Wann reicht die Vertretungsmacht des ersten Bürgermeisters für den Abschluss eines wirksamen Vertrages aus und wann nicht?
Die dem ersten Bürgermeister einer bayerischen Kommune in Art. 38 Abs. 1 der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern (BayGO) eingeräumte Vertretungsmacht ist
- durch das Gesetz selbst wesentlich beschränkt und
- abgesehen von den Ausnahmefällen des Art. 37 BayGO davon abhängig, dass ein entsprechender Gemeinderats- oder Ausschussbeschluss vorliegt (Oberlandesgericht (OLG) München, Beschluss vom 28.01.2013 – 34 Wx 390/12 –; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof (BayVGH), Beschluss vom 31.08.2011 – 8 ZB 11.549 –).
Ein ohne erforderlichen Gemeinderats- oder Ausschussbeschluss von einem ersten Bürgermeister unterzeichneter Vertrag ist gemäß § 177 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) schwebend unwirksam, kann aber vom Gemeinderat genehmigt werden.
Darauf hat das OLG Stuttgart mit Urteil vom 09.02.2016 – 10 U 137/15 – in einem Fall hingewiesen, in dem der erste Bürgermeister einer Gemeinde für diese einen Architektenvertrag unterschrieben hatte und streitig war, ob damit zwischen der Gemeinde und dem Architekten ein wirksamer Vertrag zustande gekommen war.
Wie das OLG ausgeführt hat, wird die Gemeinde nach Art. 29 BayGO
- durch den Gemeinderat verwaltet,
- soweit nicht der erste Bürgermeister selbstständig entscheidet.
Der Gemeinderat ist nach Art. 30 Abs. 1 S. 1 BayGO die Vertretung der Gemeindebürger. Er „überwacht die gesamte Gemeindeverwaltung, insbesondere auch die Ausführung seiner Beschlüsse“ (Art. 30 Abs. 3 BayGO).
In eigener Zuständigkeit erledigt der erste Bürgermeister nach Art. 37 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayGO „die laufenden Angelegenheiten, die für die Gemeinde keine grundsätzliche Bedeutung haben und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lassen“.
Weitere vom ersten Bürgermeister in eigener Zuständigkeit zu erledigende Angelegenheiten sind solche der Verteidigung einschließlich des Wehrersatzwesens und des Schutzes der Zivilbevölkerung sowie im Interesse der Sicherheit der Bundesrepublik oder eines ihrer Länder geheim zu haltende Angelegenheiten (Art. 37 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 u. 3 BayGO).
Zwar vertritt der erste Bürgermeister nach Art. 38 Abs. 1 BayGO auch die Gemeinde nach außen.
Dazu ein Geschäft für die Gemeinde abzuschließen,
- bei dem es sich um kein einfaches Geschäft der laufenden Verwaltung im Sinne von Art. 37 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BayGO handelt und
- das auch nicht unter die weiteren Ausnahmetatbestände in Art. 37 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und 3 BayGO fällt,
ist der erste Bürgermeister aber kommunalverfassungsrechtlich nicht berechtigt.
Vielmehr ist er insoweit lediglich Vollzugsorgan.
Eine andere Auslegung, so das OLG weiter, ist auch nicht aus Gründen der Rechtssicherheit geboten oder zum Schutz der Vertragspartner einer Kommune davor, dass ihnen das gesamte Risiko fehlerhaften Organhandelns aufgebürdet wird.
Ein Vertragspartner kann nämlich vom Bürgermeister ebenso wie von einer sonst für die Gemeinde handelnden Person in jedem Fall den Nachweis der Befugnis zur Vornahme des betreffenden Geschäfts verlangen.
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