LG Heilbronn entscheidet, dass Käufer eines PKW Audi Q 3, EURO-Norm 5, mit dem Dieselmotor EA 189

…. vom Verkäufer die Rückabwicklung des Kaufvertrages verlangen kann, jedoch im Rahmen der Rückgabe eine Nutzungsentschädigung zu berücksichtigen ist.

Mit Urteil vom 15.8.2017 – 9 O 111/16 – hat die 9. Kammer des Landgerichts (LG) Heilbronn entschieden, dass Käufer eines neuen PKW Audi Q3, EURO-Norm 5, mit einem Dieselmotor EA 189, berechtigt sind – ohne dass es hierzu einer vorherigen Aufforderung zur Nachbesserung bedarf –

  • vom Kauf zurückzutreten und
  • vom Verkäufer die Rückabwicklung des Kaufvertrages zu verlangen,

da

  • der Motor dieses Fahrzeugs mit einer Umschaltsoftware ausgestattet ist, die die Abgasrückführung in zwei verschiedenen Modi betreibt, je nachdem, ob es sich auf dem Prüfstand (Modus 1) oder im realen Fahrbetrieb (Modus 0) befindet und
  • bei dem die mit Hilfe dieser Vorrichtung auf dem Prüfstand erzielten Abgaswerte damit nicht nur deshalb von denjenigen im realen Fahrbetrieb abweichen, weil der durchgeführte Fahrzyklus nicht dem realen Fahrbetrieb entspricht, sondern weil die Abgasrückführungsrate im Prüfbetriebsmodus (Modus 1) höher ist, als auf der Straße (Modus 0)

und

  • diese beim Kauf eingebaut gewesene Software zu einem merkantilen Minderwert führt,
  • der nicht nachgebessert werden kann.

Zur Begründung ausgeführt hat die Kammer, dass ein bei der Übergabe mit einer solchen Umschaltsoftware ausgestattetes Fahrzeug nicht die Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach Art der Sache erwarten konnte und demzufolge mit einem nicht nur unerheblichen Sachmangel behaftet ist, § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

  • Der Durchschnittskäufer eines Neufahrzeuges darf nämlich objektiv erwarten, dass in dem von ihm erworbenen Fahrzeug eine solche, auf Täuschung der zuständigen Kontrollinstanzen angelegte und vorschriftswidrige Vorrichtung nicht vorhanden ist.

Beworben wurden die Fahrzeuge vom Hersteller, so die Kammer, mit den Abgaswerten, die sie im Testbetrieb (Modus 1) erreicht hatten. Dieses ist eine Beschaffenheitsgarantie im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 3 BGB, da auch dem Verkäufer diese Werte bekannt waren.

  • Beim Käufer wurde dadurch nicht nur der Eindruck erweckt, dass diese Fahrzeuge im Realbetrieb zumindest ähnliche Werte erreichen – es wurde vor allem der Eindruck erweckt, die Motoren dieser Fahrzeuge würden im Realbetrieb betreffend die Abgasreinigung genauso betrieben, wie im Testbetrieb.

Dass dem nicht so war, ist eine Abweichung von der vereinbarten Beschaffenheit.

Ferner zeigt nach Auffassung der Kammer ein einfaches Gedankenexperiment, dass auch nach einem Software-Update das Fahrzeug die beim Verkauf zugesagte Beschaffenheit nicht erreicht und warum ein merkantilen Minderwert bei dem Fahrzeug verbleibt:

  • Die Ingenieure der Motorenentwicklung hätten, wenn sie durch das jetzige Update die Möglichkeit gesehen hätten, die zugesagten Abgaswerte zu erreichen, dieses Update gleich bei der Produktion des Motors eingebaut – sie hätten sich also die Entwicklung und Programmierung des Modus 0 schlicht erspart und die Fahrzeuge im Modus 1 hergestellt und ausgeliefert.
    Dass jemand zusätzlichen Aufwand betreibt um das zu erreichen, was er ohne vorherigen Aufwand bereits hatte, ist in der auf Gewinnmaximierung ausgerichteten Automobilbranche nicht vorstellbar.
    Es wurde vielmehr „geschummelt“, um den Test zu bestehen, sodann das Fahrzeug mit den bei einem korrekten Test nicht erreichbaren Abgaswerten beworben und damit auch mit dieser – nicht erreichbaren – Beschaffenheit verkauft.
    Um diese Unkorrektheit bei Nachprüfungen zu verheimlichen, wurde weiter entschieden, diese „Schummel-Software“ in alle Fahrzeuge einzubauen und nicht nur in die Fahrzeuge, die offiziell getestet wurden.
  • Genau dieses System kann nur als flächendeckendes Betrugssystem bewertet werden, das zu einem so erheblichen Vertrauensverlust gegenüber Dieselmotoren des Herstellers VW führt, dass ein nicht nachbesserbarer merkantiler Minderwert nach den Gesetzen des freien Marktes offensichtlich gegeben ist.
    Die betroffenen Fahrzeuge sind auf dem Gebrauchtwagenmarkt nur mit erheblichem Abschlag zu veräußern.
  • Das tief sitzende Misstrauen der Kunden zeigt sich insbesondere in den rückläufigen Zulassungszahlen für neue Dieselfahrzeuge, obwohl diese der EURO-6-Norm entsprechen sollen.
    Dieses hat negative Auswirkung auf die Preisentwicklung der gebrauchten EURO-5-Diesel, wie dem streitgegenständlichen. Nach einem Bericht der Zeitschrift „Der Spiegel“ in der Ausgabe vom 05.08.2017 (dort Seite 15) sind die Preise für gebrauchte Dieselfahrzeuge um bis zu 25 % gefallen und sind die Zulassungszahlen für Dieselfahrzeuge im Vergleich zum Vorjahresmonat um 13 % gesunken.