Wenn im Online-Archiv einer Zeitung Altmeldungen über Personen zum Abruf bereitgehalten werden

Wenn im Online-Archiv einer Zeitung Altmeldungen über Personen zum Abruf bereitgehalten werden

Kann bzw. wann kann ein von solchen Berichten Betroffener die Löschung verlangen?

Wird im Online-Archiv einer Tageszeitung ein nicht mehr aktueller Beitrag (Altmeldung) zum Abruf bereitgehalten,

  • in dem beispielsweise über den Verdacht einer Straftat im Zusammenhang mit einem – später nach § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellten Ermittlungsverfahren berichtet und
  • in dem der Beschuldigte – durch Namen – identifizierbar bezeichnet wird,

hängt die Frage, ob dem Betroffenen ein Unterlassungsanspruch (Löschungsanspruch) aus § 823 Abs. 1, § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) analog i.V.m. Art. 1, Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zusteht, davon ab,

  • ob das Bereithalten der angegriffenen Wortbeiträge zum Abruf im Internet einen Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen darstellt,
    • was bei einer Berichterstattung über ein Ermittlungsverfahren unter namentlicher Nennung des Beschuldigten grundsätzlich der Fall ist, weil dadurch ein mögliches Fehlverhalten des Betroffenen öffentlich bekannt gemacht und seine Person in den Augen der Adressaten negativ qualifiziert wird (Bundesgerichtshof (BGH), Urteile vom 07.12.1999 – VI ZR 51/99 –; vom 18.11.2014 – VI ZR 76/14 – sowie vom 30.10.2012 – VI ZR 4/12 –) und
    • woran auch die Tatsache nichts zu ändern vermag, dass über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens berichtet wurde, da alleine der Umstand, dass über vergangene strafrechtliche Ermittlungen gegen den Betroffenen berichtet wird, die Gefahr birgt, dass die Öffentlichkeit die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mit dem Nachweis der Schuld gleichsetzt und trotz der späteren Einstellung des Ermittlungsverfahrens vom Schuldvorwurf „etwas hängenbleibt“ (BGH, Urteile vom 07.12.1999 – VI ZR 51/99 – und vom 30.10.2012 – VI ZR 4/12 –) und
  • ob, falls der Beitrag einen Eingriff in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellt, es sich hierbei um einen rechtswidrigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht handelt, was dann der Fall ist,
    • wenn die Abwägung des Rechts des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit und Achtung seines Privatlebens aus Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG, Art. 8 Abs. 1 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) mit dem in Art. 5 Abs. 1 GG, Art. 10 EMRK verankerten Recht der anderen Seite auf Meinungs- und Medienfreiheit ergibt,
    • dass das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 17.12.2013 – VI ZR 211/12 –; vom 30.10.2012 – VI ZR 4/12 – und vom 15.12.2009 – VI ZR 227/08 –).

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer solchen Berichterstattung ist im Rahmen der Abwägung dabei von erheblicher Bedeutung, ob die Tatsachenbehauptungen in den angegriffenen Beiträgen im Zeitpunkt ihrer erstmaligen Veröffentlichung zulässig waren (vgl. BGH, Urteil vom 15.12.2009 – VI ZR 227/08 –),

  • was bedeutet, dass, wenn es sich um eine Verdachtsberichterstattung handelt, auch die Voraussetzungen einer zulässigen Verdachtsberichterstattung erfüllt sein müssen (BGH, Urteile vom 30.01.1996 – VI ZR 386/94 –; vom 07.12.1999 – VI ZR 51/99 –; vom 22.04.2008 – VI ZR 83/07 –; vom 17.12.2013 – VI ZR 211/12 – und vom 18.11.2014 – VI ZR 76/14 –).

Ist dies nicht der Fall, ist das Bereithalten der Beiträge zum Abruf in einem Online-Archiv grundsätzlich unzulässig, soweit der Beschuldigte weiterhin identifizierbar bezeichnet bzw. dargestellt ist.

Handelt es sich nicht nur um eine Text-, sondern auch um eine Bildberichterstattung gilt in Bezug auf Bilder, die den Betroffenen zeigen, Folgendes:

Ein einen Betroffenen identifizierend darstellendes Bild darf zum Abruf im Internet,

  • sofern der Betroffene nicht eingewilligt hat (§ 22 Satz 1 Kunsturhebergesetz (KUG)),

nur dann bereitgehalten werden,

  • wenn es sich um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte handelt (§ 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG; zur Beurteilung ob ein Bildnis dem Bereich der Zeitgeschichte i.S. von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG zuzuordnen ist vgl. BGH, Urteile vom 09.02.2010 – VI ZR 243/08 –; vom 07.06.2011 – VI ZR 108/10 – und vom 08.03.2012 – VI ZR 125/12 –) und
  • wenn durch die Verbreitung berechtigte Interessen des Abgebildeten nicht verletzt werden (§ 23 Abs. 2 KUG).

Anderenfalls steht dem Betroffenen ein Anspruch auf Unterlassung erneuter Verbreitung der in den Artikeln enthaltenen Bilder entsprechend §§ 1004 Abs. 1 Satz 2, 823 Abs. 1, Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 22, 23 KUG, Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG zu (vgl. BGH, Urteil vom 09.02.2010 – VI ZR 243/08 –).

Darauf hat der VI. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 16.02.2016 – VI ZR 367/15 – hingewiesen.


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