Tag Versicherungsrecht

Wann muss Auslandskrankenversicherung Kosten für Rücktransport nach Deutschland tragen?

Ein Versicherungsnehmer einer Auslandskrankenversicherung, nach deren Versicherungsbedingungen dem Versicherten die durch einen medizinisch notwendigen Rücktransport aus dem Ausland in die Bundesrepublik Deutschland entstandenen, den üblichen Fahrpreis übersteigenden Kosten erstattet werden, hat,

  • wenn eine gebotene Notoperation im Ausland nicht gewährleistet ist,

 

Anspruch auf die für den außergewöhnlichen Rücktransport entstandenen Kosten abzüglich der üblicher Rücktransportkosten.

Das hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 30.10.2015 – 20 U 190/13 – entschieden und einen Auslandskrankenversicherer verurteilt, einer Versicherten ca. 21.500 Euro für den Rückflug von Portugal nach Deutschland zu erstatten,

  • weil eine dringend gebotene Notoperation der an einer schweren Bauchfellentzündung mit Sepsis, beginnendem Multiorganversagen und entgleisenden Blutsalzen leidenden und in akuter Lebensgefahr schwebenden Versicherten in einem Hospital in Lissabon am Tag ihrer Einlieferung unterblieben war und
  • sich die Versicherte deshalb am nächsten Morgen nach Deutschland hatte fliegen lassen, wo sie in einer Klinik noch am Nachmittag desselben Tages notfallmäßig operiert worden war.

 

Der Ansicht der beklagten Versicherung, dass sich die Versicherte in Lissabon hätte weiter medizinisch behandeln lassen können und sie, die Beklagte, sofern eine medizinisch notwendige Behandlung dort aufgrund eines Behandlungsfehlers unterblieben sein sollte, hierfür nicht eintrittspflichtig sei, folgte der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm nicht.
Vielmehr muss, wie der Senat ausgeführt hat, der Versicherer der Versicherungsnehmerin deshalb die Transportkosten erstatten, weil

  • nach der durchgeführten Beweisaufnahme feststand, dass die gebotene operative Behandlung der Klägerin im Hospital in Lissabon nicht gewährleistet war und
  • ein dem zugrunde liegender möglicher ärztlicher Behandlungsfehler der dortigen Ärzte die Leistungspflicht der Beklagten weder nach dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck ihrer Versicherungsbedingungen in Frage stellt,
  • nachdem es aus Sicht eines Versicherungsnehmers keinen Unterschied macht, ob eine gebotene Behandlung im Ausland unterbleibt, weil sie dort nicht durchgeführt werden kann oder weil die dortigen Ärzte nicht willens sind, sie durchzuführen.

 

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 27.11.2015 mitgeteilt.

 

Wenn die erste Prämie einer Kraftfahrt-Vollkaskoversicherung bei Eintritt des Versicherungsfalles nicht bezahlt ist

Die Leistungsfreiheit des Versicherers wegen Nichtzahlung der einmaligen oder ersten Versicherungsprämie setzt den Nachweis des Zugangs einer entsprechenden Prämienrechnung voraus.

Darauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart mit Urteil vom 10.09.2015 – 7 U 78/15 – hingewiesen und in einem Fall,

  • in dem der Kläger nach einem Verkehrsunfall mit seinem PKW, aufgrund des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages über eine Kraftfahrt-Vollkaskoversicherung, den dadurch entstandenen Schaden in Höhe von 5.504,32 EUR, abzüglich des Selbstbehalts von 300,00 EUR, von dem beklagten Versicherer verlangt hatte,
  • den Versicherer antragsgemäß verurteilt, weil
    • dieser sich gegen den geltend gemachten Anspruch ausschließlich damit verteidigt hatte, er sei wirksam nach § 37 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) vom Versicherungsvertrag zurückgetreten sowie zudem auch nach § 37 Abs. 2 VVG leistungsfrei,
    • vom Kläger der Zugang des Versicherungsscheins bestritten worden war und
    • der beklagte Versicherer nicht bewiesen hatte, dass dem klagenden Versicherungsnehmer der einschlägige Versicherungsschein vor dem Verkehrsunfall bzw. vor Zugang des Rücktrittsschreibens zugegangen war.

 

Wie das OLG Stuttgart zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt hat,

  • ist nach § 37 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) der Versicherer, wird die einmalige oder die erste Prämie nicht rechtzeitig gezahlt, solange zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, wie die Zahlung nicht bewirkt ist und
  • nach § 37 Abs. 2 Satz 1 VVG nicht zur Leistung verpflichtet, wenn die einmalige oder die erste Prämie bei Eintritt des Versicherungsfalls nicht gezahlt ist und der Versicherer den Versicherungsnehmer durch gesonderte Mitteilung in Textform oder durch einen auffälligen Hinweis im Versicherungsschein auf diese Rechtsfolge der Nichtzahlung der Prämie aufmerksam gemacht hat,

 

es sei denn, der Versicherungsnehmer hat die Nichtzahlung nicht zu vertreten.

Voraussetzung von Rücktrittsrecht und Leistungsfreiheit ist es demnach,

  • dass die Erstprämie nicht rechtzeitig gezahlt worden ist,
  • was das Ausbleiben der Leistungshandlung zum Zeitpunkt der Fälligkeit voraussetzt.

 

Für den obigen Streitfall bedeutet dies,

  • die Erstprämie, auf deren Nichtzahlung sich der Versicherer zur Begründung seines auf § 37 Abs. 1 VVG bzw. aus § 37 Abs. 2 VVG gestützten Einwands beruft,
  • hätte zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls bzw. zum Zeitpunkt des erklärten Rücktritts zur Zahlung fällig sein müssen.

 

Fälligkeitsvoraussetzung ist indes

  • der Zugang des Versicherungsscheins,
  • für den der Versicherer darlegungs- und beweisbelastet ist, wenn der Versicherungsnehmer den Zugang bestreitet, wobei er sich insoweit auf einfaches Bestreiten beschränken kann.

 

Einen solchen Zugang beweist – auch nicht prima facie – weder die Absendung, noch der Umstand, dass die Sendung nicht zurückgekommen ist.
Erfahrungssätze, dass Postsendungen den Empfänger erreichen bestehen nämlich nicht, zumal es in der Hand des Versicherers liegt, etwaige Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, indem er den Versicherungsschein durch Einschreiben mit Rückschein übersendet. Verzichtet ein Versicherer hierauf führt dies dazu, dass er die durch eine Beweisfälligkeit entstehenden Kosten zu tragen hat.

 

Unfall eines Schülers während einer von der Schule veranstalteten Rockparty

Schüler sind bei Teilnahme an einer Veranstaltung für die die Schule die organisatorische Verantwortung übernommen hat, gesetzlich unfallversichert.

Das hat der 3. Senat des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz in Mainz mit Urteil vom 03.02.2015 – L 3 U 62/13 – in einem Fall entschieden,

  • in dem eine Schülerin der 10. Klasse eines Gymnasiums während des Besuchs einer von der Schule seit Jahrzehnten einmal jährlich veranstalteten „Frühlings-Rockparty“, die sich vor allem an Schüler der 9. und 10. Klassenstufe als freiwilliges Angebot richtete, darüber hinaus aber jedermann offen stand und deren Erlös in die Kasse der Schülervertretung floss,
  • an einen Treppenabgang gestürzt war und sich schwerwiegende Verletzungen der Wirbelsäule zugezogen hatte, die umfangreiche ärztliche Behandlungen erforderlich machten.

 

Nach der Entscheidung des 3. Senats des Landessozialgerichts bestand für den Sturz der Schülerin Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe b Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII).
Wie der Senat ausgeführt hat, ist für den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung bei einer von einer Schule veranstalteten Rockparty ausreichend, dass die Veranstaltung zumindest unter der organisatorischen Mitverantwortung der Schulleitung stattfindet, was dann der Fall ist, wenn

  • ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zur Schule sowie eine ausreichende tatsächliche Einwirkungsmöglichkeiten der Schulleitung auf die Vorbereitung und die Durchführung der Veranstaltung gegeben und
  • wirksame schulische Aufsichtsmaßnahmen gewährleistet sind (Bundessozialgericht (BSG), Urteile vom 30.06.2009 – B 2 U 19/08 R – und vom 18.04.2000 – B 2 U 5/99 R –).

 

Dass der Teilnehmerkreis der Veranstaltung nicht auf Schüler der betreffenden Schule beschränkt ist, steht dem Unfallversicherungsschutz nicht entgegen,

  • solange die Schüler und insbesondere auch deren Eltern (oder sonstigen Erziehungsberechtigten) nach dem Gesamtbild der Veranstaltung unter Berücksichtigung von Planung, Ankündigung und Durchführung zweifelsfrei davon ausgehen können,
  • dass es sich um eine Veranstaltung der Schule handelt, bei der die teilnehmenden Schüler auch ordnungsgemäß beaufsichtigt werden.

 

Der Aufenthalt vor dem Veranstaltungsraum zur Führung einer Unterhaltung gehört dabei auch zu den versicherten Verrichtungen, so dass für den Unfall eines Schülers dort ebenfalls Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung besteht.

 

Einsetzung „des verwitweten Ehegatten“ als Bezugsberechtigten einer Lebensversicherung

Die Erklärung des Versicherungsnehmers gegenüber dem Versicherer, im Falle seines Todes solle „der verwitwete Ehegatte“ Bezugsberechtigter der Leistung aus der Lebensversicherung sein,

  • ist auch im Fall einer späteren Scheidung der Ehe und Wiederheirat des Versicherungsnehmers regelmäßig dahin auszulegen,
  • dass der mit dem Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der Bezugsrechtserklärung verheiratete Ehegatte bezugsberechtigt sein soll.

 

Darauf hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 22.07.2015 – IV ZR 437/14 – in einem Fall hingewiesen,

  • in dem von einem geschiedenen und nach Wiederverheiratung verstorbenen Versicherungsnehmer
  • während seiner ersten Ehe eine Lebensversicherung abgeschlossen und dabei auf einem Vordruck des Versicherers als Bezugsberechtigter nach seinem Tod „der verwitwete Ehegatte“ angekreuzt worden war.

 

Zur Begründung seiner Entscheidung, dass Bezugsberechtigte der Versicherungssumme in einem solchen Fall

  • die geschiedene erste Ehefrau ist und
  • nicht die zweite Ehefrau, mit der der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt seines Todes verheiratet war,

 

hat der IV. Zivilsenat des BGH ausgeführt, dass es sich bei der Bestimmung der Bezugsberechtigung durch den Versicherungsnehmer um eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, die erst wirksam wird, wenn sie dem Versicherer zugeht (§ 159 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG); BGH, Urteil vom 26.06.2013 – IV ZR 243/12 –).
Wem der Versicherungsnehmer mit der Formulierung „der verwitwete Ehegatte“ im Todesfall ein Bezugsrecht einräumt, ist dabei durch Auslegung der Willenserklärung des Verfügungsberechtigten zu ermitteln, wobei sich die Auslegung auf den Zeitpunkt, zu dem der Versicherungsnehmer seine Erklärung abgibt, zu beziehen hat (vgl. BGH, Urteil vom 14.02.2007 – IV ZR 150/05 –).

Maßgeblich ist somit der bei der Festlegung des Bezugsrechts vorhandene und dem Versicherer gegenüber zum Ausdruck gebrachte Wille des Versicherungsnehmers (BGH, Urteil vom 14.02.2007 – IV ZR 150/05 –).
Spätere Umstände sind grundsätzlich unerheblich.
Insbesondere bleiben nachträgliche Überlegungen oder Absichtserklärungen des Versicherungsnehmers außer Betracht, wenn sie dem Versicherer nicht so mitgeteilt worden sind, dass dieser nach objektivem Empfängerhorizont den Inhalt einer etwaigen Bezugsrechtsänderung erkennen kann (vgl. BGH, Urteil vom 26.06.2014 – IV ZR 243/12 –).

  • Wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat, bietet der Wortlaut „Ehegatte“ keinen Anhalt dafür anzunehmen, ein Versicherungsnehmer wolle damit nicht den zum Zeitpunkt der Erklärung mit ihm verheirateten Ehegatten, sondern allgemein diejenige Person begünstigen, die zum Zeitpunkt seines Todes mit ihm verheiratet sein wird (BGH, Urteil vom 14.02.2007 – IV ZR 150/05 –).
  • Im Gegenteil verbindet ein Versicherungsnehmer mit dem Wort „Ehegatte“ – solange keine gegenteiligen Anhaltspunkte vorliegen – regelmäßig nur die Vorstellung, dass damit derjenige gemeint ist, mit dem der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der Erklärung verheiratet ist.

 

Eine Vorstellung, dass es sich bei einer solchen Bezugsrechtsbestimmung nicht um die Bezeichnung einer ganz bestimmten, lebenden Person, sondern um eine abstrakte Bezeichnung handelt, ist dem Versicherungsnehmer fremd.
Erst recht ergibt sich ein solcher Erklärungsinhalt nicht nach der – allein maßgeblichen – Auslegung nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)) des Versicherers.

Aus dem Eigenschaftswort „verwitwet“ folgt nichts anderes.
Denn insoweit kommt es allein auf das Verständnis des Ehemannes zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung an, wie es sich nach dem objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB) des Versicherers darstellt und

  • aus Sicht des Ehemannes ist danach typischerweise die zu diesem Zeitpunkt mit ihm verheiratete Frau im Versicherungsfall der „verwitwete Ehegatte“,
  • weil das Bezugsrecht nach der ausdrücklichen Regelung nur im Todesfall greifen soll (ebenso bereits BGH, Urteil vom 14.02.2007 – IV ZR 150/05 – für die Verknüpfung des Begriffs „Ehegatte“ mit dem Begriff „Todesfall“) und
  • nicht ersichtlich ist, dass sich der Versicherungsnehmer, als er die Bezugsrechtserklärung abgab, Gedanken über den Fortbestand seiner Ehe machte oder gar den Fall einer Scheidung und Wiederheirat in Betracht zog.

 

Dass die Benennung des Ehegatten des Versicherungsnehmers als Bezugsberechtigten einer Versicherungsleistung ohne Hinzutreten besonderer Anhaltspunkte nicht auflösend bedingt ist durch eine Scheidung der Ehe vor Eintritt des Versicherungsfalles, also durch eine Scheidung nicht nachträglich entfällt, hat der BGH bereits entschieden (BGH, Urteil vom 14.02.2007 – IV ZR 150/05 –).
Denn bei der Verwendung des Begriffs „Ehegatte“ bzw. „Ehefrau“ ist nach der Lebenserfahrung regelmäßig nicht anzunehmen, dass das Bezugsrecht nur für den Fall eingeräumt sein soll, dass die Ehe zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls noch besteht.

Fazit:
Wer will, dass in einem solchen Fall die geschiedene Ehefrau nicht bezugsberechtigt bleiben soll, muss das Bezugsrecht gegenüber dem Versicherer ändern bzw. sollte sich gegebenenfalls von einem Rechtsanwalt, am besten einem Fachanwalt für Versicherungsrecht, beraten lassen. 

 

Wenn mit dem Kaskoversicherer eine Werkstattbindung vereinbart ist

Wer mit seiner Kaskoversicherung eine Werkstattklausel vereinbart hat, die Reparatur eines Schadens jedoch entgegen dieser Vereinbarung nicht bei einer Partnerwerkstatt der Versicherung, sondern bei einer freien Werkstatt in Auftrag gibt,

  • muss einen prozentualen Abschlag bei der Erstattung der Kosten hinnehmen und
  • zwar auch dann, wenn die Stundensätze der freien Werkstatt mit denen der Vertragswerkstatt der Versicherung identisch sind.

 

Das hat das Amtsgericht (AG) München mit Urteil vom 26.09.2014 – 122 C 6798/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatten die dem Fahrzeugvollversicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Werkstattbindungsklausel enthalten, nach der Reparaturen bei einem Kaskoschaden nur dann zu 100 Prozent zu erstatten waren, wenn sie von einer Vertragswerkstatt der Versicherung ausgeführt wurden und bei der Beauftragung einer freien Werkstatt dem Versicherungsnehmer nur 85 Prozent ersetzt werden mussten.

Das hat die Pressestelle des Amtsgerichts München am 31.07.2015 – 44/15 – mitgeteilt.

 

Arbeitsunfall wenn Taxifahrer niedergeschossen wird?

Der 9. Senat des Hessischen Landessozialgerichts (LSG) hat in einem Fall,

  • in dem ein nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) kraft Gesetzes versicherter Taxifahrer Personen, die sich lautstark dem Taxistand näherten, zur Ruhe aufgefordert hatte und daraufhin von einer dieser Personen niedergeschossen sowie schwer verletzt worden war,

 

entschieden (Az.: L 9 U 41/13),

  • dass dies jedenfalls dann von der gesetzlichen Unfallversicherung als Arbeitsunfall gemäß § 8 Abs. 1 SGB VII anzuerkennen ist, wenn
    • kein privates Überfallmotiv vorlag und
    • der Taxifahrer aus betriebsbezogenen Gründen gehandelt hat, was hier der Fall war, weil der Senat davon ausging, dass der Taxifahrer einen störungsfreien Taxibetrieb sicherstellen sowie verhindern wollte, dass potentielle Kunden durch den Lärm abgeschreckt werden.

 

Das hat die Pressestelle des Hessischen Landessozialgerichts am 21.07.2015 – 13/15 – mitgeteilt.

 

Die Tarifbedingung „Hilfsmittel gleicher Art“ in der privaten Krankenversicherung

Sehen Tarifbedingungen einer privaten Krankheitskostenversicherung vor, dass Leistungen für „Hilfsmittel gleicher Art“ (nur) einmal innerhalb von drei Jahren erstattungsfähig sind, ist damit der konkrete Verwendungszweck des Hilfsmittels, insbesondere bezogen auf das jeweils geschädigte Körperteil gemeint.

Das hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 24.06.2015 – IV ZR 181/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall,

  • in dem es in den Tarifbedingungen eines privaten Krankenversicherers hieß, dass Kosten für technische Mittel, die körperliche Behinderungen unmittelbar mildern oder ausgleichen sollen, wie beispielsweise Sehhilfen, Arm- und Beinprothesen erstattungsfähig sind, Leistungen für Hilfsmittel gleicher Art aber nur einmal innerhalb von drei Kalenderjahren erstattungsfähig sind,
  • hatte ein Versicherungsnehmer, der nach einer Oberschenkelamputation im Jahr 2011 mit einer Kniegelenksprothese im Anschaffungswert von circa 44.000 € versorgt worden war, mit der Begründung, diese Prothese eigne sich wegen der darin befindlichen elektronischen Bauteile nicht für den Einsatz in Situationen, in denen sie – wie etwa beim Duschen, im Schwimmbad oder am Strand – der Gefahr von Spritzwasser ausgesetzt sei, die Erstattung von 8.397,56 € für eine 2012 erworbene Badeprothese verlangt.

 

In dieser Entscheidung hat der IV. Zivilsenat des BGH darauf hingewiesen, dass die Klausel, wonach „Hilfsmittel gleicher Art“ nur einmal innerhalb von drei Jahren erstattungsfähig sind, einer Kostenerstattung für die Badeprothese nicht entgegensteht.

Der durchschnittliche Versicherungsnehmer, auf dessen Verständnismöglichkeiten es bei der Auslegung der genannten Tarifklausel ankommt, wird die Formulierung „Hilfsmittel gleicher Art“ nämlich nicht dahin verstehen, dass damit die bloße Einordnung in die Begriffe des voranstehenden Hilfsmittelkataloges angesprochen wäre mit der Folge, dass binnen drei Jahren lediglich Anspruch auf Kostenerstattung für eine Bein- oder Armprothese, ein Hörgerät usw. bestünde.
Stattdessen wird er annehmen, dass mit „gleicher Art“ der konkrete Verwendungszweck des betreffenden Hilfsmittels, insbesondere bezogen auf das jeweils geschädigte Körperteil gemeint ist, so dass die Klausel im Ergebnis lediglich auf eine Begrenzung so genannter Zweitversorgung oder auf Ersatzbeschaffung zielt.

Das bedeutet, sollte sich die Hauptprothese des Klägers nicht ausreichend vor Spritzwasser schützen lassen und deshalb keine Verwendung in Bereichen mit Wasserkontamination ermöglichen, würde die Badeprothese gerade dem Zweck dienen, dort eingesetzt zu werden, wo sich die Hauptprothese als ungeeignet erweist, die Mobilität des Klägers zu gewährleisten.
Sie wäre dann – verglichen mit der Hauptprothese – kein Hilfsmittel gleicher Art und unterfiele damit nicht der Dreijahresbegrenzung. 

 

Keine gesetzliche Unfallversicherung bei Teilnahme an Neckerei

Das Hessische Landessozialgericht (LSG) Darmstadt hat mit Urteil vom 24.03.2015 – L 3 U 47/13 – entschieden, dass es nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen ist, wenn sich ein Erwachsener durch einen Sprung aus dem Fenster dem Wasserstrahl eines Gummispritztiers entzieht.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall

  • hatte ein Mitschüler während einer beruflichen Umschulungsmaßnahme in einem Unterrichtsraum im 1. Obergeschoß des Schulungsgebäudes, als die Lernenden selbständig und ohne Anwesenheit einer Lehrkraft arbeiten sollten, versucht, den 27-jährigen Kläger mit einem Gummispritztier nass zu spritzen,
  • worauf hin dieser, um sich dem Wasserstrahl zu entziehen, über die Fensterbrüstung auf ein vor dem Fenster befindliches Welldach gesprungen und weil dieses seinem Gewicht nicht standgehalten hatte, hindurch auf die darunter befindliche Laderampe gestürzt war, wobei er sich nicht unerheblich verletzt hatte. 

 

Seine Klage gegen die Berufsgenossenschaft, die die Anerkennung des Unfalls des Klägers als Arbeitsunfall abgelehnt hatte, hatte keinen Erfolg.

Wie das Hessische LSG ausführte, sind Arbeitsunfälle nach § 8 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Danach ist für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erforderlich,

  • dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang),
  • dass diese Verrichtung zum Unfallereignis geführt hat und
  • letzteres einen Gesundheits(-erst)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat.

 

Der sachliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenzen liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht.
Dabei sind nicht alle Verrichtungen eines grundsätzlich Versicherten im Laufe eines Arbeitstages auf der Arbeitsstätte bzw. im konkreten Fall im Laufe eines Unterrichtstages in den Unterrichtsräumen auch versichert, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII nur Unfälle „infolge“ der versicherten Tätigkeit Arbeitsunfälle sind und es einen so genannten Betriebsbann nur in der Schifffahrt (§ 10 SGB VII), nicht aber in der übrigen gesetzlichen Unfallversicherung gibt.
Typischerweise und in der Regel unversichert sind höchstpersönliche Verrichtungen. Diese führen zu einer Unterbrechung der versicherten Tätigkeit und damit in der Regel zu einer Unterbrechung des Versicherungsschutzes.
Maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den Zusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist die Handlungstendenz des Versicherten, ob er eine dem Beschäftigungsunternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte.
Der Sprung des Klägers aus dem Fenster zum Ausweichen vor dem Wasserstrahl stellte jedenfalls eine aktive Teilnahme an der möglicherweise durch den Mitschüler begonnenen Spielerei dar und die Teilnahme an solchen Neckereien und Spielereien ist nach der Handlungstendenz grundsätzlich als ein den Interessen des Betriebes zuwiderlaufendes Verhalten anzusehen, so dass diese grundsätzlich auch unversichert sind, d.h., Unfälle durch solche Spielereien unter Erwachsenen am Ort der versicherten Tätigkeit sind grundsätzlich keine Arbeitsunfälle.

Eine insoweit großzügigere Betrachtung kommt nur im Rahmen der Schüler-Unfallversicherung bei Schülern und pubertierenden Jugendlichen unter Berücksichtigung der Gefahren in Betracht, die sich aus unzureichender Beaufsichtigung oder aus dem typischen Gruppenverhalten (Schubsen, Rangeleien usw.) innerhalb des organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule ergeben oder bei Jugendlichen, die als Beschäftigte nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII oder als Lernende § 2 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII versichert sind und bei einer Spielerei im Betrieb oder in der Unterrichtsstätte verunglücken, wenn der Unfall darauf zurückzuführen ist, dass sie ihrem natürlichen Spiel- bzw. Nachahmungstrieb nachgegeben haben und nicht ausreichend beaufsichtigt worden sind. 

 

Wenn Teile vom bzw. aus Pkw entwendet werden

Wer Ansprüche aus einer KFZ-Haftpflichtversicherung mit angeschlossener Teilkaskoversicherung nach einem von ihm behaupteten KFZ-Teile-Diebstahl geltend macht, muss, wenn der Versicherer das behauptete Ereignis bestreitet und Leistungsansprüche zurückweist, den Vollbeweis für das äußere Bild eines Diebstahls von Fahrzeugteilen erbringen.
Das ist regelmäßig dann gegeben, wenn feststeht, dass der Versicherungsnehmer das Fahrzeug zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort unbeschädigt abgestellt und beschädigt wieder aufgefunden hat.

Dabei begründet das Auffinden eines Wagens mit Aufbruchsspuren für sich allein noch nicht das äußere Bild der Entwendung, weil solche Beschädigungen auch bei einem vorgetäuschten Diebstahl vorhanden sein können (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 08.02.2012 – I-20 U 172/11 – ).

Kann der Versicherungsnehmer den Nachweis für das äußere Bild eines bedingungsgemäßen Diebstahls nicht durch Zeugenbeweis erbringen, kann er ihn auch durch seine Angaben im Rahmen einer Anhörung gemäß § 141 Zivilprozessordnung (ZPO) führen.
Hierbei kommt es entscheidend darauf an, ob der Versicherungsnehmer glaubwürdig erscheint (vergl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 30.01.2002 – IV ZR 263/00 –; Hanseatisches OLG Hamburg, Urteil vom 23.03.2011 – 14 U 160/10 –), wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass nicht der unredliche, sondern der redliche Versicherungsnehmer der Regelfall ist.

Erscheint der Versicherungsnehmer nicht glaubwürdig und kann er keine nachvollziehbaren Angaben zum Abstellen und Auffinden des Fahrzeugs machen, scheidet die Annahme eines Versicherungsfalls aus.
Gleiches gilt, wenn die Versicherung konkrete Tatsachen vorträgt, die den Versicherungsnehmer als unglaubwürdig erscheinen lassen oder sich schwerwiegende Zweifel an seiner Glaubwürdigkeit und an der Richtigkeit der von ihm aufgestellten Behauptung der Entwendung aufdrängen.
Die Glaubwürdigkeit kann auch durch Unredlichkeiten in Frage gestellt werden, die in keinem Bezug zu dem umstrittenen Versicherungsfall stehen. Solche Tatsachen müssen aber feststehen, also unstreitig oder bewiesen sein. Bloße Verdächtigungen oder nur vermutete Unredlichkeiten dürfen sich nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers auswirken. Welche feststehenden Tatsachen ausreichen, um schwerwiegende Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Versicherungsnehmers zu begründen und damit die Redlichkeitsvermutung als widerlegt anzusehen, ist nicht generell bestimmt.
Wie auch sonst bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit von Beweispersonen handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls und der tatrichterlichen Gesamtwürdigung gemäß § 286 Abs. 1 ZPO.

Darauf hat der 11. Zivilsenat des Brandenburgischen OLG mit Urteil vom 24.06.2015 – 11 U 10/15 – hingewiesen.

 

Gebäudeschäden durch holzzerstörenden Schwammbefall

Ein Gebäudeversicherer hat dem Gebäudeeigentümer für den gesamten Schwammbefall des versicherten Gebäudes und nicht nur hinsichtlich der innerhalb der Vertragslaufzeit konkret nachgewiesenen Befallstellen Versicherungsschutz zu gewähren.

Darauf hat der 16. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (OLG) mit Urteil vom 04.06.2015 – 16 U 3/15 – hingewiesen.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall hatte die Klägerin, die Eigentümerin eines mehrgeschossigen Mietobjekts war, für das bei dem beklagten Versicherer eine gleitende Neuwertversicherung bestand, die Schutz gewährte gegen Schäden, die durch holzzerstörende Pilze (Schwamm), nämlich den echten Hausschwamm, den Kellerschwamm, den Porenschwamm, den Blättling und den Hausbockkäfer verursacht werden,

  • nach Kündigung der Versicherung, aber einen Monat vor Vertragsablauf einen erheblichen Befall mit einer versicherten Schwammart an dem Gebäude entdeckt und dies der Versicherung gemeldet,
  • die zwar für die Sanierung dieser festgestellten Schadstellen einstehen wollte, jedoch nicht für die Sanierung der Stellen an denen erst nach Ablauf der Versicherung weiterer Schwammbefall festgestellt worden war.   

 

Da sich den dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Versicherungsbedingungen,

  • in denen es hieß, „dass der Versicherungsfall beginnt, sobald der Versicherungsnehmer von dem Schadensereignis (Befall) Kenntnis erlangt, spätestens mit der Feststellung des Schadens durch den Versicherer“,

 

nach Auffassung des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen OLG eine Beschränkung auf nur diejenigen Schäden, die bis zum Ende der Vertragslaufzeit positiv festgestellt und der Versicherung konkret angezeigt wurden, nicht entnehmen lies, entschied der Senat, dass der Versicherer der Gebäudeeigentümerin hinsichtlich des gesamten Schwammbefalls an dem versicherten Gebäude Versicherungsschutz zu gewähren hat.

Nach den Versicherungsbedingungen könne ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer nämlich, wie der Senat ausführte, davon ausgehen, dass mit der Wahrnehmung, dass das Gebäude von einem Pilz befallen ist, der Versicherungsbefall eingetreten ist und dann sämtlicher festgestellter weiterer Schwamm vollständig beseitigt wird.
Dies sei auch der typische Fall eines Schadens durch Schwamm.
In aller Regel wird zunächst eine einzelne Stelle auffällig werden und dadurch dem Versicherungsnehmer zur Kenntnis gelangen. Dessen Meldung zieht dann weitere Untersuchungsmaßnahmen nach sich, die regelmäßig einen weiteren Befall zu Tage fördern werden, dessen Sanierung insgesamt Inhalt des Versprechens des Versicherers ist.
Wäre es anders, könnte der Versicherer den Umfang seiner Leistungspflicht allein dadurch reduzieren, dass er die nach der ersten Schadensmeldung vorgesehenen eigenen Feststellungen unterlässt oder verzögert.

Das hat die Pressestelle des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts am 18.06.2015 – 7/2015 – mitgeteilt.