Wichtig zu wissen für die Parteien eines Zivilprozesses, weil von Tatrichtern mitunter das Vorbringen einer Partei verfahrensfehlerhaft 

Wichtig zu wissen für die Parteien eines Zivilprozesses, weil von Tatrichtern mitunter das Vorbringen einer Partei verfahrensfehlerhaft 

…. als nicht ausreichend substantiiert angesehen wird, was den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verletzen kann.

Was Anspruchsteller wissen müssen:

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) ist ein 

  • Sachvortrag einer Partei zur Begründung eines Anspruchs, 

beispielsweise auf

  • Erfüllung eines Vertrages, 
  • Rückabwicklung eines Vertrages, 
  • Schadensersatz,
  • Herausgabe,
  • Unterlassung oder 
  • Beseitigung usw.,

bereits dann 

  • schlüssig und 
  • erheblich,

wenn die Partei 

  • Tatsachen

vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz 

  • geeignet und 
  • erforderlich

sind, das geltend gemachte Recht als 

  • in der Person der Partei 

entstanden erscheinen zu lassen, also etwa bei einem Anspruch auf 

  • Erfüllung eines Vertrages, 

wenn  

  • Tatsachen für den Abschluss dieses Vertrages 

vorgetragen sind.

Über den jeweiligen Tatsachenvortrag dazu hinaus sind nähere 

  • Einzelheiten

nicht erforderlich, soweit diese für die Rechtsfolgen nicht von 

  • Bedeutung

sind.

Das gilt insbesondere dann, wenn die Partei keine 

  • unmittelbare

Kenntnis von den Vorgängen hat.

Auch darf eine Partei, die mangels 

  • entsprechender Erkenntnisquellen oder 
  • Sachkunde

keine (sichere) Kenntnis von 

  • entscheidungserheblichen

Einzeltatsachen haben kann, von ihr nur 

  • vermutete

Tatsachen als 

  • Behauptung

in einen Rechtsstreit einführen.

So darf ein Patient, der einen 

  • Arzt wegen eines behaupteten Behandlungsfehlers oder Hygieneverstoßes 

auf Schadensersatz und/oder Schmerzensgeld in Anspruch nimmt, weil von Patienten 

  • weder eine genaue Kenntnis der medizinischen Vorgänge erwartet, 
  • noch gefordert 

werden kann, sich auf den Vortrag von Umständen beschränken, die die Vermutung 

  • eines fehlerhaften Verhaltens der Behandlungsseite aufgrund der Folgen für ihn 

gestatten (vgl. BGH, Beschluss vom 18.02.2020 – VI ZR 280/19 –). 

In den 

  • sog. Dieselfällen 

muss der 

  • von einem Fahrzeughersteller Schadensersatz fordernde 

Fahrzeugkäufer auch nur greifbare Umstände anführen, 

  • auf die er den Verdacht gründet und 
  • die den Schluss erlauben, 

dass sein Fahrzeug eine 

  • prüfstandsbezogene unzulässige Abschalteinrichtung 

aufweist und die Typgenehmigungsbehörde 

  • getäuscht

wurde (BGH, Beschluss vom 10.01.2023 – VIII ZR 9/21 –).    

Unbeachtlich ist der auf Vermutungen gestützte Sachvortrag einer Partei erst dann, wenn, 

  • ohne greifbare Anhaltspunkte 

für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts, 

  • willkürlich

Behauptungen

  • „aufs Geratewohl“ oder 
  • „ins Blaue hinein“ 

aufgestellt werden, wobei Willkür in diesem Sinne in der Regel nur beim Fehlen 

  • jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte 

angenommen werden kann.

Eine Partei ist auch nicht deshalb gezwungen, den behaupteten Sachverhalt 

  • in allen Einzelheiten 

wiederzugeben, weil der Gegner ihn bestreitet. 

Der Grundsatz, 

  • dass der Umfang der Darlegungslast sich nach der Einlassung des Gegners richtet, 

besagt nämlich nur, dass dann, wenn 

  • infolge der Einlassung des Gegners 

der Tatsachenvortrag 

  • unklar wird und 
  • nicht mehr den Schluss auf die Entstehung des geltend gemachten Rechts zulässt, 

er der 

  • Ergänzung

bedarf.

Ist das Gericht aufgrund des 

  • tatsächlichen Vorbringens der Partei 

in die Lage versetzt zu entscheiden, ob die 

  • gesetzlichen Voraussetzungen 

für das Bestehen des 

  • geltend gemachten 

Rechts (Anspruchs) vorliegen, ist es Sache des Tatrichters, in die 

  • Beweisaufnahme

einzutreten und dabei gegebenenfalls 

  • die benannten Zeugen, 
  • die zu vernehmende Partei nach weiteren Einzelheiten zu befragen oder 
  • einem Sachverständigen die beweiserheblichen Streitfragen zu unterbreiten,

wobei es der beweisbelasteten Partei grundsätzlich nicht verwehrt ist, auch 

  • eine tatsächliche Aufklärung hinsichtlich solcher Umstände 

zu verlangen, über die sie selbst 

  • kein zuverlässiges Wissen besitzt und 
  • auch nicht erlangen kann, 

die sie aber nach Lage der Verhältnisse für 

  • wahrscheinlich oder 
  • möglich

hält (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12.06.2008 – V ZR 223/07 –, vom 02.04.2009 – V ZR 177/08 –, vom 25.10.2011 – VIII ZR 125/11 – vom 13.12.2022 – VIII ZR 298/21 – und vom 10.01.2023 – VIII ZR 9/21 –).

Was der Prozessgegner, gegen den der Anspruch geltend gemacht wird, wissen muss:

Der Prozessgegner der anspruchsstellenden Partei kann 

  • gegen den schlüssig vorgetragenen Anspruch

Einwendungen erheben durch den Vortrag 

  • von rechtshindernden Tatsachen,
    • wie etwa die Minderjährigkeit bei Vertragsabschluss,
  • von rechtsvernichtenden Tatsachen,
    • wie eine Vertragserfüllung, eine wirksame Vertragsanfechtung oder eine erfolgte Aufrechnung, 
  • von rechtshemmenden Tatsachen,
    • wie der Stundung der geforderten Leistung oder der Verjährung des Anspruchs

oder auch nur,

  • soweit ihm nicht die Behauptungslast obliegt (vgl. dazu unten zur sekundären Darlegungslast)

von der anspruchsstellenden Partei vorgetragene 

  • anspruchsbegründende Tatsachen 

(unter Beachtung der Wahrheitspflicht) einfach bestreiten. 

Nicht 

  • einfach bestritten 

werden können anspruchsbegründende Tatsachen allerdings dann, wenn der Prozessgegner, 

  • nach der ihm gemäß § 138 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) obliegenden Erklärungslast, 

sich zu den Behauptungen der beweisbelasteten Partei substantiiert äußern muss, ihn also eine 

  • sog. sekundäre Darlegungslast 

trifft, was dann der Fall ist, wenn die anspruchsstellende grundsätzlich darlegungs- und beweispflichtige Partei, auch durch 

  • Nachfragen

bei Dritten, 

  • keine nähere Kenntnis der maßgeblichen Umstände und 
  • auch keine Möglichkeit zur weiteren Sachaufklärung 

hat (vgl. BGH, Urteile vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19 – und vom 19.12.2022 – VIa ZR 115/22 –). 

Eine solche 

  • sekundäre Darlegungslast, 

deren Umfang sich 

  • nach den Umständen des Einzelfalls 

richtet, trifft den Prozessgegner auch dann, wenn der 

  • Anspruchsteller

für eine – zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs gehörende –  

  • negative

Tatsache

  • beweispflichtig

ist (vgl. BGH, Urteil vom 24.03.2010 – XII ZR 175/08 –), d.h., wird beispielsweise 

  • ein Anspruch auf Herausgabe des Erlangten wegen ungerechtfertigter Bereicherung nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geltend gemacht und behauptet, die Leistung sei ohne Rechtsgrund erfolgt, muss der Prozessgegner, der bestreitet, dass die Leistung ohne Rechtsgrund erfolgt ist, auch darlegen, auf welchen Rechtsgrund er sich beruft

und wenn von dem Anspruchsteller 

  • behauptet wird, über einen offenbarungspflichtigen Mangel nicht oder unzureichend aufgeklärt worden zu sein, muss der dies bestreitende Prozessgegner nach den Grundsätzen der sekundären Darlegungslast zunächst vortragen, wo wann und wie er den Anspruchsteller aufgeklärt hat und dies vom Anspruchsteller erst anschließend widerlegt werden (vgl. BGH, Urteil vom 12.11.2010 – V ZR 181/09 –).

Genügt der Prozessgegner seiner sekundären Darlegungslast nicht, gilt die Behauptung des Anspruchstellers 

  • nach § 138 Abs. 3 ZPO 

als zugestanden.

Im Übrigen können mit

  • Nichtwissen

keine Tatsachen bestritten werden, die 

  • eigene Handlungen oder
  • Gegenstand eigener Wahrnehmung  

gewesen sind (§ 138 Abs. 4 ZPO), außer von dem Betreitenden

  • kann nach der Lebenserfahrung glaubhaft gemacht werden, sich an gewisse Vorgänge nicht mehr erinnern zu können,
  • können nähere Umstände hierzu dargetan werden, die das Fehlen von Erinnerung glaubhaft machen und
  • können diese näheren Umstände auch bewiesen werden, falls der Gegner sie bestreitet. 

Was Zivilprozessparteien sonst noch wissen müssen:

Liegt ein 

  • typischer Geschehensablauf 

vor und spricht aufgrund dessen der Beweis des ersten Anscheins für die dafür 

  • verantwortliche Ursache, 

wie beispielsweise bei

muss der Prozessgegner zunächst 

  • darlegen und 
  • beweisen,

dass der Geschehensablauf (also beispielsweise das Auffahren)

  • tatsächlich Besonderheiten 

aufweist, die den Anscheinsbeweis nicht zulassen (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2016 – VI ZR 32/16 – zum Auffahrunfall).


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