Widerruf einer Vorsorgevollmacht durch den Betreuer?

Widerruf einer Vorsorgevollmacht durch den Betreuer?

Ein gerichtlich bestellter Betreuer kann eine Vorsorgevollmacht nur widerrufen, wenn ihm diese Befugnis

  • als eigenständiger Aufgabenkreis ausdrücklich zugewiesen ist.
  • Ist einem Betreuer nicht der Aufgabenkreis des Widerrufs der Vorsorgevollmacht ausdrücklich zugewiesen, kann ein von ihm ausgesprochener Widerruf keine Wirksamkeit entfalten.

 

Die Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf ist

  • weder in allgemein zugewiesenen Aufgabenkreisen eines Regelbetreuers
  • noch in dem allgemeinen Aufgabenkreis eines Kontrollbetreuers nach § 1896 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) enthalten.

 

Zwischen einem Regelbetreuer und einem Kontrollbetreuer nach § 1896 Abs. 3 BGB ist insoweit auch nicht zu unterscheiden.
Soweit die Ausführungen in den Beschlüssen des XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 13.11.2013 – XII ZB 339/13 – und vom 01.08.2012 – XII ZB 438/11 – dahingehend verstanden werden könnten, dass der Kontrollbetreuer ggf. auch ohne ausdrückliche Zuweisung dieses Aufgabenkreises zum Widerruf der Vollmacht berechtigt sei, hält der BGH hieran nicht fest.

  • Das gleiche gilt für die Ermächtigung zur Beendigung des der Vollmacht zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses, wodurch gemäß § 168 Satz 1 BGB die Vollmacht ebenfalls erlischt.

 

Ob im Falle einer Kontrollbetreuung (§ 1896 Abs. 3 BGB) auch ein Rechtspfleger im Rahmen der ihm nach §§ 3 Nr. 2, 15 Abs. 1 S. 2 Rechtspflegergesetz (RPflG) übertragenen Geschäfte den Aufgabenkreis des Vollmachtwiderrufs zuweisen kann oder ob dies – im Hinblick auf das besondere Gewicht des Grundrechtseingriffs und zur Wahrung der in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) statuierten Rechtsweggarantien – dem Richter vorbehalten ist, hat der BGH (noch) nicht entschieden.

Gerechtfertigt ist eine gerichtliche Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf allein zu dem Zweck, eine Gefährdungslage für den Betroffenen abzuwenden.
Der Aufgabenkreis Vollmachtwiderruf kann daher einem Betreuer nur dann übertragen werden,

  • wenn das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und
  • in erheblicher Schwere befürchten lässt.
  • Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz erfordert ferner, dass mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass mildere Mittel nicht zur Abwehr eines Schadens zur Verfügung stehen.

 

Der mit der Ermächtigung des Betreuers zum Vollmachtwiderruf verbundene Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen ist dann verhältnismäßig,

  • wenn er geeignet, erforderlich und angemessen ist, um Schaden vom Betroffenen abzuwenden und
  • er dadurch dessen Wohl gemäß den Zielen des Erwachsenenschutzes dient.

 

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass der Vollmachtwiderruf seinerseits eine Betreuungsnotwendigkeit begründen oder perpetuieren kann und dieses gerade dem mit der Vorsorgevollmacht verfolgten und durch § 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB geförderten Zweck widerspricht, eine Betreuung zu vermeiden.

  • Sind behebbare Mängel bei der Vollmachtausübung festzustellen, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz regelmäßig zunächst den Versuch, durch einen zu bestellenden (Kontroll-)betreuer auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken, insbesondere durch Verlangen nach Auskunft und Rechenschaftslegung (§ 666 BGB) sowie die Ausübung bestehender Weisungsrechte.

 

Die Ausübung der Kontroll- und Steuerungsmöglichkeiten ist als geringerer Grundrechtseingriff grundsätzlich vorrangig vor einer Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf.
Nur wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder es aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Sicherheit als ungeeignet erscheint, drohende Schäden auf diese Weise abzuwenden, ist die Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf, der die ultima ratio darstellt, verhältnismäßig.

  • Auch wenn aufgrund ausdrücklicher richterlicher Zuweisung des Aufgabenkreises der Betreuer den Vollmachtwiderruf wirksam erklärt hat, kann der Bevollmächtigte gemäß § 303 Abs. 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) noch im Namen des Betroffenen Beschwerde gegen die Betreuerbestellung einlegen.

 

Nach dieser Vorschrift kann der Vorsorgebevollmächtigte gegen eine Entscheidung, die seinen Aufgabenkreis betrifft, auch im Namen des Betroffenen Beschwerde einlegen.
Durch den Widerruf der Vorsorgevollmacht entfällt nämlich nicht die Vertretungsmacht nach § 303 Abs. 4 FamFG. Diese Vertretungsmacht endet erst mit dem Abschluss des Verfahrens über die Rechtmäßigkeit der Betreuerbestellung bzw. wenn dieses nicht mehr in zulässiger Weise eingelegt bzw. weiterverfolgt werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 15.04.2015 – XII ZB 330/14 –).
Da dem Bevollmächtigten durch die Befugnis, im Namen des Betroffenen Beschwerde einzulegen, gerade die Überprüfung der Betreuerbestellung ermöglicht werden soll, steht der Widerruf der Vollmacht durch einen Betreuer dem Beschwerderecht nicht entgegen. Damit soll gewährleistet werden, dass dem Rechtsmittel nicht durch einen vom Betreuer erklärten Widerruf der Vollmacht die Grundlage entzogen werden kann.

Darauf hat der XII. Zivilsenat des BGH mit Beschluss vom 28.07.2015 – XII ZB 674/14 – hingewiesen.

 


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