…. und wann liegt – jedenfalls – kein Verstoß gegen das Sichtfahrgebot vor?
Nach dem Sichtfahrgebot des § 3 Abs. 1 Satz 4 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) dürfen Führer eines Fahrzeugs (also auch Fahrradfahrer) nur so schnell fahren, dass sie
das sich innerhalb der übersehbaren Strecke
anhalten können.
Dementsprechend muss ein Fahrzeugführer beim Fahren auf Sicht prüfen,
- wie weit er sehen und
- ob er mit der gefahrenen Geschwindigkeit noch rechtzeitig anhalten kann,
wenn
- im sich beim Fahren regelmäßig in Fahrtrichtung verschiebenden Sichtbereich – genauer am Ende der sich verschiebenden übersehbaren Strecke –
ein Hindernis
erscheint bzw. sich dort befindet.
Das Sichtfahrgebot,
- das auf der Erwägung beruht, dass es Fahrern zugemutet werden kann, ihre Geschwindigkeit diesem vorauszuberechnenden Anhalteweg anzupassen,
wird begrenzt durch den Vertrauensgrundsatz für solche Hindernisse,
- mit denen ein Fahrer unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt rechnen muss.
Dementsprechend verlangt das Sichtfahrgebot von Fahrzeugführern nicht, ihre Geschwindigkeit
einzurichten,
- die wegen ihrer besonderen Beschaffenheit ungewöhnlich schwer erkennbar sind oder
- deren Erkennbarkeit in atypischer Weise besonders erschwert ist und auf die nichts hindeutet
und die deswegen für den Fahrzeugführer (bei allerdings Anwendung eines strengen Maßstabs)
- obwohl sie sich bereits in ihrem objektiven Sichtbereich befunden haben,
gegebenenfalls
werden erst aus wenigen Metern.
- Kann vor einem solchen Hindernis nicht gestoppt werden liegt kein schuldhafter Verstoß gegen § 3 Abs. 1 Satz 4 StVO vor.
Aber:
Vorliegen kann in einem solchen Fall aber eventuell eine falsche bzw. verspätete Reaktion des Fahrzeugführers, die allerdings dann
- keinen vorwerfbaren Obliegenheitsverstoß
darstellt, wenn der Fahrzeugführer
- in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht vorhersehbaren Gefahrenlage,
keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat und deshalb
- nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt, um den Unfall zu verhüten, sondern
aus verständlichem Erschrecken objektiv falsch reagiert (Bundesgerichtshofs (BGH), Urteil vom 23.04.2020 – III ZR 250/17 –).
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