementsprechend darf der Antrag des Verteidigers sowie die hierzu abgegebene Begründung oder weitergehende Erläuterung

 

Darauf hat der 3. Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 17.09.2015 – 3 StR 11/15 – hingewiesen.

 

Wenn eine Strafanzeige nicht zum Erweis des behaupteten Vorwurfs führt

Eine Strafanzeige zu erstatten und damit ein gesetzlich geregeltes Verfahren in Gang zu bringen,

  • steht jedem Bürger frei und
  • ein Angezeigter hat auch dann, wenn die Anzeige nicht zum Erweis des behaupteten Vorwurfs führt, gegen einen gutgläubigen Strafanzeigenerstatter grundsätzlich keinen Anspruch auf Ersatz von Rechtsanwaltskosten, die ihm im Ermittlungsverfahren durch die Beauftragung eines Anwalts mit seiner Verteidigung entstanden sind.

 

Denn (nicht wissentlich unwahre oder leichtfertige) Strafanzeigen von Bürgern liegen im allgemeinen Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens sowie an der Aufklärung von Straftaten und da der Rechtsstaat darauf bei der Strafverfolgung auch nicht verzichten kann, wäre es mit den Grundgeboten des Rechtsstaats nicht vereinbar, wenn derjenige, der in gutem Glauben eine Strafanzeige erstattet hat, Nachteile dadurch erleiden würde, dass sich seine Behauptung nach staatsanwaltschaftlicher Prüfung als unrichtig oder nicht aufklärbar erweist.

Wird eine Strafanzeige allerdings wissentlich unwahr oder leichtfertig erstattet,

  • begründet dies ausnahmsweise einen Schadensersatzanspruch i.S. eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs nach § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) in Verbindung mit § 164 Strafgesetzbuch (StGB),
  • so dass in einem solchen Fall ein Betroffener die ihm aufgrund der Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Verteidigung gegen die unberechtigte Strafanzeige entstandenen Kosten vom Anzeigeerstatter ersetzt verlangen kann.

 

Darauf hat das Amtsgericht (AG) Laufen mit Urteil vom 26.10.2015 – 2 C 155/15 – hingewiesen.

 

Auch schuldhaft verursachte Unfälle und deren Folgen sind nicht immer vorhersehbar

Ein Mitverschulden des Unfallgegners kann die Vorhersehbarkeit eines Unfalls und seiner Folgen für den Unfallverursacher ausschließen, wenn das Mitverschulden

  • in einem gänzlich vernunftwidrigen oder
  • außerhalb der Lebenserfahrung liegenden Verhalten besteht.

 

Darauf hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschluss vom 20.08.2015 – 5 RVs 102/15 – hingewiesen.

Kommt es beispielsweise auf einer Kreuzung,

  • wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung des Angeklagten und
  • eines jedenfalls zu Gunsten des Angeklagten nicht auszuschließenden Rotlichtverstoßes des anderen Beteiligten, zu einem Unfall, bei dem dieser tödlich verletzt wird,

 

soll nach der Entscheidung des 5. Strafsenats des OLG Hamm

  • ein entscheidendes Kriterium für die Bewertung sein, ob der Rotlichtverstoß des anderen Unfallbeteiligten als “gänzlich vernunftwidrig“ einzustufen ist, wie lange die Ampel im Zeitpunkt des Verstoßes schon Rotlicht gezeigt hat und
  • zumindest eine vorsätzliche Begehung eines qualifizierten Rotlichtverstoßes bei der gebotenen wertenden Betrachtung als gänzlich vernunftwidriges Verhalten anzusehen sein.

 

Begründet hat der Senat dies damit,

  • dass der sog. qualifizierte Rotlichtverstoß (länger als 1 Sekunde Rot) bereits durch die Bußgeldkatalogverordnung als grobe Pflichtverletzung bewertet wird und
  • ein vorsätzlich begangener Rotlichtverstoß deutlich schwerer wiegt als ein fahrlässiger Verstoß.

 

Da in dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall das Landgericht (LG) den angeklagten Unfallverursacher wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung verurteilt hatte,

  • ohne zu klären, ob der nach dem Grundsatz “in dubio pro reo“ (im Zweifel für den Angeklagten) zugunsten des Angeklagten unterstellte Rotlichtverstoß des Unfallgegners die Vorhersehbarkeit des Unfalls für den Angeklagten ausgeschlossen hat,

 

hat der Strafsenat die Verurteilung aufgehoben und die Sache an eine andere kleine Strafkammer des LG zurückverwiesen, die den Fall erneut zu verhandeln sowie zu entscheiden, dabei,

  • soweit möglich, nähere Feststellungen zum Rotlichtverstoß des Unfallbeteiligten zu treffen und
  • verbleibende Zweifel nach dem Grundsatz “in dubio pro reo“ zugunsten des Angeklagten zu berücksichtigen haben wird.

 

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 27.10.2015 mitgeteilt.

 

Sprungrevision ist auch in einem Fall der Annahmeberufung zulässig

Eine Sprungrevision nach § 335 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) ist auch zulässig, wenn ein Angeklagter

  • lediglich zu einer Geldstrafe von 15 Tagessätzen verurteilt worden ist und
  • eine Berufung deshalb gemäß § 313 StPO der Annahme durch das Berufungsgericht bedurft hätte.

 

Das hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden mit Urteil vom 31.08.2015 – 2 OLG 21 Ss 210/15 – entschieden.

Nach der Entscheidung des 2. Strafsenats des OLG Dresden kann auch in einem Fall der Annahmeberufung ein Urteil des Amtsgerichts mit der Sprungrevision grundsätzlich uneingeschränkt angefochten werden, weil nach der Gesetzgebungsgeschichte kein Anhalt dafür besteht, dass dem Begriff „zulässig“ in § 312 StPO durch die Einfügung des § 313 StPO nunmehr aufgrund der Gesetzesergänzung eine über die Bedeutung „statthaft“ hinausgehende Bedeutung zukommen sollte (Kammergericht (KG) Berlin, Beschluss vom 27.04.2009 – 1 Ss 90/09 (39/09) –).

 

Wenn die Polizei ermittelt

Zu den Aufgaben der Polizei gehört es Straftaten und Ordnungswidrigkeiten aufzuklären. Die ermittelnden Polizeibeamten sind dabei oft auf die Hilfe der Bürgerinnen und Bürger, die sachdienliche Angaben machen können, angewiesen und müssen dazu in der Regel Zeugen, Beschuldigte und Betroffene vernehmen.

Vor solchen Vernehmungen müssen Polizeibeamte in manchen Fällen aber auch, beispielsweise nach tätlichen Auseinandersetzungen oder wenn sie zu einem Unfallort gerufen werden, zunächst durch informatorische Befragung der anwesenden Personen klären, wer überhaupt als Zeuge, (Mit)Beschuldigter oder (Mit)Betroffener in Betracht kommt.

Da sich in solchen Fällen bei manchen der Befragten erst nach bzw. aufgrund der bei der informatorischen Befragung gewonnenen Erkenntnisse herausstellen wird, dass sich das Verfahren möglicherweise (auch) gegen sie oder beispielsweise einen ihrer Verwandten richtet bzw. richten kann und sie deshalb ein Aussage-, Auskunfts- oder Zeugnisverweigerungsrecht haben, sollte Jeder, der zu einem straf- oder bußgeldrechtlichen Sachverhalt von der Polizei befragt wird, wissen,

  • dass er zwar verpflichtet ist, Angaben zur Person zu machen, also angeben muss, Vor-, Familien- oder Geburtsnamen, Geburtsdatum sowie Geburtsort, Familienstand, Beruf, Wohnort bzw. Wohnung und Staatsangehörigkeit (vgl. § 111 Abs. 1 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG)),
  • aber zur Sache gegenüber der Polizei keine Aussage machen muss und zwar auch dann nicht, wenn er nicht als Beschuldigter bzw. Betroffener, sondern lediglich als Zeuge in Betracht kommt und als solcher Angaben machen soll.
  • Ferner ist Niemand verpflichtet bei der Polizei zu einer Vernehmung zu erscheinen, wenn er von der Polizei zu einer polizeilichen Vernehmung vorgeladen wird.

 

Nachdem von der Polizei Niemand zu einer Aussage gezwungen werden kann und Niemand einer Vorladung der Polizei zu einer polizeilichen Vernehmung Folge leisten muss,

  • besteht für von der Polizei zu einem straf- oder bußgeldrechtlichen Sachverhalt Befragte immer die Möglichkeit, sich anwaltschaftlich beraten zu lassen bzw. einen Rechtsanwalt zu ihrem Zeugenbeistand zu bestellen, bevor sie gegebenenfalls bei der Polizei Angaben zur Sache machen.

 

Auf Fragen der Polizei zu einem straf- oder bußgeldrechtlichen Sachverhalt können Befragte somit stets antworten,

  • dass sie (derzeit) zur Sache bei der Polizei (noch) keine Angaben machen (und sie erst anwaltschaftlichen Rat einholen) möchten.

 

Auch wenn es

  • einerseits mitunter durchaus sinnvoll und geboten sein kann, bei der Polizei Angaben zu machen,
  • ist es anderseits aber auch das Recht jeder Bürgerin und jedes Bürgers vor der Polizei keine Angaben zur Sache zu machen und deshalb darf dies auch keinem, der von diesem Recht Gebrauch macht, zum Nachteil gereichen.

 

Womit eine Person, die vor der Polizei keine Angaben zur Sache machen will allerdings rechnen muss, ist, da die Polizei dies veranlassen kann, dass sie von der Staatsanwaltschaft oder dem Ermittlungsrichter eine Vorladung zur Vernehmung erhält und 

  • bei der Staatsanwaltschaft und
  • bei Gericht,

 

sind Zeugen, Beschuldigte und Betroffene

  • zum Erscheinen verpflichtet,
  • wenn sie schriftlich zu einer staatsanwaltschaftlichen oder richterlichen Vernehmung geladen worden sind (vgl. §§ 161, 163a Strafprozessordnung (StPO)).

 

Bei der Staatsanwaltschaft und bei Gericht sind

  • auch diejenigen Zeugen zur Aussage verpflichtet,
  • denen kein Zeugnisverweigerungsrecht oder Auskunftsverweigerungsrecht zusteht, worüber Zeugen zu Beginn jeder Vernehmung zu belehren sind.

 

Personen,

  • die als Beschuldigte bzw. Betroffene vernommen werden,
  • müssen dagegen auch bei der Staatsanwaltschaft und bei Gericht keine Angaben machen.

 

Ihnen steht in jeder Lage des Verfahrens ein Aussageverweigerungsrecht zu, über das sie zu Beginn ihrer Vernehmung zu belehren sind.

Was abgesehen davon Jedermann aber auch stets bedenken sollte:
Wer sich spontan gegenüber der Polizei, ohne deren Zutun, vor Stellung sachverhaltsbezogener Fragen und vor einer möglichen Belehrung äußert, dessen Äußerungen sind und bleiben grundsätzlich verwertbar, unabhängig davon ob dem Betreffenden ein Aussageverweigerungs- oder ein Zeugnisverweigerungsrecht zugestanden hat.

 

Schüsse auf fahrende Fahrzeuge

Weil ein 59-jähriger Berufs-Lkw-Fahrer auf Autobahnen

  • in insgesamt 112 Fällen aus seinem fahrenden Lkw heraus Schüsse mit scharfen Waffen auf andere, in dieselbe oder die entgegengesetzte Fahrtrichtung fahrende Fahrzeuge, insbesondere auf Ladungen von Autotransportern und Aufliegern von Lkws abgegeben, diese dabei auch jeweils getroffen hatte und
  • das Gericht davon überzeugt war, dass er in 4 Fällen davon, auf Grund der zur Tatzeit bestehenden Verkehrssituation das Risiko eines Fehlschusses erkannt sowie nicht nur in Kauf genommen hatte, den arglose Fahrer oder Beifahrer des beschossenen Fahrzeugs möglicherweise direkt zu treffen, sondern auch, dass der Fahrer durch den Schuss erschrecken, das Steuer des Fahrzeugs verreißen und entweder durch den Schuss selbst oder durch einen Unfall zu Tode kommen könnte,

 

ist er schuldig gesprochen worden, des versuchten Heimtückemordes in vier Fällen und des Verstoßes gegen das Waffengesetz sowie der Sachbeschädigung in 108 Fällen.

Dass der Schütze sich (auch) des versuchten Mordes schuldig gemacht hat, hat der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 16.07.2015 – 4 StR 117/15 – bestätigt und die gegen diesen Schuldspruch gerichtete Revision des Schützen verworfen.
Über die Höhe der gegen ihn zu verhängenden Strafe muss jedoch neu verhandelt werden (vgl. auch Pressemitteilung des BGH vom 08.10.2015 – Nr. 171/2015 –).

 

Wegen Körperverletzung auf dem Oktoberfest in den Knast

Weil ein 24-jähriger, einschlägig vorbestrafter und unter Bewährung stehender Münchner 2014 auf dem Oktoberfest, nach dem Konsum von zwei Maß Bier,

  • einem anderen, nach einem Wortwechsel, mit der Faust mehrmals gegen Kopf und Körper geschlagen sowie mindestens einmal mit dem Fuß gegen den Bauch getreten und ihm dann noch eine Kopfnuss gegeben hatte, wodurch der Geschädigte schmerzhafte Prellungen am Gesichtsschädel, am linken Oberarm sowie an der Lendenwirbelsäule erlitt,
  • verurteilte ihn das Amtsgericht (AG) München am 01.07.2015 – 1026 Ds 458 Js 224035/14 jug – wegen Körperverletzung nach §   Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten ohne Bewährung.

 

Bei der Bemessung der Strafe wertete das AG zu Gunsten des Angeklagten, dass er aufgrund des Alkoholkonsums enthemmt war und sich bei seinem Opfer entschuldigt hatte.
Straferschwerend fiel ins Gewicht, dass der Angeklagte im Jahr 2012 schon einmal wegen einer gefährlichen Körperverletzung zu einer zur Bewährung ausgesetzten Jugendstrafe verurteilt worden war, er trotz dieser Vorstrafe nichts unternommen hat, um gegen seine Aggressionen anzugehen und er aus „nichtigem Anlass“ zugeschlagen hatte.

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 05.10.2015 – 63/15 – mitgeteilt.

Hinweis:
Aufgrund dieser Verurteilung wird der 24-Jährige nicht nur die 10 Monate Freiheitsstrafe verbüßen müssen. Er muss darüber hinaus damit rechnen, dass die ihm 2012 bewilligte Bewährung widerrufen wird und er dann auch die Jugendstrafe verbüßen muss, zu der er damals verurteilt worden ist.

 

Bewilligung von Zahlungserleichterungen bei Geldstrafe auch noch nach Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe?

Ist ein Angeklagter rechtskräftig zur Zahlung einer Geldstrafe verurteilt und nachfolgend von der Staatsanwaltschaft die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet worden, ist die Bewilligung von Zahlungserleichterungen (Ratenzahlung) durch die Vollstreckungsbehörde

  • auch nach Beginn der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe jedenfalls dann (noch) möglich,
  • wenn bereits zuvor die Vollstreckungsbehörde eine solche von Amts wegen hätte vornehmen müssen.

 

Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Beschluss vom 30.9.2015 – 2 Ws 472/15 – entschieden und in einem Fall,

  • in dem ein Angeklagter rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 60 EUR verurteilt,
  • nachfolgend von der Staatsanwaltschaft, weil die beim zuständigen Vollstreckungsgericht eingeholte Auskunft ergeben hatte, dass der Verurteilte ein Vermögensverzeichnis abgegeben hatte, lediglich Arbeitslosengeld II in Höhe von 652 EUR monatlich bezog sowie kein nennenswertes Vermögen besaß, die Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe angeordnet worden war und
  • der Verurteilte während der Verbüßung der Ersatzfreiheitsstrafe bei der Staatsanwaltschaft, unter Hinweis darauf, dass er Grundsicherung beziehe, die Bewilligung von Ratenzahlung in Höhe von 50 EUR monatlich sowie die Aussetzung des Vollzugs der Ersatzfreiheitsstrafe beantragt hatte,

 

dem Verurteilten gestattet, die Geldstrafe in monatlichen Raten von 50 EUR zu zahlen und nachdem mit der Bewilligung dieser Zahlungserleichterung die Voraussetzungen für eine Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe – hier Uneinbringlichkeit der Geldforderung (§§ 459c Abs. 2, 459e Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO)) – nicht mehr vorlagen, gleichzeitig auch dessen sofortige Freilassung angeordnet.

Seine Entscheidung begründet hat das OLG Karlsruhe damit, 

  • dass Entscheidungen über Zahlungserleichterungen nach § 42 Strafgesetzbuch (StGB) nach Rechtskraft der Grundentscheidung von der Staatsanwaltschaft als Vollstreckungsbehörde von Amts wegen zu treffen sind (§ 459a Abs. 1 StPO) und keinen Antrag des Verurteilten voraussetzen,
  • die Staatsanwaltschaft folglich hier aufgrund des ihr vorliegenden Vermögensverzeichnisses des Verurteilten vor Anordnung der Vollstreckung der Ersatzfreiheitsstrafe die Bewilligung von Zahlungserleichterungen hätte prüfen müssen und
  • wenn dies fälschlicherweise unterblieben ist, die eingeleitete Vollstreckung nicht zur Folge haben kann, dass die Entscheidung über die Bewilligung von Zahlungserleichterungen nicht mehr nachgeholt werden kann.

 

Wenn Staatsanwaltschaft ein Verfahren nach § 153 Abs. 1 StPO einstellt oder den Anzeigeerstatter auf den Privatklageweg verweist

Stellt die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren

  • nach § 153 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO) oder
  • mangels Vorliegens des öffentlichen Interesses i.S.d. § 376 StPO unter Verweisung auf den Privatklageweg nach § 170 Abs. 2 StPO ein,

sind diese Entscheidungen für den möglichen Verletzten – abgesehen von Gegenvorstellung und Dienstaufsichtsbeschwerde – grundsätzlich nicht anfechtbar (vgl. §§ 172 Abs. 2 Satz 3, 153 Abs. 2 Satz 4 StPO).

 

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe mit Beschluss vom 24.08.2015 – 2 VAs 19-21/15 – hingewiesen. 

 

Schlag gegen Kopf eines Säuglings

Weil der zur Tatzeit 20-jährige Angeklagte dem sieben Wochen alten Säugling seiner damaligen Freundin einen derart schweren Schlag gegen den Kopf versetzt hatte, dass das Kind hierdurch ein Schädelhirntrauma sowie eine Hirnblutung erlitt und in akuter Lebensgefahr geschwebt war, hat ihn die 3. Große Jugendkammer des Landgerichts (LG) Osnabrück – 3 KLs 8/15 – wegen schwerer Misshandlung von Schutzbefohlenen nach § 225 Abs. 3 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung nach § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zu einer Jugendstrafe von 2 Jahren und 10 Monaten verurteilt.

Gemäß § 105 Abs. 1 Nr. 1 Jugendgerichtsgesetz (JGG) hat die Kammer auf den heranwachsenden Angeklagten Jugendrecht angewandt, angesichts der erheblichen Gewalteinwirkung gegen das wehrlose Kind wegen der Schwere der Schuld nach § 17 Abs. 2 JGG aber die Verhängung von Jugendstrafe für erforderlich erachtet, während der der Angeklagte Gelegenheit hat, an sich zu arbeiten und ggf. eine Berufsausbildung zu beginnen.

In welchem Ausmaß dauerhafte Folgen bei dem geschädigten Kind verbleiben werden, war zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung noch nicht abzusehen.

Das hat die Pressestelle des Landgerichts Osnabrück am 29.09.2015 – 50/15 – mitgeteilt.