Wenn ein Bieter aufgrund eines Kalkulationsirrtums ein günstiges Angebot gegenüber öffentlichem Auftraggeber abgibt.

Wenn ein Bieter aufgrund eines Kalkulationsirrtums ein günstiges Angebot gegenüber öffentlichem Auftraggeber abgibt.

Ein öffentlicher Auftraggeber, der einen Bieter an der Ausführung des Auftrags zu einem Preis festhalten will, der auf einem erheblichen Kalkulationsirrtum beruht und nur dadurch außerordentlich günstig ausgefallen ist, verstößt gegen die ihm durch § 241 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auferlegten Rücksichtnahmepflichten.

Das hat der für Rechtsstreitigkeiten über Vergabeverfahren zuständige X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) mit Urteil vom 11.11.2014 – X ZR 32/14 – entschieden.

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall waren von einem Bieter, der in einer Angebotsposition einen falschen Mengenansatz gewählt hatte, bestimmte Straßenbauarbeiten zu einem Preis von rd. 455.000 € angeboten worden. Das nächstgünstigste Angebot belief sich auf rd. 621.000 €.
Der Bitte des Bieters, um Ausschluss seines Angebots von der Wertung wegen seines Kalkulationsirrtums, kam das Land nicht nach. Vielmehr trat es, als der Bieter den Auftrag auf Basis seines abgegebenen Angebots nicht ausführen wollte, vom Vertrag zurück, beauftragte ein anderes Unternehmen mit den Arbeiten und verlangte die Mehrkosten vom ursprünglich beauftragten Bieter als Schadensersatz.

Die Klage war erfolglos, weil nach der Entscheidung X. Zivilsenats des BGH der öffentliche Auftraggeber gegen die ihm durch § 241 Abs. 2 BGB auferlegten Rücksichtnahmepflichten verstößt, wenn er den Bieter an der Ausführung des Auftrags zu einem Preis festhalten will, der auf einem erheblichen Kalkulationsirrtum beruht und das war hier der Fall.

Klargestellt hat der Senat allerdings, dass nicht jeder noch so geringe diesbezügliche Irrtum ausreicht und dass auch sichergestellt sein muss, dass sich ein Bieter nicht unter dem Vorwand des Kalkulationsirrtums von einem bewusst sehr günstig kalkulierten Angebot loslöst, weil er es im Nachhinein als für ihn selbst zu nachteilig empfindet.

Die Schwelle zum Pflichtenverstoß durch Erteilung des Zuschlags zu einem kalkulationsirrtumsbehafteten Preis ist, wie der Senat ausführte, im Bereich der Vergabe öffentlicher Aufträge aber ausnahmsweise dann überschritten,  

  • wenn vom Bieter aus Sicht eines verständigen öffentlichen Auftraggebers bei wirtschaftlicher Betrachtung
  • schlechterdings nicht mehr erwartet werden kann, sich mit dem irrig kalkulierten Preis als einer noch annähernd äquivalenten Gegenleistung für die zu erbringende Bau-, Liefer- oder Dienstleistung zu begnügen.

Verhält es sich so und führt der Auftraggeber gleichwohl den Vertragsschluss herbei, kann er vom Bieter

  • weder Erfüllung des Vertrages
  • noch Schadensersatz

verlangen, wenn die fraglichen Arbeiten im Ergebnis nur zu einem höheren Preis als dem vom Bieter irrig kalkulierten ausgeführt werden konnten.

Die Voraussetzungen für einen nach diesen Maßstäben erheblichen Kalkulationsirrtum hat der Senat vorliegend bejaht, wobei dem besonders großen Abstand zwischen dem irrtumsbehafteten Angebot und dem zweitgünstigsten Angebot besondere Bedeutung zukam.

Das hat die Pressestelle des Bundesgerichtshofs am 12.11.2014 – Nr. 163/2014 – mitgeteilt.

 


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