Tag Verschleiß

Was, wer ein (älteres) gebrauchtes Kraftfahrzeug kauft oder verkauft, wissen sollte

Mit Urteil vom 09.09.2020 – VIII ZR 150/18 – hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) in einem Fall, in dem 

  • von dem Käufer eines gebrauchten, neun Jahre alten PKWs, nach der Übergabe des Fahrzeugs gegenüber dem Verkäufer Mängel des Fahrzeugs – u.a in Form von erheblichen Korrosionsspuren am Auspuff – geltend gemacht worden waren,

darauf hingewiesen, dass 

  • soweit nicht gemäß § 434 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) eine diesbezügliche Beschaffenheit ausdrücklich oder stillschweigend vereinbart worden ist (die vom Verkäufer dann auch geschuldet wird),  

ein bei Gefahrübergang vorliegender, 

entsprechender, gewöhnlicher, 

  • die Verkehrssicherheit nicht beeinträchtigender

Verschleiß von Teilen eines für den Straßenverkehr zugelassenen Kraftfahrzeugs,

  • also ein nicht atypischer oder ungewöhnlicher, 
  • sondern ein „normaler“ (üblicher) durch kontinuierliche Abnutzung eingetretener Verschleiß von Kraftfahrzeugteilen, beispielsweise in Form von Rosterscheinungen,
    • sofern dieser nicht sicherheitsrelevante Teile – wie etwa die Bremsanlage – betrifft,

einen Sachmangel

  • wegen Nichteignung bzw. nur eingeschränkter Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung bzw. für die gewöhnliche Verwendung (d.h. für die Verwendung als Fahrzeug im Straßenverkehr) nach § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2 BGB 

nicht begründet und zwar auch dann nicht, wenn 

Übrigens:
Die Vermutung des § 477 Halbs. 1 BGB (früher bis zum 31.12.2017 § 476 Halbs. 1 BGB), 

  • dass das gekaufte Fahrzeug bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, wenn sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel zeigt bzw.
  • dass der binnen sechs Monaten nach Übergabe zu Tage getretene mangelhafte Zustand zumindest im Ansatz (latent) schon bei Gefahrübergang vorgelegen hat, 

entbindet den Fahrzeugkäufer nicht davon 

  • darzulegen und 
  • erforderlichenfalls zu beweisen, 

dass sich an der Kaufsache 

Dieselgate: Was Besitzer von Dieselkraftfahrzeugen mit einem sog. Thermofenster zur Steuerung der Abgasreinigung

…. wissen und beachten sollten.

Am 27.10.2020 will der unter anderem für das Recht der unerlaubten Handlungen zuständige VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) über eine Klage 

  • gegen die Daimler AG auf Schadensersatz 

wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verhandeln, die von dem Kläger,

  • der am 04.02.2017 von einem privaten Verkäufer zu einem Preis von 13.000,- € einen gebrauchten Mercedes-Benz C 220 CDI mit einer Laufleistung von 69.838 km erworben hat, 

mit der Begründung erhoben wurde, dass das 

  • von der Daimler AG hergestellte, mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 ausgestattete und laut Typengenehmigung der Schadstoffklasse Euro 5 unterliegende 

Fahrzeug über eine unzulässige Abschalteinrichtung in Gestalt eines sog. Thermofensters verfüge, 

  • die bewirke, dass die gesetzlichen Emissionsgrenzwerte zwar auf dem Prüfstand, nicht aber im normalen Fahrbetrieb eingehalten werden.

Mit der Klage verlangt der Kläger von der Daimler AG im Wesentlichen

  • Erstattung des für das Fahrzeug gezahlten Kaufpreises, abzüglich einer Nutzungsentschädigung, 
  • Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs (Quelle: Pressemitteilung des BGH). 

Voraussichtlich noch vor der Entscheidung des BGH über diese Klage wird 

  • der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in der bei ihm anhängigen Rechtssache C-693/18 

entscheiden, ob Vorrichtungen, 

  • die bei Zulassungstests von Dieselkraftfahrzeugen einen verstärkenden Einfluss auf die Funktion des Emissionskontrollsystems dieser Fahrzeuge ausüben, 

eine unionsrechtlich verbotene „Abschalteinrichtung“ darstellen.

Die Generalanwältin beim EuGH Eleanor Sharpston hat diese Frage in ihren Schlussanträgen vom 30.04.2020 bereits bejaht und darauf hingewiesen, dass das Ziel von Kraftfahrzeugherstellern, 

  • den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors zu verzögern, 

den Einsatz einer solchen Vorrichtung nicht rechtfertigt.

Sollte der EuGH dieser Rechtsauffassung der Generalanwältin folgen, bedeutet das, dass das Argument der Autobauer, 

  • Abschalteinrichtungen (auch in Gestalt von sog. Thermofenstern) für den Motorschutz zu benötigen,

nicht (mehr) tragfähig wäre und bei allen Fahrzeugen, bei denen eine Abschalteinrichtung vorhanden ist, 

  • die den Motor in erster Linie vor Verschleiß bewahren und damit langlebiger machen soll, 

ein Sachmangel vorliegt, mit der Rechtsfolge, dass,

  • sofern diese Ansprüche noch nicht verjährt sind,

Ansprüche 

bestehen können (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17 – und Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19 –).

Hinweis:
Wer Ansprüche nach Sachmängelrecht gegen den Fahrzeugverkäufer oder/und Schadensersatzansprüche gegen den Fahrzeughersteller gerichtlich geltend machen möchte, sollte, 

  • um das Prozessrisiko zu minimieren

die Entscheidungen des EuGH und des BGH abwarten. 

  • Über das mögliche Vorgehen beraten wir Sie gern.

Dieselgate: Schlussanträge der EuGH-Generalanwältin zur Abschalteinrichtung bei Dieselmotoren

…. in der Rechtssache C-693/18.

Die Generalanwältin beim Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) Eleanor Sharpston hat in ihren Schlussanträgen vom 30.04.2020 in der Rechtssache C-693/18 darauf hingewiesen, dass eine Vorrichtung,

  • die bei Zulassungstests von Dieselkraftfahrzeugen einen verstärkenden Einfluss auf die Funktion des Emissionskontrollsystems dieser Fahrzeuge ausübt,

eine unionsrechtlich verbotene „Abschalteinrichtung“ darstellt und dass das Ziel,

  • den Verschleiß oder die Verschmutzung des Motors zu verzögern,

nicht den Einsatz einer solchen Vorrichtung rechtfertigt.

Danach ist die Ausnahme gemäß Art. 5 Abs. 2 a Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007, wonach

  • die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, dann nicht unzulässig sind,

wenn

  • die Einrichtung ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und um den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten,

eng auszulegen und umfasst nur den Schutz des Motors

  • vor dem Eintreten von unmittelbaren und plötzlichen Schäden und
  • nicht vor langfristigeren Auswirkungen wie Abnutzung (Verschleiß, Verschmutzung) oder Wertverlust (Quelle: Pressemitteilung des EuGH).

Hinweis:
Sollte der EuGH dieser Rechtsauffassung der Generalanwältin folgen, bedeutet das, dass das Argument der Autobauer,

  • Abschalteinrichtungen (auch in Gestalt von sog. Thermofenstern) für den Motorschutz zu benötigen,

nicht (mehr) ziehen würde und bei allen Fahrzeugen, bei denen eine Abschalteinrichtung vorhanden ist,

  • die den Motor in erster Linie vor Verschleiß bewahren und damit langlebiger machen soll,

ein Sachmangel vorliegen dürfte (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 08.01.2019 – VIII ZR 225/17 –).

Wer einen Gebrauchtwagen kauft oder verkauft sollte wissen

…. dass altersüblicher Verschleiß bei gebrauchten Autos kein Sachmangel ist, technische Defekte, die bei vergleichbaren gebrauchten Pkws nicht üblich sind, dagegen sehr wohl Sachmängel sind.

Weist ein gekaufter Gebrauchtwagen bei der Übergabe technische Defekte auf,

  • die bei vergleichbaren Gebrauchtfahrzeugen nicht üblich sind,

kann deshalb ein zum Rücktritt vom Kaufvertrag berechtigender Fahrzeugmangel vorliegen.

Nicht als Sachmangel zu bewerten ist dagegen ein

  • lediglich auf einem üblichen Verschleiß des Fahrzeugs

beruhender Defekt.

Darauf hat der 28. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 11.05.2017 – 28 U 89/16 – hingewiesen und in einem Fall

  • den Rücktritt eines Käufers vom Kaufvertrag für berechtigt erachtet,

weil die Beweisaufnahme ergeben hatte, dass

  • der gekaufte gebrauchte Pkw mit einen Kilometerstand von ca. 181.000 km zwei technische Defekte aufwies,
  • aufgrund derer er negativ hinter der üblichen Beschaffenheit vergleichbarer Gebrauchtfahrzeuge zurückblieb,

nämlich

  • einen nicht funktionsfähigen Drucksensor des Partikelfilters der eine Überfüllung des Partikelfilters nicht anzeigte und
  • einen für die Modellreihe typischen werkseitigen Bauteilfehler an den Pumpen-Düsen-Elementen, der zu einer Überfettung des Brennstoffgemischs und damit zu einer Verkokung führte, die wiederum eine übermäßige Füllung des Partikelfilters mit Ruß zur Folge hatte (Quelle: Pressemitteilung des OLG Hamm vom 09.06.2017).