Warum man die Inhalte von Versicherungsantrag und –schein immer vergleichen sollte

Liegt nämlich eine

  • den Versicherungsnehmer benachteiligende Abweichung zwischen den Inhalten des Versicherungsantrags und dem Versicherungsschein vor,

hängt es vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) ab, ob und falls ja, mit welchem Inhalt der Versicherungsvertrag als geschlossen gilt,

  • ob nach § 5 Abs. 1 VVG mit der Abweichung oder
  • nach § 5 Abs. 3 VVG mit dem Inhalt des Antrags des Versicherungsnehmers.

Weicht der

  • Inhalt des Versicherungsscheins dagegen zugunsten des Versicherungsnehmers vom Inhalt des zugrunde liegenden Antrags ab,

so kommt der Versicherungsvertrag,

  • auch ohne Vorliegen der Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 VVG,

mit dem Inhalt des Versicherungsscheins zustande,

  • wenn der Versicherungsnehmer nicht binnen eines Monats widerspricht.

Darauf hat der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 22.06.2016 – IV ZR 431/14 – hingewiesen und damit eine bislang strittige Rechtsfrage geklärt.

Begründet hat der Senat die Entscheidung damit,

  • dass § 5 Abs. 2 VVG, weil es sich dabei um eine Schutzvorschrift für den Versicherungsnehmer handelt, nur im Falle einer den Versicherungsnehmer benachteiligenden Abweichung anzuwenden ist,
  • also im Falle einer dem Versicherungsnehmer günstigen Abweichung für das Zustandekommen des Versicherungsvertrages ausschließlich die Genehmigungsfiktion des § 5 Abs. 1 VVG gilt.

Die Genehmigungsfiktion hat insoweit konstitutive vertragsgestaltende Wirkung. Mit ihr soll sichergestellt werden, dass alle Bedingungen eines Versicherungsvertrages in einer einheitlichen Urkunde niedergelegt werden und damit im Streitfall leicht beweisbar sind.

Eine Ausnahme von der Genehmigungsfiktion nach § 5 Abs. 1 VVG ist, so der Senat weiter, nur dann zu machen, wenn

  • der Erklärende – also der Versicherer – in Wahrheit etwas anderes wollte und
  • der Erklärungsempfänger – also der Versicherungsnehmer – dies erkannt hat,

mithin der übereinstimmende Wille beider Parteien auf einen anderen Regelungsinhalt gerichtet war.
In diesen Fällen,

  • also wenn ein übereinstimmendes abweichendes Verständnis vorliegt,

ist unabhängig von der Regelung des § 5 VVG der wahre Wille des Erklärenden maßgebend (BGH, Urteil vom 22.02.1995 – IV ZR 58/94 –).