Wann ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs schlüssig und erheblich?

Wann ist ein Sachvortrag zur Begründung eines Anspruchs schlüssig und erheblich?

Von einer Beweiserhebung darf grundsätzlich nicht bereits deswegen abgesehen werden, weil die beweisbelastete Partei keine schlüssige Erklärung dafür liefert, weshalb eine von ihr behauptete Absprache zu einer schriftlich getroffenen Abrede keinen Eingang in den schriftlichen Vertrag gefunden hat.

Darauf hat der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Beschluss vom 11.11.2014 – VIII ZR 302/13 – (zum wiederholten Mal) hingewiesen.

  • Danach gehört es zwar zu den anerkannten Grundsätzen für die – an sich dem Tatrichter vorbehaltene – Auslegung einer Individualvereinbarung, dass der Wortlaut der Vereinbarung den Ausgangspunkt einer nach §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) vorzunehmenden Auslegung bildet.
  • Gleichzeitig gilt hierbei aber auch, dass ein übereinstimmender Parteiwille dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vorgeht, selbst wenn er im Inhalt der Erklärung keinen oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (BGH, Beschlüsse vom 05.04.2005 – VIII ZR 160/04 –; vom 20.09.2006 – VIII ZR 141/05 –; vom 06.03.2007 – X ZR 58/06 –; vom 30.04.2014 – XII ZR 124/12 –).

Schon wegen dieses Vorrangs eines übereinstimmenden Parteiwillens darf ein entsprechender Sachvortrag nicht als unbeachtlich übergangen werden.

Auch dass für die über ein Rechtsgeschäft aufgenommenen Urkunden die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit besteht, führt

  • lediglich dazu, dass eine Partei, die sich auf außerhalb der Urkunde liegende Umstände – sei es zum Nachweis eines vom Urkundstext abweichenden übereinstimmenden Willens der Parteien, sei es zum Zwecke der Deutung des Inhalts des Beurkundeten aus Sicht des Erklärungsempfängers – beruft, die Beweislast für deren Vorliegen trifft (BGH, Urteil vom 05.07.2002 – V ZR 143/01 –),
  • nicht aber dazu, dass die beweisbelastete Partei über die Darlegung des tatsächlich Gewollten zusätzlich noch nachvollziehbar und schlüssig erläutern muss, aus welchen Umständen sich die Unvollständigkeit der Urkunde erklären lässt, warum die Parteien also von einer schriftlichen Fixierung der mündlichen Nebenabrede abgesehen haben (BGH, Beschlüsse vom 25.10.2011 – VIII ZR 125/11 – und vom 21.10.2014 – VIII ZR 34/14 –)

Derart weitgehende Darlegungsnotwendigkeiten finden im Prozessrecht keine Stütze mehr und überspannen die an einen rechtlich beachtlichen Sachvortrag zu stellenden Substantiierungsanforderungen in einer nicht mit Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Einklang stehenden Weise.

  • Ein Sachvortrag ist zur Begründung eines Anspruchs bereits dann schlüssig und erheblich, wenn die Partei Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet und erforderlich sind, das geltend gemachte Recht als in der Person der Partei entstanden erscheinen zu lassen, wobei unerheblich ist, wie wahrscheinlich diese Darstellung ist.
  • Die Angabe näherer Einzelheiten ist nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von Bedeutung sind.
  • Das Gericht muss nur in die Lage versetzt werden, aufgrund des tatsächlichen Vorbringens der Partei zu entscheiden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für das Bestehen des geltend gemachten Rechts vorliegen.
  • Sind diese Anforderungen erfüllt, ist es Sache des Tatrichters, in die Beweisaufnahme einzutreten und dabei gegebenenfalls die benannten Zeugen oder die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen.
  • Dagegen ist die Frage, ob ein Sachvortrag wahrscheinlich oder angesichts der Urkundenlage eher unwahrscheinlich ist, für die Erheblichkeit und damit die Beweisbedürftigkeit des Vorbringens ohne Belang (BGH, Beschlüsse vom 11.05.2010 – VIII ZR 212/07 –; vom 12.03.2013 – VIII ZR 179/12 –).

Dementsprechend darf bei einem Parteivortrag zu Umständen, die in einer Vertragsurkunde keinen oder nur undeutlichen Niederschl     ag gefunden haben, nicht zusätzlich zur Darlegung einer Willensübereinstimmung bei Vertragsschluss noch eine Erklärung dafür gefordert werden, weshalb die Parteien davon abgesehen haben, eine behauptete mündliche (Neben-) Abrede in die Vertragsurkunde aufzunehmen (BGH, Beschlüsse vom 25.10.2011 – VIII ZR 125/11 –; vom 21.10.2014 – VIII ZR 34/14 –).

 


Warning: Undefined variable $user_ID in /is/htdocs/wp1087826_EK6QR6X9JJ/www/haerlein.de/wordpress/wp-content/themes/arilewp-pro/comments.php on line 45

You must be <a href="https://www.haerlein.de/wp-login.php?redirect_to=https%3A%2F%2Fwww.haerlein.de%2Fwann-ist-ein-sachvortrag-zur-begruendung-eines-anspruchs%2F">logged in</a> to post a comment