Tag Überfahren

Wer sein Auto vollkaskoversichert (hat) sollte wissen, wann ein Schaden am Fahrzeug durch Unfall versichert ist und wann

…. ein Schaden am Fahrzeug als nicht versicherter „Betriebsschaden“ anzusehen ist.

Ist in den dem Vollkaskoversicherungsvertrag zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen bestimmt, dass 

  • „versichert sind 
    • Schäden am Fahrzeug durch Unfall und 
    • als Unfall ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis gilt“,

sowie 

  • „dass keine Unfallschäden deshalb insbesondere sind, 
    • Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einem Bremsvorgang haben, z. B. Schäden an der Bremsanlage oder an den Reifen,
    • Schäden am Fahrzeug, die ausschließlich aufgrund eines Betriebsvorgangs eintreten, z. B. durch falsches Bedienen, falsches Betanken oder verrutschende Ladung oder durch eine sich während der Fahrt öffnende Motorhaube,
    • Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einer Materialermüdung, Überbeanspruchung oder Abnutzung haben,
    • Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug oder Anhänger ohne Einwirkung von außen, z. B. Rangierschäden am Zugfahrzeug durch den Anhänger,
    • Verwindungsschäden und
  • dass vorhersehbare Beschädigungen des Fahrzeugs, die üblicherweise im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung des Fahrzeugs entstehen, nicht als Unfallschaden gelten. Beispiel: Schäden an der Ladeoberfläche eines Lkw durch Beladen durch Kies,“

ist für das Vorliegen eines 

  • versicherten Schadens am Fahrzeug durch „Unfall“ 

notwendig, 

  • eine Einwirkung „von außen“, 
  • wobei der Gegenstand, von dem die auf das versicherte Fahrzeug „wirkende mechanische Gewalt“ ausgehen muss, nicht Teil des Fahrzeugs selbst sein darf,

während von einem 

  • vom Versicherungsschutz ausgeschlossen Betriebsschaden am Fahrzeug 

dann auszugehen ist, wenn der Schaden

  • durch Ereignisse und Umstände hervorgerufen worden ist, in denen sich Gefahren verwirklichen, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt ist, 
  • die also nur eine Auswirkung des normalen Betriebsrisikos sind, das in Kauf genommen wird.

Der Versicherungsnehmer, 

  • der für einen Fahrzeugschaden aus einer abgeschlossenen Vollkaskoversicherung Leistungen begehrt, 

trägt für das Vorliegen eines Unfallschadens im Sinne der Versicherungsbedingungen 

  • die Darlegungs- und 
  • im Streitfall die Beweislast.

Darauf hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart mit Urteil vom 30.07.2020 – 7 U 57/20 – hingewiesen und in einem Fall, in dem ein vollkaskoversicherter PKW beim Überfahren einer 

  • absichtlich an einem Ortsanfang, quer zu einer asphaltierten Straße, 

angelegten, 

  • für den Fahrzeugführer – nach seiner Behauptung – wetter- und dunkelheitsbedingt nicht erkennbaren,

Fahrbahnschwelle 

  • mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h, bei einer dort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, 

beschädigt worden war, entschieden, dass es sich um einen von der Vollkaskoversicherung 

  • nicht abgedeckten Betriebsschaden, 
    • mithin von einem Schaden, der durch normale Abnutzung, durch Material- oder Bedienungsfehler an dem Fahrzeug oder seinen Teilen entsteht, 

gehandelt hat.

Begründet ist dies vom Senat damit worden, dass es entscheidend von 

  • der konkreten Verwendung des Fahrzeugs 

abhängt, ob ein Ereignis, 

  • das die wesentlichen Merkmale eines Unfalls aufweist, 

als Betriebsschaden oder als Unfallschaden anzusehen ist und somit, wenn 

  • ein Fahrzeug bei einem Überfahren einer angelegten Fahrbahnschwelle einen Schaden erleidet und
  • ein Nachweis für das Vorliegen eines Unfalls nicht erbracht werden kann, 

davon auszugehen ist, dass sich lediglich ein Risiko verwirkt hat, dem das Fahrzeug nach seiner Verwendung im gewöhnlichen Fahrbetrieb ausgesetzt ist.

Da bei der versicherungsvertraglichen Abgrenzung zwischen 

  • versichertem „Unfallschaden“ und 
  • nicht versichertem „Betriebsschaden“ 

nach der Auffassung des Senats ein etwaiges Verschulden des Fahrzeugführers nicht zu berücksichtigen ist, war es somit auch ohne Relevanz, 

  • ob dieser wetter- und tageszeitenbedingt die Fahrbahnschwelle erkennen konnte oder
  • ob er zu schnell gefahren ist.

Hinweis:
Diesbezüglich anderer Ansicht ist das Landgericht (LG) München II, das mit Urteil vom 13.01.2017 – 10 O 3458/16 – entschieden hat, dass, sofern eine Bodenschwelle 

  • aufgrund ihrer mangelnden Erkennbarkeit 

mit einem Kraftfahrzeug zu schnell überfahren und dadurch ein Schaden am Fahrzeug entsteht, 

  • ein versicherter Unfallschaden vorliegt und 
  • nicht lediglich ein vom Vollkaskoversicherungsschutz nicht umfasster Betriebsschaden. 

AG Dortmund entscheidet: Nach dem Anfahren an einer Ampel wegen einer Taube auf der Straße stark abzubremsen

…. ist erlaubt und stellt keinen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 Satz 2 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) dar.

Mit Urteil vom 10.07.2018 – 425 C 2383/18 – hat das Amtsgericht (AG) Dortmund entschieden, dass ein Kraftfahrer, der auf ein anderes,

  • vor ihm, nach einer Rotlichtphase an einer Ampel angefahrenes

Fahrzeug auffährt, auch dann allein für den Schaden aufzukommen hat, wenn der Fahrer des vor ihm,

  • nach dem Umschalten von Rot- auf Grünlicht

angefahrenen anderen Fahrzeugs,

  • wenige Meter nach dem Anfahren plötzlich wegen einer Taube auf der Straße stark gebremst hat.

Danach darf

  • in einer Situation, in der, wie nach einem Anfahren, (noch) mit sehr geringer Geschwindigkeit gefahren wird und
  • deswegen keine Personenschäden, sondern lediglich Sachschäden an dem eigenen wie an dem fremden Kraftfahrzeug im Falle eines Auffahrunfalls zu erwarten sind,

zum Schutze auch eines kleines Wirbeltieres stark gebremst werden und kann nicht

  • allein deshalb, weil es bei einer Taube um ein Kleintier handelt,

verlangt werden, das Tier zu überfahren.

Wichtig zu wissen für Autofahrer deren Fahrzeug vollkaskoversichert ist

Wann zahlt die Vollkaskoversicherung wenn beim Überfahren einer Bodenwelle ein Schaden am Fahrzeug entsteht und wann zahlt sie nicht?

Sehen die Versicherungsbedingungen eines vollkaskoversicherten Kraftfahrzeugs vor, dass versichert sind Unfälle des Fahrzeugs und

  • als Unfall ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis gilt sowie
  • nicht als Unfallschäden insbesondere Schäden aufgrund eines Brems- oder Betriebsvorgangs oder reine Bruchschäden gelten, wozu z. B. Schäden am Fahrzeug durch rutschende Ladung zählen oder durch Abnutzung, Verwindungsschäden, Schäden aufgrund Bedienungsfehler oder Überbeanspruchung des Fahrzeugs,

und entsteht am Fahrzeug dadurch eine Schaden,

  • dass eine quer zur Fahrbahn vorhandene Bodenwelle deshalb zu schnell überfahren wird,
  • weil sie bei der Annäherung aufgrund der örtlichen Verhältnisse sowie der Sichtverhältnisse nicht erkennbar war und mit einer derartigen Bodenschwelle auch nicht gerechnet werden konnte und musste,

handelt es sich

  • um einen Unfallschaden und
  • nicht um einen – nach den Versicherungsbedingungen vom (Vollkasko-)Versicherungsschutz nicht umfassten – Betriebsschaden.

Das hat das Landgericht (LG) München II mit Urteil vom 13.01.2017 – 10 O 3458/16 – entschieden.

Danach liegt in einem solchen Fall ein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen vor, weil

  • das Überfahren der Bodenwelle ein von außen auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis mit mechanischer Gewalt darstellt und
  • dieses Ereignis für den Fahrer plötzlich (überraschend) ist,

wenn die Bodenwelle nicht erkennbar war und mit einer derartigen Gefahrenquelle nicht gerechnet werden musste (so auch LG Bochum, Urteil vom 29.06.2012 – 4 O 477/11 –).