Eine zahnärztliche Behandlung, die nach einer Therapie mittels Protrusionsschienen provisorischen Zahnersatz verfrüht eingliedert, kann grob behandlungsfehlerhaft sein.
Das hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm mit Urteil vom 06.06.2014 – 26 U 14/13 – entschieden.
In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte sich die seinerzeit 37 Jahre alte Klägerin 2003 wegen Zahn- und Kopfschmerzen in die Behandlung des beklagten Zahnarztes begeben. Dieser versorgte sie, um eine Kieferfehlstellung zu korrigieren, im Juli 2003 mit einer Protrusionsschiene.
Nachdem die Beschwerden der Klägerin zunächst nicht nachließen, entfernte der Beklagte im Oktober 2003 die bei der Klägerin vorhandenen Amalganfüllungen und schliff die Zähne für den geplanten Einsatz von Interimszahnersatz ab.
Ende Oktober 2003 setze er die Interimsbrücken ein.
In der Folgezeit verstärkten sich die Zahnschmerzen der Klägerin. Sie erlitt eine Knochenentzündung im Oberkiefer, die im November 2003 stationär behandelt werden musste.
Erst nach dem Entfernen der Provisorien des Beklagten verbesserte sich der Gesundheitszustand der Klägerin, bei zwischenzeitlich allerdings chronisch gewordenen Schmerzen.
Mit der Begründung, dem Beklagten sei als Behandlungsfehler anzulasten, dass er verfrüht von der Protrusionsschienentherapie auf die Eingliederung von provisorischem Zahnersatz übergegangen sei, verlangte die Klägerin von ihm Schadensersatz, u.a. ein Schmerzensgeld.
Das Schadensersatzbegehren war erfolgreich.
Wegen des Vorliegens von Behandlungsfehlern hat der 26. Zivilsenat des OLG Hamm gemäß den §§ 611, 280, 249 ff., 253 Abs.2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) u. a. ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.000 € zugesprochen.
Der Senat lastete dem Beklagten als groben Behandlungsfehler an, dass er die provisorische prothetische Versorgung in Angriff genommen hatte, obwohl die Position des Unterkiefers durch die Schienentherapie noch nicht hinreichend gesichert war.
Die mit einer Schienentherapie erreichte Position sei, nachdem die Verschiebung der Kieferposition auch aufgrund der muskulären Beteiligung ein dynamischer Prozess ist, erst dann als gesichert anzusehen, wenn der Patient mit ihr ein halbes Jahr beschwerdefrei gelebt habe. Dies sei bei der Klägerin nicht der Fall gewesen, sie habe noch Anfang September 2003 über Beschwerden geklagt.
Das Vorgehen des Beklagten bewertete der Senat als einen groben Behandlungsfehler, also um einen eindeutigen Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln oder gesicherte medizinische Erkenntnisse, der aus objektiver ärztlicher Sicht nicht mehr verständlich erscheint, weil er einem Arzt schlechterdings nicht unterlaufen darf (vgl. etwa Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 03.07.2001 – VI ZR 418/99 –).
Insbesondere berücksichtigte der Senat dabei, dass die zu fordernde Zeit der Beschwerdefreiheit so deutlich unterschritten worden war, dass sich das Scheitern der Bemühungen geradezu aufdrängen musste.
Aufgrund dessen haftet der Beklagte für die bei der Klägerin eingetretenen Primärschäden einschließlich der Folgeerscheinungen, die Ausdruck dieser Primärschäden sind.
Den Gegenbeweis mangelnder Kausalität hatte der Beklagte nicht führen können.
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