Wenn Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen wird und für diese ein Vormund bestellt werden muss.

Wenn Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen wird und für diese ein Vormund bestellt werden muss.

Wird Eltern das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen, so sind Familienangehörige und Verwandte des Kindes vorrangig zum Vormund des Kindes zu bestimmen, wenn sie zur Führung der Vormundschaft geeignet sind.
Bei der Beurteilung dieser Frage sind die Erziehungseignung und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der als Vormund in Betracht kommenden Personen sowie gegebenenfalls der Kindeswille zu berücksichtigen.

Darauf hat der 1. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts (OLG) Saarbrücken mit Beschluss vom 17.07.2014 – 6 UF 48/14 – hingewiesen.

Danach kann das Jugendamt erst dann nach § 1791b Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) als Amtsvormund ausgewählt werden, wenn ein geeigneter ehrenamtlicher Einzelvormund nicht gefunden werden kann.
Das in den §§ 1776, 1777 BGB vorgesehene Benennungsrecht der Eltern ist zwar auf die Fälle beschränkt, in denen die elterliche Sorge durch den Tod des Sorgerechtsinhabers endet (Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 26.06.2013 – XII ZB 31/13 –; Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 19.03.2012 – 9 UF 232/11 –).

  • Dennoch steht es den Eltern frei, auch bei Sorgerechtsentzug einen Vorschlag zur Auswahl des Vormunds zu unterbreiten.
  • Haben sie dies getan, haben sie auch ein Recht auf Prüfung ihres Vorschlags, einen nahen Verwandten als Vormund auszuwählen.

Dieses Recht ist aus der staatlichen Schutzpflicht für die aus Eltern und Kindern bestehende Familiengemeinschaft (Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG), aus dem Vorrang der Eltern bei der Verantwortung für das Kind (Art. 6 Abs. 2 GG) sowie aus dem von Art. 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) gewährleisteten Familienleben abzuleiten (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 18.12.2008 – 1 BvR 2604/06 –).
Dem hat der Gesetzgeber mit dem sog. Verwandtenprivileg aus § 1779 Abs. 2 S. 2 BGB Rechnung getragen, wonach bei der Auswahl des Vormunds namentlich die Verwandtschaft mit dem Kind zu berücksichtigen ist.
Die fachgerichtliche Anwendung dieser Vorschrift wird ihrerseits vom Verhältnismäßigkeitsgrundsatz beeinflusst.
Bevor statt der Auswahl eines engen Familienangehörigen Amtsvormundschaft angeordnet wird, muss festgestellt werden, dass dies zur Sicherung des Kindeswohls erforderlich ist.
Da die innerfamiliäre Einzelvormundschaft die Rechtsposition der Eltern weniger beeinträchtigt als die Amtsvormundschaft, darf jene zum Schutz des Kindeswohls nicht ebenso geeignet sein wie diese.
Durch § 1779 Abs. 2 BGB hat der Gesetzgeber die Grundlage für einen verfassungsgemäßen Ausgleich zwischen den verfassungsrechtlichen Positionen der Betroffenen, insbesondere mit dem durch Art. 6 Abs. 2 GG geschützten Elternrecht, geschaffen. Unter mehreren geeigneten Vormündern hat das Familiengericht die Auswahl nach seinem pflichtgemäßen Ermessen zu treffen.
Dieses Ermessen hat der Gesetzgeber aber wiederum in verfassungsgemäßer Konkretisierung der widerstreitenden grundrechtlichen Belange rechtlich durch §§ 1779 Abs. 2 S. 2 und 1775 BGB gebunden (zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 08.03.2012 – 1 BvR 206/12 –).
Das Familiengericht hat daher bei seiner Auswahlentscheidung bei mehreren in Betracht kommenden Vormündern unter anderem den erklärten oder mutmaßlichen Willen der Eltern, die persönlichen Bindungen des Kindes, die Verwandtschaft oder Schwägerschaft mit dem Kind und sein religiöses Bekenntnis zu beachten, § 1779 Abs. 2 S. 2 BGB.
Sofern keine Interessenkollision besteht oder der Zweck der Fürsorgemaßnahme aus anderen Gründen die Bestellung eines Dritten verlangt, sind Familienangehörige und Verwandte des Kindes vorrangig zu berücksichtigen. Denn es gilt weithin als Selbstverständlichkeit, dass bei intakten Familien- und Verwandtschaftsbeziehungen Kinder dann, wenn ihre Eltern aus welchen Gründen auch immer als Sorgeberechtigte ausscheiden, von Großeltern oder anderen nahen Verwandten aufgenommen und großgezogen werden, sofern deren Verhältnisse dies ermöglichen. Darin dokumentieren sich gewachsene Familienbeziehungen, Verbundenheit und Verantwortungsbewusstsein. Der ohnehin gravierende Eingriff in das Elternrecht der Eltern durch die Entziehung des Sorgerechts und die Trennung des Kindes von ihnen kann durch eine Unterbringung bei Verwandten, zu denen nicht nur das Kind, sondern auch die Eltern regelmäßig eine engere Bindung als zu fremden Personen haben, abgemildert werden. Sind diese Verwandten zur Führung der Vormundschaft geeignet im Sinne des § 1779 Abs. 2 BGB, so dürfen sie nicht etwa deswegen übergangen werden, weil ein außenstehender Dritter noch besser dazu geeignet wäre, beispielsweise im Hinblick auf eine optimale geistige Förderung des Kindes (BVerfG, Beschluss vom 07.04.2014 – 1 BvR 3121/13 –).
Spiegel des Vertrauensvorschusses, den nahe Verwandte bei der Aufnahme von Kindern genießen, ist übrigens § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII). Dieser Vorschrift zufolge bedürfen Verwandte oder Verschwägerte bis zum dritten Grad – also auch Großeltern – keiner Erlaubnis, wenn sie das Kind in Vollzeitpflege aufnehmen.
Im Rahmen der Prüfung, ob die von den Eltern vorgeschlagene Person zur Führung der Vormundschaft geeignet ist (§ 1779 Abs. 2 S. 1 BGB), sind insbesondere deren Erziehungseignung und persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie ggf. der Kindeswille zu berücksichtigen (siehe zum Ganzen OLG Saarbrücken, Beschlüsse vom 14.10.2013 – 6 UF 160/13 – und vom 31.01.2012 – 6 UF 189/11 –).

 


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