Tag Vorrecht

Wichtig zu wissen für Kraftfahrzeugführer, die auf eine Autobahn auffahren, d.h. von einem Beschleunigungsstreifen

…. bzw. einer Einfädelspur auf die rechte Fahrspur der Autobahn wechseln wollen. 

Nach § 18 Abs. 3 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) hat auf 

  • Autobahnen und 
  • Kraftfahrstraßen

mit einem Beschleunigungsstreifen bzw. einer Einfädelspur und einer Fahrspur der Verkehr auf der durchgehenden Fahrbahn

  • – wozu Beschleunigungsstreifen bzw. Einfädelspur nicht gehören –

Vorfahrt.

Auf die Beachtung dieser Regelung darf der Benutzer der durchgehenden Fahrbahn auch vertrauen. 

Das bedeutet, der von einem Beschleunigungsstreifen bzw. einer Einfädelspur einfahrende Verkehr 

  • ist wartepflichtig und 
  • darf nur so einfahren, dass er den durchgehenden Verkehr nicht gefährdet oder behindert,

muss sich also mit 

  • größter Sorgfalt 

eingliedern.

Kommt es in einer solchen Situation zu einem 

  • Zusammenstoß

zwischen 

  • einem die durchgehende Fahrbahn benutzenden Kraftfahrzeug und 
  • einem einfädelnden Verkehrsteilnehmer, 

spricht für das 

  • Verschulden des Einfädelnden 

der Beweis des ersten Anscheins.

Das Vorrecht des Verkehrs auf der bevorrechtigten Fahrspur nach § 18 Abs. 3 StVO bleibt auch dann erhalten, wenn auf der bevorrechtigten Fahrspur 

  • Stau

herrscht, also der Verkehr auf der bevorrechtigten Fahrspur 

  • verkehrsbedingt zum Stehen 

gekommen ist, d.h. auch dann bleibt

  • der Verkehr auf der Fahrspur 
  • gegenüber dem Verkehr auf der Einfädelspur 

bevorrechtigt.

Einem vom Beschleunigungsstreifen auf die rechte Fahrspur wechselnder Kraftfahrzeugführer trifft nach § 10 StVO, da

  • Beschleunigungsstreifen nicht zu den durchgehenden Fahrbahnen gehören, sondern „andere Straßenteile“ sind und
  • beim Einfahren auf die Fahrbahn aus einem anderen Straßenteil die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen ist,

auch eine 

  • gesteigerte

Sorgfaltspflicht.

  • Kommt es in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit dem Einfahren zu einer Kollision mit dem fließenden Verkehr, so spricht der Anschein für einen Verstoß des Einfahrenden gegen § 10 StVO.

Überfährt ein vom Beschleunigungsstreifen auf die rechte Fahrspur wechselnder Kraftfahrzeugführer die 

  • durchgezogene Linie, die die Beschleunigungsspur im vorderen Bereich von der rechten Fahrspur trennt,

verstößt er gegen § 41 Abs. 1 StVO i.V.m. Anlage 2, Zeichen 295.

Darauf hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Celle mit Urteil vom 23.06.2021 – 14 U 186/20 – hingewiesen.

Was wartepflichtige Fahrzeugführer, die in eine Vorfahrtsstraße einbiegen wollen, wissen und beachten sollten

…. wenn am auf der Vorfahrtsstraße sich nähernden Fahrzeug der Blinker gesetzt ist. 

Mit Urteil vom 10.02.2020 – 4 U 1354/19 – hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Dresden in einem Fall, in dem es zu einem Verkehrsunfall gekommen war, weil ein Motorradfahrer, 

  • der an einem Stoppschild vor einer Kreuzung zunächst hatte halten müssen, 

dann aber,

  • als er sah, dass ein von links auf der Vorfahrtsstraße herannahender PKW den rechten Blinker gesetzt hatte,       

in die Vorfahrtsstraße eingebogen, 

  • der PKW-Fahrer, der lediglich versehentlich (irreführend) geblinkt hatte, jedoch nicht abgebogen,
  • sondern auf der Vorfahrtsstraße weiter gefahren 

war, entschieden, dass ein wartepflichtiger Kraftfahrzeugführer 

  • der in eine Vorfahrtsstraße einbiegen will, 

nur dann darauf vertrauen darf, dass 

  • der Vorfahrtsberechtigte seinerseits abbiegen will, 

wenn 

  • dieser nicht nur blinkt, 
  • sondern zusätzlich auch 
    • die Annäherungsgeschwindigkeit deutlich und erkennbar herabgesetzt oder 
    • zweifelsfrei bereits mit dem Abbiegen bereits begonnen hat

und zur Verwirklichung des Vertrauenstatbestandes darauf, dass der Vorfahrtsberechtigte sein Vorrecht nicht (mehr) ausüben und abbiegen wird, es nicht ausreicht, dass 

  • der Vorfahrtberechtigte 

sich dem Kreuzungs- bzw. Einmündungsbereich mit einer 

  • geringeren als der dort zugelassenen Höchstgeschwindigkeit nähert, 
  • ohne diese weiter zu verlangsamen.

Nur wenn der Wartepflichtige im Haftungsprozess 

  • ein Fahrverhalten des Vorfahrtsberechtigten 

beweisen kann, das 

  • geeignet ist, für ihn als Wartepflichtigen den Vertrauenstatbestand zu begründen,

der Vorfahrtsberechtigte 

  • werde sein Vorrecht nicht (mehr) ausüben und abbiegen, 

ist danach der gegen den Wartepflichtigen sprechende Beweis des ersten Anscheins für einen schuldhaften unfallursächlichen Verkehrsverstoß 

  • durch Missachtung des Vorfahrtsrechts,  

erschüttert.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall, 

  • in dem es dem wartepflichtigen Motoradfahrer nicht gelungen war, den gegen ihn sprechenden Beweis des ersten Anscheins zu erschüttern, 

hat der Senat, 

  • nach Abwägung der wechselseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge gemäß § 17 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG), 

dem Vorfahrtsverstoß

  • gegenüber dem irreführenden Blinken des Vorfahrtsberechtigten 

größeres Gewicht beigemessen und aufgrund dessen eine Haftungsverteilung 

  • von 1/3 zu 2/3 zu Lasten des wartepflichtigen Motoradfahrers 

für gerechtfertigt erachtet.