Da ein Tankstellengelände nicht als Grundstück i.S.v. § 9 Abs. 5 Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) anzusehen ist, beurteilen sich die Pflichten des Linksabbiegenden in ein Tankstellengelände lediglich nach § 9 Abs. 1, 3 und 4 StVO.
Das hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts (LG) Saarbrücken mit Urteil vom 21.11.2014 – 13 S 138/14 – entschieden.
Danach sind Grundstücke im Sinne des § 9 Abs. 5 StVO nur solche „privaten“ Grundflächen, die nicht
- für jedermann zugelassen sind bzw.
- von jedermann tatsächlich genutzt werden.
und nicht alle Verkehrsflächen die nicht dem fließenden Verkehr dienen (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Hamm, Urteil vom 08.11.2014 – 9 U 88/13 –; a. A. OLG Stuttgart, Beschluss vom 20.10.2011 – 4 Ss 623/11 -).
§ 9 Abs. 5 StVO verwendet den Begriff des Grundstücks nämlich, wie der Vergleich mit § 10 StVO zeigt, bewusst in Abgrenzung zu anderen Straßenteilen, auch zu solchen, auf denen gerade kein fließender Verkehr stattfindet.
Hätte der Gesetzgeber das Verlassen des fließenden Verkehrs generell dem Abbiegen in eine private Grundfläche gleichstellen wollen, hätte dies in § 9 Abs. 5 StVO genauso wie in § 10 StVO geregelt werden können.
Eine erweiternde Auslegung ist, wie die 13. Zivilkammer des LG Saarbrücken weiter ausführt, auch unter teleologisch-funktionalen Gesichtspunkten nicht zwingend geboten. Zwar sei das Abbiegen aus dem fließenden Verkehr heraus allgemein gefährlich, weil der Abbiegende seine Geschwindigkeit regelmäßig deutlich reduzieren muss und dadurch den fließenden, typischerweise schneller fahrenden Verkehr behindern kann. Das allein könne die gegenüber § 9 Abs. 1, 3 StVO gesteigerte Sorgfaltspflicht beim Abbiegen in ein Grundstück jedoch kaum rechtfertigen. Denn gleiches gelte häufig auch für das Abbiegen in eine andere Straße, also innerhalb des fließenden Verkehrs. Beim Abbiegen in ein Grundstück komme allerdings noch hinzu, dass andere Verkehrsteilnehmer typischerweise nicht ohne weiteres erkennen können, an welcher Stelle der Vorausfahrende den fließenden Verkehr verlassen will, weil die angesteuerte Stelle eines Grundstücks nicht so eindeutig zu erkennen ist wie eine angesteuerte Einmündung oder Kreuzung. Beim Abbiegen in eine Tankstelle kann es hingegen nach den örtlichen Gegebenheiten für die übrigen Verkehrsteilnehmer durchaus naheliegend sein, aus der Ankündigung der Abbiegeabsicht auf die genaue Stelle des Abbiegevorgangs zu schließen und sich hierauf einzustellen. Das Gefährdungspotential des Abbiegens bleibe dann hinter dem beim Abbiegen in ein Grundstück zurück und rechtfertigt deshalb nicht die schematische Anwendung von § 9 Abs. 5 StVO.
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