Tag Anhaltspunkte

OLG Karlsruhe entscheidet wann Träger eines Pflegeheim beim Sturz eines (demenzkranken) Bewohners

…. wegen Verletzung der Überwachungs- bzw. Aufsichtspflicht haften und wann nicht.

Mit Urteil vom 18.09.2019 – 7 U 21/18 – hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe in einem Fall, in dem eine 83jährige an Demenz erkrankten Bewohnerin eines Pflegeheims,

  • bei der bisher keine Anhaltspunkte für ein Sturzrisiko ersichtlich waren,

bei dem Versuch,

  • bei einem Toilettengang

ohne Hilfe aufzustehen, gestürzt war

  • und dabei eine Oberschenkelhalsfraktur erlitten hatte,

entschieden, dass der Träger des Pflegeheims für die Sturzfolgen nicht haftet.

Begründet hat der Senat dies damit, dass den Pflegekräften des Heims keine Verletzung der Sorgfaltsplichten vorgeworfen werden könne.

Zwar seien, so der Senat, Pflegeheime verpflichtet Bewohner nach Möglichkeit vor Stürzen zu bewahren, jedoch richte sich der Umfang der zu treffenden Sicherungsmaßnahmen danach,

  • ob und inwieweit sich ein Sturzrisiko absehen lasse

und sei insbesondere vor einer lückenloser Überwachung während des Toilettengangs stets abzuwägen,

  • ob diese Beeinträchtigung der Intimsphäre zum Schutz des Bewohners vor einem Sturz auch tatsächlich notwendig ist,

so dass, solange Anhaltspunkte für eine Sturzgefahr bei einem Bewohner

  • weder bei der allgemeinen Fortbewegung im Heim,
  • noch während des Toilettengangs

ersichtlich sind, eine lückenlose Beaufsichtigung auch von Demenzkranken nicht gewährleistet werden muss (Quelle: Pressemitteilung des OLG Karlsruhe).

Wichtig zu wissen wenn das Auto durch einen von den Rädern eines vorausfahrenden Fahrzeugs aufgewirbelten Stein beschädigt wurde

Wird ein auf der Straße liegender Stein von den Rädern eines Kraftfahrzeugs aufgewirbelt und auf das nachfolgende Fahrzeug geschleudert, kann,

  • weil der Schaden „beim Betrieb“ eines Kraftfahrzeugs entstanden ist,
  • einem dadurch Geschädigten

ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 7 Abs. 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) gegen den Halter des schadensverursachenden Kraftfahrzeugs und dessen Haftpflichtversicherer zustehen.

Deren Haftung ist in einem solchen Fall nicht nach § 7 Abs. 2 StVG ausgeschlossen, weil unter „höhere Gewalt“ i. S. dieser Vorschrift

  • nur ein betriebsfremdes, von außen durch elementare Naturkräfte oder durch Handlungen dritter Personen herbeigeführtes Ereignis fällt, das nach menschlicher Einsicht und Erfahrung unvorhersehbar ist, mit wirtschaftlich erträglichen Mitteln auch durch die äußerste nach der Sachlage vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht verhütet oder unschädlich gemacht werden kann und auch nicht wegen seiner Häufigkeit in Kauf zu nehmen ist.

Allerdings kann die Haftung des Halters des schadensverursachenden Kraftfahrzeugs und damit auch die Haftung von dessen Haftpflichtversicherung

  • nach § 17 Abs. 3 StVG ausgeschlossen sein,
  • wenn der Schadensfall durch ein unabwendbares Ereignis verursacht wurde.

Als unabwendbar gilt ein Ereignis dann, wenn

  • sowohl der Halter
  • als auch der Führer des Fahrzeugs

jede nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt beobachtet hat, wobei ein unabwendbares Ereignis

  • nicht nur vorliegt bei absoluter Unvermeidbarkeit des Unfalls,
  • sondern auch dann, wenn dieser bei Anwendung der äußersten möglichen Sorgfalt nicht abgewendet werden konnte, wozu
    • ein sachgemäßes, geistesgegenwärtiges Handeln über den Maßstab der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt im Sinne von § 276 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hinaus gehört,
    • so dass der Fahrer, der mit Erfolg die Unabwendbarkeit des Unfalls geltend machen will, sich wie ein „Idealfahrer“ verhalten haben muss.

Damit verlangt § 17 Abs. 3 S. 1, 2 StVG, dass der „Idealfahrer“ in seiner Fahrweise auch die Erkenntnisse berücksichtigt, die nach allgemeiner Erfahrung geeignet sind, Gefahrensituationen nach Möglichkeit zu vermeiden.

  • Darlegungs- und Beweisbelastet für die Unabwendbarkeit im Rahmen des § 17 Abs. 3 StVG ist immer derjenige, der sich auf sie beruft.

War eine Gefährdung Dritter durch einen hochgeschleuderten Stein nicht voraussehbar, weil beispielsweise

  • sich der Vorfall auf einer gut ausgebauten, mit Asphalt versehenen Straße gehandelt hat und
  • kein Anhaltspunkt für das Herumliegen loser Steine bestanden hat,

kann ein unabwendbares Ereignis vorliegen.

Um kein unabwendbares Ereignis kann es sich dagegen dann handeln, wenn

  • mit dem Vorhandensein lose herumliegender Steine zu rechnen war, wie beispielsweise in einem Baustellenbereich,

weil ein Kraftfahrer einer durch seine Fahrweise bedingten möglichen Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer durch wesentliche Herabsetzung der Geschwindigkeit Rechnung tragen muss.

Allerdings muss auch im Bereich einer Baustelle nicht immer zwingend mit Verschmutzungen der Fahrbahn gerechnet werden bzw. kann es gleichwohl sein, dass es dort keine Anhaltspunkte für Steine auf der Fahrbahn gegeben hat.

Darauf hat das Landgericht (LG) Nürnberg-Fürth mit Urteil vom 30.03.2017 – 2 S 2191/16 – hingewiesen.

Was ein Fahrzeugeigentümer, dessen Auto durch Steinschlag beschädigt worden ist, wissen sollte

Der Eigentümer eines Autos, dessen Fahrzeug durch auf eine öffentliche Straße rollendes Gestein beschädigt wird, kann Ersatz des ihm dadurch entstandenen Schadens von dem Träger der Straßenbaulast verlangen, wenn dieser seine Straßenverkehrssicherungspflicht verletzt hat.

Allerdings liegt auch bei einer bekanntermaßen häufiger von Felsabbrüchen betroffenen Straße eine Verkehrssicherungspflichtverletzung normalerweise dann nicht vor, wenn die Strecke

  • mit dem Warnschild „Steinschlaggefahr“ versehen und
  • im Rahmen der Vorsorge gegen die Steinschlaggefahr fortlaufend beobachtet worden war (vgl. hierzu auch Oberlandesgericht (OLG) Jena, Urteil vom 21.03.2000 – 3 U 653/99 –).

Eine Verpflichtung zu weiteren Maßnahmen, die über engmaschige Kontrollen von Steinschlägen betroffenen und mit einem entsprechenden Warnschild versehenen Strecken durch einen Straßenwärter hinausgehen, besteht nämlich

  • auch bei bekanntermaßen häufiger von Felsabbrüchen betroffenen Strecken nur dann,
  • wenn mit einer Gefährdung durch Steinschlag als naheliegend zu rechnen ist.

Darauf und

  • dass Anhaltspunkte für eine solche naheliegende Gefährdung, die Anlass für weitere Maßnahmen des Verkehrssicherungspflichtigen hätten sein können, von dem Geschädigten nachgewiesen werden müssen,

hat das Landgericht (LG) Coburg mit Urteil vom 10.06.2016 – 22 O 688/15 – hingewiesen (Quelle: Pressemitteilung des LG Coburg Nr. 15/2016 vom 10.08.2016).

Wann hat ein Vermieter das Recht die von ihm vermietete Wohnung zu besichtigen?

Sofern ernsthafte Anhaltspunkte für einen Schadenseintritt bestehen und abgesehen davon, spätestens alle 5 Jahre, muss ein Mieter die Besichtigung der Mietwohnung durch den Vermieter dulden.

Das hat das Amtsgerichts (AG) München mit Urteil vom 10.12.2015 – 461 C 19626/15 – entschieden und in einem Fall, in dem,

  • aus einer Mietwohnung über mehr als zwei Wochen unangenehme, nicht definierbare Gerüche ausgetreten waren und die Vermieterin, weil sie Sorge hatte, dass Schimmel, Fäulnis oder gar eine Verwesung Ursache des üblen Geruchs sein könnten, die Wohnung hatte besichtigen wollen und
  • dies vom Mieter abgelehnt worden war,

den Mieter verurteilt, die Besichtigung der Wohnung durch die Vermieterin nach einer Vorankündigung von fünf Werktagen zu dulden.

Nach dieser Entscheidung hat ein Vermieter beispielsweise dann ein Besichtigungsrecht, wenn es in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum zu einem muffigen Geruchsaustritt aus der Mietwohnung gekommen ist, weil dies eine nachhaltige negative Beeinträchtigung der Sachsubstanz durch Schimmelbildung befürchten lässt.

Dass ein Vermieter alle 5 Jahre eine Besichtigung der Mietwohnung verlangen kann, hat das AG damit begründet,

  • dass ein Vermieter nicht auf Dauer von seinem Eigentum und insbesondere der Möglichkeit, den Zustand seines Eigentums zu überprüfen, ausgeschlossen werden könne,
  • nach der allgemeinen Verkehrsanschauung und der allgemeinen Vertragspraxis nach Ablauf von fünf Jahren auch bei bestimmungsgemäßem und vertragsgemäßem Gebrauch eine solche Abnutzung auftreten kann, dass Arbeiten in dem Mietobjekt vorgenommen werden müssen, um eine Substanzschädigung zu vermeiden und
  • durch eine Wohnungsbesichtigung alle fünf Jahre, die vorher angekündigt und schonend vorgenommen werden müsse, ein Mieter auch nicht über Gebühr in seinem Lebensbereich beeinträchtigt werde (Quelle: Pressemitteilung des AG München 45/16 vom 10.06.2016).