Bei Messungen, die mit Messgeräten durchgeführt werden, die in der Kombination mit der Messgerätesoftware und der verwendeten Auswertesoftware von der Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) zugelassen sind, handelt es sich um sog. „standardisierte Messverfahren“ (vgl. Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Beschluss vom 14.07.2014 – IV-1 RBs 50/14 –).
Mit der Zulassung erklärt die PTB im Wege eines Behördengutachtens (antizipiertes Sachverständigengutachten), dass bei dem zugelassenen Gerät ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren vorliegt, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind.
Die Zulassung erfolgt dabei nur, wenn das Messgerät die umfangreichen Testreihen erfolgreich durchlaufen hat, bei denen die PTB das Messgerät auch unter atypischen Verkehrsszenarien auf seine Störungsresistenz prüft. Die Art der Verwendung und der zulässige Verwendungsaufbau werden von der PTB bei der Zulassung vorgegeben.
Ist ein Messgerät von der PTB zugelassen und ist das Messgerät im Rahmen der Zulassungsvorgaben verwendet worden, ist das Tatgericht grds. von weiteren technischen Prüfungen, insbesondere zur Funktionsweisen des Messgeräts, enthoben. Die Zulassung durch die PTB ersetzt diese Prüfung. Damit soll erreicht werden, dass bei dem Massenverfahren im Bußgeldbereich nicht jedes Amtsgericht bei jedem einzelnen Verfahren die technische Richtigkeit der Messung jeweils neu überprüfen muss.
Ist eine Messung im Rahmen der Zulassung erfolgt, kann das Gericht grds. von der Richtigkeit der Messung ausgehen.
Nur wenn im Einzelfall konkrete Tatsachen dem Gericht gegenüber vorgetragen werden, die geeignet sind, Zweifel an der Richtigkeit des zur Verhandlung stehenden konkreten Messergebnisses aufkommen lassen, kann das Tatgericht sich veranlasst sehen, diese Zweifel durch die Bestellung eines Sachverständigen nach §§ 73 ff Strafprozessordnung (StPO) zu verifizieren, der dann die konkrete Messung zu überprüfen hat.
- Liegt die mögliche Fehlerquelle bei der Messung in dem konkret durchgeführten Messvorgang, weil von dem Betroffenen Tatsachen vorgetragen sind, die z.B. einen falschen Messaufbau der außerhalb der in der Zulassung vorgegeben Varianzen liegt (Messaufbaufehler durch den Messbeamten), oder eine (zwischen den Eichterminen) konkret dargelegte technische Störung im konkreten Messgerät aufzeigen, ist die PTB Zulassung in der Regel nicht betroffen.
In diesen Fällen greift die sachverständige Wirkung der Zulassung durch die PTB nicht und die Messung, die gleichwohl richtig sein kann, kann, wenn Zweifel bestehen, durch einen Sachverständigen überprüft werden.
- Soll der mögliche Fehler hingegen in der Messtechnik, der Messsoftware oder der Auswertesoftware strukturell angelegt sein und damit eine Vielzahl von Messvorgängen an unterschiedlichen Orten und Zeiten betreffen, steht diesem Vortrag eines Betroffenen grds. die Zulassung durch die PTB als antizipiertes Sachverständigengutachten entgegen.
- Zunächst muss in einem solchen Fall der die Zweifel begründende Vortrag des Betroffenen ergeben, dass ein Phänomen vorliegt, das bei der Zulassung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden ist, bevor beim Gericht Zweifel an der Richtigkeit der Messung aufkommen müssen.
- Bestellt ein Gericht in diesen Fällen einen Sachverständigen und kommt dieser zu der Bewertung es liege trotz einer Messung innerhalb der PTB-Zulassung eine Fehlmessung vor, muss der Sachverständige in einer für das Gericht verständlichen und nachvollziehbaren Form darlegen, wie diese Fehlmessung trotz Zulassungsprüfung durch die PTB möglich ist.
- Erst wenn er das kann, liegen zwei widerstreitende Sachverständigengutachten vor, das Gutachten der PTB in Form der Zulassung und das gerichtliche Gutachten.
In diesen Fällen kann das Gericht eine für das Rechtsbeschwerdegericht prüfungsfähige eigene Bewertung vornehmen, oder was angesichts der Materie naheliegend ist, das beschriebene strukturelle Problem der PTB als Zulassungs- und Aufsichtsbehörde des Bundes zur ergänzenden Begutachtung vorlegen. Die PTB verfügt über die notwendigen technischen Prüfungsmöglichkeiten und hat Zugriff auf die patent- und urheberrechtlichen geschützten Herstellerinformationen. Sollte sich die Fehlmessung als Strukturfehler herausstellen, ist die PTB in der Lage die Zulassung entsprechend der neuen Erkenntnisse aufzuheben oder anzupassen, wozu auch eine gesetzliche Verpflichtung besteht (§ 25a Eichordnung – Allgemeine Vorschriften (EO-AV)).
Darauf hat der Senat für Bußgeldsachen des OLG Frankfurt mit Beschluss vom 04.12.2014 – 2 SS-OWi 1041/14 – hingewiesen.
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