Welche Erben können wann von einem vom Erblasser Beschenkten die Herausgabe des Geschenkten fordern?

Gemäß § 2287 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) kann,

  • sowohl ein durch Erbvertrag mit der Erblasser eingesetzter Vertragserbe,
  • als auch, in entsprechender Anwendung der Vorschrift, bei einem gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten, ein durch wechselbezügliche letztwillige Verfügungen der Ehegatten, nach dem Tod des erstverstorbenen Ehegatten unwiderruflich eingesetzter Schlusserbe (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZR 72/11 –),

nachdem ihm die Erbschaft angefallen ist,

  • von dem vom Erblasser Beschenkten die Herausgabe des Geschenks nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung fordern,

wenn der Erblasser

  • in der Absicht den Vertrags- bzw. Schlusserben zu beeinträchtigen
  • eine Schenkung im Sinne von § 516 BGB gemacht hat,

wobei unterschieden werden muss, zwischen

  • dem Vorliegen einer (gemischten) Schenkung einerseits und
  • der Absicht des Erblassers, den Vertrags- bzw. Schlusserben zu beeinträchtigen, andererseits.

Bei der Frage, ob eine (gemischte) Schenkung im Sinne der §§ 2287 Abs. 1, 516 BGB vorliegt, ist,

  • wenn ein Grundstück schenkweise zugewendet worden ist,

zu berücksichtigen,

  • dass dingliche Belastungen den Verkehrswert eines Grundstücks mindern

und diese daher bei der Berechnung des Verkehrswerts (zur Zeit der Zuwendung unter Berücksichtigung des Kaufkraftschwundes) in Abzug zu bringen sind (BGH, Urteil vom 11.04.2000 – X ZR 246/98 –).
Auf die Wertungen des § 2325 BGB kommt es hier nicht an, da sich die dortigen Fragen (Niederstwertprinzip des § 2325 Abs. 2 BGB, Zehnjahresfrist des § 2325 Abs. 3 Satz 2 BGB) bei § 2287 BGB nicht stellen.

  • Hat sich der Erblasser an dem gesamten schenkweise zugewendeten Grundstück beispielsweise ein lebenslanges Nießbrauchsrecht vorbehalten, ist der vorbehaltene Nießbrauch bereits bei der Prüfung, ob eine (gemischte) Schenkung vorliegt, zu berücksichtigen sowie mit dem kapitalisierten Wert der hieraus zu ziehenden Nutzungen anzusetzen (BGH, Urteil vom 17.01.1996 – IV ZR 214/94 –) und bei der Berechnung des Verkehrswertes in Abzug zu bringen.
  • Hat sich beispielsweise der Beschenkte im Grundstücksüberlassungsvertrag verpflichtet den Erblasser „Zeit seines Lebens in gesunden und kranken Tagen, jedoch nur bei Bedarf, in seiner Wohnung vollständig und unentgeltlich zu pflegen und zu betreuen bzw. ihn kostenlos pflegen und betreuen zu lassen“, ist bei der Berechnung des Verkehrswertes des Grundstücks zu berücksichtigen, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Wertes der vertraglich versprochenen Pflegeleistungen der Vertragsabschluss ist (BGH, Urteil vom 11.04.2000 – X ZR 246/98 –; Oberlandesgericht (OLG) Celle Beschluss vom 08.07.2008 – 6 W 59/08 –),
    • also nicht maßgebend für die Bewertung die spätere tatsächliche Entwicklung der Umstände ist, insbesondere eine eingetretene Pflegebedürftigkeit des Erblassers,
    • sondern die Prognoseentscheidung der Parteien anhand einer subjektiven Bewertung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.
  • Hat der Erblasser sich in dem Überlassungsvertrag beispielsweise ein vertragliches, unter bestimmten Voraussetzungen ausübbares Rücktrittsrecht vorbehalten, ist zu bewerten, ob und inwieweit das dem Erblasser vorbehaltene Rücktrittsrecht vom Vertrag als wirtschaftlicher Nachteil wertmindernd bei der Verkehrswertberechnung des Grundstücks in Rechnung zu stellen ist.

Dafür,

  • dass der Erblasser in der Absicht gehandelt hat, den Vertrags- bzw. Schlusserben zu beeinträchtigen,

ist erforderlich,

  • dass der Erblasser das ihm verbliebene Recht zu lebzeitigen Verfügungen missbraucht hat.

Ein solcher Missbrauch liegt nicht vor, wenn der Erblasser ein lebzeitiges Eigeninteresse an der von ihm vorgenommenen Schenkung hatte (BGH, Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZR 72/11 –).

  • Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist anzunehmen, wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung als billigenswert und gerechtfertigt erscheint.

Ein derartiges Interesse kommt etwa dann in Betracht,

  • wenn es dem Erblasser im Alter um seine Versorgung und gegebenenfalls auch Pflege geht oder
  • wenn der Erblasser in der Erfüllung einer sittlichen Verpflichtung handelt, er etwa mit dem Geschenk einer Person, die ihm in besonderem Maße geholfen hat, seinen Dank abstatten will.

Beweispflichtig für die Schenkung ohne rechtfertigendes lebzeitiges Eigeninteresse ist der Vertrags- bzw. Schlusserbe (BGH, Urteil vom 23.09.1981 – Iva ZR 185/80 –), der nachweisen muss, dass

  • entweder ein lebzeitiges Eigeninteresse überhaupt nicht bestand oder
  • die vorgebrachten Gründe den Erblasser in Wahrheit nicht zu der benachteiligenden Schenkung bewogen haben (BGH, Urteil vom 23.09.1981 – IVa ZR 185/80 –).

Ein lebzeitiges Eigeninteresse muss allerdings nicht zwingend für den gesamten Schenkungsgegenstand angenommen werden,

  • sondern kann auch lediglich einen Teil der Schenkung rechtfertigen und insoweit einen Missbrauch der lebzeitigen Verfügungsmacht ausschließen (BGH, Beschluss vom 26.10.2011 – IV ZR 72/11 –),
  • wobei dann die Grundsätze der gemischten Schenkung entsprechend anzuwenden sind,
    • jedoch keine rein rechnerische Gegenüberstellung des Wertes der erbrachten Leistungen mit dem Grundstückswert vorzunehmen ist,
    • sondern auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass Leistungen in Zukunft erfolgen sollen und der Erblasser sich ihm erbrachte oder zu erbringende Leistungen „etwas kosten lassen darf“, eine umfassende Gesamtabwägung zu erfolgen hat.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 28.09.2016 – IV ZR 513/15 – hingewiesen.