Tag Strafverfahren

Führt bei einem Vergewaltigungsopfer ein Deal im Strafverfahren zugunsten des Täters zu einer weiterer Traumatisierung

…. kann dies als Folgeschaden der Tat nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz – OEG) anzuerkennen sein.

Darauf hat das Landessozialgericht (LSG) Stuttgart mit Urteil vom 07.12.2017 – L 6 VG 6/17 – hingewiesen und in einem Fall, in dem eine Frau

  • nachts auf dem Heimweg vergewaltigt worden war,
  • sie aufgrund dessen in der Folge unter einer, nach § 30 Absatz 1 Satz 3 Bundesversorgungsgesetz (BVG) mit einem Schädigungsfolgengrad (GdS) von 20 zu bemessenden, posttraumatischen Belastungsstörung litt

und sich diese posttraumatische Belastungsstörung bei ihr dadurch verstärkt hatte,

  • dass sie im Strafverfahren nicht angehört und der Täter aufgrund eines rechtlich zulässigen sog. „Deals“ zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren auf Bewährung verurteilt sowie aus der Untersuchungshaft entlassen worden war,

das Landesversorgungsamt verurteilt,

  • dem Vergewaltigungsopfer gemäß § 31 Absatz 1 BVG eine Beschädigtenrente nach einem GdS von 30 zu zahlen.

Begründet hat das LSG dies damit, dass,

  • nach § 1 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz – OEG) wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG erhält,
  • wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat und

der hiernach erforderliche Ursachenzusammenhang (Kausalität) zwischen dem vorsätzlichen rechtswidrigen Angriff und der gesundheitlicher Schädigung vorliegt,

  • wenn bei einem Vergewaltigungsopfer ein Deal im Strafverfahren zugunsten des Täters und eine fehlende Aufarbeitung und Genugtuung für das Opfer für eine hinzugetretene Verschlechterung des Gesundheitszustands verantwortlich sind,

da es ohne die Vergewaltigung nicht zu den sich anschließenden weiteren traumatisierenden Erlebnissen im Strafprozess gekommen wäre (Quelle: Pressemitteilung des LSG Stuttgart vom 18.12.2017).

Wichtig zu wissen, wenn einem im Strafverfahren wegen einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis entzogen worden ist

Wann darf die Neuerteilung der Fahrerlaubnis von der Beibringung eines positiven medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens abhängig gemacht werden und wann nicht?

Mit Urteilen vom 06.04.2017 – 3 C 24.15 sowie 3 C 13.16 – hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) entschieden, dass,

  • wenn in einem Strafverfahren dem Inhaber einer Fahrerlaubnis nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von weniger als 1,6 Promille die Fahrerlaubnis entzogen werden ist,

die Fahrerlaubnisbehörde die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nur dann von der Beibringung eines positiven medizinisch-psychologischen Fahreignungsgutachtens abhängig machen darf,

  • wenn neben der Trunkenheitsfahrt zusätzliche Tatsachen die Annahme von künftigem Alkoholmissbrauch begründen und
  • wenn das nicht der Fall ist, die beantragte Fahrerlaubnisse auch ohne die Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens zur Frage von Alkoholmissbrauch neu zu erteilen ist.

Begründet hat das BVerwG das damit, dass

  • nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (FeV) eine einmalige Trunkenheitsfahrt ohne das Hinzutreten weiterer aussagekräftiger Tatsachen erst ab einer BAK von 1,6 Promille die Anforderung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens rechtfertigt und
  • die strafgerichtliche Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt nach § 316 Strafgesetzbuch (StGB), da sie gemäß § 69 Abs. 2 Nr. 2 StGB „in der Regel“ erfolgt, also ohne das Hinzutreten weiterer belastender Tatsachen – wie die Bezugnahme in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV auf die unter den Buchstaben a bis c genannten Gründe zeigt – kein eigenständiger, von der 1,6 Promille-Grenze unabhängiger Sachgrund für die Anforderung eines Gutachtens ist (Quelle: Pressemitteilung des BVerwG vom 06.04.2107 – Nr. 23/2017 –).

Sind „Dashcam“-Aufnahmen als Beweismittel im Straf- und Bußgeldverfahren verwertbar?

Der 4. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart hat dazu jetzt mit Beschluss vom 04.05.2016 – 4 Ss 543/15 – in einer Verkehrsbußgeldsache,

  • in dem der Tatnachweis gegen einen Betroffenen allein aufgrund eines Videos geführt werden konnte, das ein anderer Verkehrsteilnehmer zunächst anlasslos mit einer „Dashcam“ aufgenommen hatte,

entschieden, dass, nachdem § 6b Abs. 3 Satz 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) kein Beweisverwertungsverbot für das Straf- und Bußgeldverfahren enthält und aus einem (möglichen) Verstoß gegen diese Vorschrift somit nicht zwingend eine Unverwertbarkeit der Videoaufnahme folgt,

  • eine solche Videoaufnahme jedenfalls für die Verfolgung schwerwiegender Verkehrsordnungswidrigkeiten verwertet werden darf.

Einschränkend festgestellt hat der Senat aber auch, dass die Gerichte über die Verwertbarkeit solcher Aufnahmen jeweils im Einzelfall unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden und im Rahmen der Abwägung dabei zu berücksichtigen haben,

  • einerseits, wie weit und wie intensiv die entsprechende Videoaufnahme des Verkehrsvorganges in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) eingreift, beispielsweise ob lediglich ein Verkehrsvorgang dokumentiert und die Identifizierung des Betroffenen mittelbar über das Kennzeichen seines Fahrzeugs ermöglicht worden, also nicht der Kernbereich seiner privaten Lebensgestaltung oder seine engere Privat- oder gar Intimsphäre betroffen und somit der Eingriff als eher gering zu werten ist sowie
  • andererseits, die Schwere des Verkehrsverstoßes, da der Verfolgung schwerer Verkehrsverstöße für die Sicherheit des Straßenverkehrs eine hohe Bedeutung zukommt.

Ferner hat der Senat darauf hingewiesen, dass

  • die Bußgeldbehörden ihrerseits bereits bei Verfahrenseinleitung die Verwertbarkeit derartiger Aufnahmen zu prüfen,
  • a. die Schwere des Eingriffs gegen die Bedeutung und das Gewicht der angezeigten Ordnungswidrigkeit abzuwägen haben und
  • aufgrund des Opportunitätsgrundsatzes (vgl. § 47 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG)) ein ausschließlich auf der Ermittlungstätigkeit von Privaten mittels „Dashcam“ beruhendes Verfahren nicht weiter verfolgen müssen (Quelle: Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 18.05.2016).