Tag Wettbewerbsrecht

Rechtliche Einordnung von Providerverträge und Haftungsfolgen

Grundsätzlich ist zwischen drei verschiedenen Provider-Vertragsarten, mithin Access-Provider, Content-Provider und Host-Provider (Usenet sei an dieser Stelle ausgeklammert) zu unterscheiden. Dabei ergeben sich je nach Vertrag unterschiedliche Haftungsfolgen.

Access-Provider

Begriffsbestimmung

Ein Access-Provider ist ein Zugangsanbieter und vermittelt den Zugang zum Internet. Er stellt weder eigene noch fremde Inhalte zur Nutzung bereit sondern beschränkt sich auf den Transfer von IP-Paketen aus und in das Internet.

Haftung

Die Haftungsprivilegien der §§ 8 ff. TMG betreffen lediglich die strafrechtliche Verantwortlichkeit und zivilrechtliche Schadenersatzansprüche, nicht aber zivilrechtliche Unterlassungsansprüche. Es ist daher grundsätzlich möglich, einen Access-Provider auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen. Rechtlich sind derartige Klagen bisher jedoch regelmäßig gescheitert (vgl. LG Kiel, Urteil vom 23.11.2007– Az. 14 O 125/07 „Youporn I“; LG Düsseldorf, Urteil vom 13.12.2007, Az.: 12 O 550/07 „Youporn II“; OLG Frankfurt, Beschluss vom 22.01.2008, Az. 6 W 10/08). Grundsätzlich wird dabei argumentiert, der Access-Provider eröffne keine eigene Gefahrenquelle und hafte daher nicht auf Unterlassung. Im Übrigen ist es dem Access-Provider dabei nach der bisher ergangenen Rechtsprechung auch rechtlich und praktisch unmöglich, rechtswidrige Handlungen auf fremden Webseiten zu unterbinden.

 

Content-Provider

Begriffsbestimmung

Nach dem TMG ist ein Content-Provider einen Seitenbetreiber im Internet an, der eigene Informationen zur Nutzung bereithält. Der Betreiber ist in diesem Zusammenhang Informationslieferant und muss für den von ihm bereitgestellten Inhalt einstehen. Werden fremde Inhalte dabei nicht als fremde Inhalte gekennzeichnet, so wird in der Regel davon ausgegangen, dass es sich um eigene Inhalte handelt.

Haftung

Der Content-Provider haftet gemäß § 7 Abs. 1 TMG nach den allgemeinen Vorschriften des Zivil- und Strafrechts, also auch für die Richtigkeit des Inhalts und Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (z.B. durch die rechtswidrige Publikation privater Informationen oder Fotos). Darüber hinaus kommen aber insbesondere auch folgende Anspruchsgrundlagen in Betracht:

  • Markenrecht (z.B. Unterlassung und Schadenersatz gemäß §§ 14 f. MarkenG)
  • Urheberrecht (z.B. auf Unterlassung und Schadenersatz gemäß § 97 UrhG)
  • Wettbewerbsrecht (z.B. Beseitigung und Unterlassung gemäß §§ 8 ff. UWG)
  • Datenschutzrecht (z.B. Schadenersatz gemäß § 7 BDSG)

Eine strafrechtliche Haftung kann zum Beispiel aus folgenden Gründen gegeben sein:

 

Host-Provider

Begriffsbestimmung

Ein Host-Provider zeichnet sich dadurch aus, dass er fremde Informationen und Inhalte auf seinem eigenen Webserver und den eigenen Seiten einstellt. Dabei darf aber nicht der Eindruck entstehen es würde sich um eigene Inhalte handeln. Anderenfalls würde ein Fall eines Content-Providers vorliegen. Damit fallen praktisch alle File-Hosting-Dienste unter den Begriff des Host-Providers.

Haftung

Grundsätzlich ist ein Host-Provider gemäß § 10 TMG nicht für fremde Inhalte oder auch fremde Rechtsverletzungen verantwortlich. Anders liegt der Fall jedoch, wenn der Anbieter Kenntnis von den Rechtsverletzungen hat oder haben müsste. Schon bei einem starken Verdachtsmoment ist der Host-Provider dabei zu weitergehenden Überprüfungen verpflichtet. Eine Überwachungspflicht nach § 7 Abs. 2 TMG, also eine eigene, verdachtsunabhängige Kontrollpflicht besteht jedoch nicht.

 

Der Umfang der Kontrollpflichten richtet sich dabei nach der Nutzung bzw. Bereitstellung des Dienstes:

a) Ist das Geschäftsmodell eines File-Hosting-Dienstes nicht von vornherein auf Rechtsverletzungen angelegt, ist der Umstand, dass der Betreiber durch eigene Maßnahmen die Gefahr einer rechtsverletzenden Nutzung des Dienstes fördert, bei der Bestimmung des Umfangs der ihm als Störer obliegenden Prüfpflichten zu berücksichtigen (Fortführung von BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 – I ZR 18/11, BGHZ 194, 339 Rn. 21 ff. – Alone in the Dark).

b) Leistet ein File-Hosting-Dienst durch sein konkretes Geschäftsmodell Urheberrechtsverletzungen in erheblichem Umfang Vorschub, so ist ihm eine umfassende regelmäßige Kontrolle der Linksammlungen zuzumuten, die auf seinen Dienst verweisen (Fortführung von BGHZ 194, 339 Rn. 39 – Alone in the Dark).

c) Die Prüfpflichten des Störers, die sich danach ergeben, bestehen in Bezug auf jedes Werk, hinsichtlich dessen ihm eine klare Rechtsverletzung angezeigt worden ist; sie verringern sich nicht deswegen, weil er auf eine große Zahl von Verletzungen – im Streitfall auf das Öffentlich-Zugänglichmachen von über 4800 Musiktiteln – hingewiesen worden ist.

Mit anderen Worten: Ist eine legale Nutzung möglich, wird ein Dienst aber tatsächlich in erheblichem Umfang für rechtswidrige Handlungen genutzt, so bestehen im Rahmen der Störer-Haftung auch entsprechende weitreichende Prüf- und Sorgfaltspflichten. (vgl. BGH, Urteil vom 12.07.2012, Az.: I ZR 18/11 „Rapidshare I“; BGH, Urteil vom 15.08.2013, Az.: I ZR 80/12 „Rapidshare II“).

Wettbewerbswidrige Behinderung durch sogenanntes „Screen Scraping“?

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 30.04.2014 – I ZR 224/12 – über die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit des automatisierten Abrufs von Daten von einer Internetseite, um sie auf einer anderen Internetseite anzuzeigen (sogenanntes „Screen Scraping“), entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war Klägerin eine Fluggesellschaft, die preisgünstige Linienflüge anbietet. Sie vertreibt ihre Flüge ausschließlich über ihre Internetseite sowie ihr Callcenter und bietet dort auch die Möglichkeit zur Buchung von Zusatzleistungen Dritter an, wie beispielsweise Hotelaufenthalte oder Mietwagenreservierungen. Bei der Buchung eines Fluges über die Internetseite der Klägerin muss ein Kästchen angekreuzt werden. Damit akzeptiert der Buchende die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin. In diesen Bedingungen untersagt die Klägerin den Einsatz eines automatisierten Systems oder einer Software zum Herausziehen von Daten von ihrer Internetseite, um diese auf einer anderen Internetseite anzuzeigen.
Die Beklagte betreibt im Internet ein Portal, über das Kunden Flüge verschiedener Fluggesellschaften online buchen können. Dort wählt der Kunde in einer Suchmaske eine Flugstrecke und ein Flugdatum aus. Ihm werden sodann entsprechende Flüge verschiedener Fluggesellschaften aufgezeigt, unter anderem solche der Klägerin. Wählt der Kunde einen Flug aus, werden ihm die genauen Flugdaten und der von der Fluggesellschaft verlangte Flugpreis angezeigt. Die für die konkrete Anfrage des Kunden erforderlichen Daten werden von der Beklagten automatisch von den Internetseiten der Fluggesellschaften abgerufen.
Die Beklagte erhebt für ihre Vermittlung Gebühren, die während der Buchung auf ihrem Portal dem von der Klägerin verlangten Flugpreis hinzugerechnet werden.

Die Klägerin sieht in dem Verhalten der Beklagten eine missbräuchliche Nutzung ihres Buchungssystems und ein unzulässiges Einschleichen in ihr Direktvertriebssystem. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung der Vermittlung von Flugbuchungen in Anspruch genommen.

Das Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen.

Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht (OLG) die Beklagte antragsgemäß zur Unterlassung verurteilt. Es hat angenommen, der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei wegen unlauteren Schleichbezugs gemäß § 4 Nr. 10 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), wonach „insbesondere unlauter handelt, wer Mitbewerber gezielt behindert“, begründet.

Auf die Revision der Beklagten hat der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil aufgehoben und Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Der BGH hat eine wettbewerbswidrige Behinderung der Klägerin gemäß § 4 Nr. 10 UWG verneint.
Danach führt eine Gesamtabwägung der Interessen der Mitbewerber, der Verbraucher sowie der Allgemeinheit im Streitfall nicht zu der Annahme, dass die Klägerin durch die beanstandete Vermittlung von Flügen durch die Beklagte ihre Leistungen am Markt durch eigene Anstrengungen nicht mehr in angemessener Weise zur Geltung bringen kann. Erforderlich ist insoweit eine Beeinträchtigung der wettbewerblichen Entfaltungsmöglichkeit, die über die mit jedem Wettbewerb verbundene Beeinträchtigung hinausgeht und bestimmte Unlauterkeitsmomente aufweist. Allein der Umstand, dass sich die Beklagte über den von der Klägerin in ihren Geschäftsbedingungen geäußerten Willen hinwegsetzt, keine Vermittlung von Flügen im Wege des sogenannten „Screen-Scraping“ zuzulassen, führt nicht zu einer wettbewerbswidrigen Behinderung der Klägerin.
Ein Unlauterkeitsmoment kann allerdings darin liegen, dass eine technische Schutzvorrichtung überwunden wird, mit der ein Unternehmen verhindert, dass sein Internetangebot durch übliche Suchdienste genutzt werden kann.
Einer solchen technischen Schutzmaßnahme steht es aber – anders als es das Berufungsgericht angenommen hat – nicht gleich, dass die Klägerin die Buchung von Reisen über ihre Internetseite von der Akzeptanz ihrer Geschäfts- und Nutzungsbedingungen durch Ankreuzen eines Kästchens abhängig macht und die Beklagte sich über diese Bedingungen hinwegsetzt.

Der BGH hat auch nicht angenommen, dass die Interessen der Klägerin die der Beklagten überwiegen.
Das Geschäftsmodell der Beklagten fördert die Preistransparenz auf dem Markt der Flugreisen und erleichtert dem Kunden das Auffinden der günstigsten Flugverbindung.
Dagegen wiegen die Interessen der Klägerin daran, dass die Verbraucher ihre Internetseite direkt aufsuchen und die dort eingestellte Werbung und die Möglichkeiten zur Buchung von Zusatzleistungen zur Kenntnis nehmen, nicht schwerer.

Das OLG wird nunmehr aber zu prüfen haben, ob der Klägerin Ansprüche wegen Irreführung und nach den Grundsätzen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes zustehen.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 30.04.2014 – Nr. 69/2014 – mitgeteilt.

 

Zur Zulässigkeit einer an Kinder gerichteten Werbung – „Zeugnisaktion“.

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 03.04.2014 – I ZR 96/13 – über die Zulässigkeit einer „Zeugnisaktion“ eines Elektronik-Fachmarktes entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall warb die Beklagte in einer Zeitungsanzeige mit einer Werbeaktion, bei der Schüler eine Kaufpreisermäßigung von 2 € für jede Eins im Zeugnis erhielten. In der Anzeige wurde darauf hingewiesen, dass die Ermäßigung für alle von der Beklagten angebotenen Warenbereiche gelten sollte.

Der klagende Bundesverband der Verbraucherzentralen hält diese Werbung für unlauter, da sie die angesprochenen Schüler in unzulässiger Weise zum Kauf auffordere und deren geschäftliche Unerfahrenheit ausnutze.

Das Landgericht (LG) hat den auf Unterlassung gerichteten Antrag abgewiesen.

Die Berufung des Klägers hatte keinen Erfolg.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts enthält die Werbung zwar eine an Kinder gerichtete Aufforderung zum Kauf. Sie verstoße aber nicht gegen die Verbotsnorm der Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 des Gesetzes über den unlauteren Wettbewerb (UWG), weil sich der allgemeine Kaufappell nicht auf konkrete Produkte, sondern auf das gesamte Sortiment der Beklagten beziehe. Die Werbung übe auch keinen unangemessenen unsachlichen Einfluss auf die Entscheidungsfreiheit der angesprochenen Schulkinder aus und nutze auch nicht deren geschäftliche Unerfahrenheit aus.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Kläger die Verurteilung der Beklagten.

Der BGH hat die Revision des Klägers zurückgewiesen.
Er hat angenommen, dass es an einem hinreichenden Produktbezug im Sinne von Nummer 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG fehlt. Diese Bestimmung setzt voraus, dass ein auf bestimmte Produkte gerichteter Kaufappell vorliegt. Eine allgemein auf das gesamte Warensortiment bezogene Kaufaufforderung genügt nicht.
Auch einen Wettbewerbsverstoß gemäß § 4 Nr. 1 und Nr. 2 UWG hat der BGH verneint. Bei der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung dieser Vorschriften im Lichte von Art. 8 und 9 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken kann weder ein unangemessener unsachlicher Einfluss auf die Entscheidungsfreiheit noch eine Ausnutzung der Unerfahrenheit der von der Werbung angesprochenen Schulkinder angenommen werden.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 03.04.2014 – Nr. 59/2014 – mitgeteilt.

Nr. 28 Anhang zu § 3 Abs. 3 UWG lautet:
Eine unzulässige geschäftliche Handlung im Sinne des § 3 Abs. 3 UWG ist die in eine Werbung einbezogene unmittelbare Aufforderung an Kinder, selbst die beworbene Ware zu erwerben oder die beworbene Dienstleistung in Anspruch zu nehmen oder ihre Eltern oder andere Erwachsene dazu zu veranlassen.

§ 4 Nr.1 und Nr. 2 lauten:
Unlauter handelt insbesondere, wer

  • geschäftliche Handlungen vornimmt, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen;
  • geschäftliche Handlungen vornimmt, die geeignet sind, geistige oder körperliche Gebrechen, das Alter, die geschäftliche Unerfahrenheit, die Leichtgläubigkeit, die Angst oder die Zwangslage von Verbrauchern auszunutzen;

 

 

UWG – Unzulässige Werbung für Medikament gegen Durchfall mit dem Slogan „Stoppt Durchfall“.

Die Werbung für ein Medikament gegen Durchfall mit der Anpreisung „L. stoppt Durchfall“ ist unzulässig, wenn das Medikament den Durchfall nicht binnen weniger Stunden beendet.

Das hat der für Wettbewerbssachen zuständige 6. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes (OLG) mit Urteil vom 30.01.2014 – 6 U 15/13 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall war Beklagter ein Arzneimittelanbieter, der in Deutschland unter anderem das Präparat L. vertrieb und für das Medikament unter anderem mit den Angaben „L. stoppt Durchfall“ warb.
In seiner Werbung nahm er Bezug auf eine wissenschaftliche Studie, aus der hervorging, dass die Durchfalldauer sich bei einer Behandlung mit L. im Mittel um 1,3 Tage auf knapp zwei Tage verringerte im Vergleich zu einer Gruppe die Placebos erhalten hatte.

Der klagende Verein, der den Zweck hat, die lautere Werbung auf dem Gebiet des Gesundheitswesens zu wahren, mahnte den Beklagten wegen irreführender Werbung ab, weil nicht erwiesen sei, dass das Medikament den Durchfall stoppe, also der Erfolg schnell, sofort und eindeutig auftrete.

Der Beklagte wies die Abmahnung zurück. Aus seiner Sicht begründet der Werbeslogan bei dem Adressaten nur die Erwartung, dass der Durchfall binnen weniger Stunden „spürbar gelindert“ sei.

Daraufhin klagte der Verein auf Unterlassung der Werbung.

Nach der Entscheidung des 6. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen OLG ist die Werbeaussage „L. stoppt Durchfall“ vorliegend irreführend und stellt damit eine unzulässige geschäftliche Handlung nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dar.
Der Slogan begründet in dem Adressaten die – unstreitig enttäuschte – Erwartung, dass der Durchfall binnen weniger Stunden (jedenfalls nicht erst nach 2 Tagen) vollständig beendet sei, das heißt, dass schon dann jegliche Symptome verschwunden seien.
Wenn der Durchfall binnen weniger Stunden nicht vollständig beendet, sondern nur spürbar gelindert ist, wird diese Erwartung nicht erfüllt.
Das Gericht folgte nicht der Argumentation des Beklagten, dass der Begriff „Stoppen“ lediglich den Beginn eines Vorgangs bezeichnet.
Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch „stoppt“ beispielsweise ein Auto nicht schon dann an einer Ampel, wenn es immer langsamer wird, während es an der Ampel vorbeifährt, sondern nur dann, wenn es schon an der Ampel wirklich stehen bleibt.

Das hat die Pressesprecherin des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichtes am 20.03.2014 – 6/2014 – mitgeteilt.

 

Aufruf einer Verbraucherzentrale an ein Bankinstitut zur Kündigung des Girokontos eines Unternehmens kann zulässig sein.

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat mit Urteil vom 06.02.2014 – I ZR 75/13 – entschieden, dass der Aufruf einer Verbraucherzentrale an ein Bankinstitut zur Kündigung eines Girokontos eines Unternehmens ausnahmsweise zulässig ist.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war Beklagte die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz.

Sie hatte die Sparkasse H. in einem Schreiben zur Kündigung und Sperrung des Girokontos der Klägerin aufgefordert.

Die Klägerin ist ein Inkassounternehmen, das unter anderem für die W. GmbH tätig war.

Im Februar 2011 bot die W. GmbH auf ihrer Internetseite einen „Routenplaner-Service“ an.

Dabei wurde der Nutzer nach Ansicht der Beklagten über die Kostenpflichtigkeit des Angebots getäuscht.

Nachdem ein Verbraucher aufgrund eines Aufrufs des Angebots der W. GmbH von dieser eine Zahlungsaufforderung in Höhe von 96 Euro für einen Routenplaner-Service erhalten hatte, focht die Beklagte im Namen des Verbrauchers den Vertrag wegen arglistiger Täuschung an.

Gleichwohl erhielt der Verbraucher von der nunmehr mit der Einziehung der Forderung beauftragten Klägerin wiederholt Mahnungen, obwohl die Beklagte auch gegenüber der Klägerin Einwendungen gegen die Forderung erhoben hatte.

Die Beklagte wandte sich daraufhin mit einem Schreiben an die Sparkasse H., in dem sie unter Hinweis auf ein offenkundig wettbewerbswidriges und betrügerisches Verhalten des Betreibers der Internetseite die Sparkasse zur Kündigung des Girokontos aufrief.

Gegen die Aufforderung zur Kündigung und Sperrung des Girokontos hat die Klägerin Unterlassungsklage erhoben.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Das Berufungsgericht hat die beklagte Verbraucherzentrale antragsgemäß verurteilt.

Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Der BGH hat angenommen, dass die Beklagte mit dem Aufruf zur Kündigung des Girokontos in den durch § 823 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb der Klägerin eingegriffen hat.

Dieser Eingriff war jedoch unter den besonderen Umständen des vorliegenden Falls nicht rechtswidrig.

Bei der in diesem Zusammenhang vorzunehmenden Interessenabwägung war zu berücksichtigen, dass die beklagte Verbraucherzentrale sich auf die in Art. 5 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Meinungsfreiheit berufen konnte.

Der Aufruf zur Kündigung des Girokontos war auch nicht unverhältnismäßig.

Zwar hätte die Beklagte grundsätzlich den Rechtsweg beschreiten müssen, um ein etwaig rechtswidriges Verhalten der Klägerin zu unterbinden.

Im vorliegenden Fall brauchte die Beklagte aber nicht zunächst Klage zu erheben. Sie konnte vielmehr unmittelbar die Sparkasse zur Kündigung des Girokontos des Inkassounternehmens auffordern, weil dieses sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bewusst an der Durchsetzung eines auf systematische Täuschung von Verbrauchern angelegten Geschäftsmodells der W. GmbH beteiligt hatte.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 06.02.2014 – Nr. 24/2014 – mitgeteilt.

Presse- und Wettbewerbsrecht – Zur Kennzeichnung eines von einem Unternehmen bezahlten redaktionellen Beitrags.

Ein Presseunternehmen muss einen von einem Unternehmen bezahlten redaktionellen Beitrag in einer Zeitung deutlich mit dem Begriff „Anzeige“ kennzeichnen.

Das hat der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 08.02.2014 – I ZR 2/11 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegendem Fall war die Klägerin Herausgeberin eines Wochenblattes, die Beklagte Verlegerin eines kostenlosen Anzeigenblatts in einer Stadt in Baden Württemberg.

Die Beklagte veröffentlichte in der Ausgabe Juni 2009 zwei Beiträge, für die sie von Sponsoren ein Entgelt erhalten hatte. Das hatte die Beklagte mit dem Hinweis „sponsored by“ und der graphisch hervorgehobenen Angabe des werbenden Unternehmens kenntlich gemacht.

Die Klägerin ist der Auffassung, dieses Verhalten verstoße gegen § 4 Nr. 11 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) in Verbindung mit § 10 Landespressegesetz Baden-Württemberg (LPresseG BW), weil die Veröffentlichungen nicht hinreichend als Anzeige gekennzeichnet seien. Sie hat die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch genommen. Das Landgericht (LG) hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung ist ohne Erfolg geblieben.

Der BGH hat mit Beschluss vom 19.07.2012 – I ZR 2/11 – dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage vorgelegt, ob die Vorschrift des § 10 LPresseG BW, die neben dem Verbraucherschutz auch dem Schutz der Unabhängigkeit der Presse dient und zum Teil strengere Anforderungen an die Kenntlichmachung redaktioneller Werbung stellt als die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken, im Einklang mit dieser Richtlinie steht.

Der EuGH hat mit Urteil vom 17.10.2013 – C­391/12 – hierzu entschieden, dass für die vorliegende Fallkonstellation der Anwendungsbereich der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken nicht eröffnet ist. Der BGH hat daraufhin die Revision der Beklagten zurückgewiesen und damit das von den Vorinstanzen ausgesprochene Verbot bestätigt. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hatte die Beklagte für die Veröffentlichung der beiden redaktionell aufgemachten Beiträge ein Entgelt erhalten.

§ 10 LPresseG BW erfordert nicht, dass das Entgelt für einen bestimmten Inhalt der Veröffentlichung oder für einen im Vorhinein festgelegten Artikel bezahlt wurde.Es kommt nur darauf an, dass der Verleger eines periodischen Druckwerks für eine Veröffentlichung ein Entgelt erhalten hat. Das strikte Gebot der Kenntlichmachung von Anzeigen wird verletzt, wenn der präzise Begriff der „Anzeige“ vermieden und stattdessen ein unscharfer Begriff gewählt wird.

Die Kennzeichnung der Beiträge mit den Wörtern „sponsored by“ reichte daher zur Verdeutlichung des Anzeigencharakters der Veröffentlichungen nicht aus.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 06.02.2014 – Nr. 23/2014 – mitgeteilt.

§ 10 LPresseG BW lautet:

Hat der Verleger eines periodischen Druckwerks oder der Verantwortliche (§ 8 Abs. 2 Satz 4) für eine Veröffentlichung ein Entgelt erhalten, gefordert oder sich versprechen lassen, so hat er diese Veröffentlichung, soweit sie nicht schon durch Anordnung und Gestaltung allgemein als Anzeige zu erkennen ist, deutlich mit dem Wort „Anzeige“ zu bezeichnen.

Ihre Rechtsanwälte und Ansprechpartner für Presserecht und Wettbewerbsrecht sind Nino Herding und Ingo-Julian Rösch.

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

UWG – Zur Zulässigkeit einer Kopplung von Gewinnspiel und Warenabsatz.

Der unter anderem für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat mit Urteil vom 12.12.2013 – I ZR 192/12 – über eine Fernsehwerbung für ein Gewinnspiel entschieden, an dem nur Käufer teilnehmen konnten, die das beworbene Produkt zuvor erworben hatten.

In dem dem Verfahren zugrunde liegenden Verfahren waren die Parteien Hersteller von Lakritz und Fruchtgummi.
Die Beklagte warb ab Februar 2011 im Fernsehen mit „GLÜCKS-WOCHEN“. Beim Kauf von fünf Packungen zum Preis von etwa je 1 € und Einsendung der Kassenbons bestand die Chance, bei einer Verlosung einen von 100 „Goldbärenbarren“ im Wert von jeweils 5.000 € zu gewinnen. In dem Werbespot traf der Fernsehmoderator Thomas Gottschalk im Supermarkt auf zwei Familien mit Kindern.

Die Klägerin hält die Werbung für wettbewerbswidrig, weil sie die geschäftliche Unerfahrenheit von Kindern und Jugendlichen ausnutze. Sie hat die Beklagte deshalb auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts stellt die Gewinnspielkopplung aufgrund der Umstände des Einzelfalls eine unlautere Geschäftspraktik dar. Dabei sei der strengere Sorgfaltsmaßstab des § 3 Abs. 2 S. 3 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) zugrunde zu legen und auf die Sicht von Kindern und Jugendlichen abzustellen, die durch die Werbung zu einem Kauf über Bedarf veranlasst werden könnten.

Der BGH hat das Berufungsurteil aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Gewinnspielkopplungen können nach § 4 Nr. 6 UWG im Einzelfall verboten sein, wenn sie gegen die berufliche Sorgfalt verstoßen.
Nach Auffassung des BGH gilt für die Beurteilung des Gewinnspiels im Streitfall nicht der Sorgfaltsmaßstab des § 3 Abs. 2 S. 3 UWG, da die beanstandete Werbung voraussichtlich und vorhersehbar nicht allein das geschäftliche Verhalten von Kindern und Jugendlichen wesentlich beeinflussen konnte.
Die Produkte der Beklagten sind bei Kindern und Erwachsenen gleichermaßen beliebt. Ein an den Absatz dieser Produkte gekoppeltes Gewinnspiel ist daher voraussehbar geeignet, auch das Einkaufsverhalten von Erwachsenen zu beeinflussen.
Daher ist für die Beurteilung des Streitfalls das Verständnis eines durchschnittlichen Verbrauchers maßgeblich.
Auf dieser Grundlage verstößt die beanstandete Fernsehwerbung nicht gegen die berufliche Sorgfalt. Die Kosten der Gewinnspielteilnahme werden deutlich. Es werden auch keine unzutreffenden Gewinnchancen suggeriert.

Der Fernsehspot der Beklagten verstößt auch nicht gegen die speziell dem Schutz von Kindern und Jugendlichen dienenden Vorschriften des Wettbewerbsrechts.
Er enthält keine unmittelbare Kaufaufforderung an Kinder (Nr. 28 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG). Er ist auch nicht geeignet, die geschäftliche Unerfahrenheit Minderjähriger in unlauterer Weise auszunutzen (§ 4 Nr. 2 UWG).

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 12.12.2013 – Nr. 205/2013 – mitgeteilt.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

E-Zigarette – Werbeaussage, sie sei „mindestens 1.000mal weniger schädlich als eine Tabakzigarette“, ist unzulässig.

Die Werbeaussagen, dass eine E-Zigarette „mindestens 1.000mal weniger schädlich als eine Tabakzigarette ist“ und als „einzigen Schadstoff Nikotin enthält“ sind irreführend und damit unzulässig.

Das hat der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Beschlüssen vom 10.09.2013 und vom 22.10.2013 – 4 U 91/13 – entschieden.

In dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall bewarb die beklagte Firma, die elektronisch betriebene Zigaretten (E-Zigaretten) und entsprechende Liquids, die im Wesentlichen den Lebensmittelzusatzstoff Propylenglycol enthalten, im Internet vertreibt, die E-Zigarette u.a. mit den Worten, dass sie „mindestens 1.000mal weniger schädlich ist als die Tabakzigarette“ und dass „der einzige Schadstoff, den die E-Zigarette enthält, Nikotin ist.

Diese Werbung hat der klagende Verband für unzutreffend und damit irreführend erachtet und die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Der 4. Zivilsenat des OLG Hamm hat den Unterlassungsanspruch bestätigt.
Die beanstandeten Werbeaussagen seien irreführend.
Eine E-Zigarette sei ein Genussmittel. Die Werbung für ein Genussmittel mit dem Hinweis auf dessen geringere Risiken betreffe das Gesundheitswesen. Auf diesem Gebiet seien Werbeaussagen nur zuzulassen, wenn sie gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis entsprächen. Das habe der Werbende darzulegen.
Eine solche Darlegung sei der Beklagten in Bezug auf die streitgegenständlichen Werbeaussagen nicht gelungen.
Ein beigebrachtes Gutachten eines Professors vom Institut für Rechtsmedizin in Frankfurt belege nicht, dass die E-Zigarette mindestens 1.000mal weniger schädlich sei als die Tabakzigarette.
Nach dem Gutachten sei die E-Zigarette zwar deutlich untoxischer, allerdings gebe es noch keine aussagekräftigen Untersuchungen zu ihrer Sicherheit und den Langzeitfolgen.
Die Einschätzungen des Gutachters rechtfertigten daher nicht die Aussage, die E-Zigarette sei ein 1.000mal weniger schädliches Produkt.
Die weitere Werbeaussage, nach der Nikotin der einzige Schadstoff der E-Zigarette sei, sei nach dem vorgelegten Gutachten sogar unzutreffend. Dieses sehe den Hauptbestandteil des Liquids, das beim Konsum mitaufgenommene Propylenglycol, nicht als vollkommen unbedenklich an.
Nach dem Gutachten sei der Stoff im Verhältnis zu anderen schädlichen Stoffen nur harmloser („relativ untoxisch“).
Nach einer Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung werde Propylenglycol zudem mit Reizungen der Nasen-Rachenschleimhäute in Verbindung gebracht und mit einem trockenen Mund und einer trockenen Kehle als Nebenwirkungen.

Das hat die Pressestelle des Oberlandesgerichts Hamm am 08.11.2013 mitgeteilt.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.

Sich ästhetisch anmutend tänzerisch zu bewegen ist nicht jedem gegeben – Tanzschule darf nicht mit „garantiertem Lernerfolg“ werben.

Laut Mitteilung der Pressestelle des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm hat der 4. Zivilsenat mit Urteil vom 29.01.2013 – I-4 U 171/12 – entschieden, dass es eine Tanzschule zu unterlassen hat, mit der Aussage zu werben „garantieren wir … den … Lernerfolg“, weil diese Werbung für den heutigen, durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher irreführend und deshalb unlauter sei. Sie enthalte eine unwahre Angabe über die Ergebnisse, die vom Tanzunterricht zu erwarten seien. Bei den angesprochenen Verbrauchern entstehe durch die in Frage stehende Formulierung der unzutreffende Eindruck, der Tanzunterricht führe sicher zu einem gewünschten Lernerfolg.
Tatsächlich hänge, wie die Richter des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm in ihrer Entscheidung ausgeführt haben, der Erfolg des Tanzunterrichts aber auch maßgeblich vom jeweiligen Schüler ab, so dass ein Lernerfolg nicht sicher eintreten müsse. Denn es gebe immer wieder Menschen, die auch nach einem Tanzkurs nicht in der Lage seien, das formal Gelernte so anzuwenden, dass sich dieses als eine auch nur einigermaßen ästhetisch anmutende Bewegung darstelle.

 

Alle Beiträge sind nach bestem Wissen zusammengestellt. Eine Haftung für deren Inhalt kann jedoch nicht übernommen werden.