Wenn dem Betreiber einer Autobahnrastanlage infolge einer unfallbedingten Sperrung der Autobahn Einnahmeausfälle entstanden sind.

Wenn dem Betreiber einer Autobahnrastanlage infolge einer unfallbedingten Sperrung der Autobahn Einnahmeausfälle entstanden sind.

Dem Betreiber einer Autobahnrastanlage, dem

  • wegen des vorübergehenden Wegfalls des Durchgangsverkehrs infolge einer unfallbedingten Sperrung der Autobahn und des Ausbleibens von Kunden während der Zeit der Sperrung,

Einnahmeausfälle entstehen,

  • stehen keine Ansprüche auf Ersatz der Einnahmeausfälle gegen den Fahrer oder Halter des Fahrzeugs zu, das den Unfall und damit auch die Sperrung der Autobahn verursacht hat.

Das hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 09.12.2014 – VI ZR 155/14 – in einem Fall entschieden,

  • in dem der Fahrer eines Sattelzuges durch eine überdimensionierte Ladung eine Autobahnbrücke so stark beschädigt hatte, dass Einsturzgefahr bestand, das betroffene Teilstück der Autobahn deshalb für mehrere Tage gesperrt und im Rundfunk empfohlen wurde, den gesperrten Bereich großräumig zu umfahren, von dem wenige Kilometer entfernt, aber außerhalb des gesperrten Bereichs, sich die vom Kläger betriebene Rastanlage befand.

Danach scheiden Ansprüche des Rastanlagenbetreibers aus §§ 7, 18 Straßenverkehrsgesetz (StVG) schon deshalb aus, weil

  • es an einer „Beschädigung“ der in seinem berechtigten unmittelbaren Besitz stehenden Anlage oder deren Einrichtungen fehlt.

„Beschädigt“ ist eine Sache dann im Sinne des § 7 StVG,

  • wenn entweder ihre Substanz nicht unerheblich verletzt oder
  • wenn ihre Brauchbarkeit zu ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung nicht unerheblich beeinträchtigt worden ist, ohne dass zugleich ein Eingriff in die Sachsubstanz vorliegt (BGH, Urteil vom 06.11.2007 – VI ZR 220/06 –).

Daran fehlt es hier. Durch die von dem Fahrzeug verursachte Sperrung der Autobahn ist die Rastanlage nämlich weder in ihrer Substanz verletzt, noch ihre Brauchbarkeit zu ihrer bestimmungsgemäßen Verwendung beeinträchtigt worden.
Denn die Funktionsfähigkeit der Rastanlage und ihrer Einrichtungen selbst wurde durch die Sperrung nicht betroffen. Die Anlage und ihre Einrichtungen konnten auch während der Sperrung der Autobahn in jeder Hinsicht bestimmungsgemäß in Gebrauch genommen werden. Dass infolge der Sperrung und der damit zusammenhängenden Empfehlung, den Bereich weiträumig zu umfahren, Durchgangsverkehr und damit nennenswerter Kundenzustrom nicht zu erwarten war, ändert daran nichts. Denn die Brauchbarkeit einer Sache für ihre zweckentsprechende Verwendung hängt nicht davon ab, ob und in welchem Umfang auch ein tatsächlicher Bedarf für die entsprechende Verwendung der Sache besteht.
Zudem umfasst der von § 7 StVG gewährleistete Schutz des Integritätsinteresses nicht die Garantie, mit einer Sache ungehindert Gewinne erzielen zu können.

Ein Anspruch aus § 823 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Verbindung mit der Verletzung eines Schutzgesetzes steht dem Rastanlagenbetreiber, wie der VI. Zivilsenat des BGH weiter ausgeführt hat, deshalb nicht zu, weil ein solcher Anspruch voraussetzt,

  • dass es sich bei der Vorschrift, die verletzt wurde, um eine Rechtsnorm handelt, die zumindest auch dazu bestimmt ist, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes zu schützen (z.B. BGH, Urteil vom 14.06.2005 – VI ZR 185/04 –),
    • was der Fall ist, wenn der eingetretene Schaden in den sachlichen Schutzbereich der verletzten Norm fällt sowie
    • der konkret Geschädigte zum Kreis derjenigen Personen gehört, dessen Schutz die verletzte Norm bezweckt,
  • und hier weder Fahrer noch Halter des Sattelzuges ein Gesetz verletzt haben, das dem Schutz des Betreibers einer Autobahnrastanlage vor Gewinneinbußen zu dienen bestimmt ist.

Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) nicht im Ganzen ein Gesetz zum Schutz des Vermögens ist. Sie ist Teil des Straßenverkehrsrechts, durch das die Teilnahme am Straßenverkehr geregelt und insbesondere dessen Sicherheit und Leichtigkeit gewährleistet werden soll. Dieses dient als sachlich begrenztes Ordnungsrecht der Abwehr von typischen Gefahren, die vom Straßenverkehr ausgehen und die dem Straßenverkehr von außen oder durch Verkehrsteilnehmer erwachsen (BGH, Urteile vom 14.06.2005 – VI ZR 185/04 –; vom 18.11.2003 – VI ZR 385/02 –).
Einzelne Vorschriften der StVO können allerdings zugleich dem Schutz von Individualinteressen dienen, namentlich der Gesundheit, der körperlichen Unversehrtheit und des Eigentums (BGH, Urteile vom 28.03.2006 – VI ZR 50/05 –; vom 14.06.2005 – VI ZR 185/04 –; vom 18.11.2003 – VI ZR 385/02 –).
Als verletzte Gesetze kommen vorliegend die Vorschriften des § 18 Abs. 1 Satz 2 StVO, des § 22 Abs. 2 Satz 1 StVO, des § 23 Abs. 1 Satz 2 StVO, des § 29 Abs. 3 Satz 1 StVO sowie des § 1 Abs. 2 StVO in Betracht und diese Vorschriften dienen,

  • soweit durch sie kein anderer unmittelbar in seinen Rechtsgütern verletzt ist,
  • sondern sie nach ihrem Sinn und Zweck den Straßenverkehr selbst vor Störungen schützen wollen,

allein dem öffentlichen Interesse und

  • nicht auch den Vermögensinteressen derjenigen, die von einer Verkehrsstörung und der daraus folgenden Beschränkung der Nutzbarkeit einer Straße besonders betroffen sind bzw. mittelbar Gewinneinbußen erlitten haben.

Aus diesen Vorwürfen kann der Rastanlagenbetreiber in Bezug auf § 823 Abs. 2 BGB folglich nichts für sich herleiten.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich bei der Rastanlage um einen Nebenbetrieb an einer Bundesautobahn im Sinne von § 15 und § 1 Abs. 4 Nr. 5 des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) handelt.
Denn weder dieser Umstand noch die angeblich existenzgefährdende Wirkung der behaupteten Einnahmeausfälle ändern etwas daran, dass es vorliegend allein um die von den genannten Vorschriften gerade nicht geschützten individuellen (Vermögens-)Interessen geht, die ein privater Gewerbetreibender am störungsfreien Betrieb einer Straße hat.

Letztlich lassen sich auch Ansprüche des Rastanlagebetreibers nicht aus § 823 Abs. 1 BGB herleiten, weil

  • es bereits an einem haftungsrelevanten Eingriff in ein von § 823 Abs. 1 BGB geschütztes Rechtsgut fehlt.

Bei dem dem Rastanlagebetreiber entgangenen Gewinn handelt es sich um einen nach dieser Vorschrift nicht ersatzfähigen reinen Vermögensschaden.
Und der von § 823 Abs. 1 BGB (ebenfalls) geschützte berechtigte Besitz an der Rastanlage als verletztes Rechtsgut setzt, wie bei der Eigentumsverletzung zwar nicht zwingend einen Eingriff in die Sachsubstanz voraus, sondern kann auch durch eine nicht unerhebliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Verwendung der betreffenden Sache erfolgen (BGH, Urteile vom 11.01.2005 – VI ZR 34/04 -; vom 18.11.2003 – VI ZR 385/02 –).
Allerdings muss die Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Verwendung der Sache

  • ihren Grund in einer unmittelbaren Einwirkung auf die Sache selbst haben,

wobei diese Einwirkung

  • tatsächlicher oder – wie im Falle eines Nutzungsverbots – rechtlicher Natur sein kann.

Das war nicht der Fall, da die wenige Kilometer von der Rastanlage entfernte Sperrung, die die unmittelbare Zufahrt zur Anlage selbst – anders als in dem dem Urteil vom 15.11.1982 – II ZR 206/81 – zugrunde liegenden Fall – sogar unbeeinträchtigt ließ, nicht unmittelbar auf die Rastanlage und ihre Einrichtungen einwirkte.
Die Auswirkungen der Sperrung auf die Rastanlage beschränkten sich vielmehr auf den Wegfall des Durchgangsverkehrs für die Zeit der Sperrung, das deshalb zu erwartende Ausbleiben von Kunden und die sich daraus ergebende vorübergehende Einengung der wirtschaftlichen Nutzung der Anlage.
Dies berührt allein das Vermögen des Rastanlagebetreibers, nicht aber seine Rechtsposition als berechtigter Besitzer der Rastanlage (vgl. BGH, Urteil vom 15.11.1982 – II ZR 206/81 –). Dass es sich bei der Rastanlage um einen Nebenbetrieb an einer Bundesautobahn im Sinne von § 15 und § 1 Abs. 4 Nr. 5 FStrG handelt, spielt auch insoweit keine Rolle.

Ein Anspruch des Rastanlagebetreibers aus Verletzung seines eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebs ist nicht gegeben, weil

  • ein solcher Anspruch nur in Betracht kommt, wenn die Beeinträchtigung unmittelbar in den Bereich des Gewerbebetriebs eingreift, also betriebsbezogen ist und nicht von diesem ohne weiteres ablösbare Rechte betrifft (z.B. BGH, Urteile vom 11.01.2005 – VI ZR 34/04 –; vom 18.11.2003 – VI ZR 385/02 –).

Ein derartiger Eingriff liegt hier nicht vor. Der Unfall stand in keiner unmittelbaren Beziehung zum eingerichteten und ausgeübten Betrieb des Rastanlagebetreibers. Die angeordnete Sperrung der Autobahn und die Empfehlung, den gesperrten Bereich großräumig zu umfahren, waren vielmehr allgemeine Folgen eines Schadensereignisses, die den Rastanlagebetreiber rein zufällig trafen.

 


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