Wird ein Radfahrer beim Fahren mit dem Fahrrad auf einem von einer Gemeinde ausgewiesenen sowie von ihr unterhaltenen und beworbenen „Rundweg für Wanderer und Radfahrer“ von einem abbrechenden Ast eines am Wegrand stehenden Baumes getroffen und verletzt, muss der Radfahrer, wenn er Schadensersatz nach §§ 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB ) i. V. m. Art. 34 Grundgesetz (GG) von der Gemeinde will, nicht nur darlegen und beweisen,
- dass die Gemeinde die ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht in Bezug auf den Unfallort verletzt hat,
- sondern auch, dass die Verkehrssicherungspflichtverletzung – sollte eine solche nachweisbar vorgelegen haben – für den Unfall und den Schaden ursächlich war (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 04.03.2004 – III ZR 225/03 –).
Dazu, wann in einem solchen Fall eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vorliegt und wann sie kausal für einen Schaden ist, hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle mit Urteil vom 12.07.2012 – 8 U 61/12 – u. a. ausgeführt:
a) Zum Umfang der Verkehrssicherungspflicht:
Eine Gemeinde ist grundsätzlich verkehrssicherungspflichtig für auf ihrem Gemeindegebiet befindliche Radwege und damit für die Überwachung der Verkehrssicherheit zuständig. Die Verkehrssicherungspflicht erstreckt sich auch auf den Schutz vor Gefahren durch Bäume an Straßen und Wegen. Eine verkehrssicherungspflichtige Gemeinde muss grundsätzlich Bäume oder Teile von ihnen entfernen, wenn sie den Verkehr gefährden, insbesondere wenn sie nicht mehr standsicher sind oder herabzustürzen drohen. Werden bei den, mittels Sichtkontrollen vom Boden aus durchzuführenden äußeren Gesundheits- und Zustandsprüfungen, Anzeichen verkannt oder übersehen, die nach der Erfahrung auf solche Gefahren durch einem Baum hinweisen, liegt eine schuldhafte Verletzung der Verkehrssicherungspflicht vor (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 04.03.2004 – III ZR 225/03 –).
Erforderlich sind solche sorgfältigen äußeren Gesundheits- und Zustandsprüfungen grundsätzlich regelmäßig zweimal im Jahr, nämlich einmal im belaubten und einmal im unbelaubten Zustand.
Eine Verpflichtung zur Kontrolle jeden Baumes mittels eines Hubsteigers in der Krone kann zumutbar nicht verlangt werden. Solche Maßnahmen können angezeigt sein, wenn die Sichtkontrolle konkrete Anhaltspunkte für Schäden in der Krone des betreffenden Baumes ergibt, die es zu überprüfen gilt.
Allerdings richtet sich der Umfang der Verkehrssicherungspflicht für Straßen und Wege danach, für welche Art von Verkehr ein Weg nach seinem äußeren Bild unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und der allgemeinen Verkehrsauffassung gewidmet ist (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.1988 – III ZR 112/87 –).
Handelt es sich nach dem äußerlich erkennbaren Bild und dem sichtbaren Ausbauzustand um einen als Rad- und Wanderweg gestalteten Weg, der mit einem parallel zu einer Landstraße verlaufenden Rad- und Fußweg nicht zu vergleichen ist und auch nicht die Verkehrsbedeutung eines nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) ausgewiesenen Rad- und Fußweges hat, kann eine dafür verkehrssicherungspflichtige Gemeinde den an sie zu stellenden Anforderungen genügen, wenn sie die fraglichen Bäume regelmäßig einmal im Jahr im Dezember bzw. Januar besichtigen und Baumschnitt- und Fällarbeiten durch Mitarbeiter durchführen lässt.
b) Zur Kausalität einer mögliche Verkehrssicherungspflichtverletzung für einen Unfall:
Nach ständiger Rechtsprechung hat der durch eine Amtspflichtverletzung Geschädigte grundsätzlich auch den Beweis zu führen, dass ihm hierdurch ein Schaden entstanden ist.
Nur, wenn die Amtspflichtverletzung und der zeitlich nachfolgende Schaden feststehen, kann der Geschädigte der öffentlichen Körperschaft den Nachweis überlassen, dass der Schaden nicht auf die Amtspflichtverletzung zurückzuführen ist. Dies gilt jedoch nur, wenn nach der Lebenserfahrung eine tatsächliche Vermutung oder eine tatsächliche Wahrscheinlichkeit für den ursächlichen Zusammenhang besteht; anderenfalls verbleibt die Beweislast beim Geschädigten.
Eine solch überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht nicht, wenn Ersatzansprüche wegen Schäden durch Astbruch bei einem Straßenbaum geltend gemacht werden und fest steht, dass der Verkehrssicherungspflichtige seine Kontrollpflichten hinsichtlich des Baumes verletzt hat. In einem solchen Fall hat vielmehr der Geschädigte weiterhin zu beweisen, dass die Schadhaftigkeit des abgebrochenen Astes im Rahmen der Baumschau erkennbar gewesen wäre bzw. sich bei der gebotenen Kontrolldichte Hinweise auf die Gefahr eines Astabbruches ergeben hätten, die dem Verkehrssicherungspflichtigen Anlass zum Handeln hätten geben müssen.
Beweiserleichterungen kommen dem Geschädigten dabei nicht zugute. Dies würde einen typischen Geschehensablauf voraussetzen. Das Abbrechen eines Astes, wie auch das Umstürzen eines Baumes, kann aber vielfältige Ursachen haben. Es gibt keinen allgemeinen Erfahrungssatz, wonach ein Ast oder Baum, bevor er abbricht, bei einer normalen Sichtkontrolle und schon gar nicht mehrere Monate zuvor, Krankheitssymptome aufweisen muss. Gerade darin unterscheidet sich die Situation bei einem Baumschaden zu anders gelagerten Verkehrssicherungspflichtverletzungen.
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