Tag Versicherung

OLG Frankfurt entscheidet: Zahnfehlstellung ist keine bei Abschluss einer privaten Krankenversicherung

…. anzeigepflichtige Anomalie. 

Mit Urteil vom 24.03.2021 – 7 U 44/20 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem ein Vater einer 9-jährigen Tochter, 

  • die sich in regelmäßiger zahnärztlicher Kontrolle befand und 
  • bei der ein Engstand der Backenzähne vorlag 

eine privaten Krankheitskostenversicherung abgeschlossen und bei deren Abschluss die Frage  

  • ob in den letzten 3 Jahren Beschwerden, Krankheiten, Anomalien (auch Implantate (zum Beispiel Brustimplantate) und/oder Unfallfolgen….) bestanden, die nicht ärztlich …. behandelt wurden, 

mit 

  • „nein“

beantwortet hatte, entschieden, dass die Versicherung die Aufwendungen für die 

  • kieferorthopädische Behandlung 

übernehmen muss, die anlässlich einer, 

  • nach Abschluss der privaten Krankheitskostenversicherung, 

aufgrund eines bei einem Unfall abgebrochenen Zahnes, erfolgten zahnärztlichen Behandlung u.a. wegen 

  • „Platzmangels im UK (Unterkiefer), Scherenbiss Zahn 24, diverse Rotationen und Kippungen“ 

als medizinisch angezeigt erachtet worden war.

Dass die bei Vertragsabschluss vom Vater unterlassene Anzeige „Engstand der Backenzähne“ bei seiner mitversicherten Tochter, 

  • die Versicherung nicht zu einer Leistungsverweigerung berechtigt, 

hat das OLG damit begründet, dass es sich bei einem Engstand von Backenzähnen 

  • weder um eine anzeigepflichtige Krankheit 
  • noch um eine anzeigepflichtige Anomalie

handelt und abgesehen davon, Fragen, die einem Versicherungsnehmer eine Wertung abverlangen,

  • wie die nach dem Bestehen einer Anomalie,

infolge Unklarheit grundsätzlich unzulässig sind und somit 

  • eine Anzeigepflicht 

nicht begründen können (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt).

Landwirte, die eine Landwirtschaftbetriebs-Versicherung unterhalten, sollten wissen, dass, wenn es wegen falscher

…. Einlagerung von Heu zu einem Brand kommt, die Versicherung ihre Leistung kürzen kann. 

Mit Beschluss vom 29.09.2020 – 11 U 68/19 – hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig darauf hingewiesen, dass, wenn die Versicherungsbestimmungen einer 

  • von einem Landwirt abgeschlossenen 

Landwirtschaftbetriebs-Versicherung vorsehen, dass 

  • das getrocknete Erntegut ordnungsgemäß eingelagert, 
  • ständig durch ein geeignetes Messgerät, etwa einer Heumesssonde, auf Selbstentzündung hin überprüft werden müsse sowie  
  • Heustapel so anzulegen seien, dass jeder Punkt des Stapels kontrolliert werden könne

und Heu 

  • nicht dementsprechend, sondern 

beispielsweise Heuballen so gelagert werden, dass 

  • nur die obersten Ballen der „Heutürme“ erreichbar sind und 
  • die unteren Schichten 
    • weder eingesehen 
    • noch mit einer Messlanze kontrolliert werden können,

eine grob fahrlässige Verletzung der vertraglichen Obliegenheiten vorliegt, die,

  • sollte durch Selbstentzündung des Heus ein Brandschaden entstehen,

die Versicherung zur Leistungskürzung berechtigt.

Wie der Senat ausgeführt hat, ist die Selbstentzündung von Heu die 

  • häufigste biologische Brandursache und 
  • möglich, wenn ein bestimmter Feuchtigkeitsgehalt im Erntegut und Mikroorganismen wie Pilzen und Bakterien sowie eine starke Verdichtung bzw. Pressung des Heus vorliegen 

und zur Verringerung der Gefahr einer Selbstentzündung erforderlich,

  • Heustapel so zu lagen, dass jeder Punkt des Stapels kontrolliert werden kann und
  • nach der Einlagerung regelmäßige sowie engmaschige Temperaturmessungen vorzunehmen. 

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem, 

  • in der Halle eines landwirtschaftlichen Betriebes, 

Heustapel nicht so lagert waren, dass jeder Punkt des Stapels kontrolliert werden konnte und es durch Selbstentzündung des Heus zu einem Brand gekommen war, bei dem 

  • die gesamte Ernte zerstört wurde und 
  • ein Schaden in Höhe von 445.000 Euro entstand, 

durfte die Versicherung ihre Leistung um 20 % kürzen, so dass der Landwirt 

  • statt der 445.000 Euro 

nur 356.000 Euro bekam (Quelle: Pressemitteilung des OLG Braunschweig).

OLG Frankfurt entscheidet: Hat ein bevollmächtigter Ehepartner von einem Versicherungsvertrag des anderen keine Kenntnis,

…. kann eine verspätete Anzeige eines Versicherungsfalles durch ihn unverschuldet und die Versicherung rückwirkend leistungspflichtig sein.

Mit Urteil vom 11.11.2020 – 7 U 36/19 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main in einem Fall, in dem es in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer 

  • von einer Frau (im Folgenden: Versicherungsnehmerin) für den Fall der Schwerstpflegebedürftigkeit (Pflegestufe III) abgeschlossenen 

Pflegetagegeldversicherung hinsichtlich der Leistungserbringung u.a. hieß, dass

  • bei Stellung des Antrags nach Ablauf des Monats, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, der Leistungsanspruch vom Beginn des Monats der Antragstellung gegeben ist und
  • bei einer unverschuldet verspäteten Anzeige des Versicherungsfalls die Leistungen jedoch rückwirkend erbracht werden,

die Versicherungsnehmerin 

  • nach einem schweren Schlaganfall mit halbseitiger Lähmung, vollständigem Verlust der Sprachfähigkeit sowie erheblichen Beeinträchtigung des Erinnerungsvermögens 

die Pflegestufe III erhalten hatte und zwei Jahre später vom Ehemann der Versicherungsnehmerin,

  • der von ihr eine Vorsorgevollmacht hatte, 

der Versicherungsfall gemeldet sowie eine Leistungserbringung für die Versicherungsnehmerin, 

  • ab Erhalt der Pflegestufe III, 

beantragt worden war, entschieden, dass 

  • die verspätete Anzeige des Versicherungsfalles unverschuldet war und deswegen

die Versicherung zur rückwirkenden Leistung verpflichtet ist.

Wie das OLG ausgeführt hat, war die verspätete Anzeige des Versicherungsfalls durch den Ehemann der Versicherungsnehmerin hier deshalb unverschuldet, weil die Versicherungsnehmerin,  

  • die den Versicherungsfall grundsätzlich selbst hätte anzeigen müssen,

aufgrund der gesundheitlichen Folgen ihres Schlaganfalls 

  • weder selbst zu der Anzeige, 
  • noch zu einer Information ihres Ehemanns über die bestehende Versicherung 

in der Lage war, sie auch nicht 

  • im Sinne einer vorausschauenden Verhaltenspflicht 

ihren Ehemann vor dem Eintritt des Versicherungsfalls 

  • über das Bestehen des Versicherungsvertrages 

hatte informieren müssen, von dem bevollmächtigten Ehemann der Versicherungsnehmerin selbst auch nicht 

  • schuldhaft und 
  • in einer der Versicherungsnehmerin zuzurechnenden Weise 

eine frühere Anzeige des Versicherungsfalls unterlassen worden ist, dieser

  • vielmehr unverschuldet keine Kenntnis vom Bestehen dieses Vertrages hatte und 

aufgrund der ihm bekannten monatlichen Abbuchungen der Versicherungsbeiträge i.H.v. 20 Euro/pM nicht vom Bestehen einer derartigen Versicherung ausgehen musste,

  • zumal sich aus dem Buchungstext nicht die Art der Versicherung ergeben hat, 
  • sondern nur, dass irgendein Versicherungsvertrag bestanden hat (Quelle: Pressemitteilung des OLG Frankfurt).  

LG München I entscheidet: Betriebsschließungsversicherung muss Betreiberin einer Gaststätte 427.169,86 Euro

…. Entschädigung zahlen.

Mit Urteil vom 22.10.2020 – 12 O 5868/20 – hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts (LG) München I in einem Fall, in dem die Betreiberin einer Gaststätte für die Gaststätte eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen hatte, in deren Versicherungsbedingungen u.a. bestimmt war, 

  • unter § 1 Nr. 1 a Versicherungsumfang, „dass der Versicherer Entschädigung leistet, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2) den versicherten Betrieb […] schließt; […]“
  • unter § 1 Nr. 2 Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger, „dass meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger sind: 
    a) Krankheiten
    […]
    b) Krankheitserreger
    […]“
  • unter § 3 Ausschlüsse, „[…] dass der Versicherer nicht haftet bei Prionenerkrankungen oder dem Verdacht hierauf. […].“

und deren Gaststätte das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege ab dem 21.03.2020 

  • aufgrund des Coronavirus 

geschlossen hatte, entschieden, dass die Betreiberin der Gaststätte von ihrer Versicherung 

  • Entschädigung in Höhe von 427.169,86 Euro 

verlangen kann.

Dass das Corona-Virus vom Versicherungsschutz umfasst sein sollte und demzufolge eine Leistungspflicht der Versicherung besteht, hat das LG u.a. damit begründet, dass

  • eine Anordnung der Schließung der Gaststätte seitens der zuständigen Behörde (vgl. §§ 28 Abs. 1, 32 Satz 1 IfSG in Verbindung mit § 65 Satz 2 Nr. 2 der Bayerischen Zuständigkeitsverordnung (BayZustV) und Art. 3 Abs. 1 Nr. 1 Gesundheitsdienst- und Verbraucherschutzgesetz (GDVG)) vorgelegen,
  • die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes zur Bekämpfung der Corona-Pandemie gehandelt hat,
  • die Gaststätte auch vollständig geschlossen war, da der mögliche Außerhausverkauf eine absolut untergeordnete Rolle spielte, somit also keine unternehmerische Alternative darstellte, auf die sich die Gaststättenbetreiberin verweisen lassen musste und 

der Versicherungsschutz durch die Bedingung unter § 1 Nr. 2 nicht wirksam eingeschränkt worden ist, da diese Klausel, 

  • nachdem der einleitende Satz Leistungsbeschränkung nicht erkennen lässt und
  • auch durch die sich anschließende Formulierung, „dass meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen die folgenden, im Infektionsgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger sind“, einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht mit der notwendigen Klarheit und Eindeutigkeit vor Augen geführt wird, dass hier ein einschränkender Versicherungsumfang formuliert wird und insoweit negative Abweichungen gegenüber dem maßgeblich in Bezug genommenen IfSG bestehen,

wegen Verstoßes gegen das Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) unwirksam ist (Quelle: Pressemitteilung des LG München I). 

Übrigens:
Die 12. Zivilkammer des LG München I hat bereits mit Urteil vom 01.10.2020 – 12 O 5895/20 – eine Betriebsschließungsversicherung dazu verurteilt, einem Gastwirt, dessen Gastwirtschaft corona-bedingt geschlossen worden war, eine Entschädigung in Höhe von 1.014.000,00 € zu zahlen.

LG München I entscheidet: Betriebsschließungsversicherung muss wegen Corona-bedingter Gastwirtschaftsschließung Millionenentschädigung

…. an Gastwirt zahlen.

Mit Urteil vom 01.10.2020 – 12 O 5895/20 – hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts (LG) München I im Fall eines Gastwirts, der 

  • Anfang März 2020 im Hinblick auf die Corona-Pandemie bei dem Bayerischen Versicherungsverband/Versicherungskammer Bayern 

eine Betriebsschließungsversicherung abgeschlossen hatte und dessen Gastwirtschaft Corona-bedingt

  • auf Grundlage einer Allgemeinverfügung vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege vom 21.03.2020, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Ermächtigungsgrundlagen in §§ 28 – 32 Infektionsschutzgesetz (IfSG), für 30 Tage bis Mitte Mai 2020 

vollständig geschlossen worden war, entschieden, dass die Versicherung dem Gastwirt 

  • wegen der Corona-bedingten Betriebsschließung

eine Entschädigung in Höhe von 1.014.000,00 € zahlen muss.

Als Leistungspflichtig hat die Kammer die Versicherung in diesem Fall deshalb angesehen, weil  

  • der Versicherungsvertrag von den Parteien während der Pandemie und im Hinblick darauf abgeschlossen worden war,

nach § 1 Nr. 1 der Versicherungsbedingungen (AVB) Versicherungsschutz bestehen sollte, 

  • wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) beim Auftreten meldepflichtiger in Nr. 2 aufgeführten Krankheiten oder Krankheitserreger den versicherten Betrieb […] schließt,

aufgrund dessen der Versicherungsnehmer nach Ansicht der Kammer davon ausgehen konnte, dass 

  • der Versicherungsschutz dem Grunde nach umfassend ist sowie sich mit dem IfSG deckt,

und nachfolgende den Versicherungsschutz einschränkende AVB-Klauseln, 

  • die dem Versicherungsnehmer wie vorliegend nicht deutlich vor Augen führen, in welchem Umfang Versicherungsschutz trotzdem besteht, 

wegen Intransparenz unwirksam sind.

Hingewiesen hat die Kammer ferner darauf, dass 

  • es für die Leistungspflicht der Versicherung nicht auf die Rechtsform und die Rechtmäßigkeit der Anordnung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege ankommt, 
  • die Leistungspflicht der Versicherung kein Vorgehen des Versicherten gegen die Schließungsanordnung voraussetzt,
  • es nicht erforderlich ist, dass das Corona-Virus in dem geschlossenen Betrieb aufgetreten ist, sondern es lediglich darauf ankommt, dass der Betrieb aufgrund des Infektionsschutzgesetzes vollständig geschlossen worden ist, 
  • ein Außerhausverkauf, wenn er für den Restaurantbetrieb lediglich ein vollkommen untergeordnetes Mitnahmegeschäft ist, keine unternehmerische Alternative darstellt, auf die sich der Versicherungsnehmer verweisen lassen muss

und

  • im Hinblick auf die Höhe der von der Versicherung zu zahlenden Entschädigung weder Kurzarbeitergeld noch staatliche Corona-Liquiditätshilfen anspruchsmindernd zu berücksichtigen seien, da es sich hierbei nicht um Schadensersatzzahlungen gerade für Betriebsschließungen handele (Quelle: Pressemitteilung des LG München I).

Übrigens:
Ob bei erfolgter Corona-bedingter Betriebsschließung die Betriebsschließungsversicherung für eingetretene Verluste zahlen muss, kann nicht generell beantwortet werden, sondern hängt ab,

  • von der Formulierung der Versicherungsbedingungen 

und ob die Versicherungsbedingungen 

  • wirksam oder
  • wegen unangemessener Benachteiligung des Versicherungsnehmers unwirksam sind,
    • wobei sich eine unangemessene Benachteiligung auch daraus ergeben kann, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist, d.h. gegen das Transparenzgebot verstößt (§ 307 Abs. 1 BGB). 

Ein solcher Verstoß gegen das Transparenzgebot liegt nicht nur dann vor, wenn 

  • Klauseln in ihrer Formulierung für den durchschnittlichen Vertragspartner unverständlich sind, 

sondern auch, wenn 

  • sie die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen nicht so weit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann, weil 
    • die Rechte und Pflichten des Vertragspartners von dem Verwender Allgemeiner Versicherungsbedingungen möglichst klar und durchschaubar darzustellen sind.

Ferner verlangt das Transparenzgebot, dass Allgemeine Versicherungsbedingungen dem Versicherungsnehmer bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vor Augen führen, 

  • in welchem Umfang er Versicherungsschutz erlangt und 
  • welche Umstände seinen Versicherungsschutz gefährden,

weil ein potentieller Versicherungsnehmer nur dann die Entscheidung treffen kann, 

  • ob er den angebotenen Versicherungsschutz nimmt oder nicht.

Ohne dass eine Klausel ihm dies hinreichend verdeutlicht, braucht der durchschnittliche Versicherungsnehmer nicht mit Lücken im Versicherungsschutz zu rechnen (Bundesgerichtshofs (BGH), Urteil vom 13.09.2017 – IV ZR 302/16 –).

Haben Sie Fragen?  Wir beraten Sie gerne.

Wer sein Auto vollkaskoversichert (hat) sollte wissen, wann ein Schaden am Fahrzeug durch Unfall versichert ist und wann

…. ein Schaden am Fahrzeug als nicht versicherter „Betriebsschaden“ anzusehen ist.

Ist in den dem Vollkaskoversicherungsvertrag zugrundeliegenden Versicherungsbedingungen bestimmt, dass 

  • „versichert sind 
    • Schäden am Fahrzeug durch Unfall und 
    • als Unfall ein unmittelbar von außen plötzlich mit mechanischer Gewalt auf das Fahrzeug einwirkendes Ereignis gilt“,

sowie 

  • „dass keine Unfallschäden deshalb insbesondere sind, 
    • Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einem Bremsvorgang haben, z. B. Schäden an der Bremsanlage oder an den Reifen,
    • Schäden am Fahrzeug, die ausschließlich aufgrund eines Betriebsvorgangs eintreten, z. B. durch falsches Bedienen, falsches Betanken oder verrutschende Ladung oder durch eine sich während der Fahrt öffnende Motorhaube,
    • Schäden am Fahrzeug, die ihre alleinige Ursache in einer Materialermüdung, Überbeanspruchung oder Abnutzung haben,
    • Schäden zwischen ziehendem und gezogenem Fahrzeug oder Anhänger ohne Einwirkung von außen, z. B. Rangierschäden am Zugfahrzeug durch den Anhänger,
    • Verwindungsschäden und
  • dass vorhersehbare Beschädigungen des Fahrzeugs, die üblicherweise im Rahmen der bestimmungsgemäßen Verwendung des Fahrzeugs entstehen, nicht als Unfallschaden gelten. Beispiel: Schäden an der Ladeoberfläche eines Lkw durch Beladen durch Kies,“

ist für das Vorliegen eines 

  • versicherten Schadens am Fahrzeug durch „Unfall“ 

notwendig, 

  • eine Einwirkung „von außen“, 
  • wobei der Gegenstand, von dem die auf das versicherte Fahrzeug „wirkende mechanische Gewalt“ ausgehen muss, nicht Teil des Fahrzeugs selbst sein darf,

während von einem 

  • vom Versicherungsschutz ausgeschlossen Betriebsschaden am Fahrzeug 

dann auszugehen ist, wenn der Schaden

  • durch Ereignisse und Umstände hervorgerufen worden ist, in denen sich Gefahren verwirklichen, denen das Fahrzeug im Rahmen seiner vorgesehenen konkreten Verwendung üblicherweise ausgesetzt ist, 
  • die also nur eine Auswirkung des normalen Betriebsrisikos sind, das in Kauf genommen wird.

Der Versicherungsnehmer, 

  • der für einen Fahrzeugschaden aus einer abgeschlossenen Vollkaskoversicherung Leistungen begehrt, 

trägt für das Vorliegen eines Unfallschadens im Sinne der Versicherungsbedingungen 

  • die Darlegungs- und 
  • im Streitfall die Beweislast.

Darauf hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart mit Urteil vom 30.07.2020 – 7 U 57/20 – hingewiesen und in einem Fall, in dem ein vollkaskoversicherter PKW beim Überfahren einer 

  • absichtlich an einem Ortsanfang, quer zu einer asphaltierten Straße, 

angelegten, 

  • für den Fahrzeugführer – nach seiner Behauptung – wetter- und dunkelheitsbedingt nicht erkennbaren,

Fahrbahnschwelle 

  • mit einer Geschwindigkeit von 30 bis 40 km/h, bei einer dort zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, 

beschädigt worden war, entschieden, dass es sich um einen von der Vollkaskoversicherung 

  • nicht abgedeckten Betriebsschaden, 
    • mithin von einem Schaden, der durch normale Abnutzung, durch Material- oder Bedienungsfehler an dem Fahrzeug oder seinen Teilen entsteht, 

gehandelt hat.

Begründet ist dies vom Senat damit worden, dass es entscheidend von 

  • der konkreten Verwendung des Fahrzeugs 

abhängt, ob ein Ereignis, 

  • das die wesentlichen Merkmale eines Unfalls aufweist, 

als Betriebsschaden oder als Unfallschaden anzusehen ist und somit, wenn 

  • ein Fahrzeug bei einem Überfahren einer angelegten Fahrbahnschwelle einen Schaden erleidet und
  • ein Nachweis für das Vorliegen eines Unfalls nicht erbracht werden kann, 

davon auszugehen ist, dass sich lediglich ein Risiko verwirkt hat, dem das Fahrzeug nach seiner Verwendung im gewöhnlichen Fahrbetrieb ausgesetzt ist.

Da bei der versicherungsvertraglichen Abgrenzung zwischen 

  • versichertem „Unfallschaden“ und 
  • nicht versichertem „Betriebsschaden“ 

nach der Auffassung des Senats ein etwaiges Verschulden des Fahrzeugführers nicht zu berücksichtigen ist, war es somit auch ohne Relevanz, 

  • ob dieser wetter- und tageszeitenbedingt die Fahrbahnschwelle erkennen konnte oder
  • ob er zu schnell gefahren ist.

Hinweis:
Diesbezüglich anderer Ansicht ist das Landgericht (LG) München II, das mit Urteil vom 13.01.2017 – 10 O 3458/16 – entschieden hat, dass, sofern eine Bodenschwelle 

  • aufgrund ihrer mangelnden Erkennbarkeit 

mit einem Kraftfahrzeug zu schnell überfahren und dadurch ein Schaden am Fahrzeug entsteht, 

  • ein versicherter Unfallschaden vorliegt und 
  • nicht lediglich ein vom Vollkaskoversicherungsschutz nicht umfasster Betriebsschaden. 

Wer mit seinem Kfz unter Alkohol- oder Drogeneinfluss einen Unfall mit Fremdschaden verursacht, sollte wissen,

…. dass er, neben strafrechtlichen Konsequenzen, auch mit Regressansprüchen seiner Kfz-Haftpflichtversicherung rechnen muss.

Mit Urteil vom 16.07.2020 – 565 C 2401/20 – hat das Amtsgericht (AG) Hannover in einem Fall, in dem ein PKW-Fahrer, 

  • nach dem Konsum von Marihuana, mit 8,8 ng/ml Tetrahydrocannabiol (THC) im Blut und 
  • unter Missachtung der Vorfahrt eines anderen, 

ein Verkehrsunfall mit Fremdsachschaden in Höhe von 2.000 Euro verursacht 

  • und seine Kfz-Haftpflichtversicherung den Fremdschaden reguliert 

hatte, entschieden, dass die Kfz-Haftpflichtversicherung von dem Unfallverursacher, 

  • also ihrem Versicherungsnehmer, 

die im Rahmen der Fremdschadensregulierung aufgewendeten 2.000 Euro zurückfordern kann.

Begründet hat das AG dies damit, dass 

  • nach den Versicherungsbedingungen das haftpflichtversicherte Fahrzeug nicht gefahren werden darf, wenn der Fahrer durch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen,

von dem Versicherungsnehmer diese Pflicht verletzt worden ist, weil er, was sich, 

  • aus der Menge des in seinem Blut festgestellten THC,
  • seinen, laut Angaben der unfallaufnehmenden Polizeibeamten, stark geröteten sowie wässrigen Augen, den Tremor in den Händen sowie den Horizontalnystagmus und 
  • dem zu späten Erkennen des sich nähernden Vorfahrtsberechtigten, 

ergebe, zum Unfallzeitpunkt in Folge Genusses berauschender Mittel 

  • relativ fahruntüchtig und somit 

nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen und 

  • nach den Versicherungsbedingungen 

Folge der Pflichtverletzung ist, dass  

  • zu Gunsten des Kfz-Haftpflichtversicherers bezüglich der Regulierung des Unfalls im Innenverhältnis zu ihrem Versicherungsnehmer 

Leistungsfreiheit in Höhe von 5.000 Euro besteht (Quelle: Pressemitteilung des AG Hannover).

Wichtig zu wissen für Versicherungsnehmer, wenn die Diebstahlsversicherung die Schadensregulierung unter Berufung

…. darauf, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht sei, verweigert.

Mit Urteil vom 08.07.2020 – 11 U 151/19 – hat der 11. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig entschieden, dass einem Versicherungsnehmer 

  • bei dem (von ihm zu führenden) Nachweis eines Diebstahls 

Beweiserleichterungen zugute kommen und er, 

  • nachdem die Täter bei einem Diebstahl naturgemäß unbeobachtet bleiben wollen,

nur ein Mindestmaß an Tatsachen beweisen muss, die 

  • nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit 

den Schluss auf die Entwendung zulassen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, in dem ein Versicherungsnehmer, weil aus seiner Lagerhalle, 

  • die mit einem vier Meter hohen Tor, über dem sich eine ca. 30 cm große Lücke befand, verschlossen war, 

Fahr- und Werkzeuge im Wert von rund 30.000 Euro fehlten, 

  • Anzeige wegen Diebstahls erstattet sowie 

den Schaden seiner Versicherung gemeldet, diese die Schadensregulierung  

  • aber unter Berufung darauf, dass der Diebstahl nur vorgetäuscht wäre,

abgelehnt hatte, ist die Versicherung vom Senat zur Zahlung verurteilt worden.

Begründet hat der Senat dies damit, dass nach den Feststellungen des mit der Begutachtung beauftragten Sachverständigen, die Diebe 

  • zu der vier Meter hohen Lücke über dem Tor hinaufklettern, 
  • durch diese Lücke in die Halle einsteigen, 
  • das Tor von innen aufmachen sowie 

Fahr- und Werkzeuge entwenden und anschließend das Tor,

  • um den Diebstahl möglichst lange zu verheimlichen,

wieder zuziehen konnten, es damit dem Versicherungsnehmer gelungen war, Umstände nachzuweisen, die 

  • nach der Lebenserfahrung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit 

den Schluss auf eine Entwendung der Fahr- und Werkzeuge zulassen, 

  • das Belassen einer Lücke von ca. 30 cm über einem vier Meter hohen Tor auch nicht grob fahrlässig gewesen 

und die Versicherung nicht habe nachweisen können, dass der Einsteigediebstahl nur vorgetäuscht worden sei (Quelle: Pressemitteilung des OLG Braunschweig).

Was, wer eine Berufsunfähigkeitsversicherung abschließt oder abgeschlossen hat, wissen sollte

Enthält die abgeschlossene Berufsunfähigkeitsversicherung die Bedingung, dass die Versicherung nur dann zahlen muss, wenn feststeht, dass 

  • der Versicherte seinen Beruf auf Dauer nicht mehr ausüben kann und 
  • auch nicht zu einer anderen Tätigkeit in der Lage ist, die 
    • der Ausbildung, 
    • den Fähigkeiten und 
    • der bisherigen Lebensstellung des Versicherten entspricht und 
  • er eine solche Tätigkeit auch tatsächlich nicht ausübt,

sind, 

  • wenn ein Versicherter nicht mehr in seinem bisherigen Beruf arbeiten kann und 
  • in einen anderen Beruf umschult, 

bei Ausübung des neuen Berufs 

  • mögliche Chancen und Erwartungen auf einen beruflichen Aufstieg im alten Beruf 

nicht durch die Versicherung abgesichert.

Darauf hat der 1. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg hingewiesen und mit Urteilen vom 11.05.2020 – 1 U 14/20, 1 U 15/20 – in zwei Fällen, in denen, in dem einen Fall, 

  • ein ehemaliger Heizungsmonteur, der nach einem Unfall nicht mehr als Heizungsmonteur tätig sein konnte und zum technischen Zeichner umgeschult hatte

sowie in dem weiteren Fall,

  • ein ehemaliger Estrichleger, der, nachdem er nicht mehr als Estrichleger tätig sein konnte, eine Umschulung zum Großhandelskaufmann gemacht hatte und jetzt als kaufmännischer Angestellter arbeitete, 

jeweils von ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung, 

  • die die Leistungen eingestellt hatte, 

mit der Begründung, dass

  • sie zwar in den neuen Berufen so viel bzw. etwa so viel wie zuvor verdienten, die früher ausgeübten Handwerksberufe aber ein höheres Sozialprestige gehabt hätten,
  • darüber hinaus, 
    • sie aufgrund der positiven Entwicklung des Gehaltniveaus im Handwerk seit ihrem Unfall, in ihren alten Berufen mittlerweile viel mehr hätten verdienen können als jetzt in den neuen Berufen bzw. 
    • sie später einen Meistertitel erwerben und ein Firmenfahrzeug erhalten hätten, 

weiter Leistungen begehrten, entschieden, dass 

  • die Versicherung in den beiden Fällen berechtig war, die Leistungen einzustellen.

Denn, so der Senat, dass das Handwerk 

  • ein höheres Sozialprestige habe als die jetzt von den Versicherten ausgeübten Berufe 

sei durch nichts belegt und 

  • da es auf die Lebensstellung eines Versicherten bei Eintritt des Versicherungsfalles ankomme,

sei nicht relevant, ob nach Eintritt des Versicherungsfalles

  • sich die Gehälter im Handwerk verbessert haben und der Versicherte eine positive Lohnentwicklung im alten Beruf mitgemacht hätte oder 
  • ein Versicherter mit einem Aufstieg im alten Beruf rechnen konnte (Quelle: Pressemitteilung des OLG Oldenburg).

Was, wer eine private Unfallversicherung abgeschlossen hat oder abzuschließen beabsichtigt, wissen sollte

Mit Urteil vom 08.01.2020 – IV ZR 240/18 – hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) entschieden, dass, wenn die Bedingungen einer Unfallversicherung vorsehen, dass Krankenhaustagegeld

  • gezahlt wird, für jeden Kalendertag, an dem sich der Versicherte wegen des Unfalles in medizinisch notwendiger vollstationärer Heilbehandlung befindet,
  • bei einem Aufenthalt in Sanatorien, Erholungsheimen und Kuranstalten aber entfällt,

ein Krankenhaustagegeldanspruch (auch) bei einem Aufenthalt

  • in einer Rehaklinik

ausgeschlossen ist und einer Anwendung dieses Leistungsausschlusses auch nicht mit Erfolg entgegengehalten werden kann, dass

  • die Behandlung in der Rehaklinik einer Krankenhausbehandlung entsprochen habe.

Zur Begründung hat der Senat u.a. darauf verwiesen, dass die Rehaklinik ein Synonym des Sanatoriums ist und von einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer,

  • ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse, auf dessen Verständnismöglichkeiten es bei der Auslegung von Versicherungsbedingungen ankommt,

sowohl

  • aufgrund des allgemeinen Sprachgebrauchs,

als auch

  • in ihrer Funktion,

Rehakliniken und die in der Klausel genannten Sanatorien als vergleichbare Einrichtungen angesehen wird.